Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164550/2/Bi/Th

Linz, 10.11.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau X, vom 19. Oktober 2009 gegen die Ermahnung des Bezirkshaupt­mannes von Linz-Land vom
23. September 2009, VerkR96-39815-2007/Dae/Pos, wegen Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

     Die Berufung wird abgewiesen und die Ermahnung bestätigt. 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 21 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit der oben bezeichneten Ermahnung wurde die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 106 Abs.2 KFG 1967 schuldig erkannt, weil sie am 30. September 2007, 21.30 Uhr, in der Gemeinde Ottensheim, B127 bei km 11.910, als im Pkw X beförderte Person im Kraftfahrzeug den vor­handenen Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß verwendet habe, was bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO 1960 festgestellt worden sei. Eine Organ­strafverfügung habe sie nicht bezahlt, obwohl ihr eine solche angeboten worden sei. Gemäß § 21 VStG wurde von der Verhängung einer Strafe abge­sehen und eine Ermahnung ausgesprochen.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z1 und 3 VStG), zumal eine solche auch nicht ausdrücklich beantragt wurde, der Sachverhalt, bezogen auf den Schuldvorwurf, unbestritten und ausreichend geklärt ist, und sich die Berufung ausschließlich auf die rechtliche Betrachtung dieses Sachverhalts bezieht. 

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, der Tatzeitpunkt 21.30 Uhr sei unrichtig, weil der Ml zu dieser Zeit gleichzeitig die Tests für das verwendete Lasermessgerät, die Lasermessung des Pkw mit einer Entfernung von 335 m vom Standort, die Anhaltung und die Feststellung durchgeführt habe. Das sei die Fantasie vom Ml, der sie überdies verbal beleidigte, das aber später abgestritten habe. Er habe auch abgestritten, sie aufgefordert zu haben, am Beifahrersitz Platz zu nehmen und sich anzugurten und auch, dass ihn ihr Ehemann über ihren körperlichen Zustand informiert habe. Wenn er von der Schwangerschaft nichts gewusst habe, hätte sich seine beleidigende Äußerung erübrigt. Sie sei vom Ml eine halbe Stunde schikaniert worden und habe unmittelbar nach dem Weg­fahren erbrochen, weil es für sie unmöglich gewesen sei, den Sicherheitsgurt anzulegen. Der Druck auf ihren Bauch habe unverzüglich starke Schmerzen und Brechreiz verursacht. Das beantragte SV-Gutachten sei aber nicht eingeholt worden. Sie mache Notstand im Sinne des § 6 VStG geltend und beantrage Verfahrenseinstellung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 106 Abs.1 in der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung der 28. KFG-Novelle, BGBl.I Nr. 57/2007, dürfen mit Kraftfahrzeugen und Anhängern Personen nur befördert werden, wenn deren Sicherheit gewährleistet ist. Gemäß Abs.2 dieser Bestimmung sind, wenn ein Sitzplatz eines Kraftfahrzeuges mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet ist, Lenker und beförderte Personen, die einen solchen Sitzplatz benützen, je für sich zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes verpflichtet... Die Verletzung dieser Pflicht begründet, jedoch nur soweit es sich um einen allfälligen Schmerzensgeldanspruch handelt, im Fall der Tötung oder Verletzung des Benützers durch einen Unfall ein Mitverschulden an diesen Folgen im Sinn des § 1304 ABGB.... Gemäß Abs.3 Z2 gilt Abs.2 nicht bei Unmöglichkeit des bestimmungsgemäßen Gebrauches des Sicherheitsgurts wegen der Körpergröße oder schwerster körper­licher Beeinträchtigung des Benützers – eine solche ist gemäß Abs.9 von der Behörde auf Antrag festzu­stellen und eine entsprechende Bestätigung darüber auszu­stellen. Diese Bestätigung ist auf Fahrten mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Über­prüfung auszu­händigen.

 

Völlig unbestritten ist in der Berufung die Tatsache geblieben, dass die Bw sich am 30.9.2007 zum Zeitpunkt der Anhaltung am Rücksitz befand und keinen Gurt angelegt hatte. 21.30 Uhr ist in diesem Zusammen­­hang eine nicht sekunden­genau zu nehmende Uhrzeit, die im Sinne des § 44a Z1 VStG die Zuordnung des Tatvorwurfs zu einem bestimmten Sachverhalt ermög­lichen soll und dieses Kriterium auch einwandfrei erfüllt, zumal die Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO in engem zeitlichen Zusammenhang an die Lasermessung um ca 21.30 Uhr erfolgte und dabei die unbestrittene Feststellung gemacht wurde.

