Linz, 11.11.2009
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 3.09.2009, Zl. VerkR96-4765-2007, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 10. November 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Der Berufung wird im Punkt 1.) im Schuldspruch keine Folge gegeben; im Strafausspruch wird der Berufung in diesem Punkt mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 50 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 15 Stunden ermäßigt wird; im Punkt 2.) wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich auf 5 Euro. Für das Berufungsverfahren entfallen Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009;
Zu II.: § 66 Abs.1 u. 2 u. § 65 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding verhängte mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber zwei Geldstrafen in Höhe von 70 und 50 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit von 26 und 16 Stunden als Ersatzfreiheitsstrafe, weil er am 30.05.2007 von 14.35 Uhr bis 14.38 Uhr mit dem Lastkraftwagen mit dem Kennzeichen X und dem Anhänger mit dem Kennzeichen X auf der A 8 Innkreis Autobahn von km 70,000 bis km 73,000
1. als Lenker des angeführten Fahrzeuges dieses nicht so weit rechts gelenkt habe, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen wäre, weil er ohne Grund den zweiten Fahrstreifen (gemeint die Überholspur) benützt habe obwohl der erste Fahrstreifen (gemeint die rechte Fahrspur) frei war und
2. habe er ein Fahrzeug überholt, obwohl nicht einwandfrei erkennbar war, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden konnte, ohne andere Sfraßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Gestützt wurden die Schuldsprüche auf § 7 Abs.1 u. § 16 Abs.1 lit. c StVO 1960 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960.
1.2. Die Behörde erster Instanz führte begründend Folgendes aus:
2. Dem tritt der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung entgegen:
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; damit wurde die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates begründet. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war angesichts des bestreitenden Berufungsvorbringens erforderlich (§ 51e Abs.1 Z1 VStG). Die Behörde erster Instanz entschuldigte ihre Nichtteilnahme durch eine schriftliche Mitteilung v. 6.2.2009. Der Berufungswerber entschuldigte seine Nichtteilnahme zuletzt durch eine begründete fernmündliche Mitteilung vom 9.11.2009.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der Behörde erster Instanz vorgelegten Verfahrensakt. Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde der Meldungsleger Insp. X als Zeuge einvernommen.
4.1 Folgt man den Darstellungen in der Anzeige so hat der Berufungswerber mit seinem Lkw-Zug, so wie dies auf Autobahnen immer wieder feststellbar, einen Überholvorgang an mehreren Lkw durchgeführt. Ingesamt erstreckte sich die Benützung der linken Fahrspur laut Zeugen RI X in der Folge jedoch auf etwa drei Kilometer. Dadurch kam es glaubhaft zu einer nachhaltigen Blockierung dieser Spur und damit zu einer erheblichen Verkehrsbehinderung für Personenkraftwagen.
Dem Berufungswerber wurde nach der Anhaltung eine OM-Strafe wegen der nachfolgend angezeigten Delikte angeboten. Deren Begleichung scheiterte lt. Meldungsleger nicht an der Tateinsichtigkeit, sondern an der Zahlungsfähigkeit bzw. an fehlenden Barmittel. Dies wird vom Berufungswerber jedoch gegensätzlich dargestellt.
Der Meldungsleger bestätigt im Zuge der Berufungsverhandlung den Ablauf unter Hinweis auf seine Stellungnahme vom 7.8.2008. Die Anzeige und die darauf ersichtliche Verantwortung des Berufungswerbers fand sich weder beim Akt noch konnte sie der Zeuge im Datenbestand auffinden noch die Handaufzeichnungen vorlegen. Der Zeuge räumte anlässlich der Berufungsverhandlung im Ergebnis ein, dass eine fehlende Erkennbarkeit der Möglichkeit nach dem Überholvorgang wieder umspurgen zu können, nicht aufrecht zu erhalten ist. Dies ergibt sich laut Zeugen aus der Feststellung, dass während der geschätzten drei Kilometer mehrere Lücken zwischen Lkw´s zum Umspuren nach rechts sehr wohl vorhanden gewesen sein müssten.
4.2. Dazu ist aus der Sicht der Berufungsbehörde festzustellen, dass solche Überholvorgänge auf Autobahnen durchaus als typisch bezeichnet werden können. Solche Überholvorgänge erfolgen in aller Regel mit geringer bis sehr geringer Geschwindigkeitsdifferenz. Das allenfalls mehrere Fahrzeuge in einem Zug überholt werden ist ebenfalls eine logische – wenn auch unerwünschte – Realität. Dafür, dass dem Lkw-Lenker nicht erkennbar gewesen wäre ob ein Einordnen nach dem Überholvorgang möglich ist, liegen keine Anhaltspunkte vor. Dies wird auch vom Zeugen im Rahmen der Berufungsverhandlung als wahrscheinlich eingeräumt. Dass letztlich die beiden Tatbestände für ein OM eine ausreichende Grundlage zur angemessenen Bestrafung ergeben hätten, ist aus der Sicht der Berufungsbehörde durchaus als sachgerecht nachvollziehbar.
Für einen Schuldspruch wegen eines Verstoßes gegen den Punkt 2. des Straferkenntnisses fehlen Angaben über einen Tiefenabstand von Vorderfahrzeugen auf der rechten Fahrspur, die offenkundig sehr wohl ein Einordnen ermöglicht hätten. Dies bedingt letztlich die Grundlage für die Bestrafung im Punkt 1.
Geht man abermals von empirischen Verkehrsabläufen aus, betragen die Abstände zwischen Lkw´s auf Autobahnen doch zumindest 50 m. Ein gefahrloses Einordnen ist in einem solchen Abstand selbst mit einem Lkw möglich, wenngleich damit der Sicherheitsabstand zum Vorderfahrzeug kurzfristig auf eine Sekunde (aus 80 km/h etwa 14 m) verkürzt werden mag. Auf einer Autobahn ist auch nicht normiert, dass ein Überholvorgang lediglich auf ein Fahrzeug abstellen dürfte.
Auf die vom Berufungswerber angeführten suboptimalen Verfahrabläufe ist hier nicht einzugehen. Seinen Ausführungen kommt aber zumindest zum Teil Berechtigung zu.
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Der § 7 Abs.1 StVO lautet:
Der Lenker eines Fahrzeuges hat, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist; ……
Da hier der Berufungswerber dem Nachfolgeverkehr nicht ehest Platz gemacht hat wurde dadurch gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen.
Gemäß § 16 Abs.1 lit.c. StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen wenn
….
er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern,…
5.2. Ob sich eine Möglichkeit zum Wiedereinordnen bereits nach dem erstüberholten Fahrzeug ergeben hat oder nicht bzw. eine solche in Anspruch genommen werden hätte müssen, besagt der § 16 Abs.1 lit.c. StVO jedenfalls nicht. Das letztlich bei fehlendem Gegenverkehr mit gutem Grund mit der Möglichkeit gerechnet werden kann sich in den Verkehr ohne Gefahr wieder einordnen zu können, kann auf Autobahnen in aller Regel als gesichert gelten.
Wenn der Berufungswerber jedoch auf der Überholspur nach einem oder mehren Überholvorgängen dennoch unbeirrt weiterfuhr und diesen für schnellere Fahrzeuge unnötig blockierte, ist dieses Verhalten jedoch sehr wohl dem Tatbestand des § 7 Abs.1 StVO subsumierbar und mit diesem aber auch der Unwertgehalt vollumfänglich geahndet.
Weder aus der Anzeige – die wie fast alle sogenannten VStV-Anzeigen nur den Tatbestand, jedoch keinen Sachverhalt beinhalten – noch aus der Sachverhaltsdarstellung des Meldungslegers vom 7.8.2008 lässt sich nachvollziehen, inwiefern der Berufungswerber erkennen hätte können oder müssen, wo und wann er sich nach dem Überholvorgang in den Verkehr wieder einordnen werde können.
Letzlich könnte die pönalisiernede Darstellung dieses Vorfalles nur mit einem absoluten Lkw-Überholverbot begegnet werden.
Vor diesem Hintergrund lässt sich jedenfalls der Vorwurf eines Verstoßes nach
§ 16 Abs.1 lit.c StVO weder nachvollziehen noch aufrecht erhalten.
Dass allenfalls auch wegen einer für ein zügiges Überholen von mehreren Lkw´s offenkundig nicht ausreichenden Geschwindigkeitsdifferenz eine Subsumption unter § 16 Abs.1 lit.b StVO möglich gewesen wäre, sei an dieser Stelle auch erwähnt.
Sehr wohl nachvollziehen lässt sich aber die vom Meldungsleger getroffene Einschätzung, dass ein Umspuren nach rechts schon früher möglich gewesen wäre. Wenn der Berufungswerber dem nicht nachgekommen ist hat er damit gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen.
6. Strafbemessung:
Laut ständiger Judikatur handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens (bis 726 Euro) um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140 mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980). Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt etwa dann vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.
Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist.
Dem Berufungswerber kommt nun als weiterer Strafmilderunsgrund auch noch die Einsicht in die bekundete Unrechtsproblematik zu Gute. Seine wirtschaftliche Situation ist jedoch deutlich ungünstiger als von der Behörde erster Instanz angenommen. Der Berufungswerber verfügt bloß über 900 Euro monatlich und er ist ferner laut seinen glaubhaften Angaben im Berufungsverfahren für ein Kind sogepflichtig.
Mit Blick darauf reicht auch schon die nunmehr verhängte Geldstrafe um dem Zweck der Strafe, nämlich in künftighin davon abzuhalten, den PKW-Verkehr durch sogenannte „Elefantenrennen“ auf Autobahnen stark zu behindern.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r