Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522423/5/Bi/Th

Linz, 18.12.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vom 30. Oktober 2009 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 16. Oktober 2009, FE-1298/2009, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, Lenkverbot, Aberkennung des Rechts gemäß § 30 FSG und Anordnung der Ablieferung des Führerscheins, zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid zur Gänze behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 7, 24, 25, 29, 30, 32 FSG die von der BPD Linz am 18.5.2001, F- 2109/2001, für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrs­zu­verlässigkeit für die Dauer von drei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides entzogen und für den selben Zeitraum ein Lenkverbot für Motorfahrräder, vier­rädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge ausgesprochen sowie das Recht aberkannt, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkbe­rechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Außerdem wurde ihm aufge­tragen, den Führerschein ab Rechtskraft des Bescheides unverzüglich der Behörde abzuliefern.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 16. Oktober 2009.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw beantragt die Herabsetzung der Entziehungsdauer von drei Monaten auf einen Monat, weil er beruflich im Außendienst tätig sei und bei drei Monaten ohne Lenkberechtigung seinen Job verlieren werde. Bei einer Entziehungsdauer von einem Monat könnte er seinen Job behalten. Es habe sich die 1. derartige Übertretung gehandelt, er habe bei einer Jahresfahrleistung von 100.000 km auch noch nie höhere Geschwindigkeitsüber­tretungen begangen, daher hoffe er auf Verständnis und nehme sogar eine höhere Strafe in Kauf.    

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw mit – hinsichtlich des Schuldspruchs in Rechts­kraft erwachsener – Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 13. August 2009, Zl. X-9-2009/16761, einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 schuldig erkannt wurde, weil er am 5. Mai 2009, 9.19 Uhr, in Götzis, A14 bei km 27.510, in Fahrtrichtung Deutschland als Lenker des Fahrzeuges x zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten habe, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst würde. Mittels Videomessung sei ein zeitlicher Abstand von 0,17 Sekunden festgestellt worden.

Aus der vorliegenden Anzeige geht hervor, dass bei einer mit dem genannten Pkw eingehaltenen Geschwindigkeit von (nach Abzug der Toleranz) 112 km/h ein Abstand von 5 m eingehalten wurde, wobei mittels Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,17 Sekunden errechnet wurde.

Mit Bescheid der BH Feldkirch vom 7.9.2009, X-9-2009/16761, wurde dem Einspruch gegen das Ausmaß der mit der Strafverfügung verhängten Strafe insofern Folge gegeben, als die Strafe herabgesetzt wurde.

 

Seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates wurde die Videoaufzeichnung samt Eichschein des Verkehrsgeschwindigkeitsmessgerätes VKS 3.0, IdNr.A02, vom Landespolizeikommando für Vorarlberg eingeholt. Daraus lässt sich ersehen dass das verwendete Geschwindigkeitsmessgerät zuletzt vor der ggst Messung am 8. Mai 2008 mit Nacheichfrist bis 31. Dezember 2011 vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen geeicht wurde.

Aus dem Video lässt sich ersehen, dass der vom Bw gelenkte Pkw mit erkennbar sehr geringem Abstand hinter einem Pkw auf der Überholspur nachfährt, wobei beide einen Lkw überholt haben. Die Auswertung zeigt, dass der Bw bei einer tatsächlich eingehaltenen Geschwindigkeit von (nach Toleranzabzug) 112 km/h einen Abstand von aufgerundet nur 5 m, dh bezogen auf die Geschwindigkeit 112 km/h lediglich 0,17 Sekunden eingehalten hat, was etwa einer Viertelsekunde entspricht. Das Kennzeichen X ist in der Auswertung eindeutig ablesbar, dh ein Irrtum dahingehend ausgeschlossen. Die Übertretung wurde mit einem technisch einwandfreien Gerät festgestellt. Der Bw hat den Abstandswert in der Berufung nicht bestritten. Die Strafverfügung ist rechtskräftig.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4)  nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt wer­den, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) an­ge­­nommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraft­fahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunken­heit oder einen durch Sucht­mittel oder durch Medikamente beein­träch­tigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z3 FSG zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraft­fahr­zeuges maßgebenden Verkehrs­vor­schriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbe­sondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstge­schwin­dig­keit vor Schulen, Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutz­wegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhält­nissen, das Nichteinhalten des zeitlichen Sicher­heitsabstandes beim Hinterein­anderfahren, sofern der zeitliche Sicherheits­abstand eine Zeitdauer von 0,2 Sekunden unterschritten hat und die Übertretung mit technischen Messgeräten festgestellt wurde, oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrs­zuverlässigkeit eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

Gemäß der oben zitierten rechtskräftigen Strafverfügung vom 13. August 2009, Zl. X-9-2009/16761, hat der Bw eine Verwaltungsübertretung gemäß §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begangen. Der Unabhängige Verwaltungs­senat ist im Verfahren betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung an diesen rechts­kräftigen Schuldspruch gebunden, sodass zweifelsohne vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z3 FSG auszugehen war; dafür ist gemäß § 25 Abs.3 FSG eine Mindestentziehungsdauer von drei Monaten vorgesehen.

 

Eine derart massive Unterschreitung des 2 Sekunden-Abstandes - bei 112 km/h legt das Fahrzeug 31 m/sek zurück, dh 5 m Nachfahrabstand bei 112 km/h entspricht nicht einmal 1/4 Sekunde – ist immer wieder Ursache für schwerste Verkehrsunfälle, da ein rechtzeitiges Abbremsen oder Auslenken bei einem derartigen Abstand schon aufgrund der Reaktions- und Bremsschwellzeit des hinteren Lenkers schlicht unmöglich ist. Daraus folgt, dass bereits der geringste Fahrfehler des vorderen Lenkers bei einer nicht oder zu spät vorhersehbaren erforderlichen Bremsung mit Sicherheit zu einem Auffahrunfall führt. Auch ist die körperliche Verfassung des Lenkers des vorderen Fahrzeuges von hinten ebenso wenig abschätzbar und wie die Verwendung des Sicherheitsgurtes durch den vorderen Lenker sowie die Anzahl und körperlichen Verfassung der in diesem Fahrzeug beförderten Personen erkennbar ist. Der Bw konnte als nachfolgender Lenker auch nicht ausschließen, die Insassen, insbesondere den Lenker des vorderen Fahrzeuges, einer Gesundheitsgefährdung (zB eines Schleudertraumas) auszusetzen. Abgesehen davon, dass der vordere Lenker ohnehin unmittelbar nach dem Überholen des Lkw auf die rechte Fahrspur wechselte, um dem Bw ein schnelleres Fahren zu ermöglichen, war der verkehrsgefährdende Nachfahr­abstand des Bw nicht nur rechtswidrig sondern schlichtweg sinnlos.

Die vom Gesetzgeber unabänderbar mit drei  Monaten bestimmte Min­dest­entziehungsdauer kann nicht durch eine höhere Strafe oder irgendwelche  Maßnahmen ersetzt oder unterschritten werden, selbst wenn die Entziehungs­dauer berufliche Nachteile nach sich ziehen sollte; bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich nicht um eine Strafe, sondern um eine Maßnahme zum Schutz der Verkehrsteilnehmer vor verkehrsunzuverlässigen Lenkern.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings im Erkenntnis vom 23. April 2002, 2001/11/0149, ausgesprochen, dass eine Entziehung der Lenkberechtigung mangels Verkehrsunzuverlässigkeit (§7 FSG) zufolge § 25 Abs.3 FSG nur dann rechtmäßig sei, wenn die Behörde aufgrund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides mit Recht annehmen durfte, es liege Verkehrsunzuverlässigkeit vor und es werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten eintreten (vgl Erk v 23.11.2001, 2000/11/0017, mit Vorjudikatur). Dem angefochtenen Bescheid liege nun die Auffassung zugrunde, der Beschwerdeführer werde die