Linz, 30.11.2009
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land, vom 11. November 2009, VerkR96-1659-2008, zu Recht:
I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlage:
Zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1, 51e Abs.1 VStG.
Zu II: § 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat mit dem o.a. Straferkenntnis dem Berufungswerber zu Last gelegt, am 19. 02. 2008 um 06:42 Uhr das Sattelzugfahrzeug mit dem Kennzeichen X in der Gemeinde Niederneukirchen auf der Wolferner Straße L 564 bei km 5,850 (Kilometrierung wurde amtlich mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 27.05. 2008, VerkR96-504-2008/Ni berichtigt) gelenkt zu haben, wobei er die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung nicht angezeigt habe, wodurch sich andere Straßenbenützer auf den bevorstehenden Vorgang nicht einstellen hätten können.
1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend folgendes aus:
2. Der Berufungswerber tritt dem mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung entgegen, indem er sinngemäß meint, selbst ein Nichtblinken hätte keinerlei Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer zur Folge gehabt.
Mit diesem Vorbringen ist der Berufungswerber gemäß der Aktenlage im Recht!
Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Beischaffung eines Luftbildes vom besagten Kreisverkehr.
3. Die Behörde erster Instanz hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen.
Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war angesichts der stattgebenden Berufungsentscheidung nicht erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).
3.1. Aus Punkt 8 der wegen zahlreicher anderer Anzeigpunkte erstatteten Anzeige der Polizeiinspektion Neuhofen a.d. Krems vom 19.2.2008, GZ: 4722/1/2008 NIE geht lediglich hervor, dass die bevorstehende Fahrtrichtungsänderung in Form des Verlassen des Kreisverkehrs bei Strkm 5,85 vom Berufungswerber nicht angezeigt worden wäre und sich daher andere Verkehrsteilnehmer darauf nicht einstellen hätten können. Welcher Verkehrsteilnehmer und in welcher Form sich dadurch auf diesen Vorgang nicht einstellen hätte können, verschweigt sowohl diese Anzeige als auch die vor der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom Meldungsleger am 31.3.2008 abgelegte Zeugenaussage hervor. In letzter scheint der Meldungsleger (BI X) lediglich die Auffassung zu vertreten, dass unter allen Umständen das Ausfahren aus dem Kreisverkehr durch Betätigen des Fahrtrichtungsanzeigers angezeigt werden müsse. Auch das zweite Besatzungsmitglied des Dienstfahrzeuges (Insp. X) verweist auf die Angaben des BI X, wonach bei jedem Ausfahren geblinkt werden müsse.
Ein Bezug zu einem anderen Verkehrsteilnehmer lässt sich aus keiner dieser Aussagen ableiten.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 27. Mai 2008, GZ: VerkR96-504-2008/Ni, wurde der in der Strafverfügung zur Last gelegte Tatort berichtigt und folglich das Verfahren nach § 29a VStG an die Wohnortbehörde des Berufungswerbers abgetreten.
Gemäß dem beigeschafften Bildmaterial befindet sich aber auch bei Strkm 5,850 der L564 kein Kreisverkehr.
Von der belangten Behörde wurde der Berufungswerber sodann mit dem Schreiben vom 17.7.2008 gefragt ob er angesichts des Inhaltes des Berichtigungsbescheides das Rechtsmittel aufrecht erhalten oder den Einspruch zurückziehen wolle. Es wurde ihm hierfür eine Frist zur Klarstellung bis 31.7.2008 gesetzt. Schon am 22.7.2008 teilte der Berufungswerber mit, sich keiner Schuld bewusst zu sein und vermeinte abschließend es sei Aufgabe der Behörde ihm ein Verschulden nachzuweisen. Schließlich wurde vom Berufungswerber mit abermaligen Schreiben vom 7.10.2008 auch noch die Bekanntgabe seiner Einkommensverhältnisse gefordert. Dies blieb vom Berufungswerber unbeantwortet.
In der Folge scheint der Akt bis zur Erlassung dieses Straferkenntnisses mehr als ein Jahr unbewegt geblieben zu sein.
3.2. Dieses Beweisergebnis lässt nicht erkennen inwiefern der Berufungswerber durch das zur Sache stehende Verlassen des Kreisverkehrs – wobei ein solcher nur bei Strkm 5,220 und bei 6,340 zu liegen scheint - einen anderen Verkehrsteilnehmer dahingehend nachteilig betroffen gemacht hätte, als dieser sich auf den Abbiegevorgang nicht einstellen hätte können. Es ist etwa nicht erkennbar, dass ein Lenker aus diesem Grund vor dem Einfahren in den Kreisverkehr allenfalls hätte abbremsen müssen. Dies ist schon vor dem Hintergrund unwahrscheinlich, weil ein über 16 m langes Sattelkraftfahrzeug im Kreisverkehr so langsam ist, dass sich beim Ausfahren eine Fehldisposition eines vom gleichen Straßenzug in den Kreis einfahrenden kaum ergeben würde. Laut den Polizeibeamten ist von einem solchen Verkehrsteilnehmer überhaut nicht die Rede, sodass diese offenbar vom bloßen Selbstzweck des Blinkens ausgegangen sein dürften.
4. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
Der § 11 Abs.2 StVO lautet:
"Der Lenker eines Fahrzeuges hat die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können. Er hat die Anzeige zu beenden, wenn er sein Vorhaben ausgeführt hat oder von ihm Abstand nimmt. "
5.2. Das wesentliche Tatbestandsmerkmal der Übertretung nach § 11 Abs.2 StVO liegt in dem Vorwurf, dass der Fahrzeuglenker die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung nicht so rechtzeitig angezeigt hat, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen konnten, weshalb dieses Tatbestandsmerkmal auch Gegenstand einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung sein muss (VwGH 22.3.1995, 94/03/0319). Nur beide Aspekte zusammen erfüllen die Voraussetzung (vgl. ZfVB 1989/1254 mit Hinweis auf VwGH verst. Sen. 3. 10. 1985, 85/02/0053 u. ZfVB 1986/3/1344).
Wie oben festgestellt lassen sich keine Anhaltspunkte erkennen, inwiefern sich dadurch andere Verkehrsteilnehmer auf diesen Vorgang nicht hätten einstellen können. Aus der Anzeige lässt sich kein Umstand ableiten, warum die Anzeige der Fahrtrichtungsänderung aufgrund der Verkehrslage notwendig gewesen wäre.
Letztlich läge im Falle des Fehlens dieses Tatbestandselementes auch, unbeachtlich der vermutlich abermals falschen Tatortbezeichnung, keine taugliche Verfolgungshandlung vor, sodass - ungeachtet der hier für einen Tatbeweis fehlenden Indizien - das Verfahren alternativ auch nach § 45 Abs.1 Z3 VStG zur Einstellung zu bringen wäre (VwGH 22.3.1995, 94/03/0319).
Das wesentliche Tatbestandsmerkmal der Übertretung nach § 11 Abs.2 StVO liegt in dem Vorwurf, dass der Fahrzeuglenker die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung nicht so rechtzeitig angezeigt hat, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen konnten, weshalb dieses Tatbestandsmerkmal auch Gegenstand einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung sein muss (VwGH 22.3.1995, 94/03/0319). Nur beide Aspekte zusammen erfüllen die Voraussetzung (vgl. ZfVB 1989/1254 mit Hinweis auf VwGH verst. Sen. 3. 10. 1985, 85/02/0053 u. ZfVB 1986/3/1344).
Die hier vom Meldungsleger in der Anzeige genannten Umstände des unangezeigt gebliebenen Abbiegevorganges, lassen nicht erkennen welch andere Verkehrsteilnehmer konkret auf diesen Vorgang einstellen können hätten müssen. Der hier aus der Anzeige und der Rechtsmeinung des Meldungsleger lapidar zum Ausdruck gebrachte Auffassung, dies sei „nichts desto Trotz notwendig“ vermag nicht gefolgt werden.
Letztlich läge angesichts des fehlenden Tatbestandselementes – inwiefern ein anderer Verkehrsteilnehmer betroffen war - auch keine taugliche Verfolgungshandlung vor, sodass - ungeachtet der hier für einen Tatbeweis fehlenden Indizien - das Verfahren nach § 45 Abs.1 Z3 VStG zur Einstellung zu bringen gewesen wäre.
Ausführungen zur Frage eines subjektiv vorwerfbaren Verschuldens hinsichtlich des hier vermutlich tatsächlich unterbliebenen Blinkens können angesichts der objektiven Beurteilung des Tatbestandes unterbleiben.
Da hier jedenfalls die Schutzzielverletzung des § 11 Abs.2 StVO nicht nachvollziehbar ist war das Verfahren letztlich nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r