Linz, 17.11.2009
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Rechtsanwalt X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 18. November 2008, Zl. BauR96-126-2007/Va, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in der Höhe von 80 Euro zu leisten.
zu I: §§ 16 Abs.2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;
zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 400 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 34 Stunden verhängt, weil er als Lenker des PKW mit dem polizeilichen Kennzeichen X am 9.1.2007, 17.40 Uhr, die mautpflichtige Bundesstraße A1 bei km 170,500, Raststation Ansfelden, Gemeinde Ansfelden, Fahrtrichtung Salzburg, benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut vor der mautpflichtigen Straßenbenützung ordnungsgemäß durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug entrichtet zu haben. Es sei am Fahrzeug eine Mautvignette angebracht gewesen, welche abgelaufen war.
2. In der Berufung wird vorgebracht:
3. Aus dem Akt ist ersichtlich:
Dem Akt liegt eine Anzeige der ASFINAG vom 23.2.2007 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz eine Mautvignette angebracht gewesen, welche abgelaufen war. Als Zusatz zur Anzeige wurde angegeben: „Monatvignette Nr.: X, gelocht am 18.08.2006“.
Mit Schreiben vom 8.3.2007 benannte die Zulassungsbesitzerin den Bw als Lenker des Kfz zur Tatzeit.
Nach Strafverfügung vom 19.3.2007 rechtfertigte sich der Bw dahingehend, dass er am 9.1.2007 bei seinem Fahrzeug zwar ein Erlagschein der ASFINAG deponiert, dieser aber nicht ausgefüllt worden sei und er daher diesen als bloße Warnung verstanden habe. Die Mautplakette sei von ihm noch am selben Tag am Fahrzeug angebracht worden.
Einer ASFINAG-Stellungnahme vom 26.6.2007 sind die Angaben der Anzeige sowie rechtliche Bestimmungen zu entnehmen. Gemäß § 19 Abs.3 BStMG sei am Kfz ein Ersatzmautangebot am Fahrzeug hinterlassen worden. Weiters sei vorgebracht worden, dass lt. Aufzeichnungen der Mautaufsichtsorgane zum Zeitpunkt der Kontrolle die vorhandene Vignette abgelaufen gewesen sei; es war lediglich eine 2-Monats-Vignette mit der Lochung 18.08.2006 an der Windschutzscheibe angebracht gewesen. Die in der Anzeige getätigten Angaben würden auf der dienstlichen Wahrnehmung der vereidigten Mautaufsichtsorgane, die immer zu zweit Dienst verrichten, basieren.
Als Beilage wurde eine Kopie der Zahlungsaufforderung angeschlossen.
Dazu äußerte sich der Bw dahingehend, dass er die beiliegende Kopie der Zahlungsaufforderung über 120 Euro zum ersten Mal gesehen habe und diese am 9.1.2007 nicht auf seinem Fahrzeug angebracht gewesen sei. Es sei lediglich ein nicht ausgefüllter bzw. leerer Erlagschein der ASFINAG beim Scheibenwischer angebracht gewesen, den er als Mahnung verstanden hätte. Hätte er diese Zahlungsaufforderung vorgefunden, so wäre der Betrag von 120 Euro selbstverständlich beglichen worden. Er würde sich auch jetzt dazu bereit erklären, den Betrag zu begleichen.
Mit Schreiben (E-Mail) vom 17.9.2007 gibt der Bw seine Einkommensverhältnisse von 1.960 Euro bekannt.
Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.
4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung äußerte sich die Vertreterin des Bw dahingehend, dass behauptet werde, dass die Aufforderung zur Zahlung der Ersatzmaut auf dem Pkw ihres Mandanten nicht auffindbar gewesen sei. Es werde die Rechtsauffassung vertreten, dass die Aufforderung zur Leistung der Ersatzmaut Strafbarkeitsvoraussetzung sei. Daher sei gegenständlich zumindest im Zweifel freizusprechen.
5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:
5.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.
Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.
Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 400 Euro bis 4.000 Euro zu bestrafen.
§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 300 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).
Kann wegen einer von einem Organ der öffentlichen Aufsicht dienstlich wahrgenommenen Verwaltungsübertretung gem. § 20 Abs. 1 keine bestimmte Person beanstandet werden, so ist nach Möglichkeit am Fahrzeug eine schriftliche Aufforderung zur Zahlung der Ersatzmaut zu hinterlassen. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen zwei Wochen ab Hinterlassung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs. 3).
Gemäß § 3 Bundesstraßengesetz 1971 gelten u.a. Parkflächen als Bestandteile der Bundesstraße.
