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VwSen-100345/11/Weg/Ri

Linz, 08.04.1992

VwSen - 100345/11/Weg/Ri Linz, am 8.April 1992 DVR.0690392 M T, St; Straferkenntnis wegen Übertretung des § 97 Abs. 5 StVO 1960 und § 76 Abs. 5 KFG 1967 - Berufung

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung der M T, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. E W, vom 30. Dezember 1991 gegen die Fakten 1 und 2 des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Steyr vom 11. Dezember 1991, St-3480/91, auf Grund des Ergebnisses der am 24. März 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

Ia) Hinsichtlich des Faktums 1 wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Ib) Hinsichtlich des Faktums 2 wird der Berufung mit der Maßgabe Folge gegeben, als zwar der Schuldspruch bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 500 S und die Ersatzfreiheisstrafe auf 12 Stunden herabgesetzt wird.

II. Hinsichtlich des Faktums 1 hat die Berufungswerberin zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz 100 S als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren zu entrichten.

Hinsichtlich des Faktums 2 vermindert sich der Kostenbeitrag des Strafverfahrens erster Instanz auf 50 S, Kosten für das Berufungsverfahren fallen diesbezüglich nicht an.

Rechtsgrundlage:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.Nr. 51/1991, i.V.m. § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991 § 97 Abs. 5 i.V.m. § 99 Abs. 4 lit.i Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) BGBl.Nr. 159/1960, i.d.F. BGBl.Nr.615/1991; § 76 Abs.5 i.V.m. § 134 Abs.1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967), BGBl.Nr. 267/1967, i.d.F. BGBl.Nr. 498/1990.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis unter den Punkten 1 und 2 über die Berufungswerberin wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1. § 97 Abs. 5 StVO 1960 und 2. § 76 Abs.5 KFG 1967 Geldstrafen von 1. 500 S und 2. 1.000 S, sowie im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1. 12 Stunden und 2. 24 Stunden verhängt, weil diese am 27. August 1991 um 2.10 Uhr in St, S.straße (nächst der Kreuzung mit der E.straße), als Lenkerin des PKW's das von einem Organ der Straßenaufsicht mit einem beleuchteten Anhaltestab gegebene Haltezeichen nicht beachtet hat und sie 2. den PKW lenkte, obwohl ihr um 1.55 Uhr des selben Tages der Führerschein im Wachzimmer T.straße wegen Verdachtes einer Alkoholbeeinträchtigung gemäß § 76 Abs. 1 KFG vorläufig abgenommen worden war. Außerdem wurde als Kostenbeitrag zum Strafverfahren hinsichtlich dieser Übertretungen ein Betrag von 150 S in Vorschreibung gebracht.

2. Zu diesem Straferkenntnis führte nachstehender von der Erstbehörde als erwiesen angenommener Sachverhalt: Die Berufungswerberin lenkte am 27. August 1991 um ca. 1.00 Uhr den verfahrensgegenständlichen PKW in Steyr nächst dem Hause E.straße Bei der durchgeführten Lenker- und Fahrzeugkontrolle wurden Alkoholisierungssymptome festgestellt, weshalb sie zu einem Alkotest aufgefordert wurde. Der schließlich durchgeführte Test der Atemluft mittels Alkomaten ergab bei den Einzelmessungen Differenzen von mehr als 10% (nämlich 0,87 mg/l : 0,96 mg/l und 0,82 mg/l : 0,94 mg/l). Der Berufungswerberin wurde von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwendung des § 76 Abs. 1 KFG 1967 der Führerschein vorläufig abgenommen und ihr hierüber eine Bescheinigung ausgefolgt. Das Verhalten der Beschuldigten im Wachzimmer T.straße, insbesondere die Weigerung, die Fahrzeugschlüssel herauszugeben, ließ die begründete Vermutung zu, daß sie den auf der Ennserstraße Nr. 14 abgestellten PKW neuerlich in Betrieb nehmen werde. Aus diesem Grunde fuhr die Funkstreife, nachdem die Beschuldigte das Wachzimmer verlassen hatte, zur E.straße. Die Vermutung bestätigte sich, die Berufungswerberin lenkte von diesem Abstellort den PKW in Richtung Kreuzung E. Straße - S.straße. In der S.straße setzte der Funkstreifenwagen zum Überholen an. Im Zuge dieses Nebeneinanderfahrens gab dann der Beifahrer des Patrouillenfahrzeuges mit einem beleuchteten Anhaltestab ein deutlich wahrnehmbares Haltezeichen. Dabei hat die Beschuldigte die Meldungsleger angesehen, woraus geschlossen wird, daß sie das Haltezeichen auch bemerkte. Sie erfüllte jedoch die Pflicht, den PKW sofort anzuhalten, nicht, sondern fuhr etwa 50 m bis 100 m weiter, um den PKW letztlich bei ihrem Wohnhaus abzustellen.

3. Zur Verwaltungsübertretung nach § 97 Abs.5 StVO 1960 wendet die Beschuldigte in ihrer Berufung sinngemäß ein, es lägen für diese Verwaltungsübertretung die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale nicht vor. Sie habe das Haltezeichen beachtet und in der Folge das Fahrzeug angehalten. Dem Gesetz sei nicht die Pflicht zu entnehmen, das Fahrzeug "sofort" anzuhalten. Bei einer angenommenen Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h habe die Berufungswerberin bei einer Bremsverzögerung von 2,78 m/sec.2 zum Anhalten 33,37 m benötigt. Im übrigen würden von den KFZ-Verständigen für eine normale Betriebsbremsung Verzögerungswerte von 3 m/sec.2 angenommen. Damit ergäbe sich rechnerisch, daß die Beschuldigte ihrer Verpflichtung, anzuhalten, ohnehin sofort nachgekommen sei, weil man ihr ja nur zum Vorwurf gemacht habe, erst ca. 50 m nach dem Haltezeichen angehalten zu haben.

Zur angelasteten Verwaltungsübertretung nach § 76 Abs. 5 KFG 1967 führt die Berufungswerberin aus, daß die Abnahme des Führerscheines im Sinne des § 76 Abs. 1 leg.cit. nicht rechtmäßig gewesen sei. Wenn aber die vorläufige Abnahme rechtswidrig sei, dann fehle es auch am diesbezüglichen Tatbestandsmerkmal nach § 76 Abs. 5 KFG. Es habe sich im folgenden Verfahren nach § 5 Abs.1 StVO 1960 nicht verifizieren lassen, daß sie in Folge eines übermäßigen Alkoholgenusses nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei, zumal das diesbezügliche Strafverfahren nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 eingestellt worden sei.

4. Die Berufung ist rechtzeitig. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht, sodaß mit der Berufungsvorlage der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Sachentscheidung berufen ist. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, war hinsichtlich dieser Verwaltungsübertretungen das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen. Nachdem ein ausdrücklicher Verzicht auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung von den Parteien des Verfahrens nicht abgegeben wurde, war eine solche anzuberaumen. Zu dieser wurden neben den Parteien des Verfahrens die Zeugen Rev.Insp. Ch B und Rev Insp. Ch P geladen.

5. Auf Grund des Ergebnisses dieser am 24. März 1992 stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der alle geladenen Personen erschienen sind, ergibt sich nachstehender entscheidungsrelevante Sachverhalt:

Hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 76 Abs. 5 KFG 1967 ist der Sachverhalt nur insofern strittig, als das Vorliegen der Erkennbarkeit der Fahrunfähigkeit infolge übermäßigen Alkoholgenusses bestritten wird. Die Tatsache des Lenkens des PKW's trotz einer gemäß § 76 Abs.1 durchgeführten vorläufigen Führerscheinabnahme wird nicht bestritten. Während der mündlichen Verhandlung waren keine Zeugen vorhanden und wurden solche auch von der belangten Behörde nicht aufgeboten, die hätten bestätigen können, daß aus dem Verhalten der Beschuldigten deutlich zu erkennen gewesen wäre, daß sie insbesondere infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses nicht mehr die volle Herrschaft über ihren Geist und ihren Körper besitzt. Die durchgeführte Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt ergab kein gültiges Ergebnis. Es muß deshalb in Anbetracht des gemäß § 51i VStG geltenden Unmittelbarkeitsprinzipes im Zweifelsfalle davon ausgegangen werden, daß die vorläufige Abnahme des Führerscheines keine Deckung im § 76 Abs.1 KFG 1967 findet. Tatsache jedenfalls war, daß die Beschuldigte vor der Wiederausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheines wieder ihren PKW lenkte.

Hinsichtlich der Übertretung des § 97 Abs. 5 StVO 1960 ist strittig, mit welcher Geschwindigkeit die Beschuldigte ab dem Zeitpunkt des Einbiegens in die Siemensstraße fuhr. Der Rechtsfreund der Berufungswerberin geht bei seinen Berechnungen von 50 km/h aus, während die Zeugen, jeweils getrennt vernommen, diese Geschwindigkeit auf ca. 30 km/h schätzten. Da eine ausdrückliche Behauptung, daß die Geschwindigkeit 50 km/h betragen hätte, ohnehin nicht vorgebracht wurde, wird dieser Entscheidung eine Geschwindigkeit von 30 km/h zugrundegelegt. Dann aber ist die vom Rechtsfreund aufgestellte und auf 50 km/h gestützte Berechnung, wonach der Anhalteweg ohnehin über 30 m betragen hätte, in der Sache nicht zielführend. Bei der angenommenen Geschwindigkeit von 30 km/h hätte die Berufungswerberin ihr Fahrzeug unter Mitberücksichtigung der Bremsschwellzeit schon ca. 15 m nach dem Ansichtigwerden des Haltesignals zum Stillstand bringen können. Wenn man davon ausgeht, daß das erste Haltesignal erst auf der Kreuzung S.straße/D.straße gegeben und in der Folge auch mehrmals wiederholt wurde, so hätte sie jedenfalls noch vor dem Einbiegen zum Parkplatz anhalten können, weil eine ca. 40 m bis 50 m lange Anhaltestrecke zur Verfügung stand. Der Einwand des Rechtsvertreters, es sei nicht möglich gewesen, daß auch das Patrouillenfahrzeug 30 km/h fuhr, weil es ja sonst zu keinem Überholvorgang gekommen wäre, geht von falschen Prämissen aus, weil die Zeugen anführten, schon im Bereiche der Kurve S.straße/E.straße aufgeholt zu haben und über die Aufholgeschwindigkeit keine Aussage getroffen wurde. Diese kann also auch höher als 50 km/h gewesen sein. Jedenfalls reicht die mit dem Patrouillenfahrzeug für ein Überholmanöver erreichbare Geschwindigkeit aus, um zumindest auf der Höhe Dieselstraße das erste Mal das Anhaltesignal geben zu können.

6. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

a) Gemäß § 97 Abs.5 StVO 1960 sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, durch deutlich sichtbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle zum Anhalten aufzufordern. Der Fahrzeuglenker hat der Aufforderung Folge zu leisten.

Ein Zuwiderhandeln gegen diese Bestimmung stellt gemäß § 99 Abs.4 lit.i eine Verwaltungsübertretung dar und ist mit einer Geldstrafe bis zu 1.000 S im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 48 Stunden zu bestrafen.

Der Gesetzgeber hat nicht ausdrücklich normiert, wann ab dem Erkennen der Aufforderung zum Anhalten anzuhalten ist.

Ohne im gegenständlichen Fall einen extensiven und damit allenfalls nicht zulässigen Auslegungsmaßstab anwenden zu wollen, kann dieser Gesetzesstelle kein anderer Sinn beigemessen werden, als sofort ab dem Erkennen des Haltezeichens mit dem Anhaltemanöver beginnen zu müssen. Daß der Anhalteweg mitzuberücksichtigen ist, versteht sich von selbst. Die Beschuldigte hätte noch vor ihrem Einbiegevorgang zum Parkplatz, also zwischen D.straße und dem unbenannten Verbindungsweg zum Parkplatz, ihr Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand anhalten können und müssen. Weil sie dies nicht getan hat, ist ihr Verhalten mit Rechtswidrigkeit behaftet und somit das Tatbild der durch die obzitierten Gesetzesbestimmungen normierten Verwaltungsübertretung erfüllt. Da hinsichtlich des Faktums 1 die Strafhöhe nicht in Beschwer gezogen wurde, war - zumal Milderungsgründe nicht erkennbar sind - das Straferkenntnis hinsichtlich des Faktums 1 sowohl den Schuldspruch als auch die verhängte Strafe betreffend zu bestätigen.

b) Gemäß § 76 Abs. 5 KFG 1967 ist das Lenken von Kraftfahrzeugen, für die der Besitz einer Lenkerberechtigung vorgeschrieben ist, vor der Wiederausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheines unzulässig.

Der Gesetzgeber stellt mit dieser Formulierung lediglich auf das Faktum der vorläufigen Führerscheinabnahme ab und nicht darauf, ob diese sich im nachhinein als rechtmäßig erweist. Weil die vorläufige Führerscheinabnahme ebenso vorliegt wie das Lenken eines PKW vor Wiederausfolgung des Führerscheines, ist das objektive Tatbild erfüllt.

Bei dieser Entscheidung wird wegen der schon vorhin angeführten Gründe, insbesondere weil während der mündlichen Verhandlung kein Beweismittel betreffend Erkennbarkeit der Alkoholisierung vorgebracht wurde und auch das Meßergebnis sich als ungültig erwies, davon ausgegangen, daß die vorläufige Abnahme des Führerscheines letztlich nicht rechtens war.

Ob dies einen Rechtfertigungsgrund oder einen Schuldausschließungsgrund darstellt, ist eine wie folgt zu beurteilende Rechtsfrage:

Nur wenn entweder in der materiellen Vorschrift oder in den Verfahrensvorschriften (VStG und AVG) Bestimmungen enthalten sind, die trotz Erfüllung des objektiven Tatbildes die Strafbarkeit (aus welchen Gründen immer) ausschließen, ist eine im Sinne des Art. 18 B-VG dem Legalitätsprinzip verpflichtete Behörde (dazu gehört auch der unabhängige Verwaltungssenat) berechtigt, ein gegen gesetzliche Vorschriften und unter Strafe stehendes Handeln als straflos zu erklären. Weder das KFG noch das VStG oder AVG enthalten jedoch auf den gegenständlichen Fall bezogen die Strafbarkeit ausschließende Tatbestandselemente.

Aus diesem Grunde war hinsichtlich der Erfüllung des Tatbildes in objektiver und subjektiver Hinsicht der Berufung der Erfolg zu versagen und das Straferkenntnis zu bestätigen.

Der unabhängige Verwaltungssenat stimmt jedoch mit den Ausführungen in der Berufung insofern überein, als die mit 1.000 S festgesetzte Geldstrafe zu hoch erscheint, weshalb dem Berufungsantrag entsprechend die Geldstrafe auf 500 S herabgesetzt wird. Maßgebend hiefür war auch der Umstand, daß die Tat keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen hat und kraftfahrrechtlich keine als erschwerdend zu wertenden Vormerkungen aufscheinen.

II. Die Kostenentscheidung ist in den zitierten gesetzlichen Bestimmungen begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Ergeht an:

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider 6

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