Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100295/2/Weg/Ri

Linz, 02.01.1992

VwSen - 100295/2/Weg/Ri Linz, am 2. Jänner 1992 DVR.0690392 A W, K; Straferkenntnis wegen Übertretung der StVO 1960 Berufung

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung des A W vom 9. Dezember 1991 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d.Krems vom 26. November 1991, VerkR-96/1939/1991/Bi/Sö, zu Recht:

I. Die Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, abgewiesen und diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Berufung hinsichtlich der Strafhöhe wird mit der Maßgabe Folge gegeben, als die Geldstrafen für das Faktum 1. mit 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und für das Faktum 2. mit 400 S (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) festgesetzt werden.

III. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 140 S.

Rechtsgrundlage: zu I. und II.: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.Nr. 51/1991, i.V.m. §§ 19, 24, 51 Abs.1 und 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991. zu III.: § 64 und § 65 VStG Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d.Krems hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretungen des 1. § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 und 2. des § 4 Abs. 5 StVO 1960 Geldstrafen von 1. 1.500 S und 2. 500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitstrafen von 1. 36 Stunden und 2. 12 Stunden verhängt, weil dieser am 29. März 1991 um 8.30 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen auf der B vor dem Haus Nr. im Ortsgebiet von K in Richtung markteinwärts gelenkt hat und dabei 1. nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang stand, das von ihm gelenkte Fahrzeug nicht sofort angehalten hat und 2. es nach dem Verkehrsunfall mit Sachschaden unterlassen hat, die nächste Sicherheitsdienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.

Gleichzeitig wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 200 S vorgeschrieben.

I.2. Diesem Straferkenntnis liegt eine Anzeige des Gendarmeriepostens K vom 8. April 1991 zugrunde, wonach der Beschuldigte mit einem Schäferhund kollidierte, der in der Folge (ca. 1/2 Stunde später) verendete. Bei dieser Kollision sei auf der rechten vorderen Seite der Spoiler des PKW's stark eingedrückt worden.

Im durchgeführten ordentlichen Verfahren wurde ein Gutachten eines straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen eingeholt, nach welchem der Berufungswerber mit der von einem Lenker eines Kraftfahrzeuges geforderten Aufmerksamkeit den von ihm verursachten Verkehrsunfall hätte wahrnehmen müssen. Außerdem wurde die Zeugenaussage des Fußgängers T W mitberücksichtigt, wonach das Anstoßgeräusch weithin hörbar und wahrnehmbar gewesen sei und einem dumpfen Schlag auf Blech gleichgekommen sei.

I.3. In der fristgerecht eingebrachten Berufung wendet sich der Berufungswerber - wie schon im Verfahren vor der Erstbehörde - gegen den Vorwurf er habe den Verkehrsunfall verschuldet. Er beteuert auch, daß er den Verkehrsunfall nicht bemerkt habe und er das von ihm wahrgenommene Geräusch auf die Fahrbahnunebenheiten zurückgeführt habe. Es habe kein Grund zur Fahrerflucht bestanden, da ihn an dem Verkehrsunfall nicht die geringste Schuld treffe. Er wendet weiter ein, daß eigentlich er der Geschädigte gewesen sei und er gegen den Hundehalter rechtmäßige Forderungen stellen könne. Er habe keinen wie immer gearteten Anlaß gehabt, von der Unfallstelle wegzufahren, zumal er Schadenersatzforderungen vorbringen hätte können.

Im gegenständlichen Fall sei es so gewesen, daß er bei eingeschaltetem Autoradio, vielleicht auch während eines Gespräches mit seiner Gattin, den Anstoß mit dem leichten Tier nicht deutlich genug wahrnehmen habe können bzw. das Anstoßgeräusch als übliches stärkeres Fahrgeräusch empfunden habe. Dies umso mehr, als gerade die Bahnhofstraße in Kremsmünster in diesem Bereich nach diversen Baugebrechen starke Unebenheiten aufweist und der Hund für ihn uneinsehbar seitlich von rechts kommend direkt gegen sein Auto gelaufen sei. Sein Blick sei geradeaus und auf die Fahrbahn konzentriert gewesen, zumal er Gegenverkehr gehabt habe. In der Berufung ist desweiteren der Eventualantrag gestellt, die Strafhöhe zu reduzieren. Er verweist in diesem Zusammenhang auf sein geringes Pensionseinkommen und auf sein fast unbescholtenes Fahrverhalten seit 1955.

