Linz, 02.11.2009
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch X, vom 25. August 2009 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 7. August 2009, VerkR21-15299-2008, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, aufgrund des Ergebnisses der am 19. Oktober 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Rechtsgrundlage:
§§ 66 Abs.4 und 67a AVG
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 24 Abs.1 Z1, 26 Abs.3 und 4 FSG die von der BH Braunau/Inn am 11. Juni 1997, X, für die Klassen A, B, C, E, F und G erteilte Lenkberechtigung für die Dauer von zwei Wochen, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, entzogen und gemäß § 29 Abs.3 FSG angeordnet, dass er den Führerschein sofort nach Vollstreckbarkeit des Bescheides bei der Erstinstanz abzuliefern habe.
Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 11. August 2009.
2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Am 19. Oktober 2009 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Bw Herrn RA X durchgeführt. Der Bw war ebenso wie der Vertreter der Erstinstanz entschuldigt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung wurde verzichtet.
3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe gegen das Erkenntnis des UVS des Landes OÖ vom 9.7.2009 wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52 lit.a Z10 lit.a iVm 99 Abs.2c Z9 StVO Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, weshalb der nunmehrigen Entziehung der Lenkberechtigung aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, obwohl die Führerscheinbehörde ausgeführt habe, sie sei an das Erkenntnis gebunden und es sei ihr verwehrt, den Sachverhalt neu oder anders zu beurteilen.
Zunächst sei die Erstinstanz im Irrtum, wenn sie von rechtskräftiger Bestrafung durch das UVS-Erkenntnis ausgehe. Er habe der Erstinstanz am 3.8.2009 mitgeteilt, dass VfGH-Beschwerde eingebracht worden sei, zumal nach seiner Ansicht die gesetzliche Grundlage zur Speicherung von personenbezogenen Daten durch die ggst Geschwindigkeits- und Abstandsmessung durch Videoaufzeichnung fehle und daher eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Datenschutz und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz vorliege. Obwohl diese Beschwerde ein außerordentliches Rechtsmittel sei, liege keine endgültige rechtskräftige Bestrafung vor und könne daher die Führerscheinbehörde den Sachverhalt neu beurteilen. Die Zugrundelegung einer verfassungswidrigen Geschwindigkeitsmessung sei jedenfalls unzulässig.
Der Bw wiederholt inhaltlich die Argumente aus dem Verwaltungsstrafverfahren und erhebt sie zum Gegenstand des Entziehungsverfahrens, insbesondere sei seinen Beweisanträgen auf Zeugeneinvernahme der Polizeibeamten CI X und Insp X zum gleichmäßigen Nachfahren nicht Folge gegeben worden, auch der Eichschein und die Verwendungsbestimmungen seien nicht beigeschafft, ihm keine Einsicht in das Video gewährt (woraus schon die Fehlerhaftigkeit erschlossen hätte werden können) und kein SV-Gutachten aus dem Fachgebiet der Messtechnik eingeholt worden. Die Verwendungsbestimmungen und die Bedienungsanleitung seien nicht im Fahrzeug mitgeführt, die Reifendimension und ein allfälliger Reifenwechsel nicht im Eichschein eingetragen worden. Für die Verordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung bei km 5.000 auf 60 km/h fehle außerdem jede sachliche Rechtfertigung einer derart niedrigen Geschwindigkeit. Aus den Verwendungsbestimmungen hätte sich ergeben, dass die Zuordnung der gemessenen Geschwindigkeit zum davor fahrenden Fahrzeug nur unter Einhaltung eines annähernd konstanten Abstandes auf eine Länge von mindestens 300m möglich und gestattet sei. Er sei dadurch in seinen "Verfahrensrechten" verletzt worden.
Für die Verkehrsunzuverlässigkeit fehle somit eine bestimmte Tatsache. Die Erstinstanz habe auch keine Wertung im Sinne des § 7 Abs.4 FSG vorgenommen und daher sei ihr unzweckmäßige Ermessensausübung vorzuwerfen.
Abgesehen vom Vorliegen einer unrichtigen Messung entbehre die Verwendung des ggst Messgerätes (Multavision, Messart Provida mit Videoaufzeichnung) jeder gesetzlichen Grundlage. Nach dem Erkenntnis des VfGH vom 9.12.2008, GZP 1944/078-9, und vom 15.6.2007, G147/06 ua (Verfassungsslg 18.146/2007) sei eine Datenerhebung in einer vorhersehbaren Art und Weise sowie in einer allenfalls anfechtbaren und gehörig überprüften Form erfolgt. Mit der ggst Geschwindigkeitsmessung durch eine Videoaufnahme seien personenbezogene Daten ermittelt und gespeichert worden, liege aber eine gesetzliche Ermächtigung für diese Datenanwendung nicht vor. Auf dem Video seien Personen, weitere Fahrzeuge und Kennzeichen, auch Aufschriften von Fahrzeugen gespeichert. Es seien einige Fahrzeuge, Pkw und Lkw und ein Radfahrer ersichtlich und seien dadurch Bestimmungen des Datenschutzgesetzes verletzt, zumal unter Heranziehung des verwendeten Fahrzeuges und des ersichtlichen Kfz-Kennzeichens eine eindeutige Zuordnung des Bildes des Lenkers auf dessen Identität möglich sei. Informationen darüber, dass eine Videoaufzeichnung erfolge, seien ihm nicht erteilt worden.
Beantragt werden Bescheidbehebung und Verfahrenseinstellung sowie Rückverweisung an die Erstinstanz zur neuerlichen Entscheidung.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Rechtsvertreter des Bw gehört, die Argumente der Erstinstanz berücksichtigt und die Verhandlungsschrift im Verwaltungsstrafverfahren VwSen-163791, die ua auch den am 6. Juli 2008 gültigen Eichschein für den in das Kraftfahrzeug BP-X Skoda Superb, Bereifung 205/55 R16, eingebauten Geschwindigkeitsmesser Multavision, Id.Nr. X, und die Verordnung des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 19. Juli 2007, VerkR-3000-2007-135, betreffend Geschwindigkeitsbeschränkungen gemäß §§ 52 lit.a Z10 lit.a StVO 1960 auf der B135 Gallspacher Bundesstraße, insbesondere auf 60 km/h in Fahrtrichtung des Bw zwischen km 5.050 bis km 4.466, sowie das Gutachten des Kfz-technischen Amtssachverständigen Dipl.HTL.Ing X zur Heranziehbarkeit des mit geeichtem Provida unter Abzug der vorgeschriebenen Toleranzabzüge errechneten Geschwindigkeitswertes von 112 km/h im Bereich der 60 km/h-Beschränkung bei km 5.000 der B135, das auch die ausnahmsweise Zulassung Zl. 41731/97 Elektronische Geschwindigkeitsmessgeräte (Tachometer) der Bauart ProViDa in geänderter Ausführung (Punkt 6.3 Verwendungsbestimmungen) umfasst, verlesen wurde. Auf eine auch im Hinblick auf das Argument des Bw bzgl Datenschutz ausdrücklich angebotene Einsichtnahme in das bei der Nachfahrt aufgenommene Video hat der Rechtsvertreter, aus welchen Überlegungen immer, ausdrücklich verzichtet. Weiters wurde das Erkenntnis des UVS OÖ. vom 9. Juli 2009, VwSen-163791/11/Bi/Se, verlesen. Im Hinblick auf die vom Bw dagegen eingebrachte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof samt Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde vereinbart, dass eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes abgewartet wird.
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2009, B 1046/09-5, der beim Unabhängigen Verwaltungssenat am 2. November 2009 eingelangt ist, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde des Bw abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Begründet wurde dies damit, spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen und das Vorbringen des Bw lasse vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Damit erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.
Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind. Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z4 FSG zu gelten, wenn jemand die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde.
Gemäß § 26 Abs.3 FSG hat die Entziehungsdauer im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung - sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder nicht mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs. 3 Z 3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs.1 oder 2 vorliegt – zwei Wochen zu betragen.
Auf der Grundlage der Ergebnisse des Beweisverfahrens ist eine Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 50 km/h außerhalb eines Ortsgebietes im Sinne des § 7 Abs.3 Z4 FSG zweifellos gegeben. Der Bw hat, wie bei der Anhaltung vom Meldungsleger CI X festgestellt wurde, den Pkw X selbst gelenkt, sodass davon auszugehen ist, dass er mit der begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung im Ausmaß von 52 km/h (gemäß dem rechtskräftigen Erkenntnis des UVS OÖ. vom 9. Juli 2009, VwSen-163791/11/Bi/Se) eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z4 FSG gesetzt hat.
Ein rechtskräftiger Strafbescheid erzeugt formell eine Bindungswirkung für die Führerscheinbehörde dahingehend, dass die Behörde, wenn laut Strafbescheid eine bestimmte Person als Fahrzeuglenker rechtskräftig feststeht, im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung hieran gebunden ist (vgl VwGH 8.8.2002, 2001/11/0210; 6.7.2004, 2004/11/0046; ua).
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist eine Entziehung der Lenkberechtigung nicht mehr zulässig, wenn zwischen der Tat und der Einleitung des Entziehungsverfahrens mehr als ein Jahr verstrichen ist und der/die Betreffende in dieser Zeit nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist (vgl E 17.3.2005, 2005/11/0016; 24.6.2003, 2003/11/0138;.
Im ggst Fall sind von der Tatbegehung am 6. Juli 2008 bis zur Einleitung des Entziehungsverfahrens am 8. Juni 2009 – Verständigung des Bw vom Ergebnis der Beweisaufnahme in Angelegenheit "Geschwindigkeitsüberschreitung am 6.7. 2008 um 52 km/h – Straferkenntnis der BH Grieskirchen vom 28.11.2008 – Entziehung der Lenkberechtigung – Abklärung der Sach- und Rechtslage", dem Bw zugestellt laut Rückschein am 9.6.2009; Stellungnahme des Rechtsvertreters vom 22.6.2009 – elf Monate vergangen, sodass eine Entziehung der Lenkberechtigung unter Bedachtnahme auf die oben zitierte VwGH-Judikatur zulässig und geboten ist.
Die Entziehungsdauer von zwei Wochen ist gesetzlich bestimmt und unterliegt keiner Disposition durch die Erstinstanz oder den Unabhängigen Verwaltungssenat. Die Rechtskraft der Entziehung tritt mit der Zustellung dieses Erkenntnisses ein, dh ab diesem Zeitpunkt ist der Führerschein unverzüglich abzugeben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Bissenberger
Beschlagwortung:
Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 50 km/h auf Freilandstraße
-> FS-Entziehung 2 Wochen