Linz, 24.11.2009
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding, vom 6. November 2009, VerkR21-182-2009/EF-Mg/Rei, zu Recht:
I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, als das Lenkverbot für Motorfahrräder mit der Maßgabe eingeschränkt wird, dass [ausschließlich] die Fahrt vom Wohnort [X] zum Arbeitsplatz [X] und zurück gestattet wird; im übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
II.
Rechtsgrundlage:
§§ 66 Abs.4, 64 Abs.2 AVG, BGBl.I Nr. 20/2009 iVm § 7 Abs.1 u. Abs.3 Z10 FSG, § 25 Abs.3 u. § 32 Abs.3 FSG idF BGBl. I Nr. 93/2009;
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem in der Präambel bezeichneten Bescheid wurde dem Berufungswerber der von dieser Behörde am 29.11.2007, GZ: 07/370712, erteilte Lenkberechtigung für die Klasse B – durch Anerkennung dessen ausländischen Lenkberechtigung und Austausch des Führerscheines – für die Dauer von
6 Monaten, gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides, entzogen.
6 Monaten, gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides, ausdrücklich verboten.
Gestützt wurde die Entscheidung auf §§
2. Die Behörde erster Instanz begründete ihre Entscheidung wie folgt:
2.1. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht bei der Behörde erster Instanz eingebrachten Berufung.
Im Ergebnis bringt er zum Ausdruck, er müsse auf Grund eines positiven Asylbescheides einer Arbeit nachgehen um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Daher sei es für ihn untragbar wegen eines früheren Fehlers, den er zutiefst bereue, an seinem Lebensunterhaltsverdienst durch Entzug seines Führerscheines verhindert zu sein. Er bitte demnach diesen Spruch noch mal zu bewerten.
3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 Z2 AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte hier unterbleiben (§ 67d Abs.1 AVG).
Ergänzend Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt, sowie durch Anfragen über Verwaltungsvormerkungen bei den Bezirkshauptmannschaften Eferding u. Schärding. Ebenfalls wurde der Arbeitsort des Berufungswerbers im Wege der Betreuungsinstitution erhoben.
3.1. Die hier zu beurteilende Sachverhaltslage ist unbestritten, sodass im Ergebnis auf den Inhalt des Gerichtsurteils verwiesen werden kann.
Der Berufungswerber hat laut Rückfrage bei der Volkshilfe – als seine Betreuungsinstitution – in Österreich Asylstatus. Er ist bei der Firma X in X als Essensausfahrer beschäftigt.
Der Berufungswerber wurde vom Landesgericht Linz am 19.5.2009 schuldig gesprochen, „er habe am 16.3.2009 in Linz
1.) fremde bewegliche Sachen, und zwar diverse Bekleidung im Gesamtwert von EUR 19,97 Verfügungsberechtigten der x GesmbH mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat dadurch, dass er den Kaufhausdetektiv X mit einer Hand im Bereich des Kehlkopfes erfasste und ca. 5 bis 6 Sekunden lang zudrücke und diesem einen Stoß versetzte, sowie eine ca. 4 cm lange Messerklinge, die er aus seinem Schlüsselanhänger ausklappte, gegen den ca. 3 m entfernten X richtete, der wiederholt die Rückgabe der Waren forderte, sohin Gewalt gegen eine Person anwendete und eine Person mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder leben (§ 89 StGB) bedrohte, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten;
2.) nach der unter Punkt 1.) genannten Tat, X durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Körperverletzung zu einer Unterlassung, und zwar zur Abstandnahme vom Anfertigen eines Fotos mit dem Handy genötigt, indem X mit der Messerklinge auf X zulief, der in das Kaufhaus flüchten konnte;
3.) nach der unter Punkt 2.) genannten Tat X durch gefährliche Drohung mit dem Tod, indem er äußerte "Du Arschloch gib mir dein Handy, damit ich das Foto habe. Gib her das Foto, ich habe keine Angst, ich habe schon 2000 Leute umgebracht und mir ist das egal, du bist dann der 2000 und Erste den ich umbringe" zu einer Handlung, und zwar zur Herausgabe des Handys zu nötigen versucht;
4.) Insp. X durch nachstehende Äußerungen gefährlich mit dem Tod bedroht, um diesen in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar:
a) bei seiner Festnahme um 16.27 Uhr durch die Äußerung "Du Arschloch, ich bringe dich urn! Du bist nur stark, weil du eine Waffe hat. Ich werde dich wieder sehen und töten! Ich treffe dich nachher draußen!" und
b) nach der Verbringuhg in das Polizeianhaltezentrum gegen 18.01 Uhr durch die Äußerung "Wenn ich raus komme, finde ich dich. Dann bringe ich dich um. Du wirst schon sehen, was passiert. Deine Uniform bringt dir nichts.“
Der Berufungswerber habe hiedurch
zu 1.) das Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach § 131 1. und 2. Fall StGB;
zu 2.) das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB;
zu 3.) das Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15 Abs. 1, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB und
zu 4.) die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2. 1. Fall StGB begangen und wurd hiefür unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach dem 1. Strafsatz des § 131 StGB zu einer FREIHEITSSTRAFE von 12 MONATEN verurteilt.
Gemäß § 43a Abs.3 StGB wurden 9 Monate der verhängten Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
Zur Verkehrszuverlässigkeit nach § 7 Abs.1 u. Abs.3 Z10 FSG:
Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs.1 hat gemäß Abs.3 insbesondere zu gelten, wenn jemand:
……..eine strafbare Handlung gemäß den §§ 102 (erpresserische Entführung), 131 (räuberischer Diebstahl), 142 und 143 (Raub und schwerer Raub) StGB begangen hat;
Der § 7 Abs.4 FSG lautet:
Für die Wertung der in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend,….
Als verfehlt erachtet die Judikatur jedoch die präsumtive Annahme, ein Betroffener werde sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wenn etwa eine im § 7 Abs.3 Z9 FSG genannte strafbaren Handlung begangen wurde (vgl. VwGH 13.12.2005, 2004/11/0081 mit Hinweis auf VwGH vom 25.11.2003, Zl. 2003/11/0240, mwN).
Mit den in Tateinheit begangenen mehrfach gerichtlich strafbaren Verhalten hat der Berufungswerber eine besondere verwerfliche Einstellung gegen rechtlich geschützte Werte zum Ausdruck gebracht. Dies hat letztlich das Gericht auch als straferschwerend gewertet. Sein besonders aggressiv zu Tage tretendes Verhalten lässt daher in der Wertung durchaus auf eine Verkehrsunzuverlässigkeit in der Dauer eines Jahres schließen. Das dieses Verhalten im Verhältnis der sozialen Umgebung des Berufungswerbers in seiner Heimat eine differenzierte Sichtweise eröffnen mag sei an dieser Stelle nicht verschwiegen. Das zur Beurteilung stehende Verhalten hat aber am Maßstab der h. Rechtsordnung zu erfolgen.
5.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Beurteilung der Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von Personen, die strafbare Handlungen gegen Leib und Leben begangen hatten, schon vielfach beschäftigt. Etwa in seinem Erkenntnis vom 30.6.1992, Zl. 91/11/0124, das eine Person betraf, die eine absichtliche schwere Körperverletzung (Schuss gegen die Schulterregion eines Dritten) begangen hatte, was nach §§ 83 Abs.1 und 84 Abs.1 StGB bestraft worden war. In diesem Fall hielt der Verwaltungsgerichtshof die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit in der Dauer von insgesamt 15 Monaten als verfehlt.
In seinem Erkenntnis vom 28.6.2001, Zl. 2001/11/0114, welches schließlich wieder eine Person betraf, die einem Dritten durch mehrere Faustschläge gegen den Kopf und den Oberkörper eine schwere Verletzung zugefügt hatte und wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs.1 und 84 Abs.1 StGB, darüber hinaus aber des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs.1 und 106 Abs.1 Z1 StGB verurteilt worden war, wobei die verhängte Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen wurde, hielt der Verwaltungsgerichtshof die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit für eine Dauer von 18 Monaten für verfehlt. Der Verwaltungsgerichtshof bezog sich dabei ua. auf die bisherige Unbescholtenheit des Betreffenden.
In seinem Erkenntnis vom 23.4.2002, Zl. 2001/11/0346, das eine Person betraf, die als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs.1 StGB und darüber hinaus der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs.1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs.1 StGB, der Nötigung nach § 105 Abs.1 für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 14 Monate bedingt nachgesehen, verurteilt worden war (der Betreffende hatte vier Mittäter dazu bestimmt, dass diese einem Dritten durch Schläge mit einer Metallrute und mit Holzknüppeln näher umschriebene schwere Verletzungen zugefügt hatten), erachtete der Verwaltungsgerichtshof u.a. im Hinblick auf fehlende Vorstrafen und frühere Entziehungen der Lenkberechtigung des Betreffenden die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit für mehr als 25 Monate als verfehlt und gab zu erkennen, dass die Behörde von einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von weniger als 18 Monaten hätte ausgehen müssen.
Im Erkenntnis vom 25.11.2003, Zl. 2003/11/0240, das wiederum eine Person betraf, der neben dem Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 205 Abs.1 und nach § 206 Abs.1 StGB überdies zwei Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs.1 und 84 Abs.1 StGB (eine davon eine an sich schwere Verletzung herbeiführend) zur Last fielen und die zweimal verurteilt wurde - eine zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten und eine zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe führte - hielt der Verwaltungsgerichtshof die von der Behörde vertretene Annahme einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit für mehr als 16 Monate für verfehlt.
Das Höchstgericht bemerkt in diesem Zusammenhang wiederholt, dass die Zuordnung der in § 7 Abs. 3 Z3 ff FSG genannten strafbaren Handlung[en] – hier insbesondere der räuberische Diebstahl - zu jenen bestimmten Tatsachen, aufgrund welcher gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. auf eine Sinnesart des Betreffenden geschlossen werden kann, deretwegen er sich weiterer schwerer strafbaren Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert würden, zumindest in verallgemeinernder Form verfehlt sei.
Die Begehung der in § 7 Abs.3 FSG genannten strafbaren Handlungen weist vielmehr auf eine Sinnesart hin, aufgrund der anzunehmen ist, dass der Betreffende im Sinne des § 7 Abs.1 FSG beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden werde, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit. Zutreffend ist wohl ein Standpunkt, welcher von Kraftfahrzeuglenkern wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktfälle eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart verlange (Hinweis auf VwGH 27. Mai 1999, Zlen. 98/11/0136 und 98/11/0198).
Demnach ist mit Blick auf das vorher Gesagte die dem, dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Auffassung, der Berufungswerber sei insgesamt bis 12 Monaten nach der Tat als verkehrsunzuverlässig anzusehen, durchaus vertretbar.
5.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind, kein rechtlich beachtliches Kriterium; s. Grundtner, KFG, 5.Auflage, E14 zu § 73 KFG (Seite 526, VwGH v. 30.5.2001, 2001/11/0081 mit Vorjudikatur uva). Damit ist hier dem Kern der Berufungsausführungen entgegen zu treten.
Dennoch war hier dem Berufungswerber mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot das Fahren mit dem Moped zwecks Erreichung des Arbeitsplatzes zu gestatten. Nach § 24 Abs.1 FSG (idF BGBl.Nr.93/2009 – 12. FSG-Novelle) differenziert der Gesetzgeber offenbar mit gutem Grund zwischen vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Motorrfahrrädern. Das mit dem Lenken verbundene abstrakte Gefahrenpotenzial ist bei einem Zweirad doch deutlich geringer als bei einem mehrspurigen Kraftfahrzeug.
Im Falle des Entzuges einer Lenkberechtigung der Klassen A, B oder F ist für die Entzugsdauer [nur] zwingend auch für die vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuge ein Fahrverbot auszusprechen. Nach § 32 Abs.1 FSG ist ein derartiges Verbot „entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit“ auszusprechen. Vor diesem rechtlichen Hintergrund wird in Abwägung der Rechtsgüter, nämlich dem Interesse der Verkehrssicherheit und jenem Interesse den Berufungswerber Erreichung des Arbeitsplatzes weiterhin zu ermöglichen, das Fahrverbot eingeschränkt (vgl. auch h. Erk. v. 11.09.2007 VwSen-521729/2/Kof/Be).
An den dagegen stehenden Erlass des Bundesministers für Verkehr vom 2.5.2006, GZ. BMVIT-170.619/0001-II/ST4/2006, wonach etwa bei Begehung von Alkoholdelikten ein Lenkverbot nach § 32 Abs.1 Z.1 FSG auszusprechen sei, erachtet sich die Berufungsbehörde nicht gebunden.
Bei einem Erlass handelt es sich nicht um eine Rechtsquelle iSd Art. 18 Abs.1 B-VG; VwGH vom 9.3.2005, 2001/13/0062.
Es wird darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen sind.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r
Beschlagwortung:
Mopedfahrverbot, Sachlichkeitsgebot