Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-200383/2/Fi/Ga

Linz, 16.11.2009

 

 

E r k e n n t n i s

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Vizepräsident Mag. Dr. Johannes Fischer über die Berufung des X, gegen die Kostenentscheidung (Spruchpunkt II) des Bescheides des Bezirkshauptmannes des Bezirks Grieskirchen vom 22. Juni 2009, Agrar96-25-2008, wegen einer Übertretung nach dem Pflanzenschutzmittelgesetz mit diesem Bescheid zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben und Spruchpunkt II des bekämpften Bescheides ersatzlos behoben.

 

II.              Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu den Kosten für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm §§ 64a, 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1.         Mit dem angefochtenen Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Grieskirchen vom 22. Juni 2009, Agrar96-25-2008, wurde im Zuge eines Strafverfahrens  Herrn X (in der Folge: Bw) eine Ermahnung erteilt und von der Verhängung einer Strafe abgesehen.

Der Ermahnung lag folgender Tatvorwurf zu Grunde:

"Sie haben als Obmann und somit als das zum Tatzeitpunkt nach § 9 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) 1991 für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliche Organ der Lagerhausgenossenschaft X reg. Genossenschaft m.b.H. zu verantworten, dass zumindest am 06.10.2008 in der Lagerhausfiliale X, das Pflanzenschutzmittel "Rovral TS", Pflanzenschutzmittelregisternummer Nr. 2224, in der Menge von 1 x 1 kg zum Verkauf vorrätig gehalten wurde, obwohl die Verpackung dieses Pflanzenschutzmittels beschädigt war und in der Folge ein Teil des Inhaltes unbeabsichtigt nach außen gelangte.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 21 in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Ziff. 1 lit. c Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 idgF

Es wird jedoch von der Verhängung einer Strafe abgesehen und Ihnen eine Ermahnung erteilt.

Rechtsgrundlage: § 21 des Verwaltungsstrafgesetzes."

Mit gleichem Bescheid (Spruchpunkt II) wurden dem Bw die hier bekämpften Bar­auslagen für Kontrollgebühren des Bundesamtes für Ernährungssicherheit gemäß Gebührentarif vom 1. April 2008 in der Höhe von 413,57 Euro aufgetragen. Die belangte Behörde stützte sich dabei auf § 64 Abs. 3 VStG sowie auf § 32 Abs. 2 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997.

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass nach dem Gebührentarif vom 1. April 2008 sich die Gebühren im gegenständlichen Fall aus den Codenummern 12010 (Kosten für die Bearbeitung vor Ort in Höhe von 97,95 Euro), 12011 (Kosten für das Kontrollverfahren in Höhe von 217,67 Euro) und 12012 (Kosten für die Beschlagnahme in Höhe von 97,95 Euro) zusammensetzen.

1.2.         Gegen diesen Bescheid, welcher den Verfahrensparteien (dem Bw sowie dem Bundesamt für Ernährungssicherheit) jeweils am 29. Juni 2009 zugestellt wurde, erhob ausschließlich der Bw das Rechtsmittel der Berufung, welches sich ausschließlich gegen die Kostenentscheidung richtet. Das Rechtsmittel wurde mit Schreiben (Mail) vom 9. Juli 2009, konkretisiert durch das Mail vom 10. Juli 2009 – und somit rechtzeitig – erhoben. Begründend bringt der Bw vor, er könne "nicht nachvollziehen, wie der Betrag für die Kontrollgebühr zustande gekommen ist".

1.3. In weiterer Folge wurde mit Berufungsvorentscheidung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, Agrar96-25-2008, vom 17. August 2009 "die Vorschreibung der Barauslagen für Kontrollgebühren des Bundesamtes für Ernährungssicherheit gemäß Gebührentarif vom 01.04.2008 in Höhe von 413,57 Euro ersatzlos gestrichen".

1.4. Gegen diese Berufungsvorentscheidung, welche den Verfahrensparteien am 19. August 2009 zugestellt wurde, wendete sich das Bundesamt für Ernährungssicherheit mit Schreiben vom 31. August 2009, zur Post gegeben – und damit rechtzeitig erhoben – am 1. September 2009, mit einem Vorlageantrag. Darin wird vorgebracht, die von der belangten Behörde in der Berufungsvorentscheidung eingedrungene Rechtsansicht, die Kontrollgebührentarife seien zu unkonkret und damit für den gegenständlichen Fall nicht anwendbar, sei aus näher angeführten Gründen unrichtig.

2.1. Der Bezirkshauptmann des Bezirkes Grieskirchen hat mit Schreiben vom
21. September 2009 den von ihm geführten Verwaltungsakt erster Instanz zur Berufungsentscheidung vorgelegt und sein Vorgehen unter Berufung auf eine Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oö., VwSen-200377/2/GF/Mu, begründet.

2.2. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

2.3. Das Rechtsmittel ist – wie bereits unter Punkt 1.2. dargestellt – rechtzeitig.

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt erster Instanz.

2.5. Daraus ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender maßgebliche Sachverhalt, der seiner Entscheidung zu Grunde liegt:

Die belangte Behörde hat im bekämpften Bescheid, mit welchem eine Ermahnung jedoch keine Strafe ausgesprochen wurde, dem Bw Gebühren nach dem Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, BGBl. I Nr. 60/1997 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, BGBl. I Nr. 86/2009 in Verbindung mit dem Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz – GESG, BGBl. I Nr. 63/2002 in der Fassung BGBl. I 63/2009, aufgetragen.

3.     In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

3.1.   Der Berufungswerber wendet sich ausschließlich gegen die im Rahmen der bescheidmäßig erteilten Ermahnung erfolgten Gebührenentscheidung ("Wir können nicht nachvollziehen, wie der Betrag für die Kontrollgebühr zustande gekommen ist".)

3.2.   Die Ermahnung selbst ist somit in Rechtskraft erwachsen und nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens. Gleichermaßen nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist die in weiterer Folge nach erteilter Ermahnung vorgenommene Berufungsvorentscheidung, da diese nach § 64a Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG – (in Verbindung mit § 24 VStG) auf Grund des vorgelegten Antrages des Bundesamtes für Ernährungssicherheit außer Kraft getreten ist.

3.3. Die belangte Behörde stützte sich in ihrer Gebührenentscheidung auf § 64 Abs. 3 VStG in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997.

§ 32 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 verweist hinsichtlich der Entrichtung von Gebühren für behördliche Tätigkeiten auf § 6 Abs. 6 des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes, BGBl. I Nr. 63/2002.

Das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz (GESG) bestimmt in seinem
§ 6 Abs. 6:

"(6) Für Tätigkeiten des Bundesamtes für Ernährungssicherheit anlässlich der Vollziehung der in Abs. 1 angeführten hoheitlichen Aufgaben ist eine Gebühr nach Maßgabe eines Tarifes (§ 57 AVG) zu entrichten, den das Bundesamt für Ernährungssicherheit mit Zustimmung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und des Bundesministers für Finanzen kostendeckend festzusetzen hat. Die Zustimmung gilt als erteilt, sofern innerhalb einer Frist von 1 Monat ab Einlangen im jeweiligen Ressort kein schriftlicher durch zumindest einen der angeführten Bundesminister erfolgt. In diesem Tarif können Vorschriften über die Einhebung der Gebühr, insbesondere über den Zeitpunkt der Entrichtung vorgesehen werden. Bis zur Erlassung dieses Tarifes bleiben die die nach den in Abs. 1 angeführten Bundesgesetze jeweils erlassenen Tarife in Geltung. Gebühren für Tätigkeiten anlässlich der Kontrolle, ausgenommen solcher, welche nach gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vorgeschrieben sind, fallen jedoch nur dann an, wenn Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen der in Abs. 1 angeführten Bundesgesetze festgestellt werden. Im Verwaltungsstrafverfahren sind im Straferkenntnis dem Beschuldigten neben einer Verwaltungsstrafe die Gebühren vorzuschreiben; diese sind unmittelbar an das Bundesamt für Ernährungssicherheit zu richten."

