Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163800/14/Fra/Bb/Ps

Linz, 04.09.2009

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn M B, geb., vertreten durch die Sachwalterin Frau Mag. K F, p.A. Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft & Bewohnervertretung, F, W, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Mag. J K, H, P, vom 19. Dezember 2008, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Wels-Land, vom 16. Dezember 2008, GZ VerkR96-3247-2002, betreffend Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit gemäß § 7 Exekutionsordnung, nach Durchführung ergänzender Erhebungen, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit Bescheid vom 16. Dezember 2008, GZ VerkR96-3247-2002, den Antrag des Herrn M B (des Berufungswerbers) vom 15. Februar 2006 auf Aufhebung der Bestätigung über die Vollstreckbarkeit gemäß § 7 Exekutionsordnung als unbegründet abgewiesen.

 

2. Gegen diesen Bescheid vom 16. Dezember 2008 – nachweislich zugestellt am 19. Dezember 2008 - hat der Berufungswerber durch seine Vertreter mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2008 bei der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land nicht Gebrauch gemacht und die Berufung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben (§ 51 Abs.1 VStG). Dieser hatte durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land und Einholung eines Ergänzungsgutachtens, erstattet von Herrn Dr. med. C J, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapeut, Arzt für Allgemeinmedizin, psychosoziale, psychosomatische Medizin und Geriatrie und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, W, zur Frage ob der Berufungswerber im Zeitpunkt der Zustellung – das war am
6. August 2002 - des Straferkenntnisses vom 29. Juli 2002,
GZ VerkR96-3247-2002/Be, prozessfähig und somit in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in diesem ereigneten prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten. Ferner wurde den Verfahrensparteien Gelegenheit geboten, zum Ergänzungsgutachten Stellung zu nehmen.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich nicht als erforderlich und konnte entfallen, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Der Berufungswerber hat als Lenker des mehrspurigen Kleinkraftrades mit dem Kennzeichen am 14. Mai 2002 dieses Kleinkraftrad trotz bestehendem Mopedlenkverbot gelenkt und ein sogenanntes "Alkoholdelikt im Straßenverkehr" (0,92 mg/l Atemluftalkoholgehalt) begangen. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 29. Juli 2002, GZ VerkR96-3247-2002/Be, wurde über ihn eine Gesamtgeldstrafe von 1.892 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Tagen verhängt. Der Strafbescheid wurde dem Berufungswerber - wie durch den im Akt vorhandenen Rückschein belegt ist - mittels Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am
6. August 2002 zugestellt.

 

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Wels vom 27. Oktober 2004, 1P66/02w-45, wurde für den Berufungswerber Frau Mag. K F, p.A. Verein für Sachwalterschaft & Patientenanwaltschaft & Bewohnervertretung, W, zur Sachwalterin gemäß
§ 273 ABGB bestellt. Aus diesem Ergänzungsbeschluss - die ursprüngliche Sachwalterbestellung betreffend die Vertretung vor Behörden, Gerichten und Ämtern erfolgte bereits mit Beschluss vom 14. März 2003, 1P66/02w-18, - geht hervor, dass Frau Mag. K F als Sachwalterin nunmehr folgenden Kreis von Angelegenheiten zu besorgen hat: Vertretung vor Behörden, Gerichten, Ämtern und  Einkommensverwaltung.

 

Eine Sachwalterbestellung wirkt insofern konstitutiv, als ab ihrer Wirksamkeit die Prozess- und Handlungsfähigkeit im dort umschriebenen Ausmaß keinesfalls mehr gegeben ist (vgl. etwa VwGH 23.  April 1996, 95/11/0365, und 20. Februar 2002, 2001/08/0192). Für die Zeit davor - im zugrundeliegenden Fall insbesondere für den Tatzeitpunkt und die Frage der wirksamen Zustellung des Straferkenntnisses vom 29. Juli 2002, GZ VerkR96-3247-2002/Be - ist zu prüfen, ob die betreffende Person schon damals nicht mehr handlungs- und prozessfähig gewesen ist und somit nicht mehr in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in diesem ereigneten prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten. Das Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. VwGH 19. September 2000, 2000/05/0012).

