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des Landes Oberösterreich
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VwSen-100357/3/Fra/Ka

Linz, 11.02.1992

VwSen - 100357/3/Fra/Ka Linz, am 11.Februar 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 3. Kammer unter dem Vorsitz der Frau Dr. Ilse Klempt sowie den Berichter Dr. Johann Fragner und den Beisitzer Mag. Michael Gallnbrunner über die Berufung des W H, L, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Ch S und Dr. G T, L, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 3. Dezember 1991, Zl.VU/S/1777/91/W, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird bestätigt.

Rechtsgrundlage: §§ 66 Abs.4 und 69 AVG i.V.m. §§ 24 und 51 VStG.

II. Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren 2.400 S (20 % des Strafbetrages) zu leisten.

Rechtsgrundlage: § 64 Abs.6 i.V.m. den Absätzen 1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Berufungswerber wurde mit mündlich verkündetem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 19. August 1991, Zl.VU/S/1777/91/W, wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 StVO 1960 bestraft. Nach Verkündung des Straferkenntnisses verzichtete der Berufungswerber ausdrücklich auf eine Berufung, sodaß dieses sofort rechtskräftig wurde.

I.2. Mit Eingabe vom 18. November 1991 beantragte der Berufungswerber die Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens und führte begründend im wesentlichen aus, daß - wie sich aus dem Verwaltungsstrafakt ergibt - er am 11. April 1991 einen PKW lenkte, wobei er nach den Ergebnissen der Blutalkoholuntersuchung zum Unfallszeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von 3,95 Promille aufwies. Da ihm bei diesem Wert jede Dispositions- und Diskretionsfähigkeit genommen worden war, sei er daher gänzlich unzurechnungsfähig gewesen. Dies sei offensichtlich auch der Behörde unbekannt gewesen. Mangels Kenntnis des medizinischen Sachverhaltes sei der Beschuldigte daran gehindert gewesen, dies im bisherigen Verfahren einzubringen und einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. Im Zusammenhang mit dem gegen ihn auch anhängigen Führerscheinentzugsverfahren wurde der Sachverhalt seinem nunmehrigen Rechtsvertreter vorgetragen und wurde diesem auch eine Aktenkopie überreicht, weshalb in offener Frist beantragt werde, das Verwaltungsstrafverfahren wieder aufzunehmen und sodann ein medizinisches Gutachten zum Beweis dafür einzuholen, daß er sich zum Unfallszeitpunkt in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befand.

I.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wird dem Wiederaufnahmeantrag des Berufungswerbers nicht stattgegeben und dieser gemäß § 64 Abs.6 VStG verpflichtet, die Kosten des Verfahrens in Höhe von 1.200 S zu tragen. In der Begründung dieses Bescheides stellt die belangte Behörde insbesondere fest, daß der vom Beschuldigten angeführte Umstand weder eine neue Tatsache noch ein Beweismittel, welche(s) hervorgekommen ist, darstelle. Der Umstand, daß der Beschuldigte einen Blutalkoholwert von 3,95 Promille aufwies, sei ihm zum Zeitpunkt der Strafverhandlung genauestens bekannt gewesen, da ihm dieser Wert mitgeteilt worden war. Wenn der Beschuldigte nunmehr glaube, ein derartig hoher Blutalkoholwert müsse zwangsweise einen totalen Verlust der Dispositions- bzw. Diskretionsfähigkeit nach sich ziehen, so sei diese Annahme schon aufgrund seiner eigenen Angaben widerlegt; es handle sich bei der hier aufgestellten Behauptung des Beschuldigten um eine reine Vermutung desselben.

I.4. In der fristgerecht gegen den oben angeführten Bescheid eingebrachten Berufung bringt der Rechtsmittelwerber vor, daß die Frage, ob er zur Tatzeit unzurechnungsfähig infolge Vollberauschung gewesen sei, eine vermischte Tatsachen- und Rechtsfrage darstelle. Die Frage, ob er zum Tatzeitpunkt über die volle Dispositionsund Diskretionsfähigkeit verfügt habe, sei eine Tatfrage, die Frage der Unzurechnungsfähigkeit eine rechtliche Qualifikation des vorher festgestellten Sachverhaltes. Ob er sich vollberauscht gefühlt habe oder nicht, sei unerheblich. Der Hinweis auf das Gutachten des Polizeiarztes vom 11. April 1991 sei aktenwidrig. Ihm sei erst durch seinen Rechtsvertreter bekanntgegeben worden, daß bei einem Blutalkoholwert von 3,95 Promille zwangsläufig durch Vollberauschung die Dispositions- und Diskretionsfähigkeit so weit herabgesetzt sei, daß eine Unzurechnungsfähigkeit im Sinne des VStG vorliege. Die Tatsache, daß er zum Unfallszeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von 3,95 Promille aufgewiesen habe, sei zwar in erster Instanz vorhanden gewesen, die daraus schlußfolgernd zu ermittelnde Tatsache, daß damit eine Vollberauschung und Unzurechnungsfähigkeit vorläge, sei jedoch im Verfahren erster Instanz nicht verwendet worden, sodaß nach seiner Auffassung sehr wohl ein Wiederaufnahmegrund nach § 69 AVG vorläge. Es werde daher beantragt, seiner Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren wegen inzwischen eingetretener Verjährung einzustellen, in eventu das Straferkenntnis gemäß § 68 AVG von Amts wegen zu beheben.

I.5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

I.5.1. Gemäß § 69 Abs.1 Z.2 AVG - die Bestimmung ist auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden - ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens vorausssichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Gemäß § 69 Abs.2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Vorerst ist festzuhalten, daß die vom Berufungswerber vorgebrachten Argumente bei Vorliegen der Voraussetzungen zweifellos einen Wiederaufnahmegrund darstellen können, da für den Fall, daß er sich am 11. April 1991 um 21.45 Uhr tatsächlich in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befand, er nicht nach § 5 Abs.1 StVO 1960, sondern allenfalls nach Artikel IX Abs.1 Z.3 EGVG zu bestrafen gewesen wäre.

I.5.2. Die Berufung ist jedoch nicht begründet: Als rechtserhebliche Tatsache kommt im gegenständlichen Fall der Blutalkoholwert in Höhe von 3,95 Promille in Betracht. Zweifellos war dem Berufungswerber spätestens zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses am 19. August 1991 dieser Wert bekannt (vgl. die Niederschrift der Bundespolizeidirektion Linz vom 19. August 1991, 3. Zeile: "Mir wird der Blutalkoholwert in der Höhe von 3,95 Promille vorgehalten".). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß dieser Blutalkoholwert als Tatsache oder Beweismittel nach Rechtskraft des Straferkenntnisses neu hervorgekommen wäre. Darüberhinaus mangelt es am Tatbestandsmerkmal "ohne Verschulden der Partei", denn es liegen keine Anhaltspunkte vor, welche den Beschuldigten gehindert haben, den Blutalkoholwert von 3,95 Promille allenfalls durch Vorlage eines entsprechenden medizinischen Gutachtens zu widerlegen. Abgesehen davon, müßte von einer verspäteten Einbringung des Wiederaufnahmeantrages ausgegangen werden. Der Berufungswerber hätte - bei Bejahung der Voraussetzungen eines Wiederaufnahmegrundes - den entsprechenden Antrag im Sinne des § 69 Abs.2 AVG spätestens zwei Wochen nach Verkündung des Straferkenntnisses stellen müssen, da ihm wie erwähnt - der Blutalkoholwert von 3,95 Promille zum Zeitpunkt der Verkündung des Straferkenntnisses jedenfalls bekannt war.

I.5.3. Rechtsirrig geht der Berufungswerber davon aus, daß die Frage, ob er zum Tatzeitpunkt über die volle Diskretions- und Dispositionsfähigkeit verfügte, eine Tatfrage sei. Die Frage, ob ein Blutalkoholwert von 3,95 Promille einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand bewirkt, vermag eine andere rechtliche Beurteilung dieser Tatsache herbeizuführen. Eine Änderung der rechtlichen Beurteilung von Tatsachen oder neue Schlußfolgerungen vermögen im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jedoch keinen Wiederaufnahmegrund darstellen. Auch die Mangelhaftigkeit eines Verfahrens oder die unrichtige rechtliche Beurteilung des im früheren Verfahren vorgelegenen Tatbestandes stellen keinen Wiederaufnahmegrund dar (vgl. u.a. VwGH vom 7. Mai 1951, Slg.2078A).

I.5.4. Ergänzend wird ausgeführt: Was den Antrag gemäß § 68 Abs.2 AVG anlangt, so genügt ein Blick auf § 24 VStG, um festzustellen, daß jene Bestimmung im VStG nicht anzuwenden ist. Allerdings besteht gemäß § 52a VStG die Möglichkeit, von Amts wegen rechtskräfige erstinstanzliche Strafbescheide unter bestimmten Voraussetzungen zu beheben oder zu ändern. Zuständig zur Aufhebung oder Änderung ist jedoch in diesem Fall nicht der unabhängige Verwaltungssenat, sondern die Bundespolizeidirektion Linz oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde; dort wäre auch ein diesbezüglicher Antrag zu stellen.

I.6. Da die Erstbehörde in dem Bescheid, mit dem das zur Wiederaufnahme beantragte Verfahren abgeschlossen wurde, eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt hat, war gemäß § 51c VStG eine Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidung über die gegenständliche Berufung zuständig, zumal sich auch bei verfahrensrechtlichen Bescheiden die Zuständigkeit der Kammer oder eines Einzelmitgliedes des unabhängigen Verwaltungssenates nach der Zuständigkeit in der Hauptsache richtet.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte, da lediglich Rechtsfragen zu beurteilen waren, gemäß § 51e Abs.2 VStG unterbleiben.

II. Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis und in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Gemäß § 64 Abs.2 VStG ist dieser Beitrag für das Verfahren erster Instanz mit 10 % der verhängten Strafe, für das Berufungsverfahren mit weiteren 20 % der verhängten Strafe zu bemessen. Wird einem Antrag des Bestraften auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens nicht stattgegeben, so gelten gemäß § 64 Abs.6 VStG hinsichtlich der Verpflichtung zur Tragung der Verfahrenskosten sinngemäß die vorhergehenden Bestimmungen. Der Ausspruch über die Kosten stützt sich somit auf die vorhin angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t Dr. F r a g n e r Mag. Gallnbrunner 6

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