Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522368/7/Bi/La

Linz, 02.11.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch X, vom 25. August 2009 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 7. August 2009, VerkR21-15299-2008, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, aufgrund des Ergebnisses der am 19. Oktober 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 24 Abs.1 Z1, 26 Abs.3 und 4 FSG die von der BH Braunau/Inn am 11. Juni 1997, X, für die Klassen A, B, C, E, F und G erteilte Lenkbe­rechtigung für die Dauer von zwei Wochen, gerechnet ab Rechtskraft des Be­schei­­des, entzogen und gemäß § 29 Abs.3 FSG angeordnet, dass er den Führ­er­schein sofort nach Vollstreckbarkeit des Bescheides bei der Erstinstanz ab­zu­­lie­fern habe.  

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 11. August 2009.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Am 19. Oktober 2009 wurde eine öffentliche mündliche Beru­fungs­­verhandlung in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Bw Herrn RA X durchgeführt. Der Bw war ebenso wie der Vertreter der Erstinstanz entschuldigt. Auf die münd­liche Verkündung der Berufungsent­scheidung wurde verzichtet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe gegen das Erkenntnis des UVS des Landes vom 9.7.2009 wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52 lit.a Z10 lit.a iVm 99 Abs.2c Z9 StVO Beschwerde an den Verfassungsge­richts­hof erhoben, weshalb der nunmehrigen Entziehung der Lenkberechtigung aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, obwohl die Führerscheinbehörde ausgeführt habe, sie sei an das Erkenntnis gebunden und es sei ihr verwehrt, den Sachverhalt neu oder anders zu beurteilen.

Zunächst sei die Erstinstanz im Irrtum, wenn sie von rechtskräftiger Bestrafung durch das UVS-Erkenntnis ausgehe. Er habe der Erstinstanz am 3.8.2009 mitge­teilt, dass VfGH-Beschwerde eingebracht worden sei, zumal nach seiner Ansicht die gesetzliche Grundlage zur Speicherung von personenbezogenen Daten durch die ggst Geschwindigkeits- und Abstandsmessung durch Videoaufzeichnung fehle und daher eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Datenschutz und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz vorliege. Obwohl diese Beschwerde ein außerordentliches Rechtsmittel sei, liege keine endgültige rechtskräftige Bestrafung vor und könne daher die Führerscheinbehörde den Sachverhalt neu beurteilen. Die Zugrunde­legung einer verfassungswidrigen Geschwindigkeitsmessung sei jedenfalls unzu­lässig.

Der Bw wiederholt inhaltlich die Argumente aus dem Verwaltungsstrafverfahren und erhebt sie zum Gegenstand des Entziehungsverfahrens, insbesondere sei seinen Beweisanträgen auf Zeugeneinvernahme der Polizeibeamten CI X und Insp X zum gleichmäßigen Nachfahren nicht Folge gegeben worden, auch der Eichschein und die Verwendungsbestimmungen seien nicht beigeschafft, ihm keine Einsicht in das Video gewährt (woraus schon die Fehlerhaftigkeit erschlossen hätte werden können) und kein SV-Gutachten aus dem Fachgebiet der Messtechnik eingeholt worden. Die Verwendungs­bestimm­ungen und die Bedienungsanleitung seien nicht im Fahrzeug mitgeführt, die Rei­fen­dimension und ein allfälliger Reifenwechsel nicht im Eichschein eingetragen worden. Für die Verordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung bei km 5.000 auf 60 km/h fehle außerdem jede sachliche Rechtfertigung einer derart niedrigen Geschwindigkeit. Aus den Verwendungsbestimmungen hätte sich ergeben, dass die Zuordnung der gemessenen Geschwindigkeit zum davor fahrenden Fahrzeug nur unter Einhal­tung eines annähernd konstanten Abstandes auf eine Länge von mindestens 300m möglich und gestattet sei. Er sei dadurch in seinen "Verfahrensrechten" ver­letzt worden. 

Für die Verkehrsunzuverlässigkeit fehle somit eine bestimmte Tatsache. Die Erst­instanz habe auch keine Wertung im Sinne des § 7 Abs.4 FSG vorgenommen und daher sei ihr unzweckmäßige Ermessensausübung vorzuwerfen.

Abgesehen vom Vorliegen einer unrichtigen Messung entbehre die Verwendung des ggst Messgerätes (Multavision, Messart Provida mit Videoaufzeichnung) jeder gesetzlichen Grundlage. Nach dem Erkenntnis des VfGH vom 9.12.2008, GZP 1944/078-9, und vom 15.6.2007, G147/06 ua (Verfassungsslg 18.146/2007) sei eine Datenerhebung in einer vorhersehbaren Art und Weise sowie in einer allenfalls anfechtbaren und gehörig überprüften Form erfolgt. Mit der ggst Geschwindigkeitsmessung durch eine Videoaufnahme seien personen­bezogene Daten ermittelt und gespeichert worden, liege aber eine gesetzliche Ermächtigung für diese Datenanwendung nicht vor. Auf dem Video seien Per­sonen, weitere Fahrzeuge und Kennzeichen, auch Aufschriften von  Fahrzeugen gespeichert. Es seien einige Fahrzeuge, Pkw und Lkw und ein Radfahrer ersicht­lich und seien dadurch Bestimmungen des Datenschutzgesetzes verletzt, zumal unter Heranziehung des verwendeten Fahrzeuges und des ersichtlichen Kfz-Kennzeichens eine eindeutige Zuordnung des Bildes des Lenkers auf dessen Identität möglich sei. Informationen darüber, dass eine Videoaufzeichnung erfol­ge, seien ihm nicht erteilt worden.

Beantragt werden Bescheidbehebung und Verfahrenseinstellung sowie  Rückver­weisung an die Erstinstanz zur neuerlichen Entscheidung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen münd­lichen Berufungsverhandlung, bei der der Rechtsvertreter des Bw gehört, die Argumente der Erstinstanz berücksichtigt und die Verhandlungsschrift im Ver­waltungsstrafverfahren VwSen-163791, die ua auch den am 6. Juli 2008 gülti­gen Eich­schein für den in das Kraftfahrzeug BP-X Skoda Superb, Berei­fung 205/55 R16, einge­bauten Ge­schwin­digkeitsmesser Multavision, Id.Nr. X, und die Verord­nung des Bezirkshauptmannes von Gries­kirchen vom 19. Juli 2007, VerkR-3000-2007-135, betreffend Geschwindigkeits­be­schränkungen gemäß §§ 52 lit.a Z10 lit.a StVO 1960 auf der B135 Galls­pacher Bundesstraße, insbesondere auf 60 km/h in Fahrtrichtung des Bw zwischen km 5.050 bis km 4.466, sowie das Gutachten des Kfz-technischen Amtssach­ver­ständigen Dipl.HTL.Ing X zur Heranziehbarkeit des mit geeichtem Provida unter Abzug der vorgeschrie­benen Toleranzabzüge errechneten Ge­schwin­dig­keits­wertes von 112 km/h im Bereich der 60 km/h-Beschränkung bei km 5.000 der B135, das auch die ausnahmsweise Zulassung Zl. 41731/97 Elektronische Geschwindigkeitsmessgeräte (Tachometer) der Bauart ProViDa in geänderter Aus­führung (Punkt 6.3 Verwendungsbestimmungen) umfasst, ver­lesen wurde. Auf eine auch im Hinblick auf das Argument des Bw bzgl Datenschutz ausdrück­lich angebotene Einsichtnahme in das bei der Nachfahrt aufgenommene Video hat der Rechtsvertreter, aus welchen Über­legungen immer, ausdrücklich verzichtet. Weiters wurde das Erkenntnis des UVS OÖ. vom 9. Juli 2009, VwSen-163791/11/Bi/Se, verlesen. Im Hinblick auf die vom Bw dagegen eingebrachte Beschwerde beim Verfassungsgerichts­hof samt Antrag auf Zuerkennung der auf­schie­benden Wirkung wurde vereinbart, dass eine Entscheidung des Ver­fassungs­­gerichtshofes abgewartet wird.

 

Mit Beschluss vom 8. Oktober 2009, B 1046/09-5, der beim Unabhängigen Verwaltungssenat am 2. November 2009 eingelangt ist, hat der Verfassungs­gerichtshof die Behandlung der Beschwerde des Bw abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Begründet wurde dies damit, spezi­fisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beurteilung der aufge­worfenen Fragen nicht anzustellen und das Vorbringen des Bw lasse vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungs­gesetzlich gewährleisteten Rechts oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Damit erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4)  nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt wer­den, die verkehrszuverlässig sind. Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) an­ge­­nommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraft­fahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunken­heit oder einen durch Sucht­mittel oder durch Medikamente beein­träch­tigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z4 FSG zu gelten, wenn jemand die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h über­schritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel fest­ge­stellt wurde.

Gemäß § 26 Abs.3 FSG hat die Entziehungsdauer im Falle der erstmaligen Be­geh­ung einer in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung - sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder nicht mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern began­gen wurde (§ 7 Abs. 3 Z 3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs.1 oder 2 vorliegt – zwei Wochen zu betragen.

 

Auf der Grundlage der Ergebnisse des Beweisverfahrens ist eine Geschwindig­keits­­über­schreitung um mehr als 50 km/h außerhalb eines Ortsgebietes im Sinne des § 7 Abs.3 Z4 FSG zweifellos gegeben. Der Bw hat, wie bei der Anhaltung vom Meldungsleger CI X festgestellt wurde, den Pkw X selbst gelenkt, sodass davon auszugehen ist, dass er mit der began­genen Geschwindigkeitsüber­schrei­tung im Ausmaß von 52 km/h (gemäß dem rechts­kräftigen Erkenntnis des UVS OÖ. vom 9. Juli 2009, VwSen-163791/11/Bi/Se) eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z4 FSG gesetzt hat.

 

Ein rechtskräftiger Strafbescheid erzeugt formell eine Bindungs­wir­kung für die Führerscheinbehörde dahingehend, dass die Behörde, wenn laut Straf­bescheid eine bestimmte Person als Fahrzeuglenker rechtskräftig feststeht, im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung hieran gebunden ist (vgl VwGH 8.8.2002, 2001/11/0210; 6.7.2004, 2004/11/0046; ua).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist eine Entziehung der Lenkberechtigung nicht mehr zulässig, wenn zwischen der Tat und der Einleitung des Entziehungsverfahrens mehr als ein Jahr verstrichen ist und der/die Betreffende in dieser Zeit nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist (vgl E 17.3.2005, 2005/11/0016; 24.6.2003, 2003/11/0138;

Im ggst Fall sind von der Tatbegehung am 6. Juli 2008 bis zur Einleitung des Entziehungsverfahrens am 8. Juni 2009 – Verständigung des Bw vom Ergebnis der Beweisaufnahme in Angelegenheit "Geschwindigkeitsüberschreitung am 6.7. 2008 um 52 km/h – Straferkenntnis der BH Grieskirchen vom 28.11.2008 – Entziehung der Lenkberechtigung – Abklärung der Sach- und Rechtslage", dem Bw zugestellt laut Rückschein am 9.6.2009; Stellungnahme des Rechtsvertreters vom 22.6.2009 – elf Monate vergangen, sodass eine Entziehung der Lenk­berechti­gung unter Bedachtnahme auf die oben zitierte VwGH-Judikatur zulässig und geboten ist.

 

Die Entziehungsdauer von zwei Wochen ist gesetzlich bestimmt und unterliegt keiner Disposition durch die Erstinstanz oder den Unabhängigen Verwaltungs­senat. Die Rechtskraft der Entziehung tritt mit der Zustellung dieses Erkennt­nisses ein, dh ab diesem Zeitpunkt ist der Führerschein unverzüglich abzugeben.  

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. ­

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschafts­prüfer) einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 50 km/h auf Freilandstraße

-> FS-Entziehung 2 Wochen

 

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