Angesichts dieser Rechtslage stellt sich die grundsätzliche Frage, ob es – wie von der belangten Behörde angenommen – zulässig ist, in einem Verwaltungsstrafverfahren Gebühren vorzuschreiben, wenn die Behörde nach § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe absieht und eine Ermahnung erteilt. Eine Ermahnung ist nur bei Vorliegen einer Verwaltungsübertretung zulässig (VwGH 10.9.1980, 1315/78; 19.5.1993, 92/09/0381) und setzt ein Verschulden des Täters voraus (VwGH 28.10.1991, 90/19/0514). Sie ergeht auch "im Verwaltungsstrafverfahren" (VwGH 8.2.1988, 87/10/0188), hat aber nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung keinen Strafcharakter (VwSlg 8709 A/1974; VwGH 8.4.1981, 2495/80; 19.5.1993, 92/09/0031; siehe auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] VStG § 21 Anm 3; Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht4 [2009] Rz 764; Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren II8 [1990] 79), und ist dementsprechend nicht mit Straferkenntnis auszusprechen. Bei einer Ermahnung handelt es sich daher gerade um keine Strafe.

Da nach dem unzweideutigen Wortlaut des § 6 Abs. 6 GESG "[i]m Verwaltungsstrafverfahren […] im Straferkenntnis dem Beschuldigten neben einer Verwaltungsstrafe die Gebühren vorzuschreiben" sind, im vorliegenden Fall jedoch kein Straferkenntnis erging bzw eine Bestrafung des Bw unterblieb, mangelt es an der gesetzlichen Voraussetzung für die Gebührenvorschreibung.

Der Unabhängige Verwaltungssenat übersieht dabei nicht die Materialien zur Erstfassung des § 6 Abs. 6 GESG, BGBl. I Nr. 78/2003: "Gebühren für Probenahmen und Untersuchungen fallen nur bei strafrechtlichen Konsequenzen an (z.B. Ermahnung gem. § 21 VStG, Straferkenntnis). Im Falle eines Straferkenntnisses ist dem Beschuldigten diese Gebühr neben einer Verwaltungsstrafe im Sinne des § 64 VStG vorzuschreiben und unmittelbar an das Bundesamt für Ernährungssicherheit zu entrichten" (RV 117 BlgNR 22. GP 10).

Diese Aussage in der Regierungsvorlage ist allerdings in Zusammenschau mit dem damaligen Gesetzeswortlaut zu beurteilen. Der letzte Satz des § 6 Abs 6 GESG lautete: "Gebühren für Probenahmen und Untersuchungen anläßlich der Kontrolle, ausgenommen solcher, welche nach gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vorgesehen sind, fallen jedoch nur dann an, wenn Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen der in Abs. 1 angeführten Bundesgesetze festgestellt werden." Eine solche Zuwiderhandlung wird zweifelsohne auch im Rahmen einer Ermahnung festgestellt.

Durch BGBl. I Nr. 87/2005 wurde jedoch § 6 Abs. 6 letzter Satz GESG durch den jetzigen Wortlaut ersetzt. Den Materialien zufolge soll "[d]ie im neuen letzten Satz vorgesehene Regelung […] im Interesse einer raschen, sparsamen und zweckmäßigen Verwaltung ermöglichen, dass die Gebühren des Bundesamtes für Ernährungssicherheit im Straferkenntnis der Bezirksverwaltungsbehörde vorzuschreiben sind" (RV 968 BlgNR 22. GP 12). Durch diese Änderung gibt der Gesetzgeber – jedenfalls aufgrund mangelnder gegenteiliger Hinweise – zu erkennen, dass offenbar nicht – wie möglicherweise ursprünglich intendiert – jede Zuwiderhandlung einen Gebührenanspruch auslösen soll, sondern nur jene Übertretungen, die auch ein Straferkenntnis nach sich ziehen.

Abschließend sei erwähnt, dass es sich bei den vorgeschriebenen Gebühren um keine nach gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vorzuschreibende Gebühren handelt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-200383/2/Fi/Ga vom 16. Novemer 2009:

Erkenntnis

 

§ 6 Abs. 6 Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz

Bei einer bloßen Ermahnung nach § 21 VStG sind keine Gebühren nach Maßgabe eines Tarifs, denn das Bundesamt für Ernährungssicherheit festzusetzen hat, vorzuschreiben.

 

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 10.11.2011, Zl. 2010/07/0001-6

 

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