Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281144/5/Re/Sta

Linz, 05.11.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des x , vertreten durch Rechtsanwälte x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 19. November 2007, Ge96-37-2007, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz,  zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.              Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 9 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG).

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.  Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom
19. November 2007, Ge96-37-2007, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen zu 1 a) bis 1 c) sowie 2 a) bis 2 c) von jeweils 70 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von je
12 Stunden somit gesamt 72 Stunden wegen Verwaltungsübertretungen nach
§ 9 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z1 AZG verhängt, weil er als gemäß § 9 Abs.2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes in der Filiale der x, x, wie von einem Organ des Arbeitsinspektorates Linz vom 14. Dezember 2006 im Zuge einer Betriebsüberprüfung dieser Filiale festgestellt wurde, Arbeitnehmer wie folgt beschäftigt wurden:

 

1.           Folgende Arbeitnehmer/innen der x wurden in x, mit einer Tagesarbeitszeit von mehr als 10 Stunden beschäftigt

a)                     x:       5. Dezember 2006        11,35 Stunden

b)                     x:       5. Dezember 2006                  11,93 Stunden

c)                      x:       5. Dezember 2006                  11,53 Stunden

 

Dies stelle eine Übertretung des § 9 Abs.1 AZG dar, wonach die Tagesarbeitszeit 10 Stunden nicht überschreiten darf.

 

2.           Folgende Arbeitnehmer/innen der x wurden in x, x, mit einer Wochenarbeitszeit von mehr als 50 Stunden beschäftigt:

a) x:              KW 49                  60,81 Stunden

b) x:              KW 49                  56,92 Stunden

c) x:              KW 49                  60,97 Stunden

 

Dies stelle eine Übertretung des § 9 Abs.1 AZG dar, wonach die Wochenarbeitszeit 50 Stunden nicht überschreiten darf.

 

2. Gegen dieses Strafekenntnis wurde innerhalb offener Frist durch die rechtsfreundliche Vertretung des Berufungswerbers Berufung eingebracht und das Straferkenntnis zur Gänze angefochten sowie die Aufhebung desselben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

Begründend wurde ausgeführt, dass sich aus der in § 9 Abs.7 VStG normierten Haftung der juristischen Person (Arbeitgeberin x) für die über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen und Verfahrenskosten folge, dass dieser eine Parteistellung im Verfahren und auch ein Recht auf Gehör zu gewähren sei.  Da diese Einbindung des Unternehmens x im Verwaltungsstrafverfahren nicht erfolgt sei, sei das angefochtene Straferkenntnis mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet. Im Übrigen entspreche der Spruch des Straferkenntnisses nicht der Norm des § 44a VStG. Dies deshalb, da der einleitende Satz des Spruches des Straferkenntnisses unübersichtlich und missverständlich formuliert sei und die in den einzelnen Tatvorwürfen zu Punkt I. 1. angeführten Tagesarbeitszeiten bloß mit der Gesamtdauer, nicht aber in nachvollziehbarer Weise mit dem Beginn und dem Ende der Arbeitszeit bzw. zu I. 2. angeführten Wochenarbeitszeiten bloß mit der Kalenderwoche (KW) und der Gesamtdauer, nicht aber in nachvollziehbarer Weise mit dem kalendermäßigen Datum, sohin Tag, Monat und insbesondere Jahreszahl festgestellt worden sei, weshalb ein Tatzeitpunkt nicht nachvollziehbar sei. Hinsichtlich der übertretenen Norm sowie der Strafbestimmung des § 28 AZG hätte im Spruch der infolge Subsumption auf den festgestellten Sachverhalt konkret zutreffende Wortlaut wiedergegeben werden müssen und genüge die bloße Zitierung des Paragraphen nicht. In rechtlicher Hinsicht habe sich der Beschuldigte bereits in der Rechtfertigung auf die Bestimmung des § 8 Abs.2 AZG berufen, wonach die Arbeitszeit im Fall von Vor- und Abschlussarbeiten verlängert bzw. überschritten werden könne, wenn eine Vertretung der Arbeitnehmer durch andere Arbeitnehmer nicht möglich oder die Heranziehung betriebsfremder Personen nicht zumutbar wäre. Aus der zulässigen Verlängerung der Tagesarbeitzeit folge auch die Straffreiheit der Überschreitung der gesetzlichen Wochenarbeitszeit, wenn diese bloß aus der Überschreitung der Tagesarbeitszeit wegen Vor- und Abschlussarbeiten resultiere. Bei der nach Kundenverkehrsschluss durchgeführten Generalreinigung und –aufräumung der Niederlassung in Pasching zum Zweck der Vorbereitung auf eine Betriebsbesichtigung durch die Konzernleitung habe es sich sehr wohl um tatbestandliche Vor- und Abschlussarbeiten im Sinne des § 8 Abs.1 lit.a) AZG gehandelt, da diese Arbeiten nicht während der regelmäßigen Betriebszeit ohne Störung des Kundenverkehrs hätten ausgeführt werden können. Da die beschriebenen Arbeiten eine Kenntnis der eigenen betrieblichen Zusammenhänge sowie des Warensortiments und dessen Präsentation in Verkaufsräumen etc. voraussetzen, sei die Heranziehung betriebsfremder Personen nicht zumutbar gewesen. Der Einsatz anderer Arbeitnehmer als der Betroffenen sei naturgemäß kein Mittel gewesen, die Überschreitung des AZG hintanhalten zu können. Im Übrigen sei die Aufzählung in § 8 Abs.1 AZG keine abschließende. Vielmehr seien Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten solche, die sich neben dem laufenden Arbeitsprozess aus betriebstechnischen Gründen nicht abwickeln lassen und erst nach Eintritt eines Stillstandes aufgenommen werden könnten. Es liege daher ein Fall des § 8 Abs.2 AZG vor, der die geringfügige Arbeitszeitüberschreitung nicht strafbar mache. Aus dem beachtlichen Gesichtspunkt des Merkmals der Zumutbarkeit gesetzgemäßen Verhaltens hätte die Strafbehörde zumindest – wegen geringer Schuld – zu einer Ermahnung nach § 21 VStG gelangen können. Im Übrigen sei die verhängte Geldstrafe nicht  tat- und schuldangemessen, da trotz Unbescholtenheit und keiner straferschwerenden Umstände trotz einer Untergrenze von 20 Euro je Verwaltungsübertretung mit einem Vielfachen, nämlich mit 70 Euro vorgegangen sei.

 

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat diese Berufungsschrift gemeinsam mit dem zu Grunde liegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde hat dabei keine inhaltlichen Äußerungen zum Berufungsvorbringen abgegeben.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu  Ge96-37-2007.

 

Im Grunde des § 51e Abs.2 Z1 VStG entfällt die  Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung .

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Danach ist es im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täter und Tatumstände so genau zu umschreiben, dass zum einen die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und zum anderen die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Demnach sind zum einen entsprechende, dh in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Zum anderen nämlich in Bezug auf das unverwechselbare Festhalten der Identität der Tat, muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das bedeutet, dass die den Beschuldigten vorgeworfene Tat unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf entsprechend zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren.

 

Diese Erfordernisse werden vom angefochtenen Straferkenntnis in beiden Spruchabschnitten nicht erfüllt.

 

So wird unter dem Strafvorwurf unter I/1 dem Berufungswerber vorgeworfen, Arbeitnehmer/innen jeweils am 5. Dezember 2006 eine bestimmte Stundenanzahl, welche jeweils mehr als 10 Stunden beträgt, beschäftigt zu haben. Nicht vorgeworfen wurde dem Berufungswerber jedoch ein konkreter Tatzeitraum. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Spruch des Straferkenntnisses bei einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitszeitgesetz den objektiven Tatbestand, nämlich die konkreten Einsatzzeiten eines entgegen den Arbeitszeitvorschriften beschäftigten Arbeitnehmers zu umschreiben (VwGH 22.4.1997, 94/11/0108). In Ansehung der Übertretung von arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen muss somit unverwechselbar feststehen, wann, wo und welchen Arbeitnehmer der Beschuldigte als Arbeitgeber entgegen des AZG beschäftigt hat. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof z.B. im Erkenntnis vom 20. September 2001, 99/11/0227 als ausreichende Zuordnung zum Tatbestand des § 28 Abs.1 Z1 AZG erkannt, als eine genaue Liste der betroffenen Arbeitnehmer nach einer genauen Datums- und Zeiterfassung, wann und in welchem Ausmaß die tägliche Arbeitszeit überschritten, vorgeworfen wurde. Eine konkrete Zeiterfassung als Konkretisierung zusätzlich zum jeweiligen Ausmaß der Gesamtarbeitszeit wurde dem Berufungswerber jedoch im gegenständlichen Fall nicht fristgemäß vorgeworfen.

 

Im Spruchteil I/2 hingegen lautet der Vorwurf, Arbeitnehmer/innen im Tatort x, mit einer Wochenarbeitszeit von jeweils mehr als 50 Stunden beschäftigt zu haben und wurde die konkrete Tatzeit mit „KW 49“ und dem Gesamtausmaß der Wochenarbeitszeit konkretisiert. Da dem Spruch und der zugrunde liegenden Anzeige somit nicht entnommen werden kann, wann konkret, insbesondere in welchem Kalenderjahr die Tat begangen worden ist, erfolgte auch hier keine ausreichende Konkretisierung der Tat.

 

Da eine weitere Konkretisierung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich auf Grund der bereits im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens abgelaufenen Frist der Verfolgungsverjährung nicht mehr möglich ist, war somit das Straferkenntnis zu beheben und die Einstellung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens auszusprechen.

 

Auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage war somit wie im Spruch zu entscheiden.

 

II. Der Kostenausspruch ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

 

 

 

 

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