 

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand ent­schuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist. Nach der ständigen Recht­sprechung des VwGH (vgl E 25.6.2008, 2007/02/251) kann unter Notstand im Sinne des § 6 VStG nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht (vgl. E 11.5.2004, 2004/02/0144, in dem starke Unterleibskrämpfe der Lebens­gefährtin des Lenkers nicht dem Begriff der "schweren unmittelbaren Gefahr" im Sinne des § 6 VStG unterstellt worden sind). Des weiteren gehört es zum Wesen des Notstandes, dass die Gefahr in zumutbarer Weise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist und dass die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (was bei der Bw sicher gegeben war). Die Beweislast in Hinsicht auf das Bestehen eines Notstandes trifft den Bestraften (vgl E 30.6.1993, 93/02/0066).

 

Laut ZMR wurde die Tochter der Bw X am 25.4.2008 geboren, dh die Bw war am 30.9.2007 im 2. Monat schwanger. Damit ist eine Beeinträchti­gung durch den Sicher­heits­gurt in Form eines Druckes auf das (noch sehr kleine) Ungeborene eher nicht anzunehmen, während die Bw bei Übelkeit auch zB durch leichtes Weg­halten bzw Auf-die-Seite-Ziehen des Gurtes einen unmittel­baren Druck auf den Magen beseitigen oder zumindest auf ein erträgliches Maß reduzieren hätte können. Damit wäre aber der den Zweck der gesetzlichen Bestimmung bildenden Rückhaltefunktion des Gurtes im Notfall Genüge getan gewesen.

Eine "Notstandssituation" ist aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungs­senates nicht zu erblicken, weil ein völlig ungesichertes Liegen auf der Rückbank jegliche Reaktion auf verkehrs- oder betriebsbedingte Brems- oder Fahrmanöver des Lenkers mangels Sicht gänzlich ausschloss, was eine wesentlich größere Gefährdung der schwangeren Bw bedeutete, und eine für die Bw bequeme Sitzeinstellung auch mit Verwendung des Gurtes möglich war; auch war zum Zeitpunkt der Anhaltung von einem ev. Erbrechen keine Rede.

 

In der Stellungnahme vom 14. Jänner 2008 hat die Bw die Einholung eines medizinischen SV-Gutachtens dazu beantragt, "ob es einer Schwangeren, welche nachweislich eine Problemschwangerschaft hat, zuzumuten ist, einen Sicherheits­gurt anzulegen und den Positionswechsel über Zwang von einer relativ beque­men in eine gesundheitsgefährdende Position für sie und das Kind durchzu­führen."

Abgesehen davon, dass die Bw durchaus auch hinten im Pkw sitzenbleiben hätte können, hätte sie im Fall einer ("nachweislichen") Problem­schwangerschaft die Möglichkeit gehabt, eine solche im Zusammenhang mit der Unmöglichkeit der Benützung des Sicher­heits­gurtes als Mitfahrerin wegen "schwerster körperlicher Beeinträchti­gung" im Sinne des § 106 Abs.9 KFG ärztlich feststellen und eine entsprechende Bestätigung ausstellen zu lassen, die sie mitführen und bei der Beanstandung vor­weisen hätte müssen – speziell dann, wenn offenbar erhebliche Sprachschwierigkeiten bestehen, die eine Geltendmachung medizini­scher Probleme bei einer Kontrolle nach § 97 Abs.5 StVO derart erschweren. Es ist jedoch nicht Sache einer Behörde, solche wie das beantragte SV-Gutachten zum Gesundheitszustand der Bw am Beginn ihrer Schwangerschaft im Jahr 2007 einzu­holen, sondern wäre es Sache der Bw gewesen, ihre Behauptung einer "nachweislichen Problemschwangerschaft" entsprechend fundiert darzulegen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat kommt damit zum Ergebnis, dass die Bw den ihr zur Last gelegten Tatbestand erfüllt hat, wobei ihr die Glaubhaftmachung eines gänzlich fehlenden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist. Der Unabhängige Verwaltungssenat kann auch nicht finden, dass die Erstinstanz bei Anwendung des § 21 VStG unter Annahme des Vorliegens der dort genannten Voraussetzungen rechtswidrig gehandelt hätte. Dass die Bw nach eigener Darstellung im Zuge der Weiterfahrt ihres Ehemannes erbrechen musste, ist bedauerlich, hat aber mit dem hier, bezogen auf die Feststellung bei km 11.910 der B127, zu beurteilenden Sachverhalt nichts zu tun.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Gurtenpflicht gilt auch für Schwangere – Berufungswerberin im 2. Monat – zur Behauptung der Unmöglichkeit des Anlegens wegen "Problemschwangerschaft" beim GA, weil Sache der Berufungswerberin -> Bestätigung der Ermahnung

 

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