I.4. Von der Möglichkeit einer Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben, der infolge einer 10.000 S nicht übersteigenden Geldstrafe durch ein Einzelmitglied zu erkennen hat. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nicht anzuberaumen, weil der von der Erstbehörde ermittelte Sachverhalt keiner Ergänzung bedarf und die Hauptargumentation des Berufungswerbers darauf gerichtet ist, daß ihn kein Verschulden am Verkehrsunfall treffe, was letztlich in diesem Verfahren nicht von Bedeutung ist, weil - wie noch ausgeführt wird es auf die ursächliche Beteiligung (also nicht auf das Verschulden) ankommt. Im übrigen wurde in der Berufungsschrift eine mündliche Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt.

I.5. Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den vor der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsakt. Demnach gilt als erwiesen, daß der Berufungswerber mit seinem PKW einen die Fahrbahn überquerenden Schäferhund tödlich verletzte. Es wird dem Berufungswerber nicht unterstellt, daß ihn ein Verschulden an diesem Verkehrsunfall trifft. Es wird ihm, der schon 81 Jahre alt ist, auch nicht vorgeworfen, daß er den Verkehrsunfall bemerkt hat. Als erwiesen gilt desweiteren, daß der Frontspoiler aus massivem Stahlblech sichtbar geknickt und einschließlich des rechten Kotflügels um ca. 4 cm gestaucht wurde. Die Stoßstange ist ebenfalls um 3 cm gestaucht und steht am Frontblech an. Das Gutachten des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen vom 30. Juli 1991, BauME-010000/673-1991, kommt zu nachstehendem Ergebnis: "Bei einer derartigen Kollision entsteht ein Anstoßgeräusch, das in einem wesentlich anderen Frequenzbereich (vergleichbar mit einem dumpfen Knall) liegt, als jener des Umgebungslärms oder des Motorgeräusches. Weiters besitzt die Karosserie die physikalische Eigenschaft, welche der des Resonanzkastens ähnlich ist und bewirkt, daß solche Anstoßgeräusche im Inneren des PKW's gut zu hören sind. Mit der vom Lenker eines Kraftfahrzeuges geforderten Aufmerksamkeit hätte der Beschuldigte den von ihm verursachten Verkehrsunfall wahrnehmen müssen." Der Berufungswerber hat ein Geräusch wahrgenommen, dieses jedoch auf das Überfahren eines Kanaldeckels oder einer sonstigen Straßenunebenheit zurückgeführt. Als hinsichtlich der Schuldfrage entscheidungsrelevanter Sachverhalt gilt es im Hinblick auf die obigen Ausführungen als erwiesen, daß es dem Berufungswerber bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätte kommen müssen, daß er an einem Verkehrsunfall mit Sachbeschädigung (ein Hund gilt als Sache) ursächlich beteiligt war.

Zu den von der Erstbehörde in ihrer Entscheidung aufgenommenen Strafbemessungsgründen (Unbescholtenheit und geringes Einkommen) wird noch als für die Festsetzung der Strafhöhe entscheidungswesentlich angesehen, daß der Berufungswerber den Verkehrsunfall tatsächlich nicht bemerkt hat (auch wenn, wie schon ausgeführt, er ihn hätte bemerken müssen).

I.6. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 hat ein Fahrzeuglenker, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofort anzuhalten.

Gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 hat dieser Lenker, wenn beim Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.

Die sich aus § 4 Abs.1 lit.a und § 4 Abs.5 StVO 1960 ergebenden Verpflichtungen treten bereits dann ein, wenn ein Kraftfahrzeuglenker bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bemerken müssen, daß er an einem Verkehrsunfall mit Sachbeschädigung beteiligt ist. Wie unter I.5. bereits ausgeführt, gilt dieser Umstand - insbesondere durch das Gutachten eines straßenverkehrstechnischen Sachverständigen - als erwiesen.

II. Neben dem im Materiengesetz normierten Strafrahmen ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Rücksicht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen für die Verletzung des § 4 Abs.1 lit.a StVO (Nichtanhalten) beträgt gemäß § 99 Abs.2 StVO 1960 500 S bis 30.000 S. Für die Verletzung des § 4 Abs.5 beträgt der Strafrahmen gemäß § 99 Abs.3 StVO 1960 bis zu 10.000 S.

Der unabhängige Verwaltungssenat schließt sich den Ausführungen der Erstbehörde hinsichtlich der Strafbemessungsgründe mit der Maßgabe an, daß das Verschulden an den Verletzung der Anhaltepflicht und an der Verletzung der Meldepflicht deshalb geringfügig ist, weil der 81-jährige Berufungswerber den Verkehrsunfall wahrscheinlich nicht bemerkt hatte. Dies führt zu der vom Berufungswerber begehrten Strafminderung, zumal erschwerende Elemente nicht zu erkennen waren. Bemerkt wird in diesem Zusammenhang noch, daß mit der Reduzierung der Geldstrafe keinesfalls eine Exkulpierung von der Aufmerksamkeitspflicht verbunden ist.

III. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider