Linz, 28.08.2009
E r k e n n t n i s
(Bescheid)
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn J Z,
geb. , L, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. E K, S, G gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 24.06.2009, AZ: S-8355/09 wegen Übertretungen der EG-VO 561/2006 und der EG-VO 3821/85, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird stattgegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat weder Geldstrafen, noch Verfahrenskosten
zu bezahlen.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs. 4 AVG iVm. § 24 VStG
§ 66 Abs. 1 VStG
Entscheidungsgründe:
Die belangte Behörde hat über den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) das in der Präambel zitierte Straferkenntnis – zusammengefasst – wie folgt erlassen:
Sie haben, wie am 31.12.2008 um 15.15 Uhr in Linz, A7–Mühlkreisautobahn, Fahrtrichtung Süd, bei Strkm. 12 festgestellt wurde, es als Lenker des Lastkraftfahrzeuges, Kennzeichen: FR-...... mit Anhänger, Kennzeichen: FR-......, welches der Güterbeförderung im innergemeinschaftlichen Straßenverkehr dient und dessen zulässige Höchstmasse einschließlich Anhänger mehr als 3,5 t beträgt, unterlassen
1. nach einer Lenkdauer von 4 1/2 Stunden eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten einzulegen
2. dem Kontrollbeamten auf Verlangen alle während der laufenden Woche und der vorausgehenden 28 Tage erstellten handschriftlichen Aufzeichnungen und Ausdrucke, die gemäß der vorliegenden Verordnung und der Verordnung EG Nr. 561/2006 vorgeschrieben sind, vorzulegen
3. innerhalb von 24 Stunden nach dem Ende der vorangegangenen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit eine neue tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden zu nehmen.
Die Übertretungen zu 1., 2., und 3. wurden detailliert beschrieben.
Wegen der Verwaltungsübertretungen nach
zu 1.: Artikel 7 EG-VO 561/2006
zu 2.: Artikel 15 Abs. 7 lit. a III. EG-VO 3821/85 und
zu 3.: Artikel 8 Abs. 2 EG-VO 561/2006
wurden Geldstrafen von insgesamt 245,00 Euro,
Ersatzfreiheitsstrafen von insgesamt 112 Stunden verhängt und
Verfahrenskostenbeiträge von insgesamt 24,50 Euro vorgeschrieben.
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 14.07.2009 erhoben.
Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 51c VStG) erwogen:
Vorab ist zu prüfen, ob auf den gegenständlichen LKW, Kennzeichen FR-......
(im Folgenden: LKW)
- die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15.03.2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates – im folgenden: EG-VO 561/2006 und/oder
- die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20.12.1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr –
im folgenden: EG-VO 3820/85 und/oder
- die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20.12.1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr – im folgenden: EG-VO 3821/85
anzuwenden sind.
Der LKW wurde – gemäß Auszug aus der Zulassungsdatei – am 30.12.2002 erstmals zum Verkehr zugelassen. –
Somit ist nicht die am 11.04.2007 in Kraft getretene EG-VO 561/2006,
sondern sind die EG-VOen 3820/85 und 3821/85 anzuwenden. –
vgl. die Übergangsbestimmung des § 132 Abs. 20 KFG idF BGBl. I Nr. 175/2004.
Mit dem LKW erfolgt üblicherweise,
- in der Früh und am Vormittag das "Milcheinsammeln" und
- im Anschluss daran – somit am Nachmittag – der Transport dieser Milch
zu einem Verarbeitungsbetrieb in Bayern.
siehe die – im erstinstanzlichen Verfahrensakt enthaltene – Anzeige des Landespolizeikommando OÖ., Landesverkehrsabteilung vom 18.02.2009
Gemäß Art. 4 Z. 13 der EG-VO 3820/85 gilt diese Verordnung nicht für Beförderungen mit Fahrzeugen, die zum Abholen von Milch bei landwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden (= sog. "Milchsammelfahrzeuge").
Die in Art. 4 (hier: Z 13) EG-VO 3820/85 umschriebenen Ausnahmen beziehen sich
- nicht auf bestimmte Arten von Fahrten, sondern
- auf bestimmte Arten von Fahrzeugen!
VwGH vom 27.11.2001, 99/11/0180.
Betreffend den LKW – d.h. für das "Milchsammelfahrzeug" – ist somit die
EG-VO 3820/85, sowohl bei den Fahrten zum "Milchsammeln", als auch beim Transport der Milch zum Verarbeitungsbetrieb, nicht anzuwenden.
Gemäß Artikel 3 Abs. 1 der EG-VO 3821/85 sind vom Anwendungsbereich
dieser VO u.a. ausgenommen:
die in Artikel 4 der EG-VO 3820/85 genannten Fahrzeuge.
Betreffend den LKW ist daher auch die EG-VO 3821/85 nicht anzuwenden.
Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass für den am 30.12.2002 erstmals zum Verkehr zugelassenen LKW (= "Milchsammelfahrzeug")
- die EG-VO 561/2006 – auf Grund des Datums des Inkrafttretens (11.04.2007)
- die EG-VO 3820/85 – auf Grund deren Art. 4 Z. 13 und
- die EG-VO 3821/85 – auf Grund deren Art. 3 Abs. 1
nicht anzuwenden sind und dadurch
eine Begehung von Übertretungen nach diesen genannten Bestimmungen von vornherein nicht möglich ist.
Es war daher
- der Berufung stattzugeben,
- das erstinstanzliche Straferkenntnis aufzuheben,
- das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen,
- auszusprechen, dass der Bw weder Geldstrafen, noch Verfahrenskosten
zu bezahlen hat und
- spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.
Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Josef Kofler
Beschlagwortung:
Milchsammelfahrzeug – keine Anwendung der EG-VOen 3820/85 und 3821/85;