Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-164422/2/Ki/Ps

Linz, 16.09.2009

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der Frau J S, O, B, vertreten durch Rechtsanwälte H R, E, K, vom 2. September 2009 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 17. August 2009, Zl. VerkR96-3056-2009, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrs­ordnung (StVO) 1960 zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

 

II.        Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrens­kosten­beiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG;

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit Straferkenntnis vom 17. August 2009, Zl. VerkR96-3056-2009, die Berufungswerberin für schuldig befunden, sie habe am 21. Mai 2009, 10.50 Uhr, in der Gemeinde O, Gemeindestraße Ortsgebiet, H, Höhe Haus Nr. 17, von der R kommend in Richtung Kreisverkehr Elektro L, die Rollerskates, Marke HySkate, Größe 40, schwarz/weiß/silber, in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt. Sie habe dadurch § 99 Abs.1b iVm § 5 Abs.1 StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs.1b StVO 1960 wurde eine Geld- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, außerdem wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens sowie gemäß § 5a Abs.2 StVO 1960 zur Zahlung der Kosten für die klinische Untersuchung mit Blutabnahme und Auswertung des Blutes auf Suchtgiftbeeinträchtigung verpflichtet. Insgesamt wurde ihr ein Zahlungsbetrag von 1.632,90 Euro vorgeschrieben.

 

1.2. Die Rechtsmittelwerberin erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schriftsatz vom 2. September 2009 Berufung, dies unter anderem mit der Argumentation, dass kein Fahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen worden sei, da Rollschuhe keine Fahrzeuge wären, weshalb schon aus diesem Grunde § 5 Abs.1 StVO 1960 und § 99 Abs.1b StVO 1960 nicht angewendet werden könnten. Die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung wurde beantragt.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 10. September 2009 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Die Durchführung der beantragten mündlichen Berufungsverhandlung konnte entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

 

Mit Anzeige der Polizeiinspektion O vom 1. Juni 2009 wurde der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung zur Kenntnis gebracht, dass die nunmehrige Berufungswerberin im Verdacht stehe, am 21. Mai 2009 um 10.50 Uhr in O im Bereich H ihre Rollerskates in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand auf der Fahrbahn der H von der R kommend in Richtung Kreisverkehr L gelenkt zu haben. Bei der Fahrt sei sie auf dem leicht abschüssigen Straßenabschnitt auf Höhe von Haus Nr. 17 etwa in Fahrbahnmitte zu Sturz gekommen, wobei sie sich leichte Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule und des Beckens zugezogen habe.

 

Das von der Erstbehörde durchgeführte Ermittlungsverfahren lässt eine Suchtgiftbeeinträchtigung der Berufungswerberin nicht ausschließen. Dies ergibt sich aus einem im Akt aufliegenden Gutachten der Gerichtsmedizin Salzburg – Linz vom 25. Juni 2009, in welchem resümierend festgestellt wurde, dass die Fahrtüchtigkeit zum Vorfallszeitpunkt nicht mehr gegeben war.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat letztlich das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1. Gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 darf, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen.

 

Als Ergebnis des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens könnte grundsätzlich angenommen werden, dass sich die Berufungswerberin zum Zeitpunkt, als sie mit ihren Rollerskates zu Sturz kam, tatsächlich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befunden hat. Es stellt sich jedoch die Frage, ob sie dadurch tatsächlich eine Verwaltungsübertretung im Sinne des Strafvorwurfes begangen haben könnte.

 

§ 88a StVO 1960 lautet:

Abs.1: Das Rollschuhfahren ist auf Gehsteigen, Gehwegen und Schutzwegen erlaubt. Das Befahren der Fahrbahn mit Rollschuhen in der Längsrichtung ist verboten; ausgenommen von diesem Verbot sind:

  1. Radfahranlagen, nicht jedoch Radfahrstreifen außerhalb des Ortsgebietes,
  2. Wohnstraßen und Fußgängerzonen,
  3. Fahrbahnen, die gemäß § 88 Abs.1 vom Verbot des Spielens auf der Fahrbahn ausgenommen wurden und
  4. Fahrbahnen, auf denen durch Verordnung der zuständigen Behörde das Fahren mit Rollschuhen zugelassen wurde.

Abs.2: Bei der Benützung von Radfahranlagen haben Rollschuhfahrer die gemäß § 8a vorgeschriebene Fahrtrichtung einzuhalten und die für Radfahrer geltenden Verhaltensvorschriften zu beachten.

