Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164324/11/Ki/Jo

Linz, 05.10.2009

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des X, vom 12. Juli 2009, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 25. Juni 2009, VerkR96-23173-2009-rm, wegen Übertretungen der StVO 1960 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 24. September 2009 zu Recht erkannt:

 

 

I.            Bezüglich der Punkte 1), 2) und 3) wird der Berufung Folge gegeben, diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

      

       Bezüglich Punkt 4) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen,      diesbezüglich wird das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

II.        Bezüglich der Punkte 1), 2) und 3) entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

      

       Bezüglich Punkt 4) hat der Berufungswerber zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von 10 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 19, 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG;

zu II.: §§ 64 Abs.1 und 2 bzw. 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.  Die Bezirkshauptmannschaft  Vöcklabruck hat unter VerkR96-23173-2009-rm vom 25. Juni 2009 gegen den Berufungswerber nachstehendes Straferkenntnis erlassen:

 

"Sehr geehrter Herr X!

 

Sie haben folgende Verwaltungsübertretung(en) begangen:

Taten (einschließlich Ort, Datum und Zeit der Begehung)

 

1) Sie haben ein Fahrzeug überholt, obwohl der Geschwindigkeitsunterschied des überholenden und des eingeholten Fahrzeuges unter Bedachtnahme auf allenfalls geltende Geschwindigkeitsbeschränkungen für einen kurzen Überholvorgang zu kurz war.

 

Tatort: Gemeinde Gampern, Landesstraße Freiland, Nr. 1274 bei km 4.660

 

Tatzeit: 14.01.2009 gegen 18:20 Uhr

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 16 Abs.1 lit.b StVO

 

2) Sie haben ein Fahrzeug überholt, obwohl nicht einwandfrei erkennbar war, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Tatort: Gemeinde Gampern, Landesstraße Freiland, Nr. 1274 bei km 4.660

 

Tatzeit: 14.01.2009 gegen 18:20 Uhr

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 16 Abs.1 lit.c StVO

 

3) Sie haben vor einer unübersichtlichen Stelle (Fahrbahnkuppel) ein Fahrzeug überholt.

 

Tatort: Gemeinde Gampern, Landesstraße Freiland, Nr. 1274 bei km 4.660

 

Tatzeit: 14.01.2009 gegen 18:20 Uhr

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 16 Abs.2 lit.b StVO

 

4) Sie haben am angeführten Ort, welcher außerhalb des Ortsgebietes liegt, die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h erheblich überschritten.

 

Tatort: Gemeinde Gampern, Landesstraße Freiland, Nr. 1274 bei km 4.660

 

Tatzeit: 14.01.2009 gegen 18:20 Uhr

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 52 lit.a Ziff.10a StVO

 

Fahrzeug:

Kennzeichen , PKW, Marke Seat, Type Alhambra, Farbe weiß

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

 

Geldstrafe von              Falls diese uneinbringlich ist,                  Gemäß

                                   Ersatzfreiheitsstrafe von

58,00 Euro                  36 Stunden                                         § 99 Abs.3 lit.a StVO

58,00 Euro                  36 Stunden                                         § 99 Abs.3 lit.a StVO

80,00 Euro                  48 Stunden                                         § 99 Abs.3 lit.a StVO

50,00 Euro                  36 Stunden                                         § 99 Abs.3 lit.a StVO

 

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

---

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

24,60 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15,00 Euro angerechnet);

0,00 Euro als Ersatz der Barauslagen für –

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

270,60 Euro."

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat Herr X mit Schreiben vom 12. Juli 2009 Berufung erhoben. Im Wesentlichen werden die Tatvorwürfe bestritten und eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens angestrebt.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 30. Juli 2009 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck persönlich abgegeben und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung verbunden mit einem Augenschein an Ort und Stelle am 24. September 2009. An dieser Verhandlung nahmen der Berufungswerber sowie ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck teil, als Zeuge wurde der Meldungsleger, Insp. X, einvernommen, als verkehrstechnischer Amtssachverständiger fungierte Dipl.-HTL-Ing. TOAR X vom Amt der Oberösterreichischen Landesregierung.

 

Weiters wurde in die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 2. Dezember 1997, VeR01-2087-1-1997, betreffend die Verkehrsbeschränkungen auf der Gamperner Bezirksstraße in Gampern Einsicht genommen.

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt bzw. als Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige des im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung als Zeugen einvernommenen Meldungslegers zu Grunde.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat zunächst gegen den Rechtsmittelwerber eine Strafverfügung (VerkR96-23173-2009 vom 31. März 2009) erlassen, welche von diesem beeinsprucht wurde.

 

Letztlich hat die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

Im erstbehördlichen Verfahren wurde nicht erhoben, in welche Fahrtrichtung der Beschuldigte im Zuge der verfahrensgegenständlichen Fahrt unterwegs gewesen ist.

 

Bei seiner Einvernahme im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung erklärte Herr X im Wesentlichen, dass er zur Vorfallszeit mit seinem PKW auf der L 1274 in Fahrtrichtung Zipf (Fahrtrichtung Nord) unterwegs gewesen ist, er bestritt nicht, das vor ihm fahrende Fahrzeug überholt zu haben, er habe den Überholvorgang jedoch erst begonnen, als er sah, dass er freie Fahrt habe.

 

Unter Berücksichtigung dieser Aussage konnte an Ort und Stelle nachvollzogen werden, dass seiner Angabe nach er den Überholvorgang bei Strkm. 4,605 begonnen hat, wobei diesbezüglich auch festgestellt werden konnte, dass die Fahrbahn in Fahrtrichtung Zipf im Bereich km 4,605 bergab verläuft und eine entsprechende Überholsicht über die gesamte zu erwartende Überholstrecke gegeben ist. Wo der Überholvorgang tatsächlich beendet wurde, konnte der Berufungswerber nicht mehr angeben.

 

Der Meldungsleger führte bei seiner zeugenschaftlichen Befragung aus, dass er damals mit einem sogenannten Zivilstreifenfahrzeug von Richtung B1 kommend in Richtung Zipf auf der L1274 unterwegs gewesen ist. Befragt, wo Herr X den Überholvorgang begonnen hat, so führte der Zeuge ungefähr jene Stelle an, welche sich mit der Angabe des Beschuldigten deckt, nämlich ca. 33 m von Strkm. 4,605 in Fahrtrichtung Gampern gesehen.

 

Der Zeuge erklärte weiters, er selbst sei mit einer Geschwindigkeit von ca. 70 bis 80 km/h unterwegs gewesen, der Überholende sei um einiges schneller gewesen als er, weshalb er die Anzeige erstattet habe.

 

Im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit führte der der Verhandlung beigezogene Sachverständige aus, dass sich bezogen auf das vom Meldungsleger gelenkte Zivildienstfahrzeug, wenn dieses mit einer Geschwindigkeit laut Tacho zwischen 70 und 80 km/h unterwegs war, bei einer unterstellten Geschwindigkeit von 70 km/h unter Berücksichtigung der Tachovoreilung, zumal es sich nicht um einen geeichten Tacho handelte, eine tatsächliche Geschwindigkeit von 57 km/h ergibt. Berücksichtigt man, dass das Fahrzeug des Berufungswerbers im Gefälle im Sinne des Berufungswerbers mit einer Überholbeschleunigung von 1,5 m/sec² und einen Überholweg von ca. 110 m benötigte, ergibt sich eine Endgeschwindigkeit von 86 km/h, es sei somit plausibel, dass bei Ende der 70 km/h-Beschränkung eine Geschwindigkeit von zumindest 86 km/h eingehalten wird.

 

2.6. In freier Beweiswürdigung erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zunächst, dass die Ausführungen des verkehrstechnischen Sachverständigen hinsichtlich der Beurteilung der vom Berufungswerber eingehaltenen Geschwindigkeit durchaus schlüssig sind. Letztlich hat auch der Berufungswerber den Ausführungen des Sachverständigen diesbezüglich nichts entgegen gehalten.

 

Die Aussagen des Meldungslegers sind ebenfalls glaubhaft und decken sich im Wesentlichen sachverhaltsbezogen mit jenen des Berufungswerbers.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 16 Abs.1 lit.b StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn der Unterschied der Geschwindigkeiten des Überholenden und des eingeholten Fahrzeuges unter Bedachtnahme auf allenfalls geltende Geschwindigkeitsbeschränkungen für einen kurzen Überholvorgang zu gering ist.

 

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass Herr X tatsächlich das vom Meldungsleger gelenkte Zivildienstfahrzeug überholt und er bei diesem Überholvorgang die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hat. Laut Aussage des Zeugen war Herr X um einiges schneller als der Beamte.

 

Schutzzweck dieser Norm ist, wie auch bei anderen Überholverboten, natürlich die Verkehrssicherheit. Es soll sichergestellt sein, dass der Überholvorgang sowohl zeit- als auch streckenmäßig kurz gehalten wird.

 

Der oberste Gerichtshof hat in einer Entscheidung im Jahre 1956 (5Os136/56 vom 27. März 1956) zur damals in Kraft stehenden StPolO festgestellt, dass auch beim Überholen eine vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten werden darf. Diese Aussage könnte isoliert betrachtet zu dem Schluss führen, dass der gegenständliche Tatbestand schon dann verwirklicht wird, wenn während des Überholens die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wird, was jedoch zur Folge hat, dass auch der Tatbestand der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verwirklicht wurde.

 

Gemäß Artikel 4 Abs.1 des im Verfassungsrang stehenden 7. Zusatzprotokolls zur Menschenrechtskonvention darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahren eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden. Aus der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergibt sich daraus zwangsläufig auch das Verbot der Doppelbestrafung in Verwaltungsstrafverfahren in Bezug auf Geschehen, denen ein- und derselbe Sachverhalt zugrunde liegt. Diese Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, welche sich im Wesentlichen auch mit jener des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes deckt, ist der Prüfung des vorliegenden Sachverhaltes auf verwaltungsstrafrechtliche Aspekte hin zu Grunde zu legen.

 

Wie bereits dargelegt wurde, bezweckt die verfahrensgegenständliche Norm, dass Überholvorgänge im Interesse der Verkehrssicherheit sowohl räumlich als auch zeitlich kurz gehalten werden können, weshalb Überholvorgänge nur dann zulässig sind, wenn der Geschwindigkeitsunterschied entsprechend ist. Dem gegenüber kann eine Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (im vorliegenden Falle gemäß § 43 Abs.1 lit.b Z1 StVO 1960) aus vielerlei Gründen, natürlich auch im Interesse der Verkehrssicherheit, erfolgen.

 

Im Lichte der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich jedoch im konkreten Falle, dass, wenn auch die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wird, bei einem entsprechenden Geschwindigkeitsunterschied die Verkehrssicherheit zwar im Hinblick auf die Nichteinhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit beeinträchtigt werden könnte, nicht jedoch dadurch, dass ein nicht entsprechender Geschwindigkeitsunterschied beim Überholvorgang eingehalten wird. Der Schutzzweck des § 16 Abs.1 lit.b wird daher in derartigen Fällen nicht verletzt und kann daher auch ein diesbezügliches strafbares Verhalten nicht unterstellt werden bzw. würde im Falle einer Bestrafung auch wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit dies eine unzulässige Doppelbestrafung darstellen. Eine Bestrafung gemäß § 16 Abs.1 lit.b StVO 1960 wird daher im vorliegenden Falle als nicht zulässig erachtet.

 

3.1.2. Gemäß § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Gemäß § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges außer in den im Abs.1 angeführten Fällen bei ungenügender Sicht oder auf unübersichtlichen Straßenstellen, z.B. vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen, nicht überholen.

 

Im Zuge des während der mündlichen Berufungsverhandlung durchgeführten Augenscheines sind die Verhandlungsteilnehmer einvernehmlich zur Auffassung gelangt, dass anhand der Örtlichkeit festgestellt werden kann, dass weder eine Übertretung des § 16 Abs.1 lit.c noch eine nach § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 verwirklicht worden kann. Die sowohl vom Zeugen als auch vom Berufungswerber bezeichnete Überholstrecke war für einen Überholvorgang übersichtlich und es war aus der Sicht des Überholenden auch einwandfrei zu erkennen, dass das Fahrzeug nach dem Überholvorgang wieder in den Verkehr eingeordnet werden kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Demgemäß hat Herr X diese beiden zur Last gelegten Tatbestände nicht verwirklicht.

 

3.1.3. Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

 

Nachdem, wie oben dargelegt wurde, der Berufungswerber die in den Punkten 1, 2 und 3 des Straferkenntnisses bezeichneten Verwaltungsübertretungen nicht begangen hat, konnte in diesen Fällen der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt werden.

 

Der Ordnung halber wird darauf hingewiesen, dass im Sinne einer korrekten Tatkonkretisierung iSd § 44a VStG bei den gegenständlichen Übertretungen auch vorzuwerfen wäre, dass der Beschuldigte diese Übertretungen als Lenker des betreffenden Fahrzeuges begangen hat.

 

3.2.1. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 (in der zur Tatzeit geltenden Fassung) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer unter anderem als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs.1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

 

Gemäß § 52 lit.a Z10a StVO 1960 wird durch das Verkehrszeichen Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) angezeigt, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

 

Im Bereich des vorgeworfenen Tatortes war die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung (70 km/h) verordnet. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass der Rechtsmittelwerber zumindest mit einer Endgeschwindigkeit von 86 km/h unterwegs gewesen ist und es ist somit diesbezüglich der zur Last gelegte Sachverhalt aus objektiver Sicht verwirklicht.

 

Was die subjektive Tatseite anbelangt, so sind keine Umstände hervorgekommen, welche den Rechtsmittelwerber entlasten würden, hinsichtlich Punkt 4) des Straferkenntnisses ist der Schuldspruch demnach zu Recht erfolgt.

 

3.2.2. Hinsichtlich Strafbemessung (§ 19 VStG) wird zunächst darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der Fahrgeschwindigkeit der Sicherung des Straßenverkehrs dienen. Geschwindigkeitsüberschreitungen stellten potentiell eine gravierende Gefährdung der allgemeinen Verkehrssicherheit dar und zieht ein derartiges Verhalten häufig Verkehrsunfälle mit gravierenden Folgen (Sach- und Personenschäden) nach sich. Derartigen Übertretungen liegt daher ein erheblicher Unrechtsgehalt zugrunde. Um die Allgemeinheit entsprechend darauf zu sensibilisieren ist grundsätzlich aus generalpräventiven Gründen eine entsprechend strenge Bestrafung geboten. Ebenso sind spezialpräventive Überlegungen dahingehend anzustellen, den Beschuldigten durch die Bestrafung vor der Begehung weiterer gleichartiger Übertretungen abzuhalten.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat strafmildernd keine bisherige einschlägige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit gewertet. Dazu wird festgestellt, dass das Nichtvorhandensein einschlägiger Verwaltungsübertretungen keinen ausdrücklichen Milderungsgrund bewirkt. Anderseits würde eine einschlägige Vormerkung einen ausdrücklichen Straferschwerungsgrund iSd § 19 VStG bilden, ein derartiger Erschwerungsgrund wird jedoch konkret nicht festgestellt. Es ist dem Unabhängigen Verwaltungssenat jedoch aus früheren Verfahren bekannt, dass eine verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit nicht vorliegt und daher dieser Milderungsgrund nicht angewendet werden kann. Weitere Milderungsgründe, aber auch sonstige straferschwerende Umstände werden nicht festgestellt.

 

Die vom Rechtsmittelwerber im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung bekannt gegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (Einkünfte im Ausmaß von 1.600 bis 1.700 Euro monatlich, Sorgepflicht für 4 Kinder und eine unversorgte Hausfrau) werden als glaubhaft angesehen, dennoch erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass unter Berücksichtigung des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens im vorliegenden Falle die verhängte Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe korrekt im Sinne des Ermessens bemessen wurde. Eine Herabsetzung wird daher nicht in Erwägung gezogen.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Alfred Kisch

 

 

 

Beschlagwortung:

§ 16 Abs.1 lit.b StVO 1960 – Bestrafung dann nicht zulässig, wenn zwar die zulässige Höchstgeschwindigkeit  überschritten wird, aber der Geschwindigkeitsunterschied faktisch ausreicht / Verbot der Doppelbestrafung iSd Art.4 Abs.1 7.2... EMRK

 

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