Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-522341/2/Zo/Ps

Linz, 17.09.2009

 

                                                                                                                                                        

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung der Frau L E, geb. , B, F, vom 20. Juli 2009 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 13. Juli 2009, Zl. VerkR22-535-2009/SD, wegen Anordnung der zweiten Perfektionsfahrt, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a Abs.1 AVG iVm § 4c Abs.2 FSG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem angefochtenen Bescheid die Berufungswerberin aufgefordert, innerhalb von vier Monaten ab Zustellung die zweite Perfektionsfahrt zu absolvieren. Mit dieser Anordnung verlängert sich die Probezeit um ein weiteres Jahr und die Verlängerung der Probezeit ist in den Führerschein einzutragen. Die Berufungswerberin wurde daher aufgefordert, ihren Führerschein zur Eintragung der Probezeitverlängerung vorzulegen.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte die Berufungswerberin aus, dass sie keine Verständigung über den fehlenden Teil der zweiten Mehrphasenausbildung erhalten habe. Weiters sei sie von der Fahrschule B diesbezüglich falsch informiert worden. Sie habe im Übrigen bereits einen Termin für die zweite Perfektionsfahrt und ersuchte, die Verlängerung der Probezeit um ein Jahr zu erlassen.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Schärding hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Bereits aus diesem ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung gemäß § 67d Abs.2 Z1 AVG nicht erforderlich ist. Eine solche wurde auch nicht beantragt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerberin wurde am 11. März 2008 von der Bezirkshauptmannschaft Schärding erstmals die Lenkberechtigung für die
Klasse B erteilt. Sie hat am 6. Juni 2008 die erste Perfektionsfahrt und am
29. Juni 2009 das Fahrsicherheitstraining durchgeführt. Die zweite Perfektionsfahrt hat sie laut Führerscheinregister am 6. August 2009 absolviert.

 

Entsprechend der Begründung im erstinstanzlichen Bescheid sei die Berufungswerberin vom Bundesrechenzentrum Wien darüber informiert worden, dass sie die zweite Ausbildungsphase nicht vollständig absolviert habe. Die Berufungswerberin bestreitet, ein derartiges Informationsschreiben erhalten zu haben. Ein Zustellnachweis oder ein sonstiger nachvollziehbarer Vorgang befindet sich dazu nicht im Akt.

 

Dazu ist in freier Beweiswürdigung festzuhalten, dass die Behauptung der Berufungswerberin nicht widerlegt werden kann. Soweit dem zuständigen Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich bekannt ist, werden derartige Informationsschreiben vom Bundesrechenzentrum im Namen der jeweiligen Führerscheinbehörde automatisch erstellt und ohne Zustellnachweis versendet. Es kann dabei nicht  ausgeschlossen werden, dass entweder beim Erstellen, Kuvertieren oder Versenden dieser Schriftstücke im Einzelfall ein Fehler passiert, weshalb es bei lebensnaher Betrachtung durchaus möglich ist, dass die Berufungswerberin dieses Informationsschreiben tatsächlich nicht erhalten hat. Auch der Verlust des Schreibens auf dem Postweg ist denkbar. Die Zustellung des Schriftstückes kann jedenfalls nicht bewiesen werden.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 4a Abs.1 FSG haben Besitzer einer Lenkberechtigung für die Klassen A oder B unbeschadet der Bestimmungen des § 4c Abs.3 anlässlich des erstmaligen Erwerbes jeder dieser Lenkberechtigungsklassen innerhalb des in
§ 4b Abs.1 bis 3 vorgesehen Zeitraumes eine zweite Ausbildungsphase zu durchlaufen. Jene Personen, die gleichzeitig eine Lenkberechtigung für die Klasse A und für die Klasse B erworben haben, haben die zweite Ausbildungsphase für jede dieser Klassen zu durchlaufen.

 

Gemäß § 4b Abs.1 FSG hat die zweite Ausbildungsphase für einen Besitzer der Lenkberechtigung für die Klasse B – unbeschadet des Abs.2 – folgende Inhalte in der genannten Reihenfolge zu umfassen:

1.     eine Perfektionsfahrt im Zeitraum von zwei bis vier Monaten nach dem Erwerb der Lenkberechtigung;

2.     ein Fahrsicherheitstraining und ein verkehrspsychologisches Gruppen­gespräch, das beides an einem Tag abzuhalten ist, im Zeitraum von drei bis neun Monaten nach dem Erwerb der Lenkberechtigung sowie

3.     eine weitere Perfektionsfahrt im Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten nach dem Erwerb der Lenkberechtigung.

