Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164051/2/Kei/Bb/Th

Linz, 29.12.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung des Herrn X, geb. X, wohnhaft X, vom 19. März 2009, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 10. März 2009, GZ VerkR96-8106-2007, wegen einer Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) und der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), zu Recht:

 

 

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren in beiden Spruchpunkten eingestellt.

 

II.              Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und Z3, 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

 

1.1. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat Herrn X (dem Berufungswerber) mit Straferkenntnis vom 10. März 2009, GZ VerkR96-8106-2007, vorgeworfen, er habe als Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen X am 8. Oktober 2007 um 16.20 Uhr in der Gemeinde Braunau am Inn, Neue Heimat x,

1) kein geeignetes Verbandszeug, das zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt war, mitgeführt; es sei nicht zur Wundversorgung geeignet gewesen und

2) die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung nicht angezeigt zu haben, wodurch sich andere Straßenbenützer auf den bevorstehenden Vorgang nicht einstellen haben können.

 

Der Berufungswerber habe dadurch 1) eine Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs.10 KFG und 2) nach § 11 Abs.2 StVO begangen, weshalb über ihn 1) gemäß § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von 30 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und 2) gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO eine Geldstrafe von 36 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden) verhängt wurde.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 17. März 2009, richtet sich die durch Berufungswerber bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn erhobene Berufung vom 19. März 2009.

Darin bringt der Berufungswerber zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass  das abgebildete Verbandzeug im Kofferraum positioniert gewesen sei und er den Blinker betätigt hätte. Seine Familie (Vater, Mutter und Schwester) könnten bestätigen, dass das Verbandzeug nach dem Erwerb des Fahrzeuges in den Kofferraum gegeben und seitdem nie wieder rausgenommen worden sei. Das abgebildete Verbandzeug sei weder nachträglich erworben noch erst nachträglich in das Fahrzeug gegeben worden.

 

2.1. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt mit Schreiben vom 26. März 2009, GZ VerkR96-8106-2007, dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben, wobei dieser, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen ist (§ 51c VStG).

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist und zwar am 20. März 2009 persönlich bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn eingebracht und sie ist rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das mit der Berufung angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

 

Der Berufungswerber lenkte am 8. Oktober 2007 um 16.20 Uhr den - auf ihn zugelassenen -  Pkw mit dem Kennzeichen X in Braunau am Inn, auf Höhe Neue Heimat x, aus Richtung Zentrum Braunau kommend in Fahrtrichtung B 147. Entsprechend der zugrundeliegenden Anzeige der Polizeiinspektion Braunau am Inn vom 12. Oktober 2007 habe der Berufungswerber anlässlich dieser Fahrt beim Einordnen in den fließenden Verkehr kein Blinksignal gesetzt. Des Weiteren sei anlässlich der nachfolgenden Verkehrsanhaltung von den  Exekutivbeamten X und X unter anderem festgestellt worden, dass der Berufungswerber kein zur Wundversorgung geeignetes Verbandzeug mitgeführt habe.

 

Im Rahmen der zeugenschaftlichen Einvernahme erklärte X am 28. November 2007 vor der Bezirkshauptmannschaft Braunau im Inn zusammengefasst im Wesentlichen, dass das beanstandete Verbandzeug von seinem Kollegen X eingehend begutachtet und dabei festgestellt worden sei, dass dieses nicht genormt gewesen sei und somit nicht den Erfordernissen des § 102 Abs.10 KFG entsprochen habe. Das mitgeführte Verbandzeug habe keinesfalls jenem auf dem abgebildeten Foto, welches der Lenker im Verwaltungsstrafverfahren vorgelegt habe, entsprochen. Das kontrollierte Verbandzeug habe sich in keinem Koffer, wie abgebildet, befunden. Während der Verkehrskontrolle seien sämtliche Leuchten auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft worden. Die Blinker (vorne und hinten) hätten einwandfrei funktioniert. Trotz der schwarz besprühten Rückleuchten wäre das Blinklicht deutlich erkennbar gewesen, sodass er und sein Kollege, wäre tatsächlich im Zuge des Einordnens geblinkt worden, dies auch gesehen hätten. 

 

2.6. Die Feststellungen zum Sachverhalt ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn.  

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Zur Übertretung nach § 102 Abs.10 KFG:

 

Gemäß der gesetzlichen Bestimmung des § 102 Abs.10 KFG hat der Lenker auf Fahrten Verbandzeug, das zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt ist, mitzuführen.

 

3.2. Weder die zitierte Bestimmung des § 102 Abs.10 KFG noch eine andere Rechtsnorm konkretisiert, wie das in einem Kraftfahrzeug mitzuführende Verbandszeug zu beschaffen sein hat. Es wird ausschließlich gefordert, dass dieses zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt sein muss. In den erläuternden Anmerkungen zu § 102 Abs.10 KFG (vgl. Grundtner – KFG, 5. Auflage, Anm 67, Seite 667) heißt es dazu, dass das Verbandzeug nicht der ÖNORM entsprechen muss, es muss lediglich steril und staubdicht verpackt sein.

 

Wenn die Erstbehörde, wie im angefochtenen Straferkenntnis vermeint, dass das vom Berufungswerber mitgeführte Verbandszeug nicht zur Wundversorgung geeignet gewesen sei, so hätte sie dies zumindest in der Begründung des Straferkenntnisses entsprechend ausführen müssen. Laut Zeugenaussage von X sei das beanstandete Verbandzeug nicht genormt gewesen, habe sich in keinem solchen Koffer, wie im Akt abgebildet, befunden und habe deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen. Es wurde weder in der Anzeige, noch in der zeugenschaftlichen Niederschrift noch im Straferkenntnis naher dargelegt und angeführt, wie das beanstandete Verbandzeug tatsächlichen beschaffen war, welchen Inhalt es aufwies, weshalb dieses nicht zur Wundversorgung geeignet war noch dass dieses nicht in einem sonstigen widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt bzw. nicht gegen Verschmutzung geschützt war. Ohne konkrete Ausführungen über die tatsächliche Beschaffenheit des Verbandzeuges bzw. weitere Kriterien, welche Anlass zur Bedenklichkeit der Eignung zur Wundversorgung begründen würden, können jedoch im vorliegenden konkreten Falle nicht festgestellt werden, weshalb nicht - mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit - schlechthin davon ausgegangen werden kann, dass dieses nicht zur Wundversorgung geeignet war und nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat, weshalb im Zweifel der Berufung stattzugeben und diesbezüglich das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen war.

 

3.3. Zur Übertretung des § 11 Abs.2 StVO:

 

Gemäß § 11 Abs.2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können.

 

3.4. § 11 Abs.2 StVO legt dem Fahrzeuglenker die Pflicht auf, die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, dass sich andere (betroffene) Straßenbenützer darauf einstellen können und z.B. nachkommende Fahrzeuglenker die Möglichkeit haben, sich auf das Verhalten des vor ihnen fahrenden Verkehrsteilnehmers einzurichten. Zweck dieser Regelung liegt in der rechtzeitigen Information anderer Straßenbenützer über ein bevorstehendes Fahrmanöver nach § 11, um diese in die Lage zu versetzen, durch das Ergreifen entsprechender Maßnahmen (wie z.B. Temporeduktion, Anhalten udgl.) dazu beizutragen, dass eine Behinderung, Gefährdung oder gar ein Verkehrsunfall vermieden wird.

Ein wesentliches Tatbestandsmerkmal dieser Übertretung liegt in dem Vorwurf, dass der Fahrzeuglenker die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder der Wechsel des Fahrstreifens nicht so rechtzeitig angezeigt hat, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen konnten. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung muss die diesbezügliche Fahrtrichtungsänderung bzw. der Fahrstreifenwechsel aber nicht in jedem Fall angezeigt werden, sondern nur dann, wenn andere Straßenbenützer in Betracht kommen, welche durch den Vorgang behindert oder gefährdet werden können. Die Anzeige der Fahrtrichtungsänderung bzw. des Wechsels des Fahrstreifens ist somit dann nicht erforderlich, wenn ein anderer Straßenbenützer, der sich auf den angezeigten Vorgang einzustellen hätte bzw. gefährdet oder behindert werden könnte, nicht vorhanden ist.

 

Im Spruch des angefochtenen erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde zwar im Anschluss an den Vorwurf, die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung nicht angezeigt zu haben, das wesentliche Tatbildmerkmal, das "sich andere Straßenbenützer nicht auf den Vorgang einstellen konnten", aufgenommen, allerdings enthält auch in diesem Punkt weder die Anzeige noch die Zeugenaussage des Meldungslegers ausreichend konkrete Ausführungen in der Richtung, dass bzw. inwieweit sich andere Straßenbenützer wegen der Nichtanzeige nicht auf die Fahrtrichtungsänderung hätten einstellen können. Die Erstinstanz hat es unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, ob bzw. inwieweit durch den Vorgang des Berufungswerbers jemand gefährdet oder behindert hätte werden können. Diese Feststellungen sind aber erforderlich, um beurteilen zu können, ob die Änderung der Fahrtrichtung anzuzeigen gewesen wäre oder nicht.

 

Es wird auf die im folgenden wiedergegebenen Ausführungen aus Pürstl-Somereder, "Straßenverkehrsordnung", 11. Auflage, Manz-Verlag, S.228, E 72, hingewiesen: "In einer Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist innerhalb der im § 31 Abs.2 VStG festgesetzten sechsmonatigen Frist zu beschreiben, welche bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung vom Fahrzeuglenker nicht angezeigt wurde und ob bzw. worin die Voraussetzungen für eine solche Anzeigepflicht bestanden. VwGH 17.10.1984, 82/03/0061."

Im gegenständlichen Zusammenhang ist innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keine solche taugliche Verfolgungshandlung gesetzt worden.

 

Aus den angeführten Gründen war auch der Berufung hinsichtlich dieser vorgeworfenen Verwaltungsübertretung stattzugeben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Es war spruchgemäß (Spruchpunkt I.) zu entscheiden.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch (Spruchpunkt II.) angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr.  Michael  K e i n b e r g e r