Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-390263/3/WEI/Ps VwSen-390264/2/WEI/Ps

Linz, 03.09.2009

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 9. Kammer (Vorsitzender Dr. Grof, Berichter Dr. Weiß, Beisitzer Mag. Dr. Pree) und durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der P K, Geschäftsführerin der M M GmbH, L, vertreten durch Dr. A H, Rechtsanwalt in L, gegen Spruchpunkt 2 (9. Kammer) und gegen die Spruchpunkte 1 und 3 (Einzelmitglied) des Straferkenntnisses des Fernmeldebüros für Oberösterreich und Salzburg, vom 18. Juli 2008, Zl. BMVIT-635.540/0676/08 wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Telekommunikationsgesetz 2003 - TKG 2003 (BGBl I Nr. 70/2003 idF BGBl I Nr. 133/2005) zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in sämtlichen Spruchpunkten aufgehoben und die Strafverfahren werden gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (im Folgenden Bwin) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Sie haben es als Geschäftsführerin und damit als zur Vertretung der Fa. M M GmbH, L, (im weiteren kurz: Fa. M) nach außen berufene Person zu verantworten, dass durch die Fa. M

1)     am 03.06.2008 um ca. 16:45 Uhr ein Anruf zu Werbezwecken unter der Telefonnummer 0664/95 25 978 ohne vorherige Einwilligung der Teilnehmerin U K, T, oder einer anderen Person, welche mit Zustimmung der Teilnehmerin den Anschluss benützt hat, durchgeführt wurde, indem eine Mitarbeiterin (angeblich Frau N K, welche sich als Mitarbeiterin von M vorgestellt hat) eines von der Fa. M vertraglich beauftragten Unternehmens (Fa. D T 24, A) ein Gespräch mit Frau K bezüglich Werbung für die Teilnahme an einem Lottospiel der Fa. M geführt hat, und

 

2)     am 05.06.2008 um 15:19 Uhr,

     am 06.06.2008 um 12:23 Uhr, und

     am 09.06.2008 um 16:26 Uhr

     jeweils ein Anruf zu Werbezwecken (Werbung für die Teilnahme an einem Lottospiel der Fa. M) vom Firmensitz der Fa. M in L aus, ebenfalls ohne eine vorherige Einwilligung der Teilnehmerin U K, oder einer anderen Person, die von der Teilnehmerin zur Benutzung des Anschlusses ermächtigt war, beim oben angeführten Telefonanschluss der Teilnehmerin durchgeführt worden ist.

 

3)  Sie haben es weiter zu verantworten, dass durch die Fa. M zu den oben angeführten Zeitpunkten Telekommunikationseinrichtungen (Teilnehmereinrichtungen der Fa. D T 24 und der Fa. M am Sitz des jeweiligen Unternehmens) insofern missbräuchlich verwendet wurden, als durch die oben angeführten werbeanrufe die angerufene Teilnehmerin grob belästigt wurde."

 

Dadurch habe die Bwin zu den Spruchpunkten 1) und 2) jeweils die Rechtsvorschriften des § 107 Abs 1 iVm § 109 Abs 3 Z 19 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl I Nr. 70/2003, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 133/2005, iVm § 9 Abs1 VStG und zu Spruchpunkt 3) die Rechtsvorschriften des § 78 Abs 1 Z 2 iVm § 109 Abs 1 Z 5 TGK iVm § 9 Abs 1 VStG verletzt.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen verhängte die belangte Behörde gemäß "§ 109 Abs. 3 Zif. 19 TKG" zu Spruchpunkt 1) eine Geldstrafe von 1.840 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) und zu Spruchpunkt 2) eine Geldstrafe von 5.550 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage) und gemäß "§ 109 Abs. 1 Zif. 5 TGK" zu Spruchpunkt 3) eine Geldstrafe von 800 Euro (1 Tag Ersatzfreiheitsstrafe). An Kosten des Strafverfahrens wurden der Bwin 820 Euro (10 % der Gesamtstrafe) vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, welches der Bwin am 25. Juli 2008 zu Händen ihres Rechtsvertreters zugestellt wurde, richtet sich die noch rechtzeitig am 8. August 2008 zur Post gegebene Berufung vom 7. August 2008, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung der Strafverfahren wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit angestrebt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und Sachverhalt:

 

2.1. Am 9. Juni 2008 erstattete Frau U K mittels Formular Anzeige an die belangte Behörde wegen unzulässiger Werbeanrufe. Am 3. Juni 2008 sei sie unter 0664 95 25 978 von einer Frau N K mit unterdrückter Nummer angerufen worden, die von einer Sonderaktion 6 aus 45 und der Zusendung von Unterlagen gesprochen habe, die sie bei Gefallen unterschrieben zurücksenden sollte. Zur Vorbereitung der Unterlagen und für die Gewinnüberweisung hätte Frau K ihre persönliche Daten preisgeben müssen, auch ihre Kontonummer sei ihr entlockt worden.

 

Am 5. Juni 2008 folgten Anrufe einer unbekannten Anruferin zum "Abgleichen der Daten", wie es die Anruferin nannte. Dabei wurde der Anzeigerin nebenbei angekündigt, dass eine Abbuchung von 59,90 Euro von ihrem Konto bevorstünde. Die Telefonverbindung wäre dann unterbrochen worden. Ihre Rückrufversuche zwecks Klärung wären erfolglos geblieben. Sie habe daraufhin Hilfe bei der Arbeiterkammer gesucht und auf Anraten einen eingeschriebenen Brief ("Kündigung eines evtl. entstandenen Vertrages durch die Preisgabe meiner Daten + Untersagung, von meinem Konto Geld abzubuchen") an M geschickt. Als sie am 6. Juni 2008 angerufen wurde, hätte sie ihren Potest gegen die Vorgangsweise kundgetan und man versuchte zu beschwichtigen. Am 9. Juni 2008 hätte ihr die Anruferin weiszumachen versucht, dass sie im Juni bzw Juli noch mitspielen müsste. Erst auf ihre energische Entgegnung, dass sei nie eine Zustimmung gegeben, nie etwas unterschrieben hätte und rechtliche Schritte setzen würde, hätte die Anruferin einen fadenscheinigen Grund für den Anruf geäußert.

 

Mit Schreiben vom 20. Juni 2008 machte die Anzeigerin über Ersuchen der belangten Behörde ergänzende Angaben zum ersten Anruf. Die Anruferin hätte sich als N K von der Fa. M ausgegeben und auf eine Sonderaktion Lotto 6 aus 45 aufmerksam gemacht, die nur für kurze Zeit laufe. Die Kontonummer habe sie zunächst nicht preisgeben wollen. Die Anruferin habe aber nicht locker gelassen und sie soweit gebracht, im guten Glauben an die Harmlosigkeit der Preisgabe der Kontonummer diese dann auch wirklich zu nennen. Seit dem 9. Juni habe sie nichts mehr gehört.

 

Einer aktenkundigen Firmenbuchinformation vom 19. Juni 2008 betreffend die Fa. M M GmbH, L (http://www.M.at; e-mail: office@M.at) ist zu entnehmen, dass Frau P K, geb.     , als selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin seit 26. November 2005 fungiert.

 

2.2. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. Juni 2008 lastete die belangte Behörde der Bwin die Verwaltungsübertretungen im Wesentlichen wie im angefochtenen Straferkenntnis an.

 

In der rechtsfreundlich eingebrachten Rechtfertigung vom 25. Juni 2008 wird auf andere Verwaltungsstrafverfahren verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass Frau U K ihren gesamten Adressdatensatz beinhaltend Anschrift und Telefonnummer sowie Kontonummer und Bankinstitut bekannt gegeben habe und ein nicht zustimmungslos erfolgter Anruf vorliege.

 

2.3. In der Begründung des Straferkenntnisses bezieht sich die belangte Behörde zum Sachverhalt auf die oben wiedergegebene Anzeige der Frau K.

 

2.3.1. Auf Grund der bisherigen Ermittlungen und der Niederschrift vom 13. April 2007 in den Verfahren BMVIT-635.540/0080 bis 0082/07 ergebe sich das folgende Zusammenwirken zwischen der Fa. D T 24 und der Fa. M.

 

Die Fa. M habe am 1. November 2005 mit der Fa. D T 24 einen Vertrag abgeschlossen, demzufolge sie von dieser Adressdatensätze ankauft. Die von der D T 24 angeworbenen Kunden haben einen ausdrückliche Zustimmungserklärung abzugeben, dass sie von durch die Fa. M kontaktiert werden können (Allgemeines/Pkt. 2.). Im Widerspruch zu dieser Vertragsklausel sei es der Fa. D T 24 jedoch untersagt, im Rahmen der Kundenakquisition auf die Fa. M hinzuweisen bzw. deren Namen zu verwenden (Allgemeines/Pkt. 3.). Die Fa. D T 24 werbe auf der Grundlage dieses Vertrags für die Fa. M Kunden in Österreich an, indem sie von Spanien aus Werbeanrufe in Österreich durchführe.