Diese Bestimmungen gelten auch für den Fall, dass der Betreffende bei Erwerb der Lenkberechtigung für die Klasse B bereits im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klasse A ist. Zwischen der Perfektionsfahrt gemäß Z1 und der Perfektionsfahrt gemäß Z3 hat ein Zeitraum von mindestens drei Monaten zu liegen.

 

§ 4c Abs.2 FSG lautet:

Werden eine oder mehrere der in § 4b genannten Stufen unbeschadet der Bestimmungen des Abs.3 nicht innerhalb von zwölf Monaten (neun Monaten im Fall der Klasse A) nach Erteilung der Lenkberechtigung absolviert, ist der Führerscheinbesitzer zwölf Monate (neun Monate im Fall der Klasse A) nach Erteilung der Lenkberechtigung darüber zu verständigen. In diesem Schreiben ist auf die Verlängerung der Probezeit hinzuweisen, wenn die Absolvierung der fehlenden Stufen nicht innerhalb von vier Monaten nachgewiesen wird, sowie auf die Entziehung der Lenkberechtigung, wenn die Absolvierung der fehlenden Stufen nicht innerhalb einer weiteren Frist von vier Monaten nachgewiesen wird. Werden die fehlenden Stufen nicht innerhalb von vier Monaten nach Ablauf der im ersten Satz genannten Fristen absolviert, hat die Behörde dem Betreffenden ausschließlich die Absolvierung dieser Stufen anzuordnen. Mit der Anordnung der Absolvierung der fehlenden Stufen verlängert sich die Probezeit unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 4 Abs.3 zweiter bis vierter Satz. Kommt der Besitzer der Lenkberechtigung der Anordnung der Absolvierung der fehlenden Stufen nicht innerhalb von weiteren vier Monaten nach, ist gemäß § 24 Abs.3 sechster Satz vorzugehen. Hat der Betreffende in der Zwischenzeit seinen Hauptwohnsitz verlegt, hat die Behörde gegebenenfalls das Verfahren an die nunmehr zuständige Behörde abzutreten.

 

5.2. Die Berufungswerberin war zur Durchführung der Mehrphasenausbildung verpflichtet und hat diese nicht in der vorgesehenen Zeit absolviert. § 4c Abs.2 FSG sieht für diese Fälle eine Information samt Nachfrist von vier Monaten an den Führerscheinbesitzer vor. Diese Information hat – da es sich um ein Verfahren nach dem FSG handelt – grundsätzlich durch die Führerscheinbehörde zu erfolgen. In diesem Informationsschreiben ist nach dem gesetzlichen Auftrag eine Nachfrist von vier Monaten zu setzen, wobei das Nichtbeachten dieser Nachfrist für den Führerscheinbesitzer mit konkreten nachteiligen Folgen, nämlich der Verlängerung der Probezeit um ein Jahr, verbunden ist.

 

Diese Informationsschreiben werden in der Praxis – vermutlich aus Gründen der Einfachheit und Kostenersparnis – vom Bundesrechenzentrum im Namen der jeweiligen Führerscheinbehörde angefertigt und ohne Zustellnachweis versendet. Unabhängig davon sind die Schreiben der Führerscheinbehörde zuzurechnen und diese hat gemäß § 26 Abs.2 ZustG im Zweifel die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Im konkreten Fall gibt es aber keine Beweisergebnisse, welche die Zustellung dieses Informationsschreibens an die Berufungswerberin nachweisen könnten.

 

An die Nichtbefolgung der im Informationsschreiben eingeräumten Nachfrist sind negative Rechtsfolgen geknüpft, sodass dieses Informationsschreiben auch nicht als bloße Serviceleistung der Führerscheinbehörde anzusehen ist, sondern diese ist entsprechend § 4c Abs.2 FSG zur Information der Führerscheinbesitzer verpflichtet. Fehlt es an dieser Information, ist auch der in weiterer Folge vorgesehene Bescheid, mit welchem die fehlenden Phasen anzuordnen sind, nicht rechtmäßig. Die Zustellung des Informationsschreibens konnte nicht bewiesen werden, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

 

Unabhängig davon hat die Berufungswerberin entsprechend der Eintragung im Führerscheinregister die zweite Perfektionsfahrt bereits am 6. August 2009 absolviert. Diese geänderte Sachlage ist im Berufungsverfahren zu berücksichtigen, weshalb auch aus diesem Grund der Bescheid aufzuheben gewesen wäre.

 


 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

 

Beschlagwortung:

Mehrphasenausbildung; verpflichtende Verständigung; nachweisliche Information

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum