Linz, 21.12.2009
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Herrn X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, vom 22.12. 2008, Zl. VerkR96-9865-2007, nach der am 21.12.2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
II. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden dem Berufungswerber zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten 16 Euro (20% der der verhängten Geldstrafe) auferlegt. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009 – AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009 – VStG.
Zu II. § 64 Abs.1 u. 2VStG
Entscheidungsgründe:
1.1. Begründend wird dies mit den nachfolgenden Ausführungen:
2. Dem tritt der Berufungswerber mit seiner dagegen fristgerecht protokollarisch angebrachten Berufung entgegen. Der Berufungswerber verweist darin auf sein bisheriges Vorbringen. Im Rahmen seiner Beschuldigtenverantwortung am 28.10.2008 und am 2.12.2009 vor der Berufungsbehörde vermeint er sich an die damalige Situation noch gut erinnern zu können. Ihm sei jedenfalls unmittelbar vor der Einfahrt in den Straßenzug ein Polizeifahrzeug nicht aufgefallen. Dies erst einige Sekunden nachdem er sich auf dieser Straße befand. Das Polizeifahrzeug hätte regelrecht beschleunigt und dies vermutlich deshalb um ihm eine Vorrangverletzung „anhängen“ zu können.
Auf der B 145 sei er dann mehrfach vom Lenker dieses Polizeifahrzeuges mittels Lichthupe angeblinkt worden. In der Folge sei er überholt und angehalten worden. Er sei dann auch vom Beamten beschimpft worden. Wegen Verletzung der Gurtenpflicht habe er sofort ein Organmandat bezahlt.
Den Vorwurf der Vorrangverletzung könne er jedoch nicht zu Kenntnis nehmen.
3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war wegen der bestrittenen Faktenlage erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt. Im Vorbereitung der Berufungsverhandlung wurde ein Luftbild von der fraglichen Örtlichkeit beigeschafft.
Der Berufungswerber entschuldigte seine Nichtteilnahme mit einem gebuchten Urlaub, er wurde jedoch über seinen eigenen Wunsch und unter Verzicht auf die weitere Anberaumung einer Berufungsverhandlung am 2.12.2009 zum Sachverhalt befragt, wobei er diesen umfassend und an Hand eines beigeschafften Luftbildes darlegte.
Die Weg-Zeit-Rechnung erfolgte mittels Analyzer Pro 32 Version 6.
Der Meldungsleger wurde schließlich im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung als Zeuge einvernommen.
4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:
Der Berufungswerber lenkte vor nunmehr 2 ½ Jahren, nämlich am 30.7.2007 um 18:45 Uhr, seinen Pkw vom Vorplatz der BP-Tankstelle an der Bahnhofstraße nach rechts abbiegend in Richtung Gmundnerstraße und folglich auf der B145 Rtg. Pinsdorf. Der Einbiegevorgang erfolgte mit normaler Fahrgeschwindigkeit, wobei ihm – wie er ausführte – beim Blick nach links kein Fahrzeug aufgefallen sein will. Die Sichtweite links wurde vom Berufungswerber mit 50 bis 60 m angegeben, wobei dies, am Luftbild nachvollziehbar, mit den tatsächlichen Gegebenheit nicht in Einklang steht. Tatsächlich beträgt die Wegstrecke ab der als Kreisverkehr bezeichneten Kreuzung etwa 200 m. Der Zeuge bezeichnet die Sichtdistanz bis zur Tankstellenausfahrt mit etwa 150 m.
Der Zeuge gab im Rahmen der Berufungsverhandlung an sich mit vielleicht 35 km/h dem Ausfahrtsbereich genähert zu haben und erst kurz vorher in den dritten Gang geschaltet gehabt zu haben. Dabei habe er die Annäherung des Berufungswerbers an die Gmundnerstraße beobachtet und ob dessen geringen Geschwindigkeit gedacht der Berufungswerber würde anhalten. Das Fahrzeug des Berufungswerbers habe er angesichts der mit diesem bereits wiederholt geführten Amtshandlungen bereits im Zuge der Annäherung erkennen können. Der Berufungswerber habe mit ihm Blickkontakt gehabt, sei jedoch dann völlig unerwartet, etwa fünf bis acht Meter vor ihm herausgefahren. Dadurch wurde er zu einer Bremsung veranlasst.
Diese Darstellung ist nicht nur deshalb glaubwürdig, weil der Zeuge einen sehr sachlichen und glaubwürdigen Eindruck hinterließ, sondern sich diese Darstellung auch vom Weg-Zeit-Diagramm nachvollziehen lässt. Geht man davon aus, dass dieses Fahrmanöver mit einer für ein rechtwinkelige Einbiegen in einen Straßenzug von einer Haus- u. Grundstücksausfahrt realistischen Geschwindigkeit von 10 km/h erfolgt ist, erzwingt dies unweigerlich zu einer Bremsung im Umfang von 1,5 m/sek2 eines bereits auf acht Meter mit 35 km/h angenäherten Fahrzeuges (Berechnung mit Analyzer Pro 32 Version 6) ungebremst. Wäre es zu einem Auffahren auf den vorrangverletzenden Pkw durch eine Überschneidung (sogenannte Fehlbremsstrecke) von 2,57 m gekommen.
Diese Fakten lassen sich gut mit dem Angaben des Meldungslegers in Einklang bringen.