 

In den Erstanrufen würden die Teilnehmer von der D T 24 bedrängt, persönliche Daten und die Kontoverbindung bekannt zu geben. Die bei diesen Werbeanrufen ermittelten Daten leite die D T 24 an die Fa. M weiter. Die Tatsache, dass diese Daten vorliegen, werde von der Fa. M als Zustimmung zu einem weiteren Werbeanruf gewertet, der in der Folge von der Fa. M durchgeführt werde. Bei diesem Zweitanruf würden die übermittelten Daten noch einmal überprüft werden und mit dem Teilnehmer ein Vertrag über die Teilnahme an einem Gewinnspiel abgeschlossen.

 

Die Beschuldigte habe erklärt, keinen Einfluss auf die Fa. D T 24 zu haben, weil dieses Unternehmen die Werbeanrufe selbständig durchführt. Trotzdem habe sie den Inhaber der D T 24 darauf hingewiesen, die geltenden gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten.

 

Auf der Grundlage dieses Sachverhalts bezieht sich die belangte Behörde in der rechtlichen Beurteilung auf § 9 Abs 1 VStG und zitiert dann Leitsätze aus diversen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, in denen es um die betriebliche Überwachung und um Maßnahmen von verwaltungsrechtlich Verantwortlichen im Rahmen eines sog. wirksamen Kontrollsystems geht. Eine wiedergegebene Entscheidung befasst sich mit den Voraussetzungen für die Annahme eines fortgesetzten Delikts.

 

Auf Grund der bisherigen Anzeigen gegen die M, der Stellungnahmen der Beschuldigten und der glaubwürdigen Angaben der Anzeigeerstatterin bestehe für die belangte Behörde kein Zweifel, dass die Anrufe, in denen die Angerufene zur Teilnahme an einem Gewinnspiel (laut Homepage betreibe die Fa. M ein Wettstudio und ein Lottostudio) bewegt werden sollte, so erfolgten, wie es die Anzeigeerstatterin beschrieb. Die Beschuldigte habe auch die Anrufe nicht bestritten.

 

Zum Vorwurf der missbräuchlichen Verwendung von Telekommunikationsgeräten (Spruchpunkt 3) verweist die belangte Behörde auf eine zivilrechtliche Entscheidung des OGH (4 Ob 113/99t), der zufolge unerwünschte Telefonwerbung das mit jeder Werbung mehr oder weniger verbundene Maß an Belästigung überschreite und damit unzulässig in die Individualsphäre des Anschlussinhabers eingreife. Durch die wiederholten Werbeanrufe wäre der Tatbestand der missbräuchlichen Verwendung verwirklicht worden, weil damit eine grobe Belästigung der Teilnehmerin verbunden gewesen wäre.

 

Dass es sich um Anrufe zu Werbezwecken gehandelt habe, sei offensichtlich. Die Teilnehmerin sollte zur Teilnahme an einem Lottospiel bewegt werden. Diesem Zweck hätten sowohl der Erstanruf durch die Fa. D T 24 als auch die weiteren Anrufe gedient. Dass auch schon der erste Telefonkontakt, der auf Gewinnung eines Geschäftspartners gerichtet ist, "Zwecken der Werbung im weiteren Sinn" dient, habe der OGH zu 4 Ob 113/99t vom 18. Mai 1999 ausgeführt.

 

2.3.2. Die Beschuldigte wende zum Werbeanruf der Fa. D T 24 (Spruchpunkt 1) ein, dass die Fa. M darauf keinen Einfluss habe, weil es sich um ein selbständiges Unternehmen handle. Zum Spruchpunkt 2 behaupte sie eine Einwilligung dadurch, dass beim Erstanruf der gesamte Adressdatensatz bekannt gegeben wurde. Diese Ansicht könne die Fernmeldbehörde nicht teilen.

 

Die Einwilligung sei eine einseitige freiwillige Willenserklärung, bei der dem Erklärenden klar bewusst sein müsse, was Inhalt der Erklärung ist, bzw worauf sich seine Erklärung bezieht. Ein Herauslocken oder ein beharrliches Drängen auf Bekanntgabe persönlicher Daten bzw. einer Kontoverbindung, was im gegenständlichen Fall glaubwürdig erfolgt wäre, erfülle die Kriterien einer freiwilligen Willenserklärung jedenfalls nicht. Das Vorhandensein persönlicher Daten bzw. Bankdaten könne auch nicht in eine konkludente Einwilligung umgedeutet werden. Da die Teilnehmerin im Erstanruf nicht gefragt worden wäre, ob sei einem weiteren Anruf durch die Fa. M zustimme, wäre sie auch gar nicht in der Lage gewesen einen Einwilligung abzugeben. Die Tatsache des Vorliegens von Daten wäre kein Ersatz für eine fehlende Willenserklärung.

 

Es sei daher als erwiesen anzunehmen, dass in objektiver Hinsicht gegen die angeführten Gesetzesbestimmungen verstoßen wurde. Hinsichtlich der im Spruchpunkt 2) angeführten Werbeanrufe gehe die Fernmeldebehörde von einem fortgesetzten Delikt aus, weil die Anrufe in zeitlichen und sachlichen Zusammenhang standen und von einem Gesamtvorsatz getragen gewesen wären.

 

2.3.3. Die Gesetzesverletzung sei der Bwin aber auch subjektiv zuzurechnen und von ihr als Geschäftsführerin der Fa. M strafrechtlich zu verantworten.

 

Bei der Auslegung des zwischen M und D T 24 abgeschlossenen Vertrages seiner wahren Beschaffenheit nach (§ 916 ABGB) sei nicht vom Ankauf irgendwelcher Datensätzen durch die M, sondern vielmehr davon asuzugehen, dass die Fa. M konkrete Werbemaßnahmen auf die Fa. D T 24 übertragen habe. Diese handle dabei nicht unabhängig, sondern als "Erfüllungsgehilfe" der Fa. M. Diese Ansicht sei darin begründet, dass die Anruferin im Erstanruf als Mitarbeiterin der M auftrat und nach dem erwähnten Vertrag der Teilnehmer die ausdrückliche Einwilligung abzugeben habe, dass er von der M angerufen werden könne.

 

Die Fa. D T 24 führe nicht unabhängig und selbständig Werbeanrufe durch und verkaufe diese Daten dann an irgendwelche Unternehmen (zB M) weiter, sondern die Werbeanrufe würden in konkretem Auftrag und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Fa. M durchgeführt. Wenn sich diese Firma einer dritten Person bedient, so treffe sie grundsätzlich die Verpflichtung dafür zu sorgen, dass eine vorherige Einwilligung der Angerufenen vorliegt. Ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit bleibe nach Ansicht des Verwaltungsgerichthofs aufrecht, weil der, der sich bei der Erfüllung einer ihm obliegenden gesetzlichen Verpflichtung der Hilfe eines Dritten bedient, selbst verantwortlich bleibe, wenn ihn ein Verschulden trifft (Hinweis auf VwGH 14.9.2001, Zl. 2000/02/0181).

 

Nach Ansicht der Fernmeldebehörde treffe die Bwin ein Verschulden, weil sie ihre Aufsichtspflichten (Kontrolle, ob Einwilligungen vorliegen) nicht wahrnehme. Sie könne sich nicht unter Hinweis auf die D T 24 als selbständiges Unternehmen, auf das sie keinen Einfluss habe, entlasten. Durch die Übertragung der Kundenakquisition treffe sie die Verpflichtung dafür zu sorgen, dass diese Tätigkeit durch den Vertragspartner gesetzeskonform durchgeführt wird. Die Abwälzung strafrechtlicher Verantwortlichkeit auf andere sei ohne gesetzliche Grundlage nicht möglich.

 

Die Rechtfertigung der Bwin, keinen Einfluss auf Anrufe der D T 24 zu haben, gehe auch deswegen ins Leere, weil sie sehr wohl Möglichkeiten hätte, um unzulässige Werbeanrufe zu unterbinden, wie zB. eine grundsätzliche Vorab-Überprüfung, ob eine vorherige Zustimmung eines Teilnehmers für einen Werbeanruf vorliegt. Sie könne auch im Nachhinein die Übernahme von rechtswidrig ermittelten Kundendaten davon abhängig machen, dass die Fa. D T eine vorherige Einwilligung nachweist.

 

In Kenntnis der Rechtslage und der Anrufpraxis des Partnerunternehmens wäre die Bwin im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht verpflichtet, sich zu vergewissern, ob die erforderlichen Einwilligungen tatsächlich vorliegen. Die Beschuldigte habe am 13. April 2007 mündlich zu Protokoll gegeben, dass ihr die Bestimmungen des § 107 TKG bekannt sind. Trotzdem unternehme sie offensichtlich nichts Wirksames, um die Durchführung unzulässiger Werbeanrufe abzustellen.

 

Indem sie die Aufsichts- und Kontrollpflichten nicht bzw nicht im erforderlichen Umfang wahrnehme, habe sie andererseits in Kauf genommen, dass durch Erfüllungsgehilfen (Hinweis auf VwGH 2.6.1999, Zl. 98/04/0099) der Fa. M bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen werde.

 

Zusammenfassend sei das Verschulden der Bwin hinsichtlich des Erstanrufs darin zu erblicken, dass sie ihre Verpflichtung, sich bei einem Werbeanruf von der Einwilligung zu vergewissern, auf einen Dritten übertragen habe und dabei erforderliche Kontrollmaßnahmen nicht wahrnehme. Wie aus zahlreichen Anzeigen abzuleiten sei, nehme die Beschuldigte die Gesetzesverletzungen billigend in Kauf und finde sich damit offensichtlich ab.

 

2.3.4. Hinsichtlich der Zweitanrufe hätte die Beschuldigte in Kenntnis der Anrufpraxis der Fa. D T 24 keinesfalls gutgläubig von einer vorherigen Einwilligung für weitere Werbeanrufe ausgehen können. Das Vorliegen eines Adressdatensatzes sei kein Ersatz für eine Willenserklärung. Damit habe sie in Kauf genommen, dass eine Mitarbeiterin der Fa. M neuerlich ohne ausreichende Prüfung der vorherigen Einwilligung angerufen hat, um einen Lottospielvertrag abzuschließen. Hinsichtlich der weiteren Werbeanrufe sei ebenfalls von bedingtem Vorsatz auszugehen. Da auch eine missbräuchliche Verwendung von Telekommunikationsendgeräten durch grobe Belästigung der Teilnehmerin damit verbunden gewesen wäre, wäre daneben auch eine Strafe wegen missbräuchlicher Verwendung von Telekommunikationsendgeräten zu verhängen gewesen. Der § 78 TKG sei eine Verbotsnorm und es sei gemäß § 5 VStG jedenfalls Fahrlässigkeit anzunehmen.

 

2.4. In der rechtsfreundlich vertretenen Berufung wird ausgeführt, dass die M M GmbH eine Lotterieanbieterin mit diversen Lottospielmöglichkeiten sei. Zum Beispiel werden Spiellose für Lotto 6 aus 45 oder Euromillionen angeboten. Die Betriebstätigkeit der Fa. M sei vor allem über die eigene Homepage ausgerichtet und werde über Links und Buttons auf anderen Internetseiten für die eigene Homepage Werbung gemacht. Die Kontaktwerbung erfolge zum überwiegenden Teil über Internetportale.

 

Seit November 2005 stehe die Fa. M in Geschäftsbeziehung zur Firma D T 24 s.l. Im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung verkaufe die Fa. D T 24 als Verkäuferin Adressdatensätze an die Fa. M. Diese Adressdatensätze müssten aus Vorname, Nachname, Anschrift, Geburtsdatum, Geschlecht, Telefonnummer, E-mail (sofern vorhanden) und Bankverbindung bestehen. Voraussetzung für den Ankauf bzw. zur Berechtigung der Übermittlung solcher Adressdatensätze an die M sei die ausdrückliche Zustimmungserklärung des/der im Adressdatensatz Genannten. Aktivitäten und Akquisitionen, insbesondere das Ersttelefonat mit einem Kunden, würden von der D T 24 selbständig und von Spanien aus geführt. Die M habe darauf keinen Einfluss und sei in die Kundenakquirierung nicht involviert.

 

Die M habe im Rahmen der geschäftlichen Verbindung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass vermittelte Adressdateien unbedingt unter Einhaltung der in den jeweiligen Ländern herrschenden Gesetze, daher legal erhoben sein müssen. Sofern der Kunde die ausdrückliche Zustimmung erteilt, dass die Fa. D T Adressdatensätze an Dritte, wie z.B. die Fa. M, weitergibt, erhalte die M eine vollständig ausgefüllte Kundendatei, beinhaltend vor allem auch die Kontoverbindung des Kunden. Erst zu diesem Zeitpunkt und nur unter der Voraussetzung, dass der Fa. M ein vollständiger Adressdatensatz mit Kundendaten und der ausdrücklichen Zustimmung zur weiteren Verwendung durch den Kunden vorliege, werde ein Zweitanruf durch die Fa. M vorgenommen. Dass bei Übermittlung eines vollständigen Adressdatensatzes auch von der Zustimmung des Kunden zu einem Zweitanruf ausgegangen werden darf, ergäbe schon der Umstand, dass der Kunde widrigenfalls seine Daten, insbesondere auch die Kontoverbindung, sicherlich nicht bekannt gegeben hätte. Sofern jedoch der Kunde keine ausdrückliche Zustimmung zu einem Zweitanruf gegenüber der Fa. D T abgegeben hat, erfolge von der Fa. M kein Anruf.

 

Der Bwin lägen hinsichtlich der angerufenen Frau U K vollständige Datensätze vor. Sie sei daher berechtigt davon ausgegangen, dass die Angerufene ihre Zustimmung zum Werbeanruf gegeben hat.

 

In rechtlicher Hinsicht (Punkt V.) wird gerügt, dass die Straferkenntnisse der belangten Behörde mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet seien.

 

Unter A. wird in der Berufung als auffallend kritisiert, dass die belangte Behörde ihre Straferkenntnisse auf fünf unterschiedliche Weisen zu begründen versuche.

 

In den Straferkenntnissen zu den Zlen. BMVIT-635.540/0080, 0081 und 0082/07 sollte die Bwin zunächst noch als unmittelbare Täterin haften, in der folgenden Berufungsvorentscheidung sei die Behörde plötzlich zu einer Verantwortlichkeit wegen Bestimmungs- und Beitragstäterschaft übergegangen, obwohl eine Kumulierung dieses Vorwurfs nicht denkbar sei.

 

Die Straferkenntnisse vom 14. April 2008, Zlen. BMVIT-635.540/0290, 0304 und 0347/08 habe die Strafbehörde mit einer Verletzung der Aufsichtspflicht begründet, weshalb § 9 VStG einschlägig wäre. Am 15. April 2008 und damit nur einen Tag später habe die belangte Behörde in den Straferkenntnissen zu Zlen. BMVIT-635.540/0115, 0144, 0252, 0254, 0265, 0266 und 0448/08 die Bwin als Anstiftungstäterin angesehen. Nunmehr gehe die belangte Behörde ohne Weiteres bzw. lediglich durch Anführung von Stehsätzen des Verwaltungsgerichtshofes davon aus, dass der Bwin ein fortgesetztes Delikt anzulasten sei.

 

Als unmittelbare Täterin komme die Bwin nunmehr offensichtlich auch für die belangte Behörde nicht mehr länger in Betracht. Auch die Ansicht der belangten Behörde, dass im Ankauf von Adressdatensätzen von einer anderen Unternehmung eine Bestimmungs- oder Beitragstäterschaft liege, sei bereits im Vorlageantrag an den unabhängigen Verwaltungssenat vom 29. Mai 2007 (zu BMVIT-635,540/0082/07) ausführlich widerlegt worden und erlaube sich die Bwin darauf zu verweisen. Weiters wird auf die h. Entscheidung vom 20. Mai 2008, Zl. VwSen-390194/2/WEI/Eg, verwiesen, in der die Bwin für Erstanrufe der Fa. D T 24 nicht verantwortlich gemacht worden sei. Die belangte Behörde negiere aus nicht nachvollziehbaren Gründen diese Entscheidung und beharre auf ihrer rechtsirrigen Ansicht. Zur Begründung führe sie lediglich Stehsätze des Verwaltungsgerichtshofes an, ohne sich inhaltlich auseinanderzusetzen und den von ihr festgestellten Sachverhalt darunter zu subsumieren. Hätte sie das ordnungsgemäß getan, müsste sie zum Schluss kommen, dass keine Verantwortung der Bwin für den Erstanruf bestünde.

 

Zum Vorwurf der Verletzung der Aufsichtspflicht sei anzuführen, dass die Bwin als Geschäftsführerin der Fa. M dafür sorge, dass beim Betrieb ihres Unternehmens die gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere auch des Verwaltungsrechts, eingehalten werden. Soweit von der M Anrufe getätigt werden, erfolgten diese nur in jenen Fällen, in denen eine Zustimmung der Anzurufenden und ein vollständiger Adressdatensatz vorliegen.

 

Der belangten Behörde sei Recht zu geben, dass die Abwälzung strafrechtlicher Verantwortlichkeit ohne gesetzliche Grundlage nicht möglich ist. Der Geschäftsführer der D T 24 könne demnach nicht verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs 2 bzw. 4 VStG sein. Die Berufung wirft dann die rhetorische Frage auf, ob dem gegenüber (nach Meinung der belangten Behörde) die Geschäftsführerin der Fa. M verantwortliche Beauftragte für eine andere Firma wie die D T 24 sein könne und zwar allein auf Grund der Tatsache des Ankaufs von Adressdatensätzen. Solche würden im Übrigen auch von einigen anderen Unternehmen angekauft. Die Schranken der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Beschuldigte als Geschäftsführerin der Fa. M würden dabei verkannt werden.

 

Sofort nach Bekanntwerden des ersten bei der belangten Behörde anhängigen Falles sei mit der D T 24 Kontakt aufgenommen und auf die Einhaltung der Geschäftsvereinbarung nachdrücklich hingewiesen worden. Im gesamten Zeitraum von März bis September 2007 sei keine einzige Anzeige an die belangte Behörde herangetragen worden. Selbst bei Zugrundelegung der irrigen Rechtsansicht, die Bwin habe ihre Aufsichtspflicht verletzt, wäre dieser Umstand als Entlastung der Bwin zu beurteilen gewesen.

