Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281129/11/Py/Pe/Ba

Linz, 14.10.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die auf das Strafausmaß eingeschränkte Berufung des Herrn X, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15.10.2008, GZ. 0119613/2007, wegen Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung am 25.September 2009 zu Recht erkannt:

 

 

I.  Der Berufung wird Folge gegeben und die verhängten Geldstrafen zu Faktum 1 auf 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 11 Stunden), zu Faktum 2 auf 700 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 16 Stunden) und zu Faktum 3 auf 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Stunden) herabgesetzt.

 

 

II. Der Verfahrenskostenbeitrag für das Verfahren vor der Erstbehörde ermäßigt sich auf insgesamt 150 Euro, das sind 10 % der nunmehr verhängten Geldstrafen. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  §§ 64 Abs.1 und 65 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15.10.2008, GZ. 0119613/2007, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG in Verbindung mit § 58 Abs.3 erster Satz Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) zu je Faktum 1 und 2 und Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG in Verbindung mit §§ 55 Abs.4 und 65 Abs.4 BauV zu Faktum 3 Geldstrafen zu Faktum 1 von 700 Euro, zu Faktum 2 von 1.000 Euro und zu Faktum 3 von 500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen zu Faktum 1 von 16 Stunden, zu Faktum 2 von 23 Stunden und zu Faktum 3 von 11 Stunden, verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von insgesamt 220 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt nachstehender Tatvorwurf zugrunde:

 

„Der Beschuldigte, Herr X, geboren am , wohnhaft: X, hat folgende Verwaltungsübertretungen als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der‚ X GmbH mit dem Sitz in X,  zu vertreten:

Am 16.10.2007 waren auf der Baustelle ‚X’ Arbeitnehmer ‚X GmbH auf einem 2-etagigen Metallgerüst beschäftigt, wobei das Gerüst folgende Mängel aufwies:

  1. Die 2. Etage des ost- und südseitig aufgestellten Metallgerüstes war bei einer Absturzhöhe von ca. 4,0 m nur mit einer Brustwehr, nicht jedoch auch mit Fuß- und Mittelwehren versehen.
  2. Die 2. Etage des nordseitig aufgestellten Metallgerüstes war bei einer Absturzhöhe von ca. 4,0 m mit keinen Wehren (Brust-, Mittel- und Fußwehren) versehen.
  3. Jede Seite des 4-feldrigen, 2-etagigen Metallgerüstes war nur je einmal mittels einer Metallstange abgestützt, ansonsten in keiner Weise an dem einzurüstenden Objekt verankert. Das Metallgerüst war daher weder freistehend standsicher aufgestellt noch an einem einzurüstenden Objekt sicher, insbesondere zug- und druckfest, verankert. Bei mehrreihigen, freistehend nicht standsicheren Metallgerüsten müsste jeder Steher verankert sein.“

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Berufung. Begründend wurde ausgeführt, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, den Vorarbeiter, der die Aufstellung des gegenständlichen Gerüstes überprüfte, einzuvernehmen. Diese Einvernahme hätte nicht nur ergeben, dass der Vorarbeiter unterwiesen worden sei und dies schriftlich bestätigt habe, sondern dass es sich bei dem Vorarbeiter auch um eine geeignete und zuverlässige Person handle, deren Arbeiten durch den Bw stichprobenartig überprüft würden. Weiters habe es die belangte Behörde unterlassen, entsprechende Unterlagen zum gegenständlichen Gerüst einzuholen und hätte sich bei vollständiger Aufklärung des Sachverhaltes ergeben, dass der Bw seinen Belehrungs- und Kontrollpflichten in ausreichendem Umfang nachgekommen sei.

Die belangte Behörde habe es unterlassen, auf die Verantwortung des Bw, dass die Vorgangsweise bei der Aufstellung von Gerüsten mit dem Arbeitsinspektorat abgesprochen worden sei, Abnahmeprotokolle erstellt würden, eine Prämienauszahlung bei ordnungsgemäßer Aufstellung des Gerüstes erfolge und stichprobenartige Kontrollen durch den Bw durchgeführt würden, einzugehen. Es wäre nicht möglich, jedes Gerüst zu überprüfen und könne selbst bei durchgehender Überprüfung sämtlicher Gerüste ein eigenmächtiges Handeln der Dienstnehmer vor oder nach der Überprüfung nicht ausgeschlossen werden.

