Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522363/2/Zo/Ps

Linz, 15.09.2009

 

                                                                                                                                                        

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn F G, geb. ,
D, B, vom 27. August 2009 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 24. August 2009, Zl. VerkR21-259-2009, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG iVm §§ 3 Abs.1 Z2, 7 Abs.1 Z1, 7 Abs.3 Z9 und Abs.4, 24 Abs.1 Z1,
25 Abs.3, 29 Abs.3 und 30 Abs.1 FSG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit dem angefochtenen Bescheid dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, entzogen. Er wurde weiters verpflichtet, seinen Führerschein unverzüglich nach Rechtskraft bei der zuständigen Polizeiinspektion abzuliefern und es wurde ihm das Recht aberkannt, während der Entzugsdauer von einem allfälligen ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung machte der Berufungswerber zusammengefasst geltend, dass er wegen des Vorwurfes der gefährlichen Drohung freigesprochen worden sei. Die Verurteilung sei nach § 83 Abs.1 StGB wegen einer leichten Körperverletzung erfolgt, wobei die letzte einschlägige Tat bereits im Jahr 2000 erfolgt sei. Sein Nachbar habe eine Ladung Holz bekommen, dieser sei aber nicht Zuhause gewesen, weshalb er die Erlaubnis erteilt habe, das Holz in seiner Zufahrt abzuladen. Er habe dabei auch mitgeholfen. Später habe er seinen Nachbarn in einem Imbissstand gesehen und ihm Vorwürfe gemacht, dass er beim Spielautomaten sitze, während der Berufungswerber für ihn arbeiten müsse. Er habe ihn dabei auch beim Arm gepackt, wobei sein Leiberl zerrissen ist. Er habe ihn dabei aber nicht verletzt, die Verletzungen dürfte sich sein Nachbar später Zuhause selber zugefügt haben. Der Richter habe ihm dies nicht geglaubt. Es sei richtig, dass er vor mehr als zehn Jahren mehrmals verurteilt worden sei, in letzter Zeit habe er sich aber nichts zu Schulden kommen lassen. Er ersuchte daher, von einer Entziehung der Lenkberechtigung abzusehen.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Schärding hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Bereits aus diesem ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung gemäß § 67d Abs.2 Z1 AVG nicht erforderlich ist. Eine solche wurde auch nicht beantragt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerber wurde mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 4. August 2009 schuldig gesprochen, weil er am 27. April 2009 in Schärding Herrn J P mit Gewalt und gefährlicher Drohung dazu genötigt habe, seinen Aufenthalt im Lokal "I" zu beenden und nach Hause zu fahren, indem er ihn packte, von einem Barhocker zerrte und zu ihm äußerte, "er werde ihm eine runterhauen, wenn er nicht sofort nach Hause gehe". Weiters habe er Herrn J P in B dadurch am Körper verletzt, dass er ihn mit der Hand auf den Kopf schlug sowie mit den Füßen gegen den Bauch und das linke Bein trat, wodurch dieser Prellungen im Gesicht, im Bauch- und Brustbereich sowie am linken Bein erlitten hatte. Er habe dadurch das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs.1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs.1 StGB begangen, weshalb über ihn eine Freiheitsstrafe von vier Monaten verhängt wurde, welche gemäß § 43 Abs.1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Der Berufungswerber weist insgesamt 14 einschlägige Vormerkungen gemäß § 83 bzw. § 84 StGB auf, 13 davon aus der Zeit von 1981 bis 1996. Der letzte Vorfall stammt aus dem Jahr 2000. In verkehrsrechtlicher Hinsicht scheinen über den Berufungswerber zwei geringfügige Strafen in Höhe von jeweils 36 Euro aus dem Jahr 2004 und 2006 auf.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1.       die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird oder

2.       sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Als bestimmte Tatsche im Sinne des Abs.1 hat gemäß § 7 Abs.3 Z9 FSG insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei in den in Abs.3 Z14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen sind.

 

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.     die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.     die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs.5 ein neuer Führerschein auszustellen.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Sind für die Person, der die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit zu entziehen ist, zum Zeitpunkt der Entziehung im Vormerksystem Delikte vorgemerkt, so ist für jede dieser im Zeitpunkt der Entziehung bereits eingetragenen Vormerkungen die Entziehungsdauer um zwei Wochen zu verlängern; davon ausgenommen sind Entziehungen aufgrund des
§ 7 Abs.3 Z14 und 15.

 

5.2. Der Berufungswerber hat im Jahr 2000 sowie im Jahr 2009 jeweils eine gerichtlich strafbare Handlung gemäß § 83 Abs.1 StGB begangen. Es liegt damit eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z9 FSG vor. Die Verkehrs­zuverlässigkeit wird jedoch nur dann ausgeschlossen, wenn diese Tatsache und deren Wertung zu dem Schluss führen, dass der Betroffene die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr gefährden wird (zur Zuordnung der Aggressionsdelikte im Sinne des § 7 Abs.3 Z9 FSG zu § 7 Abs.1 Z1 FSG siehe zum Beispiel die Entscheidung des VwGH vom 25.11.2003, Zl. 2003/11/0240). Dabei kommt es nicht wesentlich darauf an, ob diese Handlungen im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangen werden oder – so wie im konkreten Fall – mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges nichts zu tun haben. Zu berücksichtigen ist aber, dass lange zurückliegende strafbare Handlungen bei der Wertung nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Dementsprechend fallen die zwar zahlreichen, aber schon lange zurückliegenden Verurteilungen wegen der Körperverletzungen nicht mehr zum Nachteil des Berufungswerbers ins Gewicht.

 

Im gegenständlichen Fall ist zugunsten des Berufungswerbers jedenfalls zu berücksichtigen, dass zwischen der letzten gerichtlichen Verurteilung und dem konkreten Fall ca. neun Jahre vergangen sind, in denen sich der Berufungswerber wohlverhalten hat. Es kann daher nur bei sehr strenger Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen der aktuelle Vorfall vom April 2009 die Verkehrsunzuverlässigkeit des Berufungswerbers zum damaligen Zeitpunkt begründet haben, wobei aber die seit dem Vorfall verstrichene Zeit zu berücksichtigen ist. In den letzten viereinhalb Monaten hat der Berufungswerber – zumindest aktenkundig – keine weiteren strafbaren Handlungen begangen, wobei er sich in dieser Zeit im Besitz der Lenkberechtigung befunden hat. Würde ihm nun die Lenkberechtigung für die Dauer von drei Monaten entzogen, so würde dies im Ergebnis auf eine Verkehrsunzuverlässigkeit für einen Zeitraum von mindestens siebeneinhalb Monaten hinauslaufen. Eine derart lange Verkehrsunzuverlässigkeit ist durch den Vorfall vom 27. April 2009 aber auf keinen Fall begründet.

 

Dies insbesondere, wenn man die aktuelle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes berücksichtigt, wonach die Überlegungen, welche zur bedingten Strafnachsicht geführt haben, auch bei der Wertung im Sinne des § 7 Abs.4 FSG zu berücksichtigen sind. Das Strafgericht war offenbar der Ansicht, dass die zur Gänze bedingte Strafe ausreicht, um den Berufungswerber in Zukunft von ähnlichen Übertretungen abzuhalten. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes erscheint eine Entziehung der Lenkberechtigung zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls nicht gerechtfertigt. Es war daher der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

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