Als nicht nachvollziehbar erweist sich demgegenüber die Darstellung des Berufungswerbers, der etwa die Sichtweite nach links nur mit 50 bis 60 m bezeichnete. Dies entspricht nicht den örtlichen Gegebenheiten. Es ist ferner auszuschließen, dass dem Berufungswerber das Polizeifahrzeug nicht schon im Zuge der Annäherung aufgefallen wäre. Das Polizeifahrzeug konnte nicht gleichsam aus dem Nichts aufgetaucht sein.
In diesem Zusammenhang ist auch auf die Verantwortung des Berufungswerbers gegenüber dem Meldungsleger hinzuweisen, wonach er laut Anzeige meinte „das Polizeiauto nicht gesehen zu haben oder es könne auch zu schnell gewesen sein“.
Selbst wenn es mit 50 oder 60 km/h unterwegs gewesen wäre, wäre es als von links kommend deutlich länger als 10 Sekunden vor Erreichen der Tankstellenausfahrt sichtbar gewesen (s. Bildbeilage).
Wenn der Berufungswerber offenbar versucht dem Lenker des Polizeifahrzeuges gleichsam rowdyhaftes Verhalten vorzuwerfen und ihn gewisser Maßen als „Hardliner“ zu diskreditieren spricht dies für sich. Jedenfalls ist dies objektiv unbelegt. Insbesondere vermag die Berufungsbehörde dem bei der Berufungsverhandlung äußerst sachlich in Erscheinung getretenen Polizeibeamten eine willkürliche Anzeige schlichtweg nicht zusinnen.
So ergibt auch die Darstellung des Berufungswerbers anlässlich der Anhaltung und im Rahmen seiner Einvernahme am 2.12. einen unlösbaren Widerspruch, sodass letztlich seiner Verantwortung auch mangels logischer Nachvollziehbarkeit nicht gefolgt werden konnte.
Unmittelbar nach dem Vorfall versuchte der Meldungsleger den Berufungswerber durch Betätigung der Lichthupe auf sein Fehlverhalten aufmerksam zu machen. Darauf reagierte der Berufungswerber nicht, sodass es zur Nachfahrt mittels Blaulicht und nachfolgender Anhaltung nach mehr als 200 m im Bereich der Einmündung in die B 145 kam.
Der Meldungsleger wusste auch von bereits mehreren Amtshandlungen gegen den Berufungswerber insbesondere wegen Telefonierens ohne Freisprecheinrichtung und Verletzung der Gurtenpflicht, sowie der fehlenden Einsicht und Bereitschaft an die diesbezügliche Verbundenheit mit den Vorschriften des KFG zu berichten. Das der Meldungsleger ob dieses Fahrerverhaltens den Berufungswerber etwas forsch gerügt haben mag, kann als allgemein begreiflich gelten und spricht zusätzlich für die Darstellung des Zeugen.
Nicht zuletzt unterstreichen aus der Sicht der Berufungsbehörde auch die seit dem Jahr 2006 bestehenden Vormerkungen zumindest eine mangelhafte Verbundenheit mit diversen Verwaltungsvorschriften. Darunter auch eine Übertretung der StVO (Sicherheitsabstand) und des KFG (Gurtenpflicht).
Vor all diesem Hintergrund war letztlich die Darstellung des Berufungswerbers als reine Schutzbehauptung zu werten.
Der Berufungswerber verzichtete auf das Fragerecht an den Zeugen, indem er zum vorgesehenen Verhandlungstermin nicht verfügbar war, er sich jedoch aus Kostengründen auch nicht vertreten lassen wollte. Es wurde ihm vorweg dargelegt, dass ein Urlaub keinen Grund zur Vertagung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung in eigener Sache darstelle.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:
Gemäß § 19 Abs.6 StVO 1960 haben Fahrzeuge im fließenden Verkehr den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen oder dgl. kommen.
Wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), darf durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen (Abs.7 leg.cit.).
Ein solches Bremserfordernis war hier, wie oben ausführlich dargelegt, durch das nur maximal acht Meter vor dem Polizeifahrzeug durchgeführte Abbiegemanöver zwingend.
Der Berufungswerber hätte daher bei gehöriger Aufmerksamkeit vor dem Einbiegemanöver das Fahrzeug des Berufungswerbers wahrnehmen und dessen Vorfahrtsrecht beachten müssen. Somit ist ihm zumindest schuldhaftes Verhalten in Form von grober Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Durch sein Verhalten hat er den Zeugen zum unvermittelten Abbremsen und auch zum Ablenken des Fahrzeuges genötigt, wie § 19 Abs.7 StVO 1960 eine sogenannte "Vorrangverletzung" definiert.
6. Zur Strafbemessung:
Hier schließt sich die Berufungsbehörde, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, im Wesentlichen den Ausführungen der Erstbehörde im angefochtenen Straferkenntnis an. Der Unwertgehalt einer Vorrangverletzung ist ob der daraus resultierenden hohen Unfallsneigung als durchaus schwerwiegend anzusehen.
Der Berufungswerber verfügt als Unternehmer laut Angabe gegenüber der Behörde erster Instanz über ein Monatseinkommen von 4.000 Euro.
Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
6.1. Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140, mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).
Vor diesem Hintergrund ist hier die Strafe trotz des Milderungsgrundes des langen Zurückliegen der Tat und der unerfindlich langen erstinstanzlichen Verfahrensdauer noch sehr milde bemessen worden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r