Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164112/9/Zo/Jo

Linz, 01.09.2009

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn G E, geb. , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. K Z, H, vom 09.04.2009, gegen Punkt 4. des Straferkenntnisses des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 23.03.2009, Zl. VerkR96-45063-2008, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 26.08.2009 zu Recht erkannt:

 

 

I.          Die Berufung wird im Schuldspruch abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Berufungswerber die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um ca. 50 km/h überschritten hat.

      Der Hinweis, dass diese Verwaltungsübertretung einen Führerscheinentzug zur Folge hat, entfällt.

 

II.        Hinsichtlich der Strafhöhe wird der Berufung teilweise stattgegeben und die Geldstrafe auf 260 Euro sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 44 Stunden herabgesetzt.

 

III.     Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten reduzieren sich auf 26 Euro, für das Berufungsverfahren sind keine Kosten zu bezahlen.

 

 

Hinweis:

Die Berufung gegen die Punkte 1) bis 3) wurde zurückgezogen, weshalb die in diesen Punkten insgesamt verhängte Strafe von 150 Euro sowie Verfahrenskosten von 15 Euro zusätzlich zu bezahlen sind.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I. und II.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 19 VStG;

zu III.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

 

Zu I. und II.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat dem Berufungswerber in Punkt 4) des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfen, dass er am 20.09.2008 um 23.00 Uhr in Leonding auf der B 139 bei km 7,800 als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen  die in diesem Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 70 km/h überschritten habe. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden. Der Berufungswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach  § 52 lit.a Z10a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 400 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 144 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 40 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung machte der Berufungswerber zusammengefasst geltend, dass er eine Geschwindigkeit von ca. 100 km/h eingehalten habe. Dies könnten auch seine Beifahrer bestätigen. Die Polizeibeamten hätten die Geschwindigkeit von ihrem nicht geeichten Tacho abgelesen, sodass sie letztlich nur eine Schätzung durchgeführt hätten. Es sei bekannt, dass die Tachometer bei höheren Geschwindigkeiten sehr stark abweichen, weshalb eine verlässliche Geschwindigkeitsfeststellung nicht möglich sei. Während des Überholens habe ein großer Geschwindigkeitsunterschied bestanden, welcher von den Polizisten nicht genau geschätzt werden könne.

 

Die Polizeibeamten hätten beim Aufholen eine höhere Geschwindigkeit einhalten müssen als der Berufungswerber, welcher ungefähr 100 km/h gefahren sei. Im Übrigen sei die Entziehung der Lenkberechtigung deshalb nicht zulässig, weil die Geschwindigkeit lediglich durch Nachfahren festgestellt worden sei. Diese Art der Geschwindigkeitsfeststellung stelle keine Messung mit einem technischen Hilfsmittel dar.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Linz-Land hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 26.08.2009. An dieser haben der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter teilgenommen und es wurde der Beifahrer M Y sowie die Polizeibeamten RI B und AI H zum Sachverhalt befragt. Von einem Sachverständigen für Verkehrstechnik wurde ein Gutachten zur Geschwindigkeitsfeststellung erstattet.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentlich Sachverhalt:

 

Die Polizeibeamten fuhren zur Vorfallszeit mit einem ca. 6 Jahre alten Funkwagen der Marke Skoda Octavia auf der B 139 von Linz kommend in Richtung Plus City. Unmittelbar hinter ihnen fuhr ein Zivilstreifenfahrzeug, vor ihnen war die B 139 frei. Die B 139 weist in diesem Bereich lediglich einen Fahrstreifen für den normalen Verkehr auf, rechts von diesem Fahrstreifen befindet sich ein Fahrstreifen für Omnibusse. Der Berufungswerber überholte auf dieser Busspur mehrere Fahrzeuge mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit. Dabei nahm er das Polizeifahrzeug nicht wahr. Der Überholvorgang ereignete sich im Bereich zwischen dem Hotel S und dem Autohaus S. Dazu ist anzuführen, dass beide Objekte relativ lang sind und der Abstand zwischen diesen nur ca. 100 m beträgt.

 

Die Polizeibeamten nahmen, nachdem sie überholt wurden, sofort die Nachfahrt auf, wobei sie vorerst das Blaulicht nicht verwendeten. Sie mussten ihren Funkwagen massiv beschleunigen und konnten den Angezeigten letztlich im Bereich zwischen dem C und der J-T einholen. Diesbezüglich weichen die Erinnerungen der Zeugen voneinander ab, der Lenker des Funkwagens gab an, den Angezeigten bereits im Bereich des C eingeholt zu haben, während der Beifahrer der Meinung war, dass dies erst im Bereich der J der Fall war. Diese unterschiedliche Erinnerung der Zeugen ist letztlich egal, wesentlich ist, dass sie dem Angezeigten auf eine Entfernung von mehreren 100 m in annähernd gleichbleibenden Abstand nachgefahren sind. Dies war nach den übereinstimmenden Aussagen beider Polizeibeamten der Fall, wobei auch für den Fall, dass sie ihn tatsächlich erst im Bereich der J eingeholt hatten, bis zum Abbiegen in das Langholzfeld noch eine ausreichend große Fahrtstrecke für eine Nachfahrt zur Verfügung stand. Bei dieser Nachfahrt haben die Polizeibeamten vom Tacho ihres Funkwagens eine Geschwindigkeit von ca. 140 km/h abgelesen, wobei festzuhalten ist, dass dieser Tachometer nicht geeicht ist und auch hinsichtlich der Tachoabweichung nicht auf andere Weise überprüft wurde.

 

In weiterer Folge bog der Angezeigte nach links in das Langholzfeld ein, wo er zu einer Verkehrskontrolle angehalten wurde. Dabei räumte er eine Geschwindigkeitsüberschreitung ein, bestritt jedoch, schneller als 100 km/h gefahren zu sein.

 

Aufgrund der Angaben sowohl des Berufungswerbers als auch der Zeugen erstattete der Sachverständige bei der Amtshandlung zur festgestellten Geschwindigkeit zusammengefasst folgendes Gutachten:

Die tatsächliche Tachoabweichung ist nicht bekannt, weshalb im Sinne des Berufungswerbers von der maximalen zulässigen Tachoabweichung entsprechend der Baurichtlinie ECE Nr. 39 auszugehen ist. Entsprechend dieser Richtlinie ist davon auszugehen, dass bei einem angezeigten Tachowert von 140 km/h die tatsächlich eingehaltene Geschwindigkeit mindestens 120 km/h beträgt. Beim Nachfahren im gleichbleibenden Abstand ist aufgrund von Versuchen bekannt, dass auch bei einer Änderung des Abstandes diese von den nachfahrenden Personen nicht sofort wahrgenommen wird. Besonders bei Dunkelheit fällt eine derartige Änderung des Nachfahrabstandes erst spät auf. Zugunsten des Berufungswerbers wurde aufgrund der Zeugenaussagen ein maximal möglicher Aufholweg von ca. 30 m auf einer Nachfahrtstrecke von ca. 400 m zu Grunde gelegt. Daraus ergibt sich, dass der Berufungswerber eine Geschwindigkeit von mindestens ca. 110 km/h eingehalten hat. Bei dieser Berechnung hat der Sachverständige die möglichen Ungenauigkeiten (einerseits die Tachoabweichung, andererseits ein Aufholen des Funkwagens) zugunsten des Berufungswerbers mit den maximal anzunehmenden Abweichungen berücksichtigt. Die vom Sachverständigen errechnete Geschwindigkeit von ca. 110 km/h stellt daher aus technischer Sicht jene Geschwindigkeit dar, welche der Berufungswerber auf jeden Fall eingehalten hat.

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Vorerst ist nochmals festzuhalten, dass der Berufungswerber in der mündlichen Verhandlung seine Berufung gegen die Punkte 1), 2) und 3) des Straferkenntnisses zurückgezogen hat. Die in diesen Punkten verhängte Strafe sowie die Verfahrenskosten sind daher in Rechtskraft erwachsen.

 

Das Verkehrszeichen gemäß § 52 lit.a Z10a StVO 1960 „Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)“ zeigt an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

 

5.2. Der Sachverständige hat sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert. Es beruht auf den Angaben der Zeugen zu der gegenständlichen Nachfahrt und hat alle möglichen Ungenauigkeiten zugunsten des Berufungswerbers berücksichtigt. Es ist insgesamt gut nachvollziehbar, auch der Berufungswerber hat es nicht mehr in Frage gestellt. Es ist also objektiv erwiesen, dass der Berufungswerber beim gegenständlichen Vorfall innerhalb der 60 km/h-Beschränkung eine Geschwindigkeit von (mindestens) ca. 110 km/h eingehalten hat. Er hat damit die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht zu verantworten. Dem Berufungswerber war die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung bewusst und er hat trotzdem wissentlich eine deutlich höhere Geschwindigkeit eingehalten. Es ist ihm daher vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen.

 

5.3. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die gesetzliche Höchststrafe für die gegenständliche Verwaltungsübertretung beträgt gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 726 Euro.

 

Als wesentlicher Strafmilderungsgrund kommt dem Berufungswerber seine bisherige Unbescholtenheit zu Gute. Sonstige Milderungsgründe liegen nicht vor. Erschwerend ist die bewusste massive Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit zu berücksichtigen. Der Berufungswerber hat dadurch die mit dem Straßenverkehr verbundenen Gefahren wesentlich erhöht, wobei auch nicht übersehen werden darf, dass er nicht nur sich selbst sondern jedenfalls auch seine vier Mitfahrer gefährdet hat.

 

Es ist daher eine relativ hohe Geldstrafe erforderlich, um den Berufungswerber in Zukunft von ähnlichen Übertretungen abzuhalten. Im Hinblick auf die dem Berufungswerber gegenüber dem erstinstanzlichen Straferkenntnis vorgeworfene geringere Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit war die Geldstrafe herabzusetzen, wobei die nunmehr festgesetzte Geldstrafe den gesetzlichen Strafrahmen nur zu etwas mehr als einem Drittel ausschöpft. Eine Bestrafung in dieser Höhe ist auch trotz der ungünstigen persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers (monatliches Nettoeinkommen von 500 bis 600 Euro bei keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten) notwendig.

 

Zum Berufungsvorbringen, wonach ein nicht geeichter Tacho kein technisches Hilfsmittel sei, weshalb Maßnahmen nach dem Führerscheingesetz nicht angeordnet werden dürften, ist im Hinblick auf mögliche weitere Verfahren Folgendes zu sagen:

Für geeichte Tachometer hat der Verwaltungsgerichtshof mehrmals klargestellt, dass diese jedenfalls ein technisches Hilfsmittel iSd § 7 Abs.3 Z4 Führerscheingesetz bilden (siehe zB VwGH vom 28.06.2001, 99/11/0285). Bezüglich nicht geeichter Tachometer ist die Rechtsprechung uneinheitlich (bejahend VwGH vom 22.04.1997, 96/11/0313, verneinend VwGH vom 21.01.1997, 96/11/0279).

 

Nach Ansicht des zuständigen Mitgliedes des UVS ist zu berücksichtigen, dass § 7 Abs.3 Z4 (genau wie § 4 Abs.6 Z2) FSG nicht von einem Messgerät spricht, sondern lediglich verlangt, dass die Geschwindigkeit mit einem "technischen Hilfsmittel" festgestellt wird. Wenn nun ein geeichter Tachometer jedenfalls ein technisches Hilfsmittel ist, so ist nicht einzusehen, warum ein ungeeichter Tachometer dies nicht sein soll. Selbstverständlich sind wegen der fehlenden Eichung entsprechend große Messungenauigkeiten zu berücksichtigen, an der grundsätzlichen Einordnung als "technisches Hilfsmittel" ändert die fehlende Eichung aber nichts. In diesem Sinn sind auch die – auf den ersten Blick – widersprüchlichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zu verstehen.

 

Im konkreten Fall wurde bei einem Tachowert von 140 km/h unter Berücksichtigung der maximal möglichen Tachoungenauigkeit und der maximal möglichen Ungenauigkeiten bei der Nachfahrt eine Geschwindigkeit von (mindestens) 110 km/h durch einen Sachverständigen festgestellt. Es wurde also eine maximale Messungenauigkeit von mehr als 20 % zugunsten des Berufungswerbers berücksichtigt. Jedenfalls wurde die Geschwindigkeit aber nicht durch eine bloße Schätzung festgestellt, sondern durch Verwendung eines "technischen Hilfsmittels" nämlich den im Funkstreifenwagen eingebauten nicht geeichten Tachometer.

 

 

Zu III.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

 

Beschlagwortung:

nicht geeichter Tachometer; Nachfahren im gleichbleibenden Abstand; technische Hilfsmittel

 

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