Abschließend wurde noch ausgeführt, dass die verhängten Geldstrafen als zu hoch bemessen erscheinen, da die Tat keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen hätte und keinerlei straferschwerende Umstände vorliegen würden.

 

3. Die belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung 25. September 2009, an der der Bw und sein Rechtsvertreter, eine Vertreterin der belangten Behörde und ein Vertreter des Arbeitsinspektorates X als Parteien teilnahmen. Als Zeugen wurden Herr X vom Arbeitsinspektorat X und Herr X geladen. Da im Zuge der Berufungsverhandlung der Bw seine Berufung auf das Strafausmaß eingeschränkte konnte auf die Einvernahme der geladenen Zeugen verzichtet werden.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Da sich die Berufung ausschließlich gegen das Strafausmaß des Straferkenntnisses richtet, sind die Schuldsprüche in Rechtskraft erwachsen und ist des dem Unabhängigen Verwaltungssenat verwehrt, hierauf einzugehen.

 

5.2. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgestz – AschG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

5.3. Im angefochtenen Straferkenntnis wurden über den Bw drei Geldstrafen gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG verhängt. Bei den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen wurde von einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.400 Euro und der Sorgepflicht für ein Kind ausgegangen. Strafmildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit gewertet. Straferschwerende Umstände wurden nicht gewertet.

 

Aufgrund des Beweisergebnisses kann nicht von vorsätzlicher Tatbegehung ausgegangen werden und ist das Schuldeingeständnis des Bw als mildernd zu werten.

 

Ebenfalls als mildernd ist im gegenständlichen Verfahren die lange Dauer des Verwaltungsstrafverfahrens zu werten. Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Juni 2008, Zl. B304/07 ausgesprochen, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen ist. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, ist auch die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer relevant (vgl. VfSlg. 17.307/2004; 17.582/2005, 17.644/2005). Nicht eine lange Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnis der staatlichen Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art.6 Abs.1 EMRK anzunehmen wäre (vgl. VfSlg. 16.385/2001 mH auf die Rechtsprechung des EGMR).

 

Im gegenständlichen Verfahren sind seit der Tatbegehung und der Erlassung des Erkenntnisses des Oö. Verwaltungssenates zwei Jahre vergangen, sodass aufgrund der vorliegenden Sach- und Rechtslage von keiner iSd Art.6 Abs.1 EMRK zu qualifizierenden noch gänzlich angemessenen Verfahrensdauer auszugehen war. Dieser Umstand war daher als Milderungsgrund iSd § 24 Abs.2 StGB bei der Strafbemessung entsprechend zu werten.

 

Als erschwerend ist jedoch die aus dem Jahr 2005 vorliegende einschlägige Vorstrafe zu werten.

 

Dem Oö. Verwaltungssenat erscheinen die nunmehr verhängten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen als tat- und schuldangemessen und geeignet, den Bw künftighin von der Begehung gleichartiger Übertretungen abzuhalten. Die Vertreterin der belangten Behörde und der Vertreter der Organpartei haben in ihren Schlussäußerungen ebenfalls einer Reduktion der verhängten Strafen zugestimmt.

 

Entsprechend der Herabsetzung der Geldstrafen waren auch gemäß § 16 VStG die Ersatzfreiheitsstrafen herabzusetzen.

 

5.4. Von der Anwendung der Bestimmungen der §§ 20 und 21 VStG bzw. einer weitergehenden Herabsetzung war abzusehen, zumal die hiefür erforderlichen kumulativen Voraussetzungen nicht gegeben gewesen sind.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Gemäß § 64 VStG war der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz entsprechend der nunmehr verhängten Geldstrafen neu festzusetzen. Da die Berufung Erfolg hatte, war ein Verfahrenskostenbeitrag zum Berufungsverfahren gemäß § 65 VStG nicht zu leisten.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Andrea Panny

 

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