Linz, 01.12.2009
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch RA Mag. X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 19. Oktober 2009, Zl. VerkR96-2376-2009, nach der am 30. November 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Der Berufung wird im Punkt 1. u. 2. Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird in diesen Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt;
In den übrigen zwei Punkten wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
II. Im Punkt 1. u. 2. entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge; im Punkt 3. u. 4. werden dem Berufungswerber zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren16,-- Euro und 7,20 Euro auferlegt.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1, 51 und 51e Abs.1 Z1 VStG.
Zu II.: § 66 Abs.1 § 64 Abs.1 u. 2VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wider die Berufungswerber vier Geldstrafen (3 x 80 Euro u. 1 x 36 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 3 x 36 Stunden und 1 x 18 Stunden verhängt, weil er sich als Lenker des Fahrzeuges, X, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprach, da festgestellt wurde, dass die für die Verkehrs- und betriebssichere Verwendung des PKW maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenutzer oder ihrer Fahrzeuge entstehen, weil 1. Es wurde festgestellt, dass folgende nicht typisierte Teile angebracht waren:
Fahrwerksfedern unbekannter Marke, rot
Tatzeit: 04.07.2009, 14.00 Uhr
Tatort: Gemeinde Naarn im Machlande, L1422 bei km 6.100.
Dadurch sei nach § 102 Abs. 1 KFG i.V.m. § 4 Abs. 2 KFG verstoßen worden.
2. sei festgestellt worden, dass die Bodenfreiheit im Bereich der Vorderachse lediglich 9 cm betrug.
Tatzeit: 04.07.2009, 14.00 Uhr
Tatort: Gemeinde Naarn im Machlande, L1422 bei km 6.100
Dadurch sei nach § 102 Abs. 1 KFG i.V.m. § 4 Abs. 2 KFG verstoßen worden
3.sei festgestellt worden, dass das Bodenblech im Bereich des Fahrersitzes großflächig durchgerostet war.
Tatzeit: 04.07.2009, 14.00 Uhr
Tatort: Gemeinde Naarn im Machlande, L1422 bei km 6.100
Dadurch sei nach § 102 Abs. 1 KFG i.V.m. § 4 Abs. 2 KFG verstoßen worden und
4. habe er sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprach, da festgestellt worden sei, dass am PKW keine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette angebracht war.
Die Gültigkeit der Plakette TER 1626 mit der Lochung 09/08 war abgelaufen.
Tatzeit: 04.07.2009, 14.00 Uhr
Tatort: Gemeinde Naarn im Machlande, L1422 bei km 6.100
Dadurch habe er nach § 102 Abs. 1 i.V.m. § 36 lit. e und § 57a Abs. 5 KFG verstoßen.
1.1. Die Behörde erster Instanz führte in der Begründung Folgendes aus:
„Die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung, die von Ihnen nicht bestritten wird, ist aufgrund der Anzeige als erwiesen anzusehen.
Ihr Einspruch vom 20.07.2009 wurde fristgerecht erhoben. In Ihrer Stellungnahme vom 31.08.2009 verweisen Sie vor allem darauf, dass Ihnen eine ordnungsgemäße Überprüfung des PKW X vor Inbetriebnahme des Fahrzeuges aufgrund Ihres Gesundheitszustandes nicht zumutbar war. In diesem Zusammenhang wird festgestellt, dass Ihr gesundheitlicher Zustand Sie nicht von Ihren Pflichten als Lenker gemäß § 102 KFG entbindet. Darüber hinaus wird darauf verwiesen, dass ungeachtet Ihrer Krankengeschichte Ihr Gesundheitszustand zum Tatzeitpunkt offensichtlich zuließ, einen PKW zu lenken. Damit trafen Sie auch die Pflichten als Lenker gemäß § 102 KFG.
Die verhängte Strafe wurde unter Bedachtnahme auf Ihre soziale und wirtschaftliche Lage festgesetzt und entspricht dem Ausmaß des Verschuldens.
Mildernde oder erschwerende Umstände liegen nicht vor.
Die Vorschreibung der Kosten des Strafverfahrens ist in der im Spruch zitierten Gesetzesstelle begründet.
