Linz, 08.09.2009
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn PP, vom 1. September 2009 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 19. August 2009, VerkR20-203-1996, wegen Entziehung der Lenkberechtigung ua, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Rechtsgrundlage:
§§ 66 Abs.4 und 67a AVG
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 24, 3, 7, 32, 30, 29 FSG die von der BH Urfahr-Umgebung am 12. September 1996, VerkR20-203-1996, für die Klassen A, B, C1, C, B/E, C1/E, C/E und F erteilte Lenkberechtigung für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Bescheidzustellung – dh vom 28. August 2009 bis 28. November 2009 – entzogen und ihm für den gleichen Zeitraum ein Lenkverbot für Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge erteilt und das Recht aberkannt, von einer ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Einer Berufung gegen den Bescheid wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 28. August 2009.
2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG).
3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Fahrverbotsdauer sei im Verhältnis zum Tatgeschehen überproportional hoch. Er habe am 8. Dezember 2008 von Herrn F. ein Glas auf die Stirn geschmissen bekommen und stark geblutet. Er habe im Nebenzimmer, wo sich drei seiner Freunde und 6-8 weitere Gäste befunden hätten, um Hilfe gebeten; es sei dann zu einer Auseinandersetzung zwischen Herrn F und den Gästen gekommen. In dieser Zeit sei er an der Bar gesessen und von der Kellnerin verarztet worden, was vor Gericht auch Zeugen bestätigt hätten. Später seien Polizei und Rettung gekommen; er sei im UKH Linz behandelt worden. Herr F habe eine Strafe wegen Körperverletzung bekommen. Auch er sei aus für ihn unerklärlichen Gründen am 28. Juli 2009 am Landesgericht Linz nach §§ 83 Abs.1 und 84 Abs.2 Z2 StGB verurteilt worden. Die Richterin habe ihn darauf hingewiesen, dass kein Eintrag im Leumundszeugnis erfolge, aber auf einen Führerscheinentzug habe sie ihn nicht aufmerksam gemacht. Hätte er das gewusst, hätte er das Urteil nicht angenommen, er habe sich zu keiner Zeit schuldig gefühlt und keinen Rechtsbeistand gehabt; er habe das Urteil aus Naivität angenommen, um die unangenehme Angelegenheit abzuschließen. Er sehe keinen Grund, dass seine Verkehrszuverlässigkeit nicht mehr gegeben sein solle. Er brauche als Handelsreisender den Führerschein täglich und ein Entzug werde von seinem Arbeitgeber nicht geduldet, was zum Verlust der Arbeit führe und ihn und seine Familie in eine existentiellen Notlage bringe, zumal er gerade für sein fertig gestelltes Haus einen Kredit von 300.000 Euro aufgenommen habe. Er sehe sich als Opfer und habe die Auseinandersetzung, an der auch ihm unbekannte Personen teilgenommen hätten, nicht gewollt. Er beantragt Bescheidaufhebung, zumindest aber Reduzierung der Entzugsdauer.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.
Daraus geht hervor, dass der Bw mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 28. Juli 2009, 458 022 Hv 39/09 i-11, wegen §§ 83 Abs.1, 84 Abs.1 Z2, 12 2.Fall StGB zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen, Probezeit drei Jahre, rechtskräftig verurteilt wurde. Vermerkt wurde außer dem Umstand der Erstverurteilung, dass der Bw die Tat unter Alkoholeinwirkung begangen hat.
In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.
Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind. Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z9 FSG zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß § 83 StGB begangen hat.
Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.
Gemäß § 83 Abs.1 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt. Gemäß § 84 Abs.1 StGB ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wenn die Tat eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit zur Folge hat oder die Verletzung oder Gesundheitsschädigung an sich schwer ist. Gemäß Abs.2 Z2 dieser Bestimmung der Täter ebenso zu bestrafen, wenn die Tat von mindestens drei Personen in verabredeter Verbindung gegangen worden ist. Gemäß § 12 StGB begeht nicht nur der unmittelbare Täter die strafbare Handlung, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beiträgt.
Zu Gewalt neigendes, aggressives Verhalten kann bei einem Kraftfahrzeuglenker deshalb nicht toleriert werden, weil es im Straßenverkehr immer wieder zu Situationen kommen kann, in denen man mit tatsächlichen oder vermeintlichen Fahrfehlern anderer Verkehrsteilnehmer konfrontiert wird und sich dennoch zu beherrschen hat.
Infolge der Bindung des Unabhängigen Verwaltungssenates an die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Bw ist ohne jeden Zweifel vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z9 FSG auszugehen, wobei der Beginn der Verkehrsunzuverlässigkeit mit der Tat am 8. Dezember 2008 anzunehmen ist, dh die von der Erstinstanz festgesetzte Entziehungsdauer von weiteren drei Monaten ab Bescheidzustellung am 28. August 2009 hätte die Annahme einer insgesamt fast 12monatigen Verkehrsunzuverlässigkeit zur Folge.
Gemäß § 25 Abs.3 FSG darf eine Entziehungsdauer von weniger als drei Monaten nicht festgesetzt werden. Trifft daher die Annahme, der Betroffene werde für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten verkehrsunzuverlässig sein, nicht (mehr) zu, so darf eine Entziehung der Lenkberechtigung nicht ausgesprochen bzw von der Berufungsbehörde nicht bestätigt werden. Eine "Mindestentziehungsdauer" in dem Sinn, dass schon die Verwirklichung einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 FSG zu einer Entziehung der Lenkberechtigung für diese bestimmte Dauer führen muss, gilt nur für jene Fälle, für die bereits im Gesetz (vgl. § 26 Abs.3 FSG) eine fixe Entziehungsdauer normiert ist und in denen daher die Wertung der bestimmten Tatsache tatsächlich zu entfallen hat (vgl VwGH 27.3.2007, 2006/11/0273; mit Vorjudikatur).
Bei der Wertung ist im ggst Fall zu bedenken, dass der Bw bislang gerichtlich unbescholten war und zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt wurde, dh das Gericht hat den Vollzug der Geldstrafe nicht für erforderlich angesehen. Die von der Erstinstanz angenommene Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ist auf dieser Grundlage insgesamt zu lang, wobei die vom Zeitpunkt der Bescheidzustellung zusätzlich für weitere drei Monate ausgesprochene Entziehungsdauer im Sinne einer Prognose, wann die Verkehrszuverlässigkeit beim Bw wieder anzunehmen sein wird, angesichts der doch weitgehend fehlenden Schwere der Tat nicht nachvollziehbar zu begründen ist.
Aus diesen Überlegungen war der angefochtene Bescheid aufzuheben, wobei aber zu betonen ist, dass dadurch keineswegs zum Ausdruck gebracht werden soll, der Bw habe kein Verhalten gesetzt, das eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 FSG darstellt, sondern lediglich, dass auf Grund der entscheidungsrelevanten Sachlage die Annahme der Erstinstanz über die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Bw und damit die Entziehung der Lenkberechtigung nicht aufrechterhalten werden kann.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Bissenberger
Beschlagwortung:
Verurteilung nach § 84 zu bedingter Geldstrafe – Verkehrsunzuverlässigkeit von insgesamt fast 12 Monaten nicht gerechtfertigt -> Aufhebung