Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720243/17/Gf/Mu

Linz, 29.09.2009

B E S C H L U S S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Berufung des B Z, H.  , 4... V, vertreten durch RA Dr. H B, M.  , 4... L, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 6. März 2009, Zl. Sich40-24259-2006, wegen der Erlassung eines auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbotes zu Recht beschlossen:

Die Berufung wird zuständigkeitshalber an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich weitergeleitet.

Rechtsgrundlagen:

§ 6 Abs. 1 AVG.

Begründung:

 

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 6. März 2009, GZ Sich40-24259-2006, wurde gegen den Rechtsmittelwerber ein dreijähriges Aufenthaltsverbot erlassen. Gleichzeitig wurde verfügt, dass er „Österreich bis zum 15. April 2008 (gemeint offenbar: 15. April 2009) zu verlassen“ habe.

 

1.2. Gegen diesen ihm am 11. März 2009 zugestellten Bescheid richtete sich die vorliegende, am 25. März 2009 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Beschwerde.

 

Darin brachte der Rechtsmittelwerber vor, dass auf Grund eines insgesamt sechsmonatigen und im Zeitpunkt der Berufung noch wirksamen Führerscheinentzuges ohnehin Gewähr dafür bestehe, dass er derzeit für den Straßenverkehr keine Gefahr mehr darstelle. Dagegen finde sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides keinerlei konkreter Hinweis dafür, inwiefern er in diesem Zusammenhang auch gegenwärtig noch eine tatsächliche Gefahr bilden sollte; vielmehr erschöpfe sich diese bloß in generalpräventiven Erwägungen, die in dieser Allgemeinheit jedoch unzulässig wären. Außerdem führe er mit seiner derzeitigen Gattin und ihren beiden Kindern auch faktisch ein gemeinsames und harmonisches Familienleben. Darüber hinaus gehe er einer geregelten Beschäftigung nach und leiste er für diese beiden Kinder sowie seinen eigenen Sohn im Kosovo einen finanziellen Unterhalt. Sein Beitrag zum Familieneinkommen in Österreich sei vornehmlich deshalb von wesentlicher Bedeutung, da er und seine Gattin auch entsprechende Kreditverbindlichkeiten abzudecken hätten. Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes hätte daher massive Konsequenzen für alle Familienangehörigen.

 

Aus diesen Gründen wurde die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, in eventu eine Herabsetzung von dessen Dauer beantragt.

1.3. Mit Erkenntnis vom 17. April 2009, Zl. VwSen-720243/5/Gf/Mu, hat der Oö. Verwaltungssenat der Berufung insoweit stattgegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 6 Monate herabgesetzt wurde. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall gegen den Beschwerdeführer zwar keine gerichtlichen Strafen verhängt, jedoch folgende – zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsene – behördliche Straferkenntnisse erlassen wurden:

* 20. Juni 2007: insgesamt 5 Übertretungen des § 4 i.V.m. § 102 Abs. 1 KFG (je 80,- Euro Geldstrafe)

* 5. September 2007: Übertretung des § 14 i.V.m. § 37 Abs. 1 FSG (30,- Euro Geldstrafe) und Übertretung des § 1 i.V.m. § 37 Abs. 1 FSG (80,- Euro Geldstrafe)

* 30. November 2007: insgesamt 3 Übertretungen des § 4 i.V.m. § 102 Abs. 1 KFG (je 80,- Euro Geldstrafe)

* 22. April 2008: Übertretung des § 5 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1 StVO (600,- Euro Geldstrafe), des § 7 Abs. 5 StVO (50,- Euro Geldstrafe) und des § 1 Abs. 4 dritter Satz i.V.m. § 37 Abs. 1 FSG (400,- Euro)

* 14. Mai 2008: Übertretung des § 4 i.V.m. § 102 Abs. 1 KFG (80,- Euro Geldstrafe) und § 14 i.V.m. § 102 Abs. 1 KFG (35,- Euro Geldstrafe)

* 10. Juni 2008: Übertretung des § 81 Abs. 1 SPG (50 Euro Geldstrafe)

* 24. Oktober 2008: § 52 lit. a Z. 10a StVO (120 Euro Geldstrafe)

* 15. Dezember 2008: insgesamt 3 Übertretungen des § 4 i.V.m. § 102 Abs. 1 KFG (je 80,- Euro Geldstrafe)

* 20. Jänner 2009: § 14 Abs. 8 i.V.m. § 37a FSG (320,- Euro)

 

Daraus gehe insgesamt hervor, dass im gegenständlichen Fall keine der in § 60 Abs. 2 Z. 2 FPG normierten Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erfüllt sei. Denn der Rechtsmittelwerber sei bislang lediglich einmal wegen einer Übertretung des § 99 Abs. 1 StVO und lediglich einmal wegen einer Übertretung des § 81 SPG – und sohin jeweils eben nicht „mehr als einmal“, wie in § 60 Abs. 2 Z. 2 FPG explizit vorgesehen – bestraft worden.

 

Allerdings sei die in § 60 Abs. 2 FPG enthaltene Aufzählung, wie dies schon aus dem Einleitungssatz hervorgeht (arg. „insbesondere“), nicht taxativ, sondern bloß demonstrativer Natur.

 

Daher sei zu prüfen gewesen, ob die zuvor angeführten Bestrafungen in ihrer Gesamtheit den Tatbestand der in § 60 Abs. 1 FPG enthaltenen Generalklausel erfüllen, d.h. gesamthaft betrachtet die objektive Annahme rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet die hier bestehende öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Dies sei im Ergebnis zu bejahen.

 

Denn der Rechtsmittelwerber habe in einem Zeitraum von knapp zwei Jahren (Juni 2007 bis dato) zu 9 verschiedenen Tatzeitpunkten insgesamt 21 Delikte zu verantworten, von denen (allenfalls) nur 17 als bloße „Bagatellstrafen“ (Strafhöhe unter 100 Euro Geldstrafe) angesehen werden könnten, hingegen jedenfalls 4 als gravierende Übertretungen (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 31 km/h; Lenken eines KFZ mit 0,66‰ Blutalkoholgehalt; Lenken eines KFZ mit 1,02‰ Blutalkoholgehalt; Lenken eines KFZ mit einer nicht nostrifizierten Lenkberechtigung eines Nicht-EWR-Staates) qualifiziert werden müssten, wie dies auch in der jeweiligen Strafhöhe (Geldstrafen von 120 Euro, 320 Euro, 400 Euro und 600 Euro) entsprechend deutlich zum Ausdruck komme. In diesem Zusammenhang sei auch von besonderer Bedeutung, dass die Straftatbestände nicht etwa bloß „schwerpunktmäßig“, sondern vielmehr über den gesamten Beobachtungszeitraum gleichmäßig verteilt gesetzt wurden. Dabei sei inhaltlich eine nahezu ausschließliche Konzentration auf die Bereiche des Straßenverkehrs, also eine Materie, die nicht allein Ordnungscharakter aufweist, sondern überwiegend auch den Schutz anderer Verkehrsteilnehmer zum Gegen­stand hat, erfolgt.

 

Auf Grund seines permanent straffälligen Verhaltens und des Umstandes, dass auch Geldstrafen in einer Gesamthöhe von mittlerweile 2.500 Euro nicht dazu geführt hätten, den Beschwerdeführer wirksam von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, könne die Prognose, dass er sich insoweit auch in naher Zukunft nicht rechtskonform verhalten wird, jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden. Gegen eine derartige Qualifikation könne insbesondere auch nicht das von ihm in seiner Beschwerde vorgebrachte Argument, dass er seine Lenkberechtigung gegenwärtig ohnehin nicht ausüben könne, weil ihm diese – nämlich mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 3. Februar 2009, GZ VerkR21-36-2009/Ai – bis einschließlich 25. Juli 2009 entzogen wurde, eingewendet werden, weil es auf der Hand liege, dass diese administrative Maßnahme allein keineswegs eine verlässliche Gewähr dafür bietet, dass er dessen ungeachtet faktisch dennoch am Straßenverkehr teilnehmen wird.

 

Unter dem besonderen Aspekt, dass er gerade in jüngster Zeit, nämlich mit Straferkenntnis vom 20. Jänner 2009, bereits zum zweiten Mal wegen alkoholisierten Lenkens eines KFZ bestraft wurde, sei es daher im Ergebnis offensichtlich, dass der Rechtsmittelwerber auf Grund seines persönlichen Verhaltens eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für öffentliche Ordnung und Sicherheit i.S.d. § 86 Abs. 1 FPG bilde, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Damit erweise sich aber auch, dass die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im gegenständlichen Fall gemäß der in § 60 Abs. 1 Z. 1 FPG normierten Generalklausel grundsätzlich zulässig war.

 

Allerdings sei in diesem Zusammenhang noch zu berücksichtigen, dass selbst in diesem Fall die Erlassung einer derartigen Maßnahme nach § 66 Abs. 1 FPG letztlich nur dann auch konkret zulässig ist, wenn diese trotz des Umstandes, dass dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Hinsichtlich der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung ordne § 66 Abs. 2 FPG an, dass einerseits die Dauer und der Umstand der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindung des Fremden zu seinem Heimatstaat und seine strafgerichtliche Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind sowie, dass diese andererseits gegenüber den Verstößen gegen die öffentliche Ordnung und der Frage abzuwägen sind, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren.

 

In diesem Zusammenhang sei allseits unbestritten davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten und seit über drei Jahren mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist. Mit dieser und deren beiden Kindern bestehe auch ein tatsächliches Familienleben, wenngleich der Rechtsmittelwerber kein gemeinsames leibliches Kind mit seiner Ehegattin habe. Weiters könne er als gut integriert bezeichnet werden, da er über einen ordnungsgemäßen Arbeitsplatz sowie derzeit über einen bis zum 7. August 2009 gültigen Aufenthaltstitel, einen aufrechten und auch polizeilich gemeldeten Wohnsitz sowie über die zur Bestreitung seines Unterhalts erforderlichen finanziellen Mittel verfüge; zuletzt, nämlich am 28. Oktober 2008, habe er an der VHS Vöcklabruck/Wels auch die nach der Integrationsvereinbarung erforderliche Prüfung auf dem Niveau A2 erfolgreich bestanden. Andererseits befänden sich sein leiblicher Sohn und auch alle anderen Blutsverwandten (d.h. seine Eltern, seine beiden Brüder und seine drei Schwestern) in seinem Heimatstaat, wobei er für Erstere auch unterhaltspflichtig ist.

 

Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer offensichtlich nicht unmaßgeblich zum Familienunterhalt seiner Gattin und von deren Kinder beitrage, werde daher durch ein Aufenthaltsverbot nicht nur in sein eigenes, sondern auch in das Privat- und Familienleben dieser letztgenannten Personen erheblich eingegriffen. Dennoch bewirke dies – von der emotionellen Ebene abgesehen – primär (und nahezu ausschließlich) bloß eine finanzielle Beeinträchtigung. Insbesondere sei hingegen eine Kontaktnahme mit seinen Familienmitgliedern auch pro futuro schon deshalb nicht gänzlich ausgeschlossen, weil diese (zumindest vorübergehend) auch im Heimatstaat des Rechtsmittelwerbers erfolgen könne.

Davon ausgehend sei daher das bereits zuvor dargestellte öffentliche Interesse an der Ausweisung als überwiegend zu qualifizieren, weil es zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele deshalb dringend geboten ist, da aufgrund der vom Beschwerdeführer gleichsam bis in die Gegenwart herein mehrfach unter Beweis gestellten Gleichgültigkeit gegenüber ordnungsrechtlichen Vorschriften anders insbesondere nicht wirksam sichergestellt werden könne, dass dieser in nächster Zukunft im Bundesgebiet keine gravierenden Übertretungen straßenpolizeilicher und kraftfahrrechtlicher, also auch zum Schutz Dritter bestehender Vorschriften begehe.

Für die Dauer des sonach im gegenständlichen Fall als zulässig anzusehenden Aufenthaltsverbotes sei gemäß § 63 Abs. 2 FPG entscheidend, ab welchem Zeitpunkt die im Hinblick auf den Rechtsmittelwerber gegenwärtig negative Zukunftsprognose als voraussichtlich ins Positive gewandelt einzuschätzen ist.

In diesem Zusammenhang sei nach den hier konkret maßgeblichen Umständen davon auszugehen, dass das Aufenthaltsverbot den Beschwerdeführer subjektiv massiv beeinträchtige und er ein großes Interesse daran habe, möglichst bald wieder in Österreich leben und einer einträglichen Arbeit nachgehen zu können. Deshalb sei zu erwarten, dass er sich – nachdem er die negativen Konsequenzen eines Aufenthaltsverbotes sowohl psychisch als auch physisch effektiv wahrgenommen haben wird – künftig bald insbesondere auch an (aus seiner Sicht) „bloße“ Ordnungsvorschriften, hinsichtlich der ihm die Tragweite einer (mehrfachen) Übertretung bislang offensichtlich gar nicht im vollen Ausmaß bewusst war, halten werde.

Deshalb sei nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates im vorliegenden Fall im Ergebnis mit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes in einer Dauer von sechs Monaten das Auslangen zu finden.

1.4. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

2. Mit Erkenntnis vom 8. September 2009, Zl. 2009/21/0104, hat der VwGH dieser stattgegeben und das vorangeführte Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 17. April 2009 aufgehoben.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass den Sachverhaltsfeststellungen nicht entnommen werden könne, dass die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers bereits ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe und auch sonst keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Rechtsmittelwerber als ein begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen ist.

Daher hat über die vorliegende Berufung nicht der Oö. Verwaltungssenat, sondern die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich zu entscheiden.

3. Da der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an diese Rechtsmeinung des VwGH gebunden ist, war die gegenständliche Berufung sohin gemäß § 6 Abs. 1 AVG an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich weiterzuleiten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.


Zustellverfügung:

1.      Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich, Nietzschestraße 33, 4021 Linz, mit Akten, nachweislich.

2.      Bilot Zogaj, zH RA Dr. Helmut Blum, Mozartstr. 11/6, 4020 Linz, mit RSb, z.K.;

3.      BH Vöcklabruck, Sportplatzstr. 1 – 3, 4840 Vöcklabruck, zu GZ Sich40-24259-2006, nachweislich z.K.

Dr.  G r o f

Für die Richtigkeit

der Ausfertigung:

 

 

 

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