Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401027/14/Gf/Mu/Bu

Linz, 27.08.2009

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des B C, dzt. P S, vertreten durch M B, O G, 4 S..., wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Linz-Land seit dem 24. August 2009 nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 26. August 2009 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird insoweit abgewiesen, als sie den Zeitraum der Anhaltung des Beschwerdeführers vom 24. August 2009 bis zum Zeitpunkt der Zustellung der vorliegenden Entscheidung an die belangte Behörde betrifft.

 

II. Es wird festgestellt, dass die für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft maßgebenden Gründe ab dem Zeitpunkt der Zustellung der gegenständlichen Entscheidung an die belangte Behörde nicht mehr vorliegen; gleichzeitig wird angeordnet, dass der Beschwerdeführer

 

1. in 4... T, A // Unterkunft zu nehmen und sich – beginnend ab dem dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung an den Beschwerdeführer folgenden Tag – unaufgefordert jeden Tag bei der Polizeiinspektion T zu melden hat; sowie

 

2. binnen 14 Tagen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung an ihn die allgemeine gesetzliche Meldepflicht zu erfüllen hat.

 

III. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Linz-Land) einen Kostenersatz in Höhe von insgesamt 887,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 83 Abs. 4 FPG; §79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 24.  August 2009, GZ Sich40-43877, wurde über den Rechtsmittelwerber, einen Staatsangehörigen von Guinea-Bissau, gemäß § 76 Abs. 1 und 3 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 29/2009 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das P (P..) S sofort vollzogen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass gegen den Beschwerdeführer eine seit dem 18. Juni 2009 vollstreckbare Ausweisung bestehe. Da er bei seiner Betretung am Flughafen Linz-Hörsching am 7. August 2009 lediglich auf eine andere Person lautende Papiere habe vorweisen können, sei davon auszugehen gewesen, dass er versuche, seine Identität zu verschleiern, um sich der Abschiebung zu entziehen. Angesichts des Umstandes, dass über ihn bereits drei rechtskräftige gerichtliche Haftstrafen wegen Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz in einer Gesamtdauer von 6 Jahren und 6 Monaten verhängt worden seien, sei daher auch die Anwendung gelinderer Mittel schon von vornherein nicht in Betracht gekommen, weshalb er erstmals mit Bescheid vom 7. August 2009, GZ Sich40-43877, in Schubhaft genommen worden sei.

Nachdem der Oö. Verwaltungssenat mit Erkenntnis vom 17. August 2009, GZ VwSen-401026, festgestellt habe, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft wegen eines Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot rechtswidrig sei, sei er mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 17. August 2009, GZ Sich40-43877, dazu verpflichtet worden, bei der von ihm angegebenen befreundeten Person Unterkunft zu nehmen und sich – beginnend ab dem 18. August 2009 – jeden zweiten Tag zwischen 8.00 Uhr und 16.00 Uhr bei der Polizeiinspektion T zu melden. Da er der letzteren Verpflichtung jedoch bis zum 24. August 2009 de facto nicht entsprochen habe, weder über Barmittel, eine aufrechte Beschäftigung oder Personal- und Reisedokumente verfüge und er zudem keine Verwandte in Österreich habe, sei er sohin neuerlich in Schubhaft zu nehmen gewesen.

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am
24. August 2009 beim Oö. Verwaltungssenat einge­gangene Beschwerde.

Darin wird vorgebracht, dass er bis zu seiner neuerlichen Inschubhaftnahme tatsächlich bei seinem Freund gewohnt und keinerlei Anstalten unternommen habe, sich seiner Abschiebung zu entziehen. Außerdem habe er den Bescheid, mit dem ihm gelindere Mittel aufgetragen wurden, nicht verstanden, da er die deutsche Sprache nicht gut lesen könne. Auch mündlich könne er sich nur mühevoll („mit Ach und Krach“) in Deutsch verständigen und prozessuale Begriffe kaum verstehen. Dennoch habe es die belangte Behörde unterlassen, ihn entsprechend aufzuklären und über die Folgen einer etwaigen Missachtung dieser Anordnung zu belehren.

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung beantragt.

1.3. Mit Schriftsatz vom 24. August 2009, GZ Sich40-43877, hat die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Darin wird ergänzend darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache sehr gut beherrsche und dies auch bereits bei zahlreichen Einvernahmen unter Beweis gestellt habe. Außerdem seien sämtliche Schriftstücke an seinen Rechtsvertreter zugestellt worden, wobei der Rechtsmittelwerber im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 24. August 2009 selbst zugegeben habe, dass ihm der Inhalt des Bescheides vom 17. August 2009 von seinem Rechtsvertreter erklärt worden sei.

Daher wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

1.4. Mit Schriftsatz vom 25. August 2009 hat der Rechtsmittelwerber dazu Stellung genommen und näher darauf hingewiesen, dass er jedenfalls der „Gerichtssprache Deutsch“ nicht mächtig sei. Insbesondere sei es nicht möglich, ihm „Rechtsnachteile in deutscher Sprache erklärbar zu machen“. Außerdem habe der Bescheid vom 17. August 2009 in gesetzwidriger Weise keinen Hinweis auf die Folgen enthalten, die eintreten, wenn die behördlichen Verfügungen nicht befolgt werden – mutwillig habe er diese jedenfalls nicht verletzt.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Linz-Land zu GZ Sich40-43877 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 26. August 2009, zu der als Parteien der Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter M B sowie seitens der belangten Behörde Mag. G F und die beiden Zeugen RI F K und RI R H erschienen sind.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1. dargestellte Sachverhalt festgestellt, wobei gleichzeitig das h. Verhandlungsprotokoll einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildet.

Insbesondere konnte in dieser Verhandlung – gerade wenn man den Umstand berücksichtigt, dass ihm durchaus bewusst war, dass eine demonstrative Zur-Schau-Stellung einer entsprechenden Unkenntnis für ihn durchaus von Vorteil ist – erwiesen werden, dass der Beschwerdeführer einerseits der deutschen Alltagssprache ganz gut folgen und deren Sinn auch ganz gut erfassen kann; dies zeigte sich insbesondere daran, dass er die beiden als Zeugen einvernommenen Polizisten umgehend korrigierte, als diese nicht wussten, wie lange er schon im P.. S in Schubhaft ist. Andererseits kann danach aber auch kein Zweifel daran bestehen, dass er rechtliche Termini, insbesondere prozessuale Begriffe, in der Regel schon von ihrem Sinngehalt nicht erfassen, geschweige denn ihre Folgen zuverlässig abschätzen kann. Dies zeigte sich insbesondere am Beispiel der Differenzierung zwischen „Ausweisung“ und „Ausweis“, die der Rechtsmittelweber aufgrund ihrer weitgehenden Lautgleichheit ständig verwechselte. Seine vor der belangten Behörde im Zuge niederschriftlicher Einvernahmen abgegebenen Äusserungen können daher – da diese dort ja nicht wörtlich wiedergegeben, sondern aus Effizienzgründen in ein sog. Amtsdeutsch übertragen wurden – in der Regel jeweils nur ihrem Sinn nach, nicht jedoch wörtlich aufgefasst werden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 29/2009 (im Folgenden: FPG), hat ein Fremder, gegen den die Schubhaft ange­ordnet wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat u.a. mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft anzurufen.

Gemäß § 76 Abs. 1 erster Satz FPG können Fremde u.a. zu dem Zweck festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, um die Abschiebung zu sichern.

Nach § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in
diesem Sinne gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in perio­dischen Abständen bei einem bestimmten dem Fremden zuvor bekannt gegebenen Polizei­kommando zu melden.

3.2. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, darf im vorliegenden Fall zunächst grundsätzlich auf das h. Erkenntnis vom 17. August 2009, GZ VwSen-401026/6/Gf/Mu/Bu, verwiesen werden, mit dem aus den dort angeführten Argumenten die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 7. bis zum 17. August 2009 als rechtswidrig festgestellt wurde; diese Begründung gilt ergänzend – insbesondere hinsichtlich der darin enthaltenen allgemeinen Feststellungen – auch als ein Bestandteil der Begründung des gegenständlichen Bescheides.

Davon ausgehend ist im gegenständlichen Fall wiederum nur die Frage strittig, ob die Inschubhaftnahme des Rechtsmittelwerbers dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entsprach.

3.2.1. Wie bereits im zuvor angeführten h. Erkenntnis vom 17. August 2009, GZ VwSen-401026, näher ausgeführt, muss die Fremdenpolizeibehörde, wenn sie – wie hier – als eine von mehreren Maßnahmen zur Außerlandesschaffung eines Fremden die Schubhaft anordnet, in jedem Einzelfall das Vorliegen der Voraussetzungen für diese gewählte aufenthaltsbeendende Maßnahme, sodann den aktuellen Sicherungsbedarf und schließlich noch konkret begründen, weshalb keine gelindere, in gleicher Weise zur Zielerreichung geeignete Maßnahme zum Tragen kommen konnte. Dabei sind beispielsweise die Fragen nach einer allfälligen beruflichen Tätigkeit und/oder einer – allenfalls auch wechselnden – Wohnmöglichkeit im Inland (bei Verwandten oder Bekannten) als Aspekte der sozialen Integration des Fremden jeweils von Amts wegen zu ermitteln (vgl. VwGH vom 26. September 2007, Zl. 2004/21/0150).

3.3.2. Gegen den Beschwerdeführer bestehen – was auch von ihm selbst gar nicht bestritten wird – sowohl eine seit dem 18. Juni 2009 vollstreckbare Ausweisung als auch ein seit dem 3. März 2003 (nach dem rechtskräftigen negativen Abschluss seines Asylverfahrens) vollstreckbares unbefristetes Aufenthaltsverbot; die formellen Voraussetzungen für eine Schubhaftverhängung gemäß § 76 Abs. 1 FPG waren daher jedenfalls gegeben.

3.3.3. Davon ausgehend ist zunächst der zur Sicherung der Abschiebung konkret erforderliche Sicherungsbedarf zu prüfen.

3.3.3.1. Im gegenständlichen Fall wurden gegen den Rechtsmittelwerber schon geraume Zeit vor der Schubhaftverhängung aufenthaltsbeendende Maßnahmen gesetzt, nämlich ein Aufenthaltsverbot (rechtskräftig seit März 2003) und eine  Ausweisung (rechtskräftig seit Juni 2009) erlassen; diese Maßnahmen stehen jedoch derzeit nach wie vor keineswegs bereits unmittelbar vor ihrer tatsächlichen Umsetzung, denn aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt ergeben sich keine Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer in naher Zeit in seinen Heimatstaat abgeschoben werden sollte und könnte. Dies wurde auch in der mündlichen Verhandlung insofern bestätigt, als dort der Vertreter der belangten Behörde erklärte, dass erstmals (erst) am 24. August 2009 an die Bundesministerin für Inneres herangetreten wurde, um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu erlangen.

Damit stellt sich für den Rechtsmittelwerber aber die Situation auch nicht so dar, dass er gegenwärtig praktisch umgehend mit seiner faktischen zwangsweisen Außerlandesschaffung zu rechnen hat.

3.3.3.2. In objektiver Hinsicht wurden von der Fremdenpolizeibehörde der Sache nach weiters die Illegalität der Einreise und des Aufenthalts, die Mittellosigkeit und seine mangelnde soziale Integration als einen Sicherungsbedarf begründende Argumente ins Treffen geführt.

In diesem Zusammenhang trifft unbestritten zu, dass der Rechtsmittelwerber rechtswidrig nach Österreich eingereist ist und über keine gültigen Aufenthaltsdokumente verfügt.

Aus ordnungsrechtlicher Sicht handelt es sich dabei zwar bloß um Bagatellvergehen. Da er zudem bei seiner Festnahme gerade im Begriff war, das Bundesgebiet (wenn auch in rechtswidriger Weise) wieder zu verlassen und auch bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 7. August 2009 in keiner Weise zu erkennen gegeben hat, dass er keinesfalls in seinen Heimatstaat zurückkehren kann oder will, konnte die belangte Behörde sohin auch nicht ohne Weiteres von einer Gefahr des zukünftigen Untertauchens ausgehen. Außerdem war er nach seiner Entlassung aus der Strafhaft bis zu seiner erstmaligen Inschubhaftnahme und auch danach stets tatsächlich – wenngleich nicht ordnungsgemäß polizeilich gemeldet – bei seinem Freund aufhältig.

Allerdings verfügt er nach eigenen Angaben gegenwärtig nur mehr über Barmittel in Höhe von 0,73 Euro, kein sonstiges Vermögen und zudem auch über keine arbeitsmarktrechtlichen Papiere. Dazu kommt, dass er keine Verwandten in Österreich hat und hier – von dem von ihm bekannt gegebenen Freund abgesehen – auch sonst nicht sozial integriert ist; es liegt auch keine schriftliche – geschweige denn rechtlich verbindliche (i.S.v. einklagbare) – Erklärung seines Bekannten vor, dass dieser in Zukunft für die Kosten seines Aufenthalts in Österreich, der sich außerdem noch über einen geraumen, derzeit noch gar nicht abschätzbaren Zeitraum hinziehen kann, und seiner Verpflegung aufkäme. Völlig offen ist daher gegenwärtig, auf welche Weise der Rechtsmittelwerber, der über keine Barmittel mehr verfügt und mangels Asylwerberstatus auch keinen Rechtsanspruch auf Unterbringung in der Bundesbetreuung hat, derzeit und in naher Zukunft seinen Lebensunterhalt finanzieren kann. Denn auch eine Unterstützung durch private Hilfsorganisationen erfolgt, wie der Beschwerdeführer im Zuge der öffentlichen Verhandlung deutlich gemacht hat, nur sporadisch und geht dann kaum über die Abdeckung des täglichen Bedarfes hinaus. Die Befürchtung der belangten Behörde, dass die Aufbringung der Kosten für den Lebensunterhalt daher – wie bereits in der Vergangenheit – wiederum nur auf illegalem Weg möglich ist, ist vor diesem Hintergrund zumindest nicht offensichtlich unbegründet.

Davon abgesehen vermag jedenfalls allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer vorbringt, dass er auch bei einem Freund leben könnte, noch keinen Nachweis für dessen fortgeschrittene soziale Integration in Österreich zu bilden, zumal er selbst weder ein dementsprechendes, darüber hinausgehendes Vorbringen erstattet hat (vielmehr hat er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 7. August 2009 [GZ E1/20192/2009-So] bei der Grenzpolizeiinspektion H selbst angegeben, dass er seit 2008 nur „einmal dort und einmal da“ wohnte und deshalb zu einer Bekannten in Portugal fliegen wollte) noch sich sonst entsprechende Hinweise dafür ergeben haben, dass er in Österreich in wirklich intensiver Weise sozial integriert wäre (sodass sich weitergehende amtswegige Ermittlungen in diese Richtung erübrigten; vgl. z.B. VwGH v. 17. März 2009, 2007/21/0542). Im Zuge der öffentlichen Verhandlung hat er überdies selbst angegeben, in Österreich nur seinen in T lebenden Freund zu kennen, weshalb er eben auch nach Portugal ausreisen wollte.

3.3.3.3. Vor diesem Hintergrund kann es damit grundsätzlich auch nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde im Zuge der gemäß Art. 8 EMRK gebotenen Abwägung im konkret vorliegenden Fall die staatlichen Interessen an der öffentlichen Sicherheit und an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber den dadurch beeinträchtigten privaten Interessen des Beschwerdeführers als höher stehend bewertet hat.

3.3.4. Zu prüfen bleibt allerdings noch, ob anstelle der Schubhaftverhängung nicht auch weiterhin gelindere Mittel dazu hingereicht hätten, den mit der Schubhaft verfolgten Zweck in gleicher Weise sicherzustellen.

3.3.4.1. Davon ausgehend hat der Bezirkshauptmann von Linz-Land den Beschwerdeführer am 17. August 2009 zunächst aus der Schubhaft entlassen und diesen gleichzeitig mit Bescheid vom selben Tag, GZ Sich40-43877, dazu verpflichtet, „in 4... T, A. // Unterkunft zu nehmen ..... und sich jeden 2. Tag, beginnend ab 18.08.2009 bei der Polizeiinspektion T zwischen 08.00 Uhr und 16.00 Uhr unaufgefordert zu melden“ (Hervorhebungen im Original).

3.3.4.2. Diesem Auftrag ist der Rechtsmittelwerber jedoch nur insoweit nachgekommen, als er bei seinem Freund Unterkunft genommen hat; eine Meldung bei der PI T erfolgte hingegen – allseits unbestritten – weder am 18. noch am 20., 22. oder 24. August 2009.

3.3.4.2.1. Wenn der Beschwerdeführer diesbezüglich in seiner Eingabe vom 24. August 2009 vorbringt, den ihm ausgestellten Bescheid infolge mangelnder Deutschkenntnisse nicht verstanden zu haben, so ist dem Folgendes entgegenzuhalten:

Nach seinen eigenen Angaben (vgl. die Niederschrift der Grenzpolizeiinspektion H vom 7. August 2009, GZ E1/20192/2009-So, S. 2) hält er sich nunmehr schon seit dem Jahr 2001, also seit acht Jahren in Österreich auf. In diesem Zeitraum hatte er mehrfach und teilweise auch sehr intensive Kontakte mit Verwaltungs- und Gerichtsbehörden (Asylverfahren, Fremdenpolizeiverfahren, gerichtliche Strafverfahren). Außerdem ist er im gegenständlichen Schubhaftbeschwerdeverfahren auch durch eine Person vertreten, die ihrerseits – wie dies in der öffentlichen Verhandlung hervorgekommen ist – keinerlei Probleme mit dem Verständnis der deutschen (Amts-)Sprache hat.

Wenngleich daher dem Beschwerdeführer – worauf bereits zuvor hingewiesen wurde – zu konzedieren ist, dass er der deutschen Alltagssprache zwar gut folgen und deren Sinn auch gut erfassen, aber rechtliche Termini, insbesondere prozessuale Begriffe, in der Regel schon von ihrem Sinngehalt nicht verstehen, geschweige denn ihre Folgen zuverlässig abschätzen kann, so betrifft dies unter dem Aspekt, dass er durch eine Person rechtlich vertreten war und ist, auf die dieses Manko nicht zutrifft, ausschließlich das sog. „Innenverhältnis“, also das Verhältnis zwischen Mandant und Mandatar.

Diesbezüglich hat er im Zuge seiner Einvernahme selbst angegeben, dass ihm sein Rechtsvertreter gesagt habe, dass er „sich alle zwei Tage bei der Polizei melden muss“ (vgl. die Niederschrift der BH Linz-Land vom 24. August 2009, GZ Sich40-43877, S. 2). Selbst wenn man dem Rechtsmittelwerber zubilligt, dass er dabei tatsächlich „etwas falsch verstanden“ hat (vgl. ebd.), so hätte einerseits – und zwar unabhängig davon, ob es sich hierbei schon um ein sprachliches oder um ein davon unabhängiges inhaltliches Missverständnis handelte – für ihn im Rahmen der ihn treffenden Mitwirkungspflicht die Notwendigkeit und Verpflichtung bestanden, entsprechende Rückfragen zu stellen, bis seine Zweifel vollständig ausgeräumt gewesen wären. In diesem Zusammenhang hätte ihn schon deshalb eine dementsprechende erhöhte Sorgfaltspflicht getroffen, weil die Entlassung aus einer Haft schon allgemein eine Situation darstellt, die in der Regel untrennbar mit einem vitalen Interesse daran verbunden ist, jene Bedingungen in Erfahrung zu bringen, unter denen eine künftige neuerliche Inhaftierung zuverlässig vermieden werden kann; und für den Beschwerdeführer gilt dies darüber hinaus angesichts seiner zahlreichen und langjährigen Inhaftierungen noch in ganz besonderer Weise.

Auf der anderen Seite hätte der Rechtsvertreter (angesichts seiner strafrecht­lichen Garantenstellung; vgl. § 2 i.V.m. § 99 StGB) die Pflicht gehabt, sich zu vergewissern, ob sein Mandant den wesentlichen Inhalt des Bescheides auch tatsächlich verstanden und zudem die daraus für den Fall der Nichtbefolgung resultierenden Konsequenzen realisiert hat. Bei entsprechenden Zweifeln wäre es ihm oblegen, entsprechende Aufklärung zu leisten, wobei dies – wie die öffentliche Verhandlung ergeben hat – allenfalls zeitaufwändig, aber keinesfalls (wie in der Stellungnahme vom 25. August 2009 vorgebracht wurde) „absolut unmöglich“ ist.

Vor diesem Hintergrund ist daher die auf § 77 Abs. 4 erster Satz FPG gestützte Vorgangsweise der belangten Behörde nicht als rechtswidrig zu erkennen.

3.3.4.2.2. Schließlich darf im vorliegenden Fall nämlich auch nicht übersehen werden, dass der Rechtsmittelwerber seine Pflicht tatsächlich nicht bloß einmal und somit punktuell, sondern mehrmals und damit dauerhaft (durch eine ganze Woche hindurch) vernachlässigt hat. Dabei hat er nicht einmal ansatzweise vorgebracht, während dieses ausreichend langen Zeitraumes wenigstens einmal den Kontakt zu seinem Rechtsvertreter gesucht oder sich in anderer Weise um eine zuverlässige Aufklärung der aus dem ihm auch persönlich zugestellten Bescheid vom 17. August 2009 resultierenden Verpflichtungen bemüht zu haben.

3.3.5. Vor dem Hintergrund der Illegalität der Einreise und des Aufenthalts, der völligen Mittellosigkeit des Beschwerdeführers bei gleichzeitigem Fehlen eines Anspruches auf Aufnahme in die Bundesbetreuung und arbeitsmarktrechtlicher Papiere, seiner mangelnden sozialen Integration und der faktischen Nichterfüllung der Verpflichtungen des bescheidmäßig vorgeschriebenen gelinderen Mittels anstelle der Schubhaftverhängung kann daher der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie – weil diesen für eine Anordnung der Schubhaft sprechenden Gründen nur gegenüberstand, dass sich der Rechtsmittelwerber auch bis zu seiner neuerlichen Verhaftung tatsächlich bei seinem Freund aufgehalten hat – im Zuge der von ihr zu treffenden Prognoseentscheidung letztlich zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Anordnung gelinderer Mittel nicht in gleicher Weise dazu geeignet war, den mit der Schubhaft verfolgten Zweck sicherzustellen. Denn ein aktives, seiner gesetzlichen Mitwirkungspflicht entsprechendes Wohlverhalten des Beschwerdeführers gegenüber amtlichen Verfügungen war ja für die belangte Behörde bisher in keiner Weise erkennbar, hat er doch aus deren Sicht das diesbezüglich in ihn gesetzte Vertrauen durch sein – wenn auch nur auf Unverständnis, Gleichgültigkeit, Desinteresse, o.Ä. beruhendes – Verhalten (wie z.B. die anfängliche Verschleierung seiner wahren Identität, die permanente Unterlassung einer ordnungsgemäßen polizeilichen Meldung seines Wohnsitzes, die Nichterfüllung der Verpflichtung zur periodischen Meldung bei einer Sicherheitsdienststelle) nicht gerechtfertigt.

4. Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat dann, wenn die Anhaltung des Beschwerdeführers noch andauert, jedenfalls auch festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiterhin vorliegen.

4.1. In diesem Zusammenhang vertreten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts übereinstimmend die Auffassung, dass die Entscheidung des UVS über eine Schubhaftbeschwerde als neuer (Titel-)Bescheid wirkt (der im Falle der Feststellung, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, die weitere Anhaltung in Schubhaft ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des UVS selbst dann legitimiert, wenn die vorangehende Anhaltung als rechtswidrig erkannt wurde und umgekehrt; vgl. z.B. VfGH vom 29. Juni 1995, B 83/95; vom 18. Dezember 1993, B 2091/92; vom 12. März 1992, G 346/91 u.a.; und zuletzt VwGH v. 20. November 2008, Zl. 2008/21/0560).

4.2. Unter dem Eindruck der h. öffentlichen Verhandlung vom 26. August 2009 geht der Oö. Verwaltungssenat davon aus, dass der Rechtsmittelwerber – aus den zuvor dargestellten, in seiner Sphäre gelegenen Gründen – schon den Sinn der im Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 17. August 2009, GZ Sich40-43877, verfügten Anordnungen und erst recht die für den Fall der Missachtung drohenden Konsequenzen bis zu seiner neuerlichen Inschubhaftnahme de facto nicht erfasst hat.

Andererseits wurden dem Beschwerdeführer im Zuge dieser Verhandlung die behördlichen Verfügungen umfassend verdeutlicht, sodass nun kein Zweifel mehr daran bestehen kann, dass er sich sowohl des Inhalts als auch der für den Fall der Nichtbefolgung drohenden Konsequenzen klar bewusst ist.

Vor diesem Hintergrund wäre es aber angesichts der sonst bewirkten gravierenden Grundrechtsbeeinträchtigung (lang dauernder, unverhältnismäßiger Eingriff in die persönliche Freiheit; vgl. Art. 1 PersFrSchG) offensichtlich unbillig, dem Rechtsmittelwerber, der die Missachtung der behördlichen Auflagen keinesfalls mutwillig, sondern nur infolge Unwissenheit und ungenügender Aufklärung missachtet hat, die Möglichkeit zu verwehren, seinen erklärten Willen, sich künftig auflagenkonform zu verhalten, auch tatsächlich unter Beweis stellen zu lassen.

4.3. Allerdings ist in diesem Zusammenhang noch zu bedenken, dass keine Gewähr dafür gegeben ist, dass sich der Rechtsmittelwerber auch zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich dann, wenn seine Abschiebung unmittelbar droht und er zudem zwischenzeitlich – auf welchem Weg auch immer – wieder zu hinreichenden Barmitteln gekommen sein sollte, weiterhin bei seinem Bekannten aufhalten wird.

