Linz, 14.09.2009
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des K H, vertreten durch NH N H, Rechtsanwälte GmbH, W, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 7. 8.2008, Ge96-58-2007, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1994 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 6.5.2009 zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird hinsichtlich des Tatvorwurfs des genehmigungslosen Betreibens (§ 366 Abs.1 Ziff. 2 2. Fall) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt aufgehoben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Hinsichtlich des Tatvorwurfes des Errichtens der Betriebsanlage (§ 366 Abs.1 Ziff. 2 GewO 1994 1. Fall) wird der Berufung hinsichtlich des Schuldspruches keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass
2. der Tatzeitraum zu lauten hat: 12.2.2007 bis 23.7.2007
3. die Verwaltungsstrafnorm zu lauten hat: "§ 366 Abs.1 Einleitung GewO 1994".
III. Hinsichtlich des Strafausspruches wird der Berufung insofern Folge
gegeben, als der Strafausspruch ersatzlos aufgehoben wird.
IV. Es entfällt die Vorschreibung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I, II u. III: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.
Zu IV: § 66 Abs.1 VStG
Entscheidungsgründe:
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 7.8.2008, Ge96-58-2007, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 700 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 Ziff. 2 iVm § 74 Abs.2 Ziff. 5 GewO 1994 verhängt.
Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:
2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw durch seine anwaltliche Vertretung innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und in dieser im Wesentlichen vorgebracht, der Bw sei Geschäftsführer der U U W - Recycling GesmbH & Co. KG. Die U habe auf den Grundstücken Nr., KG A, gefährliche Abfälle der Schlüsselnummer zwischengelagert.
- der Berufung Folge geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben, da Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit mangels Vorwerfbarkeit der subjektiven Tatseite ausschließen,
3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt.
4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 6.5.2009 zu welcher der Rechtsvertreter des Bw sowie ein Vertreter der belangten Behörde erschienen sind.
Als Zeuge unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht wurde Herr C K T einvernommen.
4.1. Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:
Die "U" U und W- R GesmbH & Co KG verfügt über die Berechtigung für die Ausübung des Gewerbes "Sammeln und Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen". In der Zeit vom 13.1.1998 bis 23.7.2007 war als gewerberechtlicher Geschäftsführer Herr H K und ab 24.7.2007 Herr T C K bestellt. Im Rahmen dieser Gewerbeausübung wurden in der Zeit vom 12.2.2007 bis 8.10.2007 nicht gefährliche Abfälle mit der Abfall- Schlüssel Nr., Pulverlacke, auf den Grundstücken Nr., KG A, gelagert. Die Lagerung erfolgte in Big-Bags und betrug die Lagermenge 471.080 kg. Die Lagerfläche wurde mit einer PE- Folie ausgelegt und wurden im Bereich der Lagerfläche Erdwalle für die Zwischenlagerung errichtet.
Mit Eingabe vom 25.09.2007 wurde von der "U" U und W- R GesmbH & Co KG um gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Zwischenlagerung für Lackabfälle auf den Grundstücken Nr., KG A angesucht.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 5.5.2008 wurde die gewerbebehördliche Genehmigung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.
Erkundigungen bei der zuständigen Behörde über das Erfordernis einer Betriebanlagengenehmigung wurden vom Bw vor Errichtung des Lagerplatzes nicht eingeholt.
4.2. Das vorliegende Beweisergebnis ergibt sich aus dem Akteninhalt, dem Vorbringen des Bw in der Berufung sowie den Aussagen des in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen C K T.
5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
5.1. Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.
Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist eine Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.
Gemäß § 366 Abs.1 Z2 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.
Gemäß § 370 Abs.1 GewO 1994 sind, wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt wurde, Geldstrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen.
5.2. Fest steht, dass der im Rahmen der Gewerbeausübung auf den oben genannten Grundstücken eingerichtete Lagerplatz für nicht gefährliche Abfälle eine gewerbliche Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs.1 GewO 1994 darstellt.
Der Lagerplatz bedingt zwar keine eigene Baulichkeit, dies ist aber nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht unbedingt erforderlich, sondern können auch Einrichtungen im Freien, wie eben Lagerplätze, gewerbliche Betriebsanlagen sein.
Das Vorliegen einer gewerblichen Betriebsanlage wird vom Bw auch nicht bestritten, in Zweifel gezogen wird allerdings die gewerbebehördliche Genehmigungspflicht.
5.3. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, begründet die grundsätzliche Eignung einer Betriebsanlage, die in den Z 1 bis 5 des § 74 GewO 1994 genannten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen herbeizuführen, die Genehmigungspflicht. Hingegen ist die Frage, ob von der konkreten Betriebanlage solche Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstige nachteilige Einwirkungen im konkreten Einzelfall tatsächlich ausgehen, im Genehmigungsverfahren zu prüfen und je nach dem Ergebnis dieser Prüfung – allenfalls unter Vorschreibung von Auflagen – die Genehmigung nach § 77 GewO 1994 zu erteilen oder zu versagen (ua. VwGH 20.12.1994, 94/04/0162, 8.1.2000, 2000/04/0157). Die Genehmigungspflicht ist immer schon dann gegeben wenn solche Auswirkungen nicht auszuschließen sind. Um dies zu beurteilen, genügt es in der Regel auf das allgemeine menschliche Erfahrungsgut zurückzugreifen (VwGH 20.9.1994, 94/04/0068).
Die Lagerung von Abfällen, auch wenn es dabei um nicht gefährliche Abfälle handelt, stellt zweifellos eine Maßnahme dar, welche die durch § 74 Abs. 2 Z 1 bis 5 leg. cit. geschützten Interessen gefährden könnte. Insbesondere ist durch so eine Tätigkeit eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit von Gewässern nicht von vornherein auszuschließen. Dies ergibt sich schon aus dem vorliegenden Untersuchungsergebnis der Umweltlabor Dr. A B GmbH, wonach die Ablagerung des gegenständlichen Abfalls auf Grund der Bestimmungen der Deponieverordnung ohne Behandlung nicht durchführbar ist. Von einer möglichen Eignung nachteilige Einwirkungen herbeizuführen ist auch die "U" U und W- R GesmbH & Co KG ausgegangen, da sie zur Hintanhaltung solcher Auswirkungen die Lagerfläche mit einer PE- Folie ausgekleidet und zusätzlich eine Abdeckung der verwendeten Big-Bags mit Folie erfolgt ist. Darüber hinaus ist hat auch das durchgeführte Betriebsanlagengenehmigungsverfahren gezeigt, dass zur Vermeidung von nachteiligen Einwirkungen die Vorschreibung von Auflagen erforderlich ist.
Der Lagerplatz für nicht gefährliche Abfälle stellt somit zweifelsfrei eine gewerbliche Betriebsanlage dar, welche durch ihren Betrieb grundsätzlich geeignet ist, die in § 74 genannten Schutzinteressen zu beeinträchtigen.
5.4. Hinsichtlich des Verschuldens ist festzuhalten, dass die dem Beschuldigten angelastete Tat ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 VStG darstellt, zu dessen Strafbarkeit, sofern die Verwaltungsvorschrift nicht anderes bestimmt, Fahrlässigkeit genügt. Fahrlässigkeit ist nach der zitierten Gesetzesstelle bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft machen kann, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Eine solche Glaubhaftmachung ist dem Bw nicht gelungen. Soweit sich der Bw auf zur Frage der Genehmigungspflicht verschiedentlich eingeholte Auskünfte beruft, so ist ihm entgegen zu halten, dass schuldentlastend nur dann eine Informationseinholung wirkt, wenn diese Information von der zuständigen Behörde eingeholt wird. Vorliegend ist dies gegebenenfalls die Gewerbebehörde, sohin die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis. Eine solche Erkundigung wurde vom Bw auch nach seinen eigenen Aussagen nicht geführt. Ein Entschuldigungsgrund liegt demnach nicht vor (VwGH 20.5.1998, 97/09/0241, 20.11.2001, 2001/09/0196).
Es liegt daher auch schuldhaftes Verhalten des Bw, nämlich zumindest Fahrlässigkeit, vor; allerdings nur für die Zeitspanne, in der der Bw auch als gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt war (siehe § 370 leg. cit.). Sohin war der Tatvorwurf des Betreibens einer Betriebsanlage ohne erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung auf Grund der fehlenden Verantwortlichkeit des Bw zu beheben und die Tatzeit hinsichtlich des Vorwurfs der Errichtung einzuschränken.
Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang noch festzuhalten:
Die Bestimmung des § 366 Abs.1 Z 2 GewO 1994 enthält zwei voneinander unabhängige Straftatbestände (arg.: errichtet oder betreibt).
Es ist somit derjenige, der eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, wegen der Errichtung dieser Anlage ohne die erforderliche Genehmigung nach § 366 Abs.1 Z 2 zu bestrafen. Wer während der Zeitspanne der Errichtung der Betriebsanlage oder innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist diese Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung betreibt, ist sowohl wegen der Errichtung als auch wegen des Betriebes einer nicht genehmigten Betriebsanlage jeweils nach § 366 Abs.1 Z 2 zu bestrafen.
Was den Tatvorwurf des Errichtens einer genehmigungslos errichteten Betriebsanlage betrifft, war diesbezüglich der Schuldspruch unter Einschränkung des Tatzeitraumes zu bestätigen, dessen ungeachtet war aber der hiezu ergangene Strafausspruch aus folgenden Gründen ersatzlos aufzuheben:
Die belangte Behörde hat für beide Straftatbestände, nämlich der der genehmigungslosen Errichtung und der des Betreibens der genehmigungslos errichteten Betriebsanlage eine Gesamtstrafe verhängt, obwohl beide Tatbestände jeweils gesondert zu bestrafen gewesen wären.
Der Tatstrafbestand des genehmigungslosen Betriebes der Betriebsanlage war aber auf Grund der fehlenden Verantwortlichkeit des Bw aufzuheben. Ob die belangte Behörde die beiden Tatbestände im jeweils gleichen Ausmaß bestrafen wollte, lässt sich aus dem angefochtenen Straferkenntnis nicht entnehmen. Dass bei einem aufrechtzuerhaltenden Schuldspruch des einen Straftatbestandes eine Hälfteaufteilung der rechtswidrig verhängten Gesamtstrafe vorzunehmen gewesen wäre, ergibt sich keinesfalls zwingend. Vielmehr ist allein schon auf Grund der Unterschiedlichkeit der Delikte und deren Tatzeiträume von einem unterschiedlichen Unrechtsgehalt und daraus resultierenden unterschiedlichen Strafausmaß auszugehen. Der Unabhängige Verwaltungssenat als Berufungsinstanz würde bei einer von ihm vorgenommener Strafbemessung betreffend den Tatbestand der Errichtung Gefahr laufen, gegen das Verschlechterungsverbot zu verstoßen. Auf Grund dieses Umstandes war es nicht möglich, die durch die Verhängung einer Gesamtstrafe bewirkte Rechtswidrigkeit des Strafausspruches zu sanieren.
Aus den dargelegten Gründen war somit wie im Spruch zu entscheiden.
6. Die Verfahrenskostenentscheidung ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Michaela Bismaier