 

Ohne nähere Begründung gehe die belangte Behörde nunmehr dazu über, das Handeln der Bwin als fortgesetztes Delikt zu qualifizieren. Dies überrasche insofern als die belangte Behörde in ihrer Berufungsvorentscheidung vom 8. Mai 2007, BMVIT 635.540/0080/07, noch davon ausging, dass es an der Voraussetzung eines Gesamtvorsatzes fehle und es die Beschuldigte vielmehr in Kauf nehme, dass bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen das Gesetz verstoßen wird. Einen inneren Zusammenhang zwischen einzelnen Werbeanrufen bzw. die Absicht ein Gesamtziel zu erreichen, habe sie damals verneint, weil die einzelnen Anrufe nicht als Teilakte eines auf eine Gesamtziel ausgerichteten "Gesamtaktes" anzusehen gewesen wären. Die belangte Behörde habe daher nunmehr den Sachverhalt bereits zum 5. Mal in rechtlicher Hinsicht unterschiedlich beurteilt.

 

Im Punkt B. tritt die Berufung der belangten Behörde auch insoweit entgegen, als sie im Ergebnis die vorgeworfenen Gesetzesverletzungen auch für subjektiv zurechenbar hält. Die belangte Behörde versuche seitenlang zu begründen, dass die Bwin zumindest in Kauf genommen hätte, dass durch Erfüllungsgehilfen der Fa M und durch die Fa. M selbst bei jeder sich bietenden Gelegenheit die gesetzlichen Bestimmungen verletzt werden würden. Schon aus dieser Formulierung ergebe sich, dass die belangte Behörde nicht zwischen einer zivilrechtlichen Haftung im Sinne einer Erfüllungsgehilfenhaftung und einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit für fremdes Handeln differenziert.

 

Sofern tatsächlich in einigen Fällen ein Irrtum über das Vorliegen einer Zustimmung des Angerufenen vorliege, so wäre dies allenfalls als Fahrlässigkeit der Bwin zu beurteilen. In diese Richtung habe die belangte Behörde jedoch keine Ermittlungen angestellt. Keinesfalls habe die Bwin Gesetzesverletzungen durch ihre Unternehmung in Kauf genommen.

 

Unter Punkt C. wird vorgebracht, dass es der Bwin überdies auch an dem erforderlichen Unrechtsbewusstsein mangle. Diese Voraussetzung der Vorwerfbarkeit sei im Gegensatz zur Ansicht der belangten Behörde nicht schon dadurch erfüllt, dass der Bwin der Tatbestand des § 107 Telekommunikationsgesetz bekannt ist. Jeder Rechtsunterworfene habe die Gesetze zu kennen und könne sich auch nicht mit deren Unkenntnis entlasten. Die Bwin halte sämtliche Verwaltungsvorschriften ein und sei der Ansicht, dass sie nicht für allfällige Gesetzesverletzungen anderer Unternehmungen einzustehen habe, auf welche sie gar keinen Einfluss habe. Die Bwin gehe von der Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens aus, zumal bisher keine gegenteilige Entscheidung einer der belangten Behörde übergeordneten Instanz vorliege.

 

Im Punkt VI kritisiert die Berufung zum erstmalig erhobenen Vorwurf der missbräuchlichen Verwendung von Telekommunikationsendgeräten, dass dieser Tatvorwurf durch keinerlei Feststellungen begründet worden sei. Die belangte Behörde führe lediglich stehsatzartig die Entscheidung des OGH 4 Ob 113/99t an, womit allerdings keine Feststellung eines Sachverhaltes gegeben sei. Es fehle auch an der Subsumtion unter den Tatbestand des § 78 TKG. Es sei auch befremdlich, dass die belangte Behörde eine Entscheidung des OGH als Zivilgericht ohne weitere Überlegung und entsprechende Feststellungen zur Begründung einer verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit heranzieht.

 

2.5. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt und im Vorlageschreiben die Ansicht vertreten, dass in der Berufung keine Gründe angeführt worden wären, die ein Abgehen von der getroffenen Entscheidung erforderlich gemacht hätte.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsstrafakt. Nach dessen Durchsicht war im Hinblick auf das unwiderlegte Berufungsvorbringen und die in gleichgelagerten Berufungsverfahren ergangenen Erkenntnisse des Oö. Verwaltungssenats (vgl etwa VwSen-390258 und 390259 vom 14.01.2009; VwSen-390243 vom 27.05.2009, VwSen-390245 vom 28.05.2009 und VwSen-390246 vom 29.05.2009; VwSen-390247 vom 2.06.2009) festzustellen, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 107 Abs 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) sind Anrufe - einschließlich das Senden von Fernkopien – zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers unzulässig. Der Einwilligung des Teilnehmers steht die Einwilligung einer Person, die vom Teilnehmer zur Benützung seines Anschlusses ermächtigt wurde, gleich. Die erteilte Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden; der Widerruf der Einwilligung hat auf ein Vertragsverhältnis mit dem Adressaten der Einwilligung keinen Einfluss.

 

Nach dem § 109 Abs 3 Z 19 TKG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 37.000 Euro zu bestrafen,

 

wer entgegen § 107 Abs 1 Anrufe zu Werbezwecken tätigt.

 

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den Erk. verst. Senate VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Der Vorschrift des § 44 a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Straferkenntnisses die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

4.3. In vorangegangenen Straferkenntnissen (Zlen. BMVIT-635540/0080, 0081 und 0082/08), die vom Oö. Verwaltungssenat aufgehoben wurden (vgl h. Erk. VwSen-390193 vom 19.05.2008; VwSen-390194 vom 20.05.2008 und VwSen-390195 vom 21.05.2008), hatte die belangte Behörde zunächst eine rechtswidrige Werbeanrufpraxis der Fa. M vermutet und die Bwin dafür im Wege des § 9 Abs 1 VStG verantwortlich gemacht. Auf Grund des damals wie heute gleichen Berufungsvorbringens, wonach der erste telefonische Kontakt durch Bedienstete des Unternehmens D T 24 hergestellt werde und die Fa. M daraufhin Adressedatensätze erhalte, führte die belangte Behörde ein ergänzendes Ermittlungsverfahren zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung durch, in der sie schließlich selbst davon ausging, dass das Werbetelefonat durch die Fa. Direkt Tip von Spanien aus geführt wurde und die Daten der angerufenen Personen an die Fa. M weitergeleitet wurden, welche dann in einem Zweitanruf Kontakt aufnimmt, um einen Vertrag zur Teilnahme an einer Lottospielgemeinschaft abzuschließen.

 

Die belangte Behörde ist daraufhin von der ursprünglich angenommenen Verantwortung der Bwin gemäß § 9 Abs 1 VStG als Geschäftsführerin der Fa. M abgegangen und nahm nachträglich eine Beteiligung gemäß § 7 VStG an den Übertretungen von Mitarbeitern der Firma D T an. Dementsprechend tauschte sie den Tatvorwurf in der Berufungsvorentscheidung einfach aus. Die Fernmeldebehörde hatte es verabsäumt, vor der Erlassung des Straferkenntnisses eine Rufdatenerhebung durchzuführen, obwohl ihr bereits aus anderen gleichgelagerten Verfahren bekannt sein musste, dass derartige Werbeanrufe nicht von der Firma M, sondern von der Firma D T von Spanien aus durchgeführt worden waren. Die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen wurden von der Fernmeldebehörde nicht durchgeführt.

 

Die Berufungsvorentscheidung mit dem unzulässiger Weise ausgetauschten Tatvorwurf war schon gemäß § 64a Abs 3 AVG durch den Vorlageantrag ex lege außer Kraft getreten. Der Oö. Verwaltungssenat hatte daher nur mehr festzustellen, dass die Bfin nicht nach § 9 Abs 1 VStG verantwortlich sein könne, weil feststand, dass kein Mitarbeiter der Fa. M den angelasteten Werbeanruf tätigte.

 

4.4. Im vorliegenden Fall geht die belangte Behörde davon aus, dass Frau U K am 3. Juni 2008 um ca. 16:45 Uhr einen Werbeanruf von einer Frau N K erhielt, die sich angeblich als Mitarbeiterin der Fa. M vorstellte. Die belangte Behörde ging im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses aber selbst davon aus, dass dieser Werbeanruf bezüglich Teilnahme an einem Gewinnspiel der Fa. M von einer Mitarbeiterin eines vertraglich beauftragten Unternehmens, nämlich der Fa. D T 24 in Spanien, stammte.

 

In ihrer rechtlichen Beurteilung betrachtet die belangte Behörde den Vertrag vom 1. November 2005 zwischen M und D T über den Ankauf von Adressdateien als Scheinvertrag gemäß § 916 Abs 1 ABGB, der seiner wahren Beschaffenheit nach auszulegen sei. Danach gehe es nicht um Ankauf von Datensätzen, sondern um die Übertragung von "konkreten Werbemaßnahmen" auf die Fa. D T 24, welche daher als Erfüllungsgehilfe der Fa. M anzusehen sei. Im Straferkenntnis BMVIT-635.540/0501/08 vom 18. Juni 2008 drückte es die belangte Behörde so aus, dass es nicht um den bloßen Kauf von Adressen, sondern in Wahrheit um die Anwerbung von Neukunden für die Fa. M gehe. Diese gezielte Akquisition von Neukunden lasse sich eindeutig aus der Vertragsbestimmung Allgemeines/Pkt. 2 ableiten, wonach der Kunde seine Zustimmung zum direkten Kontakt durch die Fa. M geben müsse. Der Vertrag müsse nach seinem wahren wirtschaftlichen Gehalt ausgelegt werden (vgl § 916 Abs 2 Satz 2 ABGB).

 

Auch der erkennende Verwaltungssenat hält die Vertragsbezeichnung "Ankauf von Adressdateien" für zu kurz gegriffen, sieht darin aber kein Problem eines nichtigen Scheinvertrags, zumal der wahre wirtschaftliche Gehalt aus den Vertragsbestimmungen abgeleitet werden kann. Die Ansicht der belangten Behörde, dass der primäre Zweck des Vertrags die Kundenakquisition für die Fa. M und der Ankauf von Adressdateien eine Folge davon sei, trifft wohl zu. Dies wird in der oben referierten Berufung auch gar nicht bestritten.

 

Entgegen der belangten Behörde kann aus dem Umstand, dass die Fa. M im Werbeanruf ausdrücklich erwähnt wird, noch nicht auf eine exklusive Werbung in Bezug auf die Fa. M geschlossen werden. Soll der potentielle Kunde für ein Gewinnspiel der Fa. M geworben werden, muss zwangsläufig die Fa. M als Anbieter genannt werden. Das bedeutet aber noch nicht, dass die Fa. D T 24 ausschließlich im Interesse die Fa. M tätig wird, wie die belangte Behörde unterstellt. Sie kann und wird wahrscheinlich auch noch für andere Unternehmen Kunden akquirieren. Der erkennende Verwaltungssenat hat in seinem Erkenntnis vom 2. Juni 2009, Zl. VwSen-390247/2/WEI/Eg, aus Anlass von gewissen Ungereimtheiten und Formulierungsmängeln, die die belangten Behörde in der Vertragsurkunde und in Stellungnahmen des Herrn Brand von der D T 24 aufzeigte, zum wahren Gehalt des Vertragsverhältnisses zwischen der Fa. D T 24 und der Fa. M Stellung genommen. Dabei erachtete er es als gut nachvollziehbar, dass die Fa. M zwar den (falschen) Eindruck des Einschreitens in ihrem Namen durch die Fa. D T beim Erstkontakt mit möglichen Kunden vermeiden will (deshalb Vertragspunkt 3, wonach nicht im Namen der M akquiriert werden darf), dennoch aber Adressdatensätze von interessierten Kunden und deren Zustimmung zu einem Zweitanruf benötigt, damit sie ihrerseits in einem Werbeanruf legal Kontakt aufnehmen kann. Es erscheint naheliegend, dass die Fa. M auf diese Qualität der Leistungen der D T 24 Wert legt, weil ansonsten nur geschäftliche Probleme entstehen. Für die Fa. M macht demnach die Kundenakquisition durch die Fa. D T nur Sinn, wenn ihr interessierte Kunden mit vollständigen Datensätzen gemeldet werden. Wie die belangte Behörde selbst festgestellt hat, will die Fa. M nämlich im Zweitanruf nur noch die Daten überprüfen und gleichzeitig einen Vertrag über die Teilnahme an einem Gewinnspiel (Lottogemeinschaft) abschließen.

 

Wenn die belangte Behörde in der Folge davon spricht, dass der gegenständliche Werbeanruf "in konkretem Auftrag" der Fa. M durchgeführt wurde, so verkennt sie möglicherweise den Vertragsinhalt, nach dem die Fa. D T 24 als selbständiges Unternehmen Kunden für die Fa. M akquirieren soll, insofern aber gerade nicht im konkreten Auftrag, sondern im eigenen Namen und in eigener Verantwortung tätig wird. Sie wird für eine bestimmte Leistung, nämlich die Meldung von vollständigen Datensätzen interessierter Kunden, bezahlt. Diese Kundenakquisition liegt in ihrem eigenen unternehmerischen Interesse, weil sie nur in dem Umfang bezahlt wird, in dem sie geeignete Meldungen erstattet. Sie trifft danach weder ein Pflicht zum Tätigwerden, noch benötigt sie dabei einen konkreten Auftrag wie ein bloßer Dienstnehmer.

 

Die belangte Behörde kann ihre Behauptung von Werbeanrufen im Auftrag oder im Namen der Fa. M nicht durch ein aktenkundiges Beweisergebnis untermauern. Ein solcher Sachverhalt widerspräche dem zwischen der Fa. D T und der Fa. M abgeschlossenen Vertrag über den Ankauf von Adressdatensätzen. Es läge damit auch eine Vertretung ohne Vertretungsmacht vor. Selbst wenn sich die Anruferin im gegenständlichen Fall nur mit Fa. M meldete und als Mitarbeiterin der Fa. M ausgab, wäre damit jedenfalls gegen den mit der D T 24 abgeschlossenen Vertrag und gegen das Geschäftsinteresse der Fa. M verstoßen worden. Ein solches Auftreten als Mitarbeiterin der Fa. M könnte entgegen der Darstellung der belangten Behörde durchaus nicht als Regel, sondern nur als Ausnahme betrachtet werden. In den bisherigen Berufungsverfahren konnten die Anzeiger meist keine sicheren Angaben über die Erstanrufer machen oder es handelte sich dabei um Personen, die sich nicht als Mitarbeiter der Fa. M vorstellten (vgl bspw VwSen-390262 vom 8.07.2009, VwSen-390261 vom 10.07.2009; VwSen-390257 vom 2.07.2009 und VwSen-390255 vom 24.06.2009). Wie dem Oö. Verwaltungssenat u.A. im Berufungsverfahren VwSen-390193 vom 19. Mai 2008 bekannt wurde, hat die Bwin bei ihrer strafbehördlichen Einvernahme am 13. April 2007 über Vorhalt eines entsprechenden Gesprächsmitschnittes glaubhaft angegeben, dass ihr ein Auftreten im Namen der M bislang nicht bekannt war. Außerdem bestätigte Herr Brand gegenüber der Fernmeldebehörde in Schreiben vom 12. Februar und 12. März 2007, dass die Fa. D T nicht im Namen der Fa. M akquiriere, die Kunden aber laut Gesprächsleitfaden der Fa. D T auf einen Zweitanruf durch die Fa. M zum Datenabgleich hingewiesen werden. Nach dem unwiderlegten Berufungsvorbringen habe man auch nachdrücklich die Einhaltung der Geschäftsvereinbarung von der D T gefordert. Die  Bwin hat demnach ein solches den Interessen der Fa. M widerstreitendes Auftreten auch nicht hingenommen oder geduldet. Die gegenteiligen Behauptungen der belangten Behörde entbehren einer gesicherten Faktengrundlage und erscheinen damit geradezu willkürlich.

 

Wie im Folgenden noch näher darzulegen sein wird, enthält das angefochtene Straferkenntnis keinen rechtlich schlüssigen Tatvorwurf. Auch wenn die belangte Behörde, tendenziell wohl in Richtung der Beteiligungsregelung des § 7 VStG schielend, zur Begründung ausführt, die Bwin nähme unter Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflichten als Geschäftsführerin "in Kauf, dass durch  Erfüllungsgehilfen ... bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen verstoßen wird", vermag dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich derartige Formulierungen auf keine ausreichenden Beweisergebnisse stützen konnten, um der Bwin ein allenfalls strafwürdiges Verhalten im Gesamtzusammenhang unter dem Aspekt des § 7 VStG nachzuweisen.

 

4.5. Die belangte Behörde bringt im Spruchpunkt 1) zum Ausdruck, dass die Bwin als Geschäftsführerin der Fa. M einen Anruf zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers zu verantworten habe, "indem eine Mitarbeiterin ... eines von der Fa. M vertraglich beauftragten Unternehmens (Fa. D T 24, 07620 Arenal, Spanien) ein Gespräch mit Frau K bezüglich Werbung für die Teilnahme an einem Lottospiel der Fa. M geführt hat.". Diese aus der Geschäftsführertätigkeit abgeleitete Aufsichts- und Kontrollverantwortlichkeit der Bwin für "Erfüllungsgehilfen der Fa. M" wird von der belangten Behörde in der Begründung des Straferkenntnisses noch vertiefend dargestellt.

 

Die belangte Behörde überdehnt mit ihrer Argumentation die Reichweite des § 9 VStG deutlich. Sie versucht auf den Punkt gebracht, den § 9 Abs 1 VStG einerseits im Wege der Analogie (strafrechtliche Geschäftsführerhaftung für Erfüllungsgehilfen wie für eigene Mitarbeiter) auszudehnen und andererseits als Mittel zur Umgehung der strengeren Haftungsvoraussetzungen der Beteiligungsregelung des § 7 VStG zu instrumentalisieren, um Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Diese Vorgangsweise ist mit dem im Strafrecht herrschenden Grundsatz "nullum crimen sine lege" grundsätzlich nicht vereinbar. Im Einzelnen ist dem entgegen zu halten:

 

4.5.1. Verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Pflichten können bei juristischen Personen nicht in gleicher Weise wie bei natürliche Personen durchgesetzt werden, weil im geltenden Schuldstrafrecht die Schuld des Täters für Strafe vorausgesetzt wird. Der Gesetzgeber hat deshalb mit § 9 VStG eine Regelung getroffen, die dennoch die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen und die strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Zuwiderhandlungen gewährleistet. Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist grundsätzlich nach § 9 Abs 1 VStG strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Der Verfassungsgerichtshof ist in VfSlg 15.200/1998 davon ausgegangen, dass die einschlägigen verfassungsrechtlichen Garantien ( Art 90 ff B-VG, Art 6 und Art 7 EMRK) ganz selbstverständlich und daher unausgesprochen auch den Grundsatz voraussetzten, dass strafrechtliche Verantwortlichkeit nur an eigenes Verhalten angeknüpft sein darf. Die Verfassungskonformität eines als "Unternehmensstrafrecht" konstruierten Geldbußensystems hängt somit davon ab, inwieweit dabei echte "Strafen" verhängt werden und Verhalten sanktioniert wird, das der juristischen Person selbst zurechenbar ist (vgl mwN Walter/Mayer/Kuscsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 1557).

 

Soweit eine juristische Person Adressat einer Verwaltungsstrafnorm ist, treten an ihre Stelle die zur Vertretung nach außen berufenen Personen oder allfällige verantwortliche Beauftragte. Dabei ist das Organ auch dann verantwortlich, wenn das Tatbild durch andere Personen verwirklicht wird, weil es nicht genügend Vorkehrungen getroffen hat, um die Verwirklichung des Tatbildes durch den unmittelbaren Täter zu verhindern. Es kann aber nur für solche Verhaltensweisen Dritter bestraft werden, die der juristischen Person zurechenbar sind (vgl näher Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 [2000], Anm 3 zu § 9 VStG).

 

Die Bestrafung des verantwortlichen Organs setzt zwar die vom unmittelbaren Täter begangene Tat voraus, gründet sich aber auf Seiten des verantwortlichen Organs auf ein anderes Verhalten. Wie Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht3 [2004], 405, zutreffend ausführt, darf § 9 VStG nicht in verfassungswidriger Weise als strafrechtliche Verantwortung für fremdes Verhalten verstanden werden. Vielmehr folgt aus dieser Vorschrift ein spezifisches Unterlassungsdelikt, das bei der Pflicht der Organe der juristischen Person ansetzt, die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln sicherzustellen. Die Strafbarkeit des verantwortlichen Organs gründet auf dem Vorwurf, dass dieses schuldhaft keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen hat, um die Tat des unmittelbaren Täters zu verhindern.

 

Die gegenständliche Frage, ob der Außenvertretungsbefugte einer juristischen Person oder eingetragenen Personengesellschaft gemäß § 9 Abs 1 VStG für ein tatbestandsmäßiges Verhalten von Dienstnehmern anderer juristischer Personen oder Personengesellschaften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann, ist demnach schon aus verfassungsrechtlichen Gründen zu verneinen.

 

Diese besondere Verantwortung von Organen nach § 9 VStG ist naturgemäß auf den Rahmen der juristischen Person oder eingetragenen Personengesellschaft beschränkt und kann daher nur zum Tragen kommen, wenn andere Personen innerhalb der Organisation der juristischen Person den strafbaren Tatbestand verwirklichen (vgl bereits die Erkenntnisse VwSen-390241 und 390242/5/SR/Sta sowie VwSen-390258 und 390259/5/SR/Sta je vom 14. Jänner 2009)

 

4.5.2. Im Gegensatz zu den bisherigen Darlegungen hat die belangte Behörde ganz allgemein eine Aufsichtspflicht und strafrechtliche Verantwortlichkeit angenommen, die die Geschäftsführung eines Unternehmens auch für fremde Dienstnehmer von Vertragsunternehmen und für Erfüllungsgehilfen treffe. Die Bwin hätte sich daher nach Ansicht der belangten Behörde vergewissern müssen, ob die vorherige Zustimmung zum Werbeanruf des vom Vertragsunternehmen angerufenen Teilnehmers tatsächlich vorliegt.

 

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Straferkenntnis auf Leitsätze aus diversen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, u.A. auch zur Frage eines sog. wirksamen Kontrollsystems, berufen. Danach bleibe beispielsweise der Auftraggeber bzw der Verantwortliche gemäß § 9 VStG auch für "außer Haus" durchgeführte Aufgaben (VwGH 14.12.1998, 98/17/0309) oder für das Verhalten von Lieferanten als Erfüllungsgehilfen, die den Auftraggeber verpflichtende bescheidmäßige Auflagen missachten, verantwortlich (VwGH 02.06.1999, Zl. 98/04/0099). Überhaupt bleibe nach einem allgemeinen Grundsatz strafrechtlich verantwortlich, wer sich bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen der Hilfe eines Dritten bedient (VwGH 25.02.1997, Zl. 96/04/0188; VwGH 14.09.2001, Zl. 2000/02/0181). Auch sei die Abwälzung strafrechtlicher Verantwortlichkeit auf andere Personen ohne gesetzliche Grundlage nicht möglich.

 

Die belangte Behörde lässt unberücksichtigt, dass diese u.A. zum Kontrollsystem ergangene Judikatur immer von Aufsichts- und Kontrollpflichten ausgeht, die einen Unternehmer oder ein Organ einer juristischen Person im Rahmen der eigenen Organisation unzweifelhaft selbst treffen. Diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, die auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden ist, verfolgte nicht das verfassungsrechtlich bedenkliche Ziel, die Reichweite des § 9 VStG auszuweiten. In diesem Zusammenhang kann dem Verwaltungsgerichtshof nicht unterstellt werden, dass er mit seinen Ausführungen zum Kontrollsystem auch eine Strafbarkeit des zur Vertretung nach außen berufenen Organs für das bloße Fehlverhalten von Dienstnehmern eines Dritten begründen wollte. Wie bereits dargelegt, würde dies im Ergebnis zu einer unzulässigen Ausweitung der Strafnorm führen und letztlich auch einen Verstoß gegen den Grundsatz "nullum crimen sine lege" bedeuten.

 

Wer sich zur Erfüllung eigener Verpflichtungen, sei es nun nach dem Gesetz oder auf Grund eines Bescheides, der Hilfe Dritter bedient, kann damit selbstverständlich seine Verantwortung für einen rechtskonformen Zustand nicht los werden. Das gilt etwa für Gewerbetreibende ebenso wie für Bauherrn, die die von ihnen beauftragten Handwerker und/oder Bauunternehmer im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu überwachen und für eine bescheidkonformen Zustand zu sorgen haben.

 

Ein solcher Sachverhalt liegt aber entgegen der Ansicht der belangten Behörde gegenständlich nicht vor, weil die Fa. D T 24 einerseits nicht im Namen der Fa. M handeln kann und andererseits die Fa. M auch nicht eigene gesetzliche Verpflichtungen mit Hilfe der D T erfüllt. Wie schon unter 4.4. zum maßgeblichen Sachverhalt ausgeführt, hat die belangte Behörde das Vertragsverhältnis zwischen D T und M offenbar unzutreffend gedeutet und ein Tätigwerden im Auftrag oder gar im Namen der Fa. M unterstellt.

 

Unmittelbarer Täter einer Verwaltungsübertretung nach § 109 Abs 3 Z 19 iVm § 107 Abs 1 TKG ist nur der Anrufer, der ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers Anrufe (einschließlich das Senden von Fernkopien) zu Werbezwecken vornimmt. Die gesetzliche Verpflichtung zur Einholung der vorherigen Einwilligung trifft nach diesem Tatbild den Anrufer "eigenhändig". Wer selbst keine Werbeanrufe vornimmt und keine vorsätzliche Anstiftung oder Beihilfe zu solchen Werbeanrufen leistet, den trifft auch die gesetzliche Verpflichtung nach § 107 Abs 1 TKG nicht.

 

Da die Fa. M nach der wiederholt vorgetragenen und bisher nicht widerlegten Rechtfertigung der Bwin in die Kundenakquisition der Fa. D T nicht eingebunden ist (vgl Niederschrift vom 13.04.2007, Zlen. BMVIT-635.540/0080 bis 0082/07; Stellungnahme vom 26.04.2007; vorliegende Berufung), diese vielmehr ausgelagert hat, trifft sie in dieser Hinsicht auch keine eigene Verpflichtung. Es ist davon auszugehen, dass Werbeanrufe zur Kundenakquisition von Dienstnehmern anderer Unternehmen getätigt werden, auf die die Fa. M keinen direkten Einfluss nehmen kann. Auch gegenüber der Fa. D T könnte die Fa. M bei fehlender Zustimmung von Telefonteilnehmern zum Werbeanruf und zur Datenverwendung nur die Bezahlung der jeweiligen Adressdatensätze verweigern und allenfalls eine Vertragsauflösung betreiben. Andere rechtliche Einflussmöglichkeiten, vor allem aber unmittelbare Durchgriffsmöglichkeiten sind nicht ersichtlich.

 

Bereits in den einschlägigen Erkenntnissen des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich VwSen-390241 und 390242/5/SR/Sta und VwSen-390258 und 390259/5/SR/Sta je vom 14. Jänner 2009 wurde der belangten Behörde Folgendes entgegen gehalten:

 

"Zur Verdeutlichung ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof den Aufbau eines entsprechenden Kontrollsystems in solchen Fällen gefordert hat, in denen "rechtsgeschäftliche Aufgaben `außer Haus´ durch Dritte durchgeführt werden sollen". Eingeschränkt ist die Überwachungspflicht aber auf die Dritten übertragene Aufgaben, die eine Voraussetzung für die Erfüllung eigener Verpflichtungen sind (dazu VwGH vom 14.12.1998, Zl. 98/17/0309: Mit der rechtsgeschäftlichen Weitergabe vorbereitender Tätigkeiten kann dem Dritten nicht auch eine dem Übertragenden selbst von Gesetzes wegen treffende Verpflichtung [z.B.: Erstattung der Anzeigenabgabe] überbunden werden.). Unbestritten können eigene gesetzliche Verpflichtungen rechtsgeschäftlich nicht delegiert werden.

 

Telefonmarketing stellt innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine erlaubte Tätigkeit dar. Die vertragliche Beauftragung eines selbständig und eigenverantwortlich tätigen Dritten, Kunden für ein bestimmtes Unternehmen oder einen bestimmten Zweck zu werben, kann weder als eine Weitergabe vorbereitender Tätigkeiten noch als die Übertragung von einem selbst treffende gesetzliche Verpflichtung angesehen werden."

 

Deshalb trifft die These der belangten Behöre nicht zu, dass die Fa. M strafrechtlich verantwortlich sein könnte, weil sie mit Erfüllungsgehilfen arbeite, um eigene Verpflichtungen zu erfüllen. Denn selbst nach der Bestimmung des § 1313a ABGB haftet auch schadenersatzrechtlich nur für Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient (sog. Erfüllungsgehilfenhaftung), wer einem anderen zu einer Leistung verpflichtet ist. Wie in der Berufung ausgeführt wird und nach der vorliegenden Aktenlage auch unbestritten erscheint, betreibt die Fa M aber selbst keine "Kundenakquirierung", sondern hat diese unternehmerische Tätigkeit auf selbständige Unternehmen wie zB die spanische Fa. D T 24 s.l. ausgelagert, die für die Beschaffung von vollständigen Adressdatensätzen einschließlich der Zustimmung des Kunden zur Datenverwendung bezahlt werden (Ankauf von Datensätzen).

 

Nur in diesem Fall finde nach der Darstellung der Berufung, die von der belangten Behörde nicht widerlegt werden konnte, ein Zweitanruf durch die Fa. M statt. Es geht demnach nicht um die Erfüllung eigener Verpflichtungen mit Hilfe eines Subunternehmers, sondern um die Auslagerung des gesamten Bereichs "Telefonmarketing" auf eigenverantwortlich tätige Unternehmen als Geschäftspartner, von denen nach der unwiderlegten Berufungsdarstellung auch die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen gefordert wird.

 

4.6.1. Beim Tatvorwurf nach Spruchpunkt 2) handelte es sich unbestritten um einen Zweitanruf am 5. Juni 2008 und um weitere Folgeanrufe am 6. und 9. Juni 2008 von Dienstnehmern der Fa. M. Bei Zweitanrufen der Fa. M werden die übermittelten Personaldaten noch einmal überprüft und sie sollen dem allfälligen Vertragsabschluss mit dem Kunden dienen. Es handelt sich demnach unbestritten um Werbeanrufe.

 

Wie die Berufung ausführt, wird nach der vereinbarten Geschäftsbeziehung zwischen der Fa. M und der Fa. D T 24 ein solcher Zweitanruf nur nach vorheriger Zustimmung des Kunden zur weiteren Datenverwendung und zu diesem Zweitanruf vorgenommen. Aus der strafbehördlichen Einvernahme der Bwin vom 13. April 2007 und den schon erwähnten Schreiben des Herrn Brand von der Fa. D T 24 geht hervor, dass Kunden beim Akquisitionsgespräch nach dem Gesprächsleitfaden der Fa. D T darauf hingewiesen werden, dass sie in den nächsten Tagen einen Zweitanruf durch die Fa. M erhalten werden. Diese Zustimmung des Kunden zur Datenverwendung und zum Zweitanruf ist für die Fa. M wesentlicher Inhalt des mit der Fa. D T abgeschlossenen Vertrages, zumal ein legaler Zweitanruf sonst nicht möglich wäre und eine mangelhafte Kundenakquisition der Fa. D T keinen Wert für die Fa. M hätte. Deshalb hat die Bwin im näher begründeten Vorlageantrag vom 29. Mai 2007 in vorangegangenen Berufungsverfahren (vgl dazu VwSen-390193 vom 19. Mai 2008) auch vorgebracht, dass die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen durch die D T 24 nachdrücklich gefordert und auch die Auflösung der Vertragsbeziehung angedroht worden wäre.

 

Die belangte Behörde hat keinerlei Beweise aufgenommen und die Verantwortung der Bwin auch nicht widerlegt, sondern nur referiert. Sie hat sich mit der bloß allgemein gehaltenen und daher ungenauen Erklärung am verwendeten Formblatt begnügt, dass die Anzeigerin keine Einwilligung zum Erhalt von Werbeanrufen erteilt hätte.

 

In der rechtlichen Begründung des Straferkenntnisses nimmt die belangte Behörde ohne aktenkundige Belege einfach an, dass die Anzeigerin beim Erstanruf nicht gefragt worden wäre, ob sie einem Zweitanruf in Sachen Teilnahme an einer Lottospielgemeinschaft der Fa. M zustimmt. Diese Frage wurde nämlich weder in der Formularanzeige noch in der schriftlichen Ergänzung vom 20. Juni 2008 ausdrücklich behandelt. Es geht in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren nicht an, Tatsachen zum Nachteil eines Beschuldigten festzustellen, die ohne ein zuverlässiges Beweisverfahren erwiesen wurden. Wie der belangten Behörde beispielsweise aus der ohne Formblatt erstatteten Anzeige in dem Strafverfahren BMVIT-635.540/0347/08 (= VwSen-390245-2008) bekannt sein musste, war dort ausdrücklich von der Ankündigung eines Zweitanrufs die Rede. Schon aus diesen Gründen kann der erkennende Veraltungssenat der belangten Behörde nur insoweit folgen, als die Angerufene wahrscheinlich nur keine ausdrückliche Zustimmung zu einem Zweitanruf erteilt hat.

 

4.6.2. Eine solche Einwilligung konnte nach den gegebenen Umständen aber auch schlüssig erteilt werden (vgl § 863 ABGB). Die Anzeigerin hat sich nämlich nach ihrer eigenen Darstellung auf das Erstgespräch bewusst eingelassen und offenbar persönliche Daten und sogar ihre Kontoverbindung bekannt gegeben. Auch wenn das Erstgespräch unter Hinweis auf einen Gewinn, eine Gewinnchance oder eine Sonderaktion 6 aus 45 geschickt geführt wurde, um die Angerufene zur Bekanntgabe von persönlichen Daten zu bewegen, vermag ein später allenfalls enttäuschtes Motiv nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats nichts daran zu ändern, dass diese Bekanntgabe von Daten freiwillig erfolgte. Denn von einer volljährigen und geschäftsfähigen Person muss der Rechtsverkehr erwarten können, dass sie die Bedeutung und Tragweite ihres Verhaltens erfassen und sich nach dieser Einsicht richten kann. Ein voll handlungsfähiger Erwachsener muss damit rechnen, dass er im Geschäftsleben nichts geschenkt bekommt und in Aussicht gestellte Vorteile meist auch mit Nachteilen bzw Leistungen des Kunden verbunden sind. Davon zu unterscheiden ist der Umstand, dass unseriöse Geschäftspraktiken zur Irrtumsanfechtung berechtigen können und nach Konsumentenschutzrecht allenfalls auch ein Rücktrittsrecht eingeräumt ist.

 

Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens ist aber ausschließlich die Frage der Einwilligung zum Werbeanruf der Fa. M an sich und nicht auch die Frage, ob aus zivilrechtlicher Sicht potentielle Kunden mit unerlaubten Methoden zur Teilnahme an Lottospielgemeinschaften gewonnen wurden. Diese Entscheidung bleibt den Zivilgerichten vorbehalten. Im gegenständlichen Berufungsverfahren sind daher konsumentenschutzrechtliche Fragen auch als Vorfragen nicht aufzuwerfen.

 

Der erkennende Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage im Zweifel zugunsten der Beschuldigten davon aus, dass entsprechend den bekannten Vertragsbestimmungen und der Aussage des Herrn B von der Fa. D T auch in den gegenständlichen Fällen ein Zweitanruf angekündigt worden ist, dem die Angerufene zumindest nicht widersprochen hat. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde war die Fa. M auf Grund der mit der Fa. D T vertraglich vereinbarten Leistung und der Übermittlung eines dementsprechend vollständigen Datensatzes einschließlich der Kontoverbindung des Kunden grundsätzlich zur Annahme berechtigt, dass dieser in eine Kontaktaufnahme durch die Fa. M im Wege eines Zweitanrufs eingewilligt hat. Denn nach Bekanntgabe der persönlichen Daten einschließlich der sensiblen Kontodaten betreffend eine Bankverbindung besteht kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln (vgl 863 Abs 1 ABGB), dass der potentielle Kunde zumindest so viel Interesse an der Sache gezeigt hat, dass er einem Zweitanruf durch die Fa. M zustimmt und eine Teilnahme an einer Lottospielgemeinschaft nicht von vornherein ausschließt. Ein unüberlegtes Handeln des Teilnehmers oder ein allfälliger Motivirrtum vermag am objektiven Erklärungswert eines Verhaltens nichts zu ändern. Es gilt die Vertrauenstheorie aus der Sicht des Empfängerhorizonts und damit der Erklärungswert, wie ihn ein verständiger Empfänger verstehen durfte (vgl mwN etwa Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13 [2006], 105).

 

Insofern vertritt der erkennende Verwaltungssenats die Ansicht, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung ein potentieller Kunde seine Daten samt Kontoverbindung nicht bekannt gegeben hätte, wäre er überhaupt nicht an der Sache interessiert und daher schon mit einem weiteren Anruf nicht einverstanden. Auch die in diesem Zusammenhang unwidersprochen gelassene Ankündigung eines Zweitanrufs lässt darauf schließen, dass der Teilnehmer mit diesem Zweitanruf einverstanden war. Wer sich auf die Sache eingelassen hat, für den gilt der alte lateinische Grundsatz "Qui tacet consentire videtur!". Sein Schweigen ist unter diesen Umständen als Zustimmung zu deuten.

 

Für den erkennenden Verwaltungssenat steht daher als entscheidungswesentliche Tatsache fest, dass der Zweitanruf unter den gegebenen Umständen nicht ohne schlüssige Zustimmung der Anzeigerin stattgefunden haben konnte. Die maßgebliche Verantwortung der Bwin, dass die Fa. M erst nach Vorliegen eines vollständigen Adressdatensatzes mit Kundendaten und der Zustimmung zur weiteren Verwendung einen Zweitanruf vornimmt, konnte nach Ausweis der Aktenlage von der belangten Behörde nicht widerlegt werden. Die in der Berufung vertretene Ansicht, dass die Fa. M bzw die Bwin bei einem vollständigen Adressdatensatz jedenfalls von einer Zustimmung des Kunden zum Zweitanruf ausgehen konnte, weil der Kunde ansonsten nicht seine Daten, insbesondere auch nicht seine Kontoverbindung, bekannt gegeben hätte, erscheint dem erkennenden Verwaltungssenat schlüssig und wird daher grundsätzlich geteilt. Solange im Einzelfall keine eindeutigen Hinweise vorliegen, die eine solche Zustimmung des Kunden in Frage stellen, kann der Bwin kein Sorgfaltsverstoß angelastet werden.

 

4.6.3. Was nun die Folgeanrufe am 6. und 9. Juni 2008 anbelangt, kann entgegen der belangten Behörde nicht einfach von weiteren Werbeanrufen ausgegangen werden. Sie dienten nämlich nicht Werbezwecken, sondern diese Telefonate wurden offenbar im Hinblick auf Meinungsverschiedenheiten über das bereits erfolgte Zustandekommen der Teilnahme am zuvor angebotenen Lottospiel der Fa. M und der damit verbundenen Abbuchung des Betrags von 59,90 Euro vom Konto der Anzeigerin geführt. Nach dem Zweitanruf vom 5. Juni 2006 hat die Anzeigerin sogar selbst mehrfach versucht, einen telefonischen Kontakt zur Fa. M "zwecks Klärung" herzustellen. Diese Rückrufversuche wurden von der Fa. M sicherlich registriert, weil bekanntlich moderne Telekommunikationsendgeräte eingehende Anrufe bzw Telefonnummern, die nicht unterdrückt werden, aufzeichnen. Die Anzeigerin hatte damit einen Rückruf der Fa. M und damit das weitere Telefonat am 6. Juni 2008 selbst angebahnt. Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass sie mit diesem Folgeanruf nicht einverstanden gewesen wäre, wollte sie doch selbst eine Klarstellung ihres Rechtsstandpunktes gegenüber der Fa. M vornehmen. Es war der Anzeigerin nach ihrer eigenen Darstellung ein Bedürfnis, ihren Protest über die Vorgangsweise der Fa. M anlässlich des Telefonats vom 6. Juni 2008 kundzutun.

 

Wie sie in der Anzeige weiter ausführt, hat sie nach dem Zweitanruf vom 5. Juni 2008 auf Anraten der Arbeiterkammer einen eingeschriebenen Brief an die Fa. M gesendet, in dem sie ihr im Verbraucherschutz begründetes Recht auf Kündigung eines eventuell entstandenen Vertrages durch Preisgabe ihrer Daten ausübte und eine Abbuchung von ihrem Konto untersagte. Dieses Schreiben ging dann in der Zwischenzeit der Fa. M zu, weshalb offenbar im Telefonat vom 9. Juni 2008 darauf reagiert und versucht wurde, eine vergleichsweise Lösung mit der Anzeigerin zu erreichen. Diese fand dabei noch einmal Gelegenheit der Rechtsmeinung der Fa. M energisch entgegen zu treten und rechtliche Schritte anzudrohen. Sie war damit auch erfolgreich, weil sie danach nichts mehr von der Fa. M hörte. Die Anzeigerin ersparte sich durch ihr mittlerweile offenbar selbstsicheres Auftreten weitere Unannehmlichkeiten. Das im Zuge der rechtlichen Auseinandersetzung zwischen der Fa. M und der Anzeigerin geführte Telefonat vom 9. Juni 2008 lag auch im Interesse der Anzeigerin und kann demnach nicht als weiterer Werbeanruf gedeutet werden, wie es die belangte Behörde von ihrer pauschalen Betrachtungsweise her tut.

 

4.7. Im Zusammenhang mit dem erstmals erhobenen Tatvorwurf im Spruchpunkt 3) meint die belangte Behörde offenbar aus den Anlastungen in den Spruchpunkten 1) und 2) zusätzlich auch eine Übertretung des § 78 Abs 1 Z 2 TKG ableiten zu können. Besondere Feststellungen hat sie dazu nämlich nicht getroffen, sondern sich mit dem bloß rechtlich unschlüssigen Hinweis auf eine zivilrechtliche Entscheidung des OGH (4 Ob 113/99t vom 18.05.1999) begnügt. Der im Straferkenntnis wiedergegebene Leitsatz aus dieser Entscheidung, wonach unerwünschte Telefonwerbung das mit jeder sonstigen Werbung verbunden Maß an Belästigung überschreitet und in die Individualsphäre eingreift, ist an sich unbestritten. Mit diesem gegenständlich aber nicht einschlägigen Leitsatz kann entgegen der Ansicht der belangten Behörde noch keine missbräuchliche Verwendung von Telekommunikationsendgeräten iSd § 78 TKG begründet werden. Als missbräuchliche Verwendung gilt im Fall des § 78 Abs 1 Z 2 TKG "jede grobe Belästigung oder Verängstigung anderer Benützer" .

 

Bei der vom Oö. Verwaltungssenat vorgenommenen rechtlichen Beurteilung des gegebenen Sachverhalts zu den Spruchpunkten 1) und 2) des angefochtenen Straferkenntnisses liegt es auf der Hand, dass ein Missbrauch durch grobe Belästigung der Anzeigerin nicht angenommen werden kann. Diese hat sich auf den der Bwin ohnehin nicht zurechenbaren Erstanruf eingelassen und ihre persönlichen Daten bekannt gegeben. Der Zweitanruf und die beiden Folgeanrufe waren auf das eigene unvorsichtige Verhalten der Anzeigerin und die rechtliche Auseinandersetzung mit der Fa. M zurückzuführen. Die Folgeanrufe lagen auch im Interesse der Anzeigerin, welche dabei Gelegenheit hatte, ihren Standpunkt unmissverständlich darzulegen. Eine grobe Belästigung, die überhaupt keinem sinnvollen Zweck aus der Sicht der Angerufenen diente, kann der unabhängige Verwaltungssenat nicht einmal ansatzweise erkennen.

 

5. Im Ergebnis steht daher schon nach der Aktenlage und dem von der belangten Behörde vorgeworfenen Sachverhalt fest, dass die beschuldigte Bwin die im Straferkenntnis angelasteten Taten so nicht begangen haben konnte. Deshalb hatte der erkennende Verwaltungssenat durch seine 9. Kammer in Bezug auf Spruchpunkt 2) und durch Einzelmitglied in Bezug auf die Spruchpunkte 1) und 3) der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis in sämtlichen Spruchpunkten aufzuheben und mangels nachgewiesener und zutreffend angelasteter Verwaltungsübertretungen sowie aus rechtlichen Gründen die Einstellung der Strafverfahren nach dem § 45 Abs 1 Z 1 VStG zu verfügen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. G r o f                                                            Dr. W e i ß

 

 

 

 

 

 

Rechtssätze wie VwSen-390258 und 390259 vom 14. Jänner 2009 zu § 9 VStG und zur schlüssigen Einwilligung iZm § 107 Abs 1 TKG wie VwSen-390247 vom 2. Juni 2009

 

ergänzender Rechtssatz zu VwSen-390263 vom 3. September 2009:

 

§ 107 Abs 1 TKG

 

Folgeanrufe die nach Rückrufversuchen und rechtlichen Schritten des Kunden im Zuge von Meinungsverschiedenheiten über das Zustandekommen eines Vertrags über die Teilnahme an einer Lottospielgemeinschaft erfolgen, liegen auch im Interesse des Angerufenen und können nicht als unerwünschte Werbeanrufe qualifiziert werden.

 

 

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