Aufgrund Ihrer Angaben in der Stellungnahme vom 31.08.2009 und deren Wertung gelangt die Behörde zur Auffassung, die Strafe so wie im Spruch angeführt festzusetzen.“
2. In der dagegen fristgerecht durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter eingebrachten Berufung wird nachfolgendes ausgeführt:
3. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war angesichts des Berufungsvorbringens, insbesondere mit Blick auf die bestreitende Verantwortung zu allen Punkten gemäß § 51e Abs.1 Z1 VStG erforderlich.
3.1. Beweis erhoben wurde durch Verlesung des Verfahrensaktes, sowie Einvernahme des Berufungswerbers und die Eröterung des Gutachtens des Amtssachverständigen Ing. Pillinger im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Das in identer Sache auch gegen die Zulassungsbesitzerin zu VwSen-164563 geführte Verfahren wurden im Einvernehmen mit den Parteien gemeinsam geführt.
4. Sachverhalt:
Der Berufungswerber lenkte zum oben angeführten Zeitpunkt den benannten Pkw.
In Vermeidung von Wiederholungen ist auf das Gutachten der Landesprüfstelle Oö. vom 4. Juli 2009 und die darin festgehaltenen Mängel, sowie auf die Ausführungen des angefochtenen Bescheides hinzuweisen.
Wie im Rahmen der Berufungsverhandlung vom Berufungswerber an sich unwiderlegbar dargestellt, erwarb er dieses Fahrzeug im Dezember 2007 von einem privaten Verkäufer aus Wels um etwa 2.000 Euro. Es wurde von der im 90 Lebensjahr stehenden Grußmutter des Berufungswerber finanziert, weil diese auf diverse Fahrleistungen des Berufungswerbers (ihres Enkels) angewiesen ist. Aus diesem Grund entschloss man sich auch auf die Zulassung auf die Großmutter vorzunehmen, weil dadurch auch die motorbezogene Versicherungssteuer eingespart werden könne.
Im Anschluss an diesen Kauf wurde vom Arbö eine Plankette gemäß § 57a Abs.4 KFG ausgestellt, wobei nur leichte Mängel festgestellt wurden.
Anlässlich eines Telefonates seitens des Verhandlungsleiters mit der 89-jährigen X konnte festgestellt werden, dass diese einen geistig sehr rüstigen Eindruck machte, wobei sie in Kenntnis dieses Zulassugnsbesitzes ist. Die entsprechende Vollmacht an den Versicherungsvermittler besteht aus dem Jahr 2006.
Ebenfalls hat der Berufungswerber im Rahmen der Berufungsverhandlung glaubhaft gemacht, dass er an diesem Fahrzeug seit oder nach dem Kauf keine Veränderungen vorgenommen hat. Jedoch habe er wegen eines Unterarmbruches das Fahrzeug mehrere Monate nicht betreiben können, sodass letztlich die Wiederkehrende Begutachtung (Markierung der Plankette 09/08) angeblich übersehen wurde. Ebenfalls erklärt der Berufungswerber nie unter dem Teppich des Fahrersitzes geblickt zu haben, sodass ihm letztlich die etwa 10 cm lange und etwa 4 cm breite Durchrostung der Bodenplatte verborgen geblieben wäre. Das dieser Mangel nicht kurzfristig auftrat, sowie die nicht von der Typisierung umfassten Federn erst nach der Erstzulassung eingebaut wurden, wurde vom Sachverständigen bestätigt. Seitens des Sachverständigen konnte jedoch nicht klargestellt werden, ob die Nachrüstung mit den relativ neu erscheinenden „roten Federn“ und die darin bedingte Tieferlegung allenfalls erst nach dem Ankauf durch den Berufungswerber erfolgt sein könnte.
Diesbezüglich war letztlich doch dem Berufungswerber zu folgen, dass ihm dieser Mangel verborgen geblieben war und er diesen als nicht Fachkundiger auch nicht bemerken musste.
Entgegen der rechtsirrigen Auffassung der Behörde liegt in diesen Punkten daher keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Berufungswerbers als Lenker vor. Der § 102 Abs.1 KFG stellt ausdrücklich darauf ab, dass der Lenker nur zumutbare Erhebungen vor der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges zu treffen hat.