Um einigermaßen Gewähr für eine faktische Greifbarkeit im späteren fremdenpolizeilichen Verfahren zu haben, findet es der Oö. Verwaltungssenat daher als erforderlich, die von der belangten Behörde festgesetzte Frist zur persönlichen Meldung von zwei Tagen auf einen Tag zu verkürzen und den Beschwerdeführer zusätzlich dazu zu verpflichten, der gesetzlich geforderten Meldepflicht nachzukommen.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hatte daher die gegenständliche Beschwerde gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG insoweit als unbegründet abzuweisen, als sie den Zeitraum seiner Anhaltung vom 24. August 2009 bis zum Zeitpunkt der Zustellung der vorliegenden Entscheidung an die belangte Behörde betrifft. Unter einem war gemäß § 83 Abs. 4 FPG festzustellen, dass die für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft maßgebenden Gründe ab dem Zeitpunkt der Zustellung der gegenständlichen Entscheidung an die belangte Behörde nicht mehr vorliegen, wobei gleichzeitig anzuordnen war, dass der Beschwerdeführer in 4... T, A  // Unterkunft zu nehmen und sich – beginnend ab dem dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung an den Beschwerdeführer folgenden Tag – unaufgefordert jeden Tag bei der Polizeiinspektion T zu melden sowie innerhalb von 14 Tagen ab diesem Zeitpunkt die allgemeine gesetzliche Meldepflicht zu erfüllen hat.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Rechtsmittelwerber dazu zu verpflichten, dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Linz-Land) als obsiegender Partei gemäß § 79a Abs. 1, 2 und 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. 456/2008, antragsgemäß Kosten in Höhe von insgesamt 887,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro; Verhandlungsaufwand: 461,00 Euro) zuzusprechen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 16,80 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-401027/14/Gf/Mu/Bu vom 27. August 2009

 

Art. 1 PersFrSchG; § 77 Abs. 3 FPG; § 83 Abs. 4 FPG

 

– Grundsätzlich wie VwSen-401026 vom 17. August 2009

 

– § 77 FPG: Wenn der Beschwerdeführer bescheidmäßige Anordnungen aufgrund von Sprachschwierigkeiten tatsächlich nicht verstanden hat, aber während des Verfahrens durch eine Person vertreten war, die ein derartiges Manko nicht aufweist, so liegt es einerseits am Beschwerdeführer selbst, jene um entsprechende Aufklärung zu ersuchen und andererseits auch am Rechtsvertreter, sich zu vergewissern, dass dem Beschwerdeführer der Bescheidinhalt restlos klar ist; keine rechtsirrige Anwendung des § 77 Abs. 3 FPG durch die Schubhaftbehörde;

– § 83 Abs. 4 FPG: Stellt sich im Zuge der öffentlichen Verhandlung vor dem UVS heraus, dass der Beschwerdeführer von seinem Rechtsvertreter zwar zuvor nicht ausreichend aufgeklärt wurde, nunmehr aber – insbesondere infolge seiner Teilnahme an der Verhandlung – keine Unklarheiten in Bezug auf die behördlichen Verpflichtungen bestehen, wäre es angesichts des ansonsten gravierenden Eingriffes in seine Grundrechtssphäre (Recht auf persönliche Freiheit) unbillig, dem Rechtsmittelwerber, der die Missachtung der behördlichen Auflagen keinesfalls mutwillig, sondern nur infolge Unwissenheit und ungenügender Aufklärung missachtet hat, die Möglichkeit zu verwehren, seinen erklärten Willen, sich künftig auflagenkonform zu verhalten, auch tatsächlich unter Beweis stellen zu lassen;

– Da die Entscheidung des UVS dahin, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung in Schubhaft nicht mehr vorliegen, als ein neuer Titelbescheid wirkt, können mit diesem auch weitergehende behördliche Verpflichtungen vorgeschrieben werden.

 

Beachte:

Der angefochte Spruchpunkt II. wurde, soweit damit gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG festgestellt wurde, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlagen, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalten aufgehoben.

Der angefochtene Spruchpunkt II. wurde, sowiet damit dem Mitbeteiligten als gelinderes Mittel bestimmte Aufträge erteilt wurden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

VwGH vom 25.03.2010, Zl.: 2009/21/0281-5


 

 

 

 

 

 

 

 

 

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