5.2. Unbestritten ist, dass der Bw der Lenker war, der gegenständliche Parkplatz der Mautpflicht unterliegt und auf dem Kfz zum Zeitpunkt der Kontrolle – mithin zur vorgeworfenen Tatzeit – keine gültige Mautvignette aufgeklebt war. Strittig ist, ob eine Aufforderung zur Zahlung der Ersatzmaut hinterlassen wurde bzw. ob den Bw diese erreicht hat. Diesbezüglich sei die Feststellung getroffen, dass der der Behauptung des Bw entsprechende Sachverhalt der Entscheidung des UVS zugrunde gelegt wird.
Fraglich ist, welche rechtlichen Konsequenzen dies hat.
Wenn der Bw vorbringt, ihm sei die Ersatzmaut nicht ordnungsgemäß angeboten worden, so setzt er offenbar voraus, dass das Angebot zur Leistung der Ersatzmaut Strafbarkeitsvoraussetzung ist. Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend: Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 (BStFG) in mehreren Erkenntnissen (vgl. u.a. Zl. 97/06/0242 v. 18.12.1997 und Zl. 98/06/0105 v. 9.9.1999) festgestellt, dass der Strafaufhebungsgrund des § 13 Abs. 3 BStFG die tatsächliche Entrichtung der Ersatzmaut voraussetzt, nicht jedoch die Aufforderung dazu. "Die erfolglose Aufforderung ist nicht Voraussetzung für die Strafbarkeit; die Tat wird vielmehr auch dann nicht straflos, wenn die zuvor genannten Beträge nicht entrichtet werden, mag auch die Aufforderung aus welchen Gründen immer unterblieben sein".
Gestützt auf die im Vergleich zum BStFG größere Detailgenauigkeit der Bestimmungen des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 (BStMG) über die Vorgangsweise der Organe im Zusammenhang mit dem Ersatzmautangebot (dies trifft insbesondere auch auf die einschlägigen Passagen der als Verordnung einzustufenden Mautordnung zu) vertrat Wessely, ZVR 07/08, 2004, Seiten 229ff, 232 – entgegen der Rechtsprechung des VwGH zum BStFG – die Auffassung, dass ein Rechtsanspruch auf die Aufforderung zur Leistung der Ersatzmaut besteht und verwaltungsstrafrechtliche Ahndung der Mautprellerei ohne vorhergehende Aufforderung nicht in Betracht kommt. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist dieser Auffassung aus pragmatischen Gründen gefolgt (vgl. u.a. VwSen-150253/7/Lg/Hue/Hu v. 19.7.2005), ohne die durch diese Auslegung bedingten, die Vollzugspraxis belastenden Auslegungsprobleme zu übersehen – so etwa war unklar, unter welchen genauen Voraussetzungen von einem wirksamen Ersatzmautangebot auszugehen ist.
Mit der Novelle zum BStMG, BGBl. I Nr. 26/2006, wurden nicht nur die Bestimmungen über die Durchführung eines Ersatzmautangebotes abgeändert, sondern auch ausdrücklich festgehalten: "Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht" (§ 19 Abs. 6). Die EB, 1262 Blg. NR 22 GP, Seite 5, führen dazu aus: "Mit der Änderung des § 19 wird klargestellt, dass weder dem Fahrzeuglenker noch dem Zulassungsbesitzer das Recht auf Übermittlung einer Aufforderung zur Zahlung einer Ersatzmaut zukommt". Dies bedeutet (arg. "klargestellt"), dass in den EB davon ausgegangen wird, dass die einschlägigen Regelungen des BStMG bereits vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 26/2006 nicht anders auszulegen waren, als die entsprechenden Regelungen des BStFG und zwar nach der maßgeblichen Rechtsprechung des VwGH. Aufgrund dieser gewissermaßen authentischen Interpretation des Gesetzgebers ging der Unabhängige Verwaltungssenat nunmehr ebenfalls davon aus, dass die in der Novelle BGBl. I Nr. 26/2006 explizit gemachte Rechtslage auch auf Sachverhalte anzuwenden ist, die sich vor Inkrafttreten dieser Novelle ereignet haben. Das Ersatzmautangebot ist daher keine Voraussetzung der Strafbarkeit.
Die Tat ist daher dem Bw in objektiver – und da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Es ist im Zweifel von Fahrlässigkeit auszugehen.
Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass ohnehin die gesetzliche Mindestgeldstrafe (und eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Mildernd wirkt lediglich die Unbescholtenheit. Überwiegende Milderungsgründe im Sinne des § 20 VStG sind nicht ersichtlich. Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG gerechtfertigt wäre. Insbesondere ist der Schuldgehalt als nicht geringfügig anzusehen, da dem Bw bei entsprechender Aufmerksamkeit die Mautpflicht des gegenständlichen Parkplatzes nicht entgehen hätte dürfen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. Ewald Langeder