Andererseits ist es einem Fahrzeuglenker aber sehr wohl zumutbar eine derart gravierende Durchrostung festzustellen. Dies wäre mit bloßem Aufheben des Teppichs im Fußraum des Fahrers möglich gewesen. Diesbezüglich musste wohl massive Feuchtigkeit eingedrungen sein, welche jedenfalls einem durchschnittlich sorgfältigen Fahrzeuglenker zumindest nicht über längere Zeit verborgen bleiben konnte. Ebenso trifft dies für die unterbliebene Vorführung zur wiederkehrenden Begutachtung zu, welche hier ganze neun Monate überzogen gewesen ist. Auch das kann der Berufungswerber nicht mit seiner Verletzung und der daraus resultierenden Lenkabstinenz plausibel erklären.
Da jedenfalls das Fahrzeug auch während der krankheitsbedingten Nichtverwendung angemeldet war, kommt – wie auch die Behörde erster Instanz zutreffend feststellt - der diesbezüglichen Verantwortung des Berufungswerbers allenfalls ein schuldmildernder nicht aber aber ein schuldbefreiender Aspekt zu.
5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Auch hier kann in Vermeidung von Wiederholungen auf die von der Behörde erster Instanz zutreffend vorgenommenen Subsumption der festgestellten Mängel gemäß den Bestimmungen verwiesen werden (siehe Pkt 1.1.).
Gemäß § 5 VStG genügt wohl, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter/die Täterin nicht glaubhaft macht, dass ihn/sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation führt dies aber dennoch nicht zu einer völligen Beweislastumkehr. Der Verfassungsgerichtshof geht nämlich vielmehr davon aus, dass der § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG nicht etwa bewirkt, dass ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hat (VfSlg. 11195/1986). Vielmehr hat die Behörde die Verwirklichung des (objektiven) Tatbestandes durch den Beschuldigten nachzuweisen und bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären.
Das Gesetz befreit die Behörde in Anbetracht der regelmäßigen Sachlage nur insoweit von weiteren Nachforschungen über die subjektive Tatseite (insbesondere einen Irrtum über den Sachverhalt oder die allfällige Unmöglichkeit, das Verbot zu beachten), als das entgegen dem Anschein behauptete Fehlen des Verschuldens, hier in Form einer glaubhaften Unkenntnis eines Mangels, nicht glaubhaft ist.
Dies trifft für den Vorwurf der nicht ausreichenden Bodenfreiheit und der nachgerüsteten und nicht typisierten Federn zu.
Er musste aus diesen Gründen keinen begründeten Verdacht hegen, dass die gegenständlichen Fahrwerksfedern nicht typisiert bzw. illegal eingebaut wurden. Ein Verstoß gegen § 102 Abs.1 KFG kann ihm diesbezüglich weder als Lenker bzw. § 33 Abs.1 KFG auch nicht der Zulassungsbesitzerin als subjektiv tatseitiges Fehlverhalten vorgeworfen werden, sodass diesbezüglich eine Bestrafung des Berufungswerbers nicht zulässig ist.
Abschließend ist daher betreffend die Punkt 1. u. 2. iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG festzustellen, dass selbst schon bei bloßem Zweifel am Tatvorwurf von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).
6. Zur Strafzumessung:
Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
6.1. Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Festgestellt wird, dass die Druchrostung als erheblicher Mangel eingestuft wurde, welcher – so wie auch die abgelaufene Begutachtungsplakette – leicht vermeidbar gewesen wäre. In den dafür ausgesprochenen Strafen kann mit Blick auf den jeweils bis 5.000 Euro reichenden Strafrahmen ein Ermessensfehler der Behörde erster Instanz nicht erblickt werden.
Trotz der Verbindlichkeiten des Berufungswerbers und seines Einkommens von 1.400 Euro in Verbindung mit der Sorgepflicht für zwei Kinder sind die Geldstrafen als sehr milde zu bezeichnen. Strafmildernde oder straferschwerende Umstände gibt es keine zu berücksichtigen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r