Abs.3: Rollschuhfahrer haben sich so zu verhalten, dass andere Verkehrsteilnehmer weder gefährdet noch behindert werden; insbesondere haben sie ihre Geschwindigkeit auf Gehsteigen, Gehwegen, Schutzwegen, in Fußgängerzonen und in Wohnstraßen dem Fußgängerverkehr anzupassen. Abgesehen von Abs.2 haben Rollschuhfahrer die für Fußgänger geltenden Verhaltensvorschriften zu beachten.

Abs.4: Kinder unter 12 Jahren dürfen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr, außer in Wohnstraßen, nur unter Aufsicht einer Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, rollschuhfahren, wenn sie nicht Inhaber eines Radfahrausweises gemäß § 65 sind.

 

§ 2 Abs.1 Z19 StVO 1960 lautet:

Fahrzeug: ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes oder auf Straßen verwendetes Beförderungsmittel oder eine fahrbare Arbeitsmaschine, ausgenommen Rollstühle, Kinderwagen, Schubkarren und ähnliche, vorwiegend zur Verwendung außerhalb der Fahrbahn bestimmte Kleinfahrzeuge sowie fahrzeugähnliches Kinderspielzeug (etwa Kinderfahrräder mit einem äußeren Felgendurchmesser von höchstens 300 mm und einer erreichbaren Fahrgeschwindigkeit von höchstens 5 km/h) und Wintersportgeräte.

 

Zunächst wird ausdrücklich festgehalten, dass aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen nicht hervorgeht, dass sich die Berufungsweberin bei ihrer Tätigkeit auf einer Radfahranlage befunden hätte. Es kann daher für diesen Fall die Frage, ob allenfalls aus der Bestimmung des § 88a Abs.2 StVO 1960 ein entsprechendes "Lenkverbot" abzuleiten sein könnte, außer Betracht bleiben.

 

Der Oberste Gerichtshof hat sich in mehreren Entscheidungen mit der Frage auseinandergesetzt und ist etwa in der Entscheidung vom 23. September 2004, Zl. 2OB171/04t, zum Ergebnis gekommen, dass Rollschuhe keine Fahrzeuge im Sinne der StVO 1960 sind (siehe diesbezüglich auch den Hinweis in Pürstl, StVO, 12. Auflage, § 88a, E1).

 

In der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses hat die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung unter anderem ausgeführt, dass Inlineskates als vorwiegend zur Verwendung außerhalb der Fahrbahn bestimmte Kleinfahrzeuge gelten und bei deren Verwendung auf Straßen mit öffentlichem Verkehr die Bestimmungen für Radfahrer gelten.

 

Wie bereits ausgeführt wurde, haben Rollschuhfahrer bei der Benützung von Radfahranlagen die gemäß § 8a StVO 1960 vorgeschriebene Fahrtrichtung einzuhalten und die für Radfahrer geltenden Verhaltensvorschriften zu beachten, dies aber eben nur im Bereich von Radfahranlagen, in allen anderen Fällen haben Rollschuhfahrer die für Fußgänger geltenden Verhaltensvorschriften zu beachten.

 

Darüber hinaus legt die Begriffsbestimmung des § 2 Abs.1 Z19 StVO 1960 in klarer Weise fest, dass unter anderem vorwiegend zur Verwendung außerhalb der Fahrbahn bestimmte Kleinfahrzeuge nicht als Fahrzeug im Sinne der StVO 1960 gelten.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich schließt sich daher der Auffassung der Berufungswerberin an, dass die Bestimmungen des § 5 StVO 1960 nicht im Zusammenhang mit der Verwendung von Rollschuhen (Rollerskates oder Inlineskates) anzuwenden sind und ihr somit eine allfällige Beeinträchtigung durch Suchtgift beim Betätigen dieser Geräte nicht als Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs.1b iVm § 5 Abs.1 StVO 1960 angelastet werden kann.

 

3.2. Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Nachdem, wie unter Punkt 3.1. dargelegt wurde, die der Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet, konnte der Berufung – ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung – Folge gegeben werden, das angefochtene Straferkenntnis war zu beheben und das Verwaltungs­strafverfahren diesbezüglich einzustellen.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Alfred Kisch

 

 

 

Beschlagwortung:

§§ 2 Abs.1 Z19, 5 und 88a StVO 1960:

Rollschuhe (Rollerskates, Inlineskates) gelten nicht als Fahrzeuge iSd StVO 1960. Daher sind die Alkohol- bzw. Suchtgiftbestimmungen nicht anzuwenden bzw. ist eine Verwendung derartiger Geräte in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand nicht unter § 5 Abs.1 StVO 1960 zu subsumieren.

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum