Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252242/2/Gf/Mu

Linz, 15.10.2009

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Berufung des x gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 18. August 2009, GZ 29429/2009, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungs­gesetzes zu Recht erkannt:

I.     Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird.

II.   Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 18. August 2009, GZ 29429/2009, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in der Höhe von 730 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 112 Stunden) verhängt, weil er es als
handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH zu verantworten habe, dass diese von März 2009 bis zumindest 15. Mai 2009 eine Person als Dienstnehmer – näm­lich als Zeitungszusteller – in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt (1.008 Euro pro Monat) beschäftigt habe, ohne diese vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben beim zuständigen Krankenver­siche­rungs­träger zur Pflichtver­sicherung aus der Krankenversicherung vollver­sichert anzumelden. Dadurch habe er eine Übertretung des § 33 Abs. 1 und Abs. 1a i.V.m. § 111 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 31/2007 (im Folgenden: ASVG), begangen, weshalb er nach § 111 ASVG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der ihm zur Last gelegte Sachverhalt von einem Organ des zuständigen Finanzamtes im Zuge einer Kontrolle festgestellt worden sowie auf Grund der von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien Milderungsgründe nicht hervorgekommen, während die lange Dauer der ungemeldeten Beschäftigung als erschwerend zu werten gewesen sei. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihm am 16. September 2009 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitige mündliche Berufung, die am 23. September 2009 von der belangten Behörde niederschriftlich festgehalten wurde.

Darin bringt der Beschwerdeführer vor, dass der bei der Kontrolle angetroffene "Beschäftigte" über eine eigenständige Gewerbeberechtigung für das Güterbeförderungsgewerbe verfüge und zwischen dieser Person und ihm am 2. Februar 2009 ein Frachtvertrag abgeschlossen worden sei. Daher habe jener die Zeitungen selbständig mit seinem eigenen Kastenwagen ausgeliefert. Zum Beweis werde der belangten Behörde ein Gewerberegisterauszug, ein Schreiben des Magistrates der Stadt Linz vom 3. November 2008, mit dem die Verständigung zur Begründung einer Gewerbeberechtigung festgehalten wurde, ein Zulassungsschein des Kastenwagens sowie der Frachtvertrag samt Zusatzvereinbarung übergeben vorgelegt.

Daher wird – erschließbar – die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Stadt Linz zu GZ 29429/2009; da sich bereits aus
diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen dementsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – nachdem hier eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 33 Abs. 1 ASVG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungs­übertretung und ist nach § 111 Abs. 2 ASVG mit einer Geld­strafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, der als Dienstgeber eine von ihm beschäftigte, in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person nicht vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anmeldet.

Nach § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern
beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollver­sicherung ausgenommen ist noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

Als Dienstnehmer i.S.d. ASVG gilt gemäß § 4 Abs. 2 ASVG derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit über­wiegen.

Gemäß § 4 Abs. 4 Z. 1 ASVG stehen den Dienstnehmern im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für einen Dienstgeber im Rahmen von dessen Gewerbeberechtigung, wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen, es sei denn, dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z. 1 bis 3 GSVG oder nach § 2 Abs. 1 und 2 FSVG versichert sind.

3.2.1. Im gegenständlichen Fall ergibt sich auf Grund der vom Beschwerdeführer – erst – im Rahmen der eingebrachten Berufung vorgelegten Beweismittel (Gewerbeberechtigung vom 3. November 2009, Frachtvertrag vom 2. Februar 2009 und Zulassungsschein für einen Kastenwagen), dass die bei der Kontrolle angetroffene Person seit dem 22. Oktober 2008 über eine eigenständige Berechtigung für das freie Gewerbe der "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchste zulässige Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg nicht übersteigen" verfügt. Zwischen der GmbH des Beschwerdeführers und dem Gewerbeinhaber wurde am 2. Februar 2009 eine als "Frachtvertrag" bezeichnete Vereinbarung abgeschlossen, in der unter Pkt. 1.) festgelegt wurde, dass der Auftragnehmer die Belieferung der Kunden des Rechtsmittelwerber mit diversen Gütern – wie Zeitschriften, Bankkoffer, Filme, Fotos, Handelswaren etc. – übernimmt. Zudem wurde insbesondere vereinbart, dass die Auslieferung derart durchgeführt werden muss, dass diese Waren stets rechtzeitig beim jeweiligen Kunden eintreffen, dass der Transport auch von einem Dritten durchgeführt werden kann sowie, dass der Auftragnehmer die Frachtführertätigkeit selbständig durchzuführen hat und dabei an keine bestimmte Arbeitszeiten und keine Weisungen gebunden ist. Darüber hinaus wurde auch festgelegt, dass der Auftragnehmer alle notwendigen Betriebsmittel auf eigene Kosten und Gefahren bereitzustellen und die Abrechnung monatlich – durch entsprechende Rechnungslegung des Gewerbeinhabers – zu erfolgen hat. Schließlich wurde in diesem Vertrag auch dezidiert festgehalten, dass der Auftragnehmer seine Tätigkeit selbständig wahrzunehmen hat und in keinem Dienstverhältnis zum Auftraggeber – also zum Beschwerdeführer – steht.

Ferner geht aus der vorgelegten Kopie des Zulassungsscheines hervor, dass das bei der Kontrolle verwendete Fahrzeug tatsächlich für den Auftragnehmer zugelassen wurde.

Formalrechtlich betrachtet deutet somit alles darauf hin, dass es sich bei der bei der Kontrolle angetroffenen Person nicht um einen Dienstnehmer des Beschwerdeführers i.S.d. § 4 Abs. 2 ASVG gehandelt hatte, weil diese die vereinbarte Tätigkeit eigenverantwortlich und selbständig sowie – im Sinne der Entscheidung des VwGH vom 23. Jänner 2008, Zl. 2007/08/0223 – auch mit eigenen Betriebsmitteln durchzuführen hatte, hierbei an keine fixen Arbeitszeiten und Weisungen gebunden war (sondern die Auslieferung lediglich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt durchzuführen hatte) und sämtliche aus der Durchführung des Auftrages entstehenden Kosten ebenso wie alle anfallenden Steuern (insbesondere die Einkommens- und die Mehrwertsteuer) selbst zu tragen hatte.

3.2.2. Dass die gemäß § 539a Abs. 1 ASVG maßgebliche Beurteilung nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt hier zu einem anderen Ergebnis führen müsste, lässt sich dem Inhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Aktes hingegen nicht entnehmen.

Denn weder aus der Anzeige des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom 29. Juni 2009, GZ 054/71066/4/2009, die sich mit diesem Aspekt überhaupt nicht auseinandersetzt), noch anhand der Ergebnisse des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens ergeben sich Anhaltspunkte für eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit des Auftragnehmers vom Beschwerdeführer.

Derartige substantielle Mängel zu substituieren, fällt andererseits schon von vornherein nicht in den Kompetenzbereich des Unabhängigen Verwaltungssenates: Ihm kommt vielmehr von Verfassungs wegen (vgl. Art. 129 ff B-VG) nur die Aufgabe zu, die Rechtmäßigkeit des Behördenhandelns zu kontrollieren, nicht aber auch jene, die Verwaltung selbst zu führen oder gar jene, anstelle der Behörde (neben der richterlichen Funktion zusätzlich auch noch) die Funktion des öffentlichen Anklägers wahrzunehmen.

3.3. Da es somit – zumindest bislang – an Beweisen für das Vorliegen der Dienstgebereigenschaft des Rechtsmittelwerbers und sohin am Vorliegen eines essentiellen Tatbestandsmerkmals i.S.d. § 111 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 33 Abs. 1 ASVG mangelt, war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattzugeben, als das angefochtenen Straferkenntnis aufzuheben war.

Im Hinblick auf die noch offene Verfolgungsverjährungsfrist war hingegen von einer Einstellung abzusehen; ob bzw. in welchem Umfang das Strafverfahren weitergeführt wird, hat hingegen die belangte Behörde aus eigenem zu beurteilen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f


Rechtssatz:

 

VwSen-252242/2/Gf/Mu/ vom 15. Oktober 2009:

 

§ 4 Abs. 2 und 4 ASVG; § 33 ASVG; § 111 ASVG; § 539a Abs. 1 ASVG

 

Aufhebung des Straferkenntnisses wegen Nichtvorliegens der Dienstgebereigenschaft bzw. wegen fehlender Ermittlungsergebnisse dahin, dass unter dem Aspekt des wahren wirtschaftlichen Gehalts seitens des Betretenen tatsächlich keine eigenständige Gewerbeausübung, sondern vielmehr die bloße Erfüllung eines (freien) Dienstvertrages vorlag.

 

 

 

 

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