Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550500/4/Wim/Pe/Bu

Linz, 23.12.2009

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende Dr. Ilse Klempt, Berichter: Dr. Leopold Wimmer, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über den Antrag der dbz X, vertreten durch X, X, X, vom 18.12.2009 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der X betreffend das Vorhaben „X, X“, zu Recht erkannt:

 

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin  die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 18. Februar 2010, untersagt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 18.12.2009 hat die dbz X (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von 7.500 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass sie fristgerecht ein Angebot mit einem Angebotspreis in Höhe von netto 1,024.569,02 Euro abgegeben und dadurch ihr Interesse am Vertragsabschluss dargetan habe.

Den Zuschlag sollte das Angebot mit dem niedrigsten Preis erhalten.

Hinsichtlich der Zulässigkeit von Alternativangeboten sowie der Vollständigkeit von Angeboten wurde auf die Ausschreibungsunterlage hingewiesen.

Die Angebotsöffnung habe am 10.12.2009 stattgefunden und sei das Angebot der Antragstellerin in der Niederschrift über die Angebotsöffnung an erster Stelle gereiht worden. Das Angebot der X (im Folgenden: präsumtive Zuschlagsempfängerin) sei mit einem Angebotspreis von netto 1,209.287,58 Euro verlesen und an siebte Stelle gereiht worden. In der Spalte „besondere Vorkommnisse“ sei ein Alternativangebot der präsumtiven Zuschlags­empfängerin mit einer Angebotssumme in Höhe von netto 948.000,00 Euro vermerkt worden.

Mit Telefax vom 11.12.2009 sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag der X zu erteilen. Das Ende der Stillhaltefrist sei mit 28.12.2009 angegeben worden. Eine Konkretisierung, welchem Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin der Zuschlag erteilt werden solle, sei dem Schreiben nicht zu entnehmen.

Die Antragstellerin führte hiezu aus, dass diese Entscheidung rechtswidrig sei, da das Alternativangebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auszuscheiden gewesen wäre und das Hauptangebot dieses Bieters nicht das billigste sei, sondern nur an siebter Stelle gereiht gewesen sei.

Es sei davon auszugehen, dass es sich aufgrund des runden Betrages des Alternativangebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin um ein Pauschal­angebot handle. Die Auftraggeberin habe zwar Alternativangebote zugelassen, Mindestanforderungen, welche Alternativangebote hinsichtlich ihrer Vergleich­barkeit mit der ausgeschriebenen Leistung erfüllen müssten, seien nur – in unzureichender Weise – für technische Alternativangebote festgelegt worden. Diese Festlegung sei für wirtschaftliche Alternaivangebote nicht brauchbar und seien keine Mindestanforderungen hinsichtlich der Vergleichbarkeit mit der ausgeschriebenen Leistung festgelegt worden. Weiters sei bei einem umfangreichen Leistungsverzeichnis von knapp 400 Seiten die Vergleichbarkeit eines Pauschalangebotes mit ausschreibungskonformen Angeboten nicht gegeben und sei das Alternativangebot auch betriebswirtschaftlich weder erklär- noch nachvollziehbar. Das Alternativangebot der präsumtiven Zuschlags­empfängerin sei daher auszuscheiden gewesen.

Zum drohenden Schaden führte die Antragstellerin aus, dass ihr bei Entfall des Auftrages ein Gewinnentgang, fehlende Deckungsbeiträge, Frustrierung der mit der Angebotserstellung aufgewendeten Kosten für Personal und Material in der Höhe von ca. 5.300 Euro sowie die Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung drohen würden. Abgesehen davon würde die Antragstellerin ein Referenzprojekt für zukünftige Bewerbungen verlieren, da es sich beim gegenständlichen Neubau des um das erste derartige Science-Center Österreichs handle.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf Abwicklung eines vergaberechtskonformen Verfahrens, auf Gleichbehandlung im Vergabever­fahren, auf vergaberechtskonforme Beendung des Vergabeverfahrens und in ihrem Recht darauf, dass der Zuschlag nicht entgegen den im Vergabeverfahren geltenden Grundsätzen des fairen Wettbewerbs, der Gleichbehandlung und der Transparenz an einen anderen Bieter erteilt wird, sowie in ihrem Recht darauf, dass Angebote, welche auszuscheiden sind, ausgeschieden werden, verletzt.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Von dieser wurde zum Antrag auf einstweilige Verfügung keine Stellungnahme abgegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz (Oö. VergRSG) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), welche gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

Die X stellt sich als eine solche dar und unterliegt daher das gegenständliche Nachprüfungsverfahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3.   Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein „besonderes“ öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, somit ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessens­abwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechts­widrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG sofort voll­streckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

  

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

 

Dr.  Ilse Klempt

 

 

 

 

 

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