Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522413/2/Bi/Th

Linz, 02.11.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn RA Dr. X, vom 12. Oktober 2009 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 7. Oktober 2009, 2-FE-654-2009, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

      Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als die Entziehungsdauer auf drei Monate, gerechnet ab 15. September 2009, herabgesetzt wird.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 7, 24 Abs.1 Z1 und Abs.3, 25 Abs.3, 26 Abs.1 und 5, 29 Abs.3, 30 Abs.1 und 32 Abs.1 FSG die von der BH Gmunden am 14.9.2000, X, für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung für den Zeitraum von vier Monaten, gerechnet ab
15. September 2009 (Zustellung des Mandatsbescheides), bzw darüber hinaus bis zur Befolgung der begleitenden Maßnahme, entzogen. Weiters wurde die Absolvierung einer Nachschulung bei einer hierzu ermächtigten Stelle angeordnet. Ihm wurde das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leicht­kraft­fahrzeugen und Invalidenfahrzeugen für den gleichen Zeitraum verboten, die Abgabe des Mopedausweises angeordnet und ihm im Fall des Besitzes eines ausländischen Führerscheins dessen Gebrauch in Österreich untersagt. Weiters wurde der Bw aufgefordert, unverzüglich die Lenkberechtigung bei der Behörde abzuliefern. Einer Berufung gegen den Bescheid wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 9. Oktober 2009.

 

2. Gegen Beginn und Dauer der Entziehung wendet sich die vom Bw frist­gerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungs­vor­ent­schei­dung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, bei einem Alkoholisierungsgrad von 1,4 %o sei, bezogen auf den Tattag, eine Entziehungsdauer von drei Monaten vorgesehen. Die Entziehungs­dauer von vier Monaten gemäß § 26 Abs.2 Z4 FSG sei erst am 1.9.2009 in Kraft getreten und erst ab diesem Zeitpunkt anzu­wenden. Die Behörde könne zwar grundsätzlich längere Entziehungszeiten festsetzen, aber nur bei zusätzlichen erschwerenden Umständen, zB bei Verschulden eines Verkehrs­unfalls. Das kurzfristige Nichtmitführen eines in Verlust geratenen Führer­scheins gefährde die Verkehrssicherheit in keiner Weise, sondern handle es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift, die für eine Prognose, ab welchem Zeitpunkt die Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit erwartet werden könne, irrelevant sei. Warum ihm der Führerschein abhanden gekommen sei, wisse er nicht, er habe den Diebstahl ursprünglich nur vermutet. Jedenfalls habe er am 2. Oktober 2009 Verlustanzeige erstattet und sei ihm lediglich vorwerfbar, dass er damit zu lange gewartet habe. Eine Überschreitung der Mindestent­ziehungs­dauer sei damit aber nicht gerechtfertigt, zumal er ohnehin zweifellos eine Lenkberechtigung besessen habe. Er habe auch nicht gewusst, dass es neben dem Verlustanzeigeformular auch ein spezielles Anzeigenformular gebe für den Fall des Diebstahls, was aber im Ergebnis ohne Relevanz sei. Die Erstinstanz hätte in Wertung der Erstmaligkeit und seiner bisherigen vollkommenen Unbescholtenheit keine über das gesetzliche Mindestmaß von drei Monaten hinausgehende Entzugsdauer verhängen dürfen.

Der Beginn der Entzugsdauer wäre richtigerweise mit 30.8.2009 anzusetzen gewesen, weil ihm schon an diesem Tag das Lenken eines Fahrzeuges ausdrück­lich untersagt worden sei und er kein Fahrzeug lenken habe dürfen und dies auch nicht getan habe. Die vorläufige Abnahme des Führerscheins sei nur wegen des Verlustes faktisch nicht möglich gewesen, aber diese Konstellation sei nicht anders zu beurteilen, als wenn ihm der Führerschein schon an diesem Tag vor­läufig abgenommen worden wäre. Beantragt wird die Herabsetzung der Entzieh­ungs­­dauer auf drei Monate, gerechnet ab 30. August 2009.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw am 30. August 2009 gegen 8.58 Uhr als Lenker des Lkw X auf der B138, Ampelkreuzung B138/Traunufer Landes­straße, angehalten und nach einem Vortestergebnis von 0,66 mg/l AAG bei der anschlie­ßenden Durchführung einer Atemluftalkoholuntersuchung um 9.20 Uhr einen günstigsten AAG von 0,7 mg/l erzielt hat. Eine vorläufige Abnahme des Führerscheins erfolgte laut Anzeige nicht, zumal der Bw angab, der Führerschein sei ihm vor ein paar Wochen gestohlen worden.

 

Mit Mandatsbescheid der Erstinstanz vom 11. September 2009, 2-FE-654/2009, wurde dem Bw für den Zeitraum von vier Monaten, gerechnet ab Bescheid­zustellung – das war laut Rückschein am 15. September 2009 – die Lenkberech­tigung entzogen. Das dem ggst Entziehungsverfahren zugrunde gelegte günsti­gere Ergebnis des mit dem geeichten Atemluftuntersuchungs­gerät Siemens Alcomat, W280, durchgeführten Alkotests hat der Bw nie bestritten.

  

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4)  nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind. Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beein­träch­tigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat.

Gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkohol­ge­halt seines Blutes (BAG) 1,2%o oder mehr, aber weniger als 1,6%o oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft (AAG) 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszu­ver­lässigkeit eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Die Bestimmung des § 26 Abs.2 Z4 FSG idF BGBl.I Nr.93/2009 ist erst am 1. September 2009 in Kraft getreten, dh im Fall des Bw war die ab diesem Datum im neuen § 26 Abs.2 Z4 FSG vorgesehene Mindestentziehungsdauer von vier Monaten noch nicht anzuwenden.

 

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht hervor, dass die Erst­instanz den Alkoholisierungsgrad von 1,4 %o - § 99 Abs.1a StVO bezieht sich auf einen BAG von 1,2 %o bis unter 1,6 %o – und den Umstand, dass der Bw am 30. August 2009 angegeben habe, ihm sei "vor ein paar Wochen" der Führer­schein gestohlen worden, jedoch am 2. Oktober 2009 Verlustanzeige erstattet habe, sodass der Verdacht bestehe, dass er das Dokument nach wie vor besitze, aber die vorläufige Abnahme verhindern wollte, um ihn bei eventuellen Lenker­kontrollen vorweisen zu können, gewertet und deshalb eine viermonatige Entziehungs­dauer festgesetzt hat.

 

Nach der Judikatur des VwGH (vgl E 6.7.2004, 2003/11/0250) steht die in § 26 Abs.2 FSG genannte Mindestentziehungsdauer von vier Monaten der Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer nicht entgegen, wenn Umstände vorliegen, die auf Grund der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen (hier: Solche Umstände liegen vor, weil der Beschwerdeführer den für die Erfüllung des Tat­bestandes des § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 maßgeblichen Wert des Blutalkohol­gehaltes (BAG) von 1,6%o weit überschritten hat. Das Lenken eines Kraftfahr­zeuges in einem derart stark durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zur Nachtzeit ist in einem solchen Maß verwerflich und gefährlich, dass die Festsetzung einer Entziehungsdauer von sechs Monaten Rechte des Beschwerdeführers auch dann nicht verletzt, wenn ihn in Ansehung der von der belangten Behörde herange­zogenen bestimmten Tatsache nach § 7 Abs.3 Z6 FSG wegen mangelnder Zurechnungsfähig­keit auf Grund beim Unfall erlittener Verletzungen kein Verschulden getroffen haben sollte).

Diese Judikatur bezieht sich allerdings auf § 99 Abs.1 lit.a StVO iVm § 26 Abs.2 FSG, also auf einen BAG von 1,6 %o und darüber, dh hier ist ein wesentliches Überschreiten des BAG möglich.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates stellt der vom Bw um 9.20 Uhr des 30. August 2009 erzielte BAG von 1,4 %o kein solches wesentliches Überschreiten der Untergrenze von 1,2 %o BAG dar, wobei auch aus dem Umstand, dass die gesetzlich festgelegte Mindestentziehungsdauer bei einem BAG von 1,6 %o vier Monate beträgt, den Schluss zulässt, dass damit nicht gemeint war, dass bereits bei 1,4%o die gleiche Entziehungsdauer über den Umweg der Wertung dieses BAG gerechtfertigt wäre. Der Bw hat keinen Umstand zu verantworten, der auf Grund seiner Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen würde. Ob er den Führerschein verloren hat oder ob er ihm gestohlen wurde, ist lediglich im Zusammenhang mit der verzögerten Meldung zu sehen und lässt möglicherweise auf seine Schlampigkeit, aber nicht unbedingt auf eine verkehrssicherheitsgefährdende Einstellung schließen. Abgesehen davon verzögerte sich dadurch der Beginn und damit auch der Ablauf der Entziehungszeit, sodass sich ein von der Erstinstanz erkannter "Vorteil" des Bw bei eventuellen Verkehrskontrollen von selbst relativiert.

Aufgrund der erstmaligen Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 war die nunmehr herabgesetzte Entziehungsdauer gerechtfertigt, allerdings auch im Sinne einer Prognose, wann der Bw seine Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangt haben wird, geboten und erforderlich, um die Einstellung des Bw zu Alkohol im Straßenverkehr zu ändern.

 

Zum Beginn der Entziehungsdauer ist zu sagen, dass § 29 Abs.4 FSG die Berechnung bei einer vorläufigen Abnahme des Führerscheins gemäß § 39 FSG ab dem Tag der vorläufigen Abnahme anordnet. Da eine solche im Fall des Bw nicht stattgefunden hat, war die Entziehungsdauer mit der Zustellung des Mandats­bescheides, das war laut Rück­schein am 15. September 2009, zu berechnen und verzögert sich dadurch auch der Ablauf bis einschließlich
15. Dezember 2009, was im Ergebnis zu einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ab der Tat von drei Monaten und 17 Tagen führt, wobei dem Bw in der Zeit vom 30. August 2009 bis zur Zustellung des Mandats­be­scheides das Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B seitens der Erstinstanz als dafür zuständige Behörde definitiv nicht untersagt war.

Die Herabsetzung der Entziehungsdauer gilt auch für das Verbot des Lenkens von Mo­tor­fahrrädern, vierrädrigen Leichtkraft­fahrzeugen und Invalidenkraftfahr­zeu­gen und die Aberkennung des Rechts gemäß § 30 FSG. Im Übrigen wurde der oben genannte Bescheid nicht angefochten, sodass er diesbezüglich in Rechts­kraft erwachsen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschafts­prüfer) einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Führerschein nicht vorläufig abgenommen, weil verloren oder gestohlen

-> FE ab Zustellung d. Mandatsbescheides

 

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