 

Gemäß dem erstatteten Gutachten des Herrn Dr. med. C J, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapeut, Arzt für Allgemeinmedizin, psychosoziale, psychosomatische Medizin und Geriatrie, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, vom 15. Jänner 2008, war dem Berufungswerber bezogen auf den konkreten Tatzeitpunkt am 14. Mai 2002 zwar bewusst, dass er nicht alkoholisiert fahren dürfe, doch sei es ihm nicht möglich gewesen, einsichtsmäßig zu handeln. Es sei auch davon auszugehen, dass er die Strafverhandlungsschriften nicht einwandfrei lesen konnte und darüber hinaus ihm das Verständnis gefehlt habe, den Inhalt zu verstehen und sich rechtmäßig zu äußern. Die Ursachen dafür lägen laut Ausführungen des Sachverständigen im Wesentlichen im gleichzeitigen Zusammentreffen einer Grenzbegabung mit Sprachstörung, einer organischen Persönlichkeitsstörung mit kognitiver Beeinträchtigung sowie einer dauernden Substanzbeeinträchtigung durch Alkohol. Im Ergänzungsgutachten vom 27. April 2009 hielt der nichtamtliche Sachverständige Dr. J unter Hinweis auf H, "Das psychiatrische Gutachten 1996, S. 175 bis 176", ferner zusammengefasst fest, dass aufgrund der Grenzbegabung mit Sprachstörung sowie der organischen Persönlichkeitsstörung mit kognitiver Beeinträchtigung sowie der langjährigen Alkoholabhängigkeit und dauernder Substanzbeeinträchtigung auch davon auszugehen sei, dass der Berufungswerber auch bei der Zustellung des Straferkenntnisses am
6. August 2002 nicht prozessfähig und somit nicht in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens zu erkennen und zu verstehen und sich den Anforderung eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten. Die psychische Leistungsfähigkeit sei somit in einem erheblichen Umfang nicht gegeben gewesen.

 

Das Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar. Die Berufungsinstanz vermag daran inhaltlich keine Zweifel zu hegen. Das Gutachten ist beweiskräftig und war daher der Entscheidung zugrunde zu legen. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat dem Gutachten im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs widersprochen, allerdings konnte das Vorbringen, welcher einer sachverständigen Grundlage entbehrt, das zugrundeliegende Gutachten nicht entkräften und war nicht geeignet, einen Mangel aufzuzeigen.

 

Einem Sachverständigengutachten kann insbesondere nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit bloßen Behauptungen, ohne Argumentation auf gleicher fachlicher Ebene, in tauglicher Art und Weise nicht entgegengetreten werden, sondern ein solches kann in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden oder wenn es mit den Denkgesetzen oder den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch steht (vgl. z.B. VwGH 25. April 1991, 91/09/0019; 31. Jänner 1995, 92/07/0188 uva.).

 

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat ist ausreichend belegt, dass der Berufungswerber sowohl zum Tatzeitpunkt (am 14. Mai 2002) als auch im Zeitpunkt der Zustellung des Straferkenntnisses vom 29. Juli 2002, GZ VerkR96-3247-2002/Be, (am 6. August 2002) handlungs- und prozessunfähig und damit nicht in der Lage war, Bedeutung und Tragweite dieses prozessualen Vorganges zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten. Die am 6. August 2002 an den Berufungswerber vorgenommene Zustellung des Straferkenntnisses konnte damit keine Rechtswirksamkeit entfalten und keine Rechtwirkungen auslösen (siehe z.B. auch VwGH 25. Juni 1999, 97/02/0186).

 

Es war daher der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Johann  F r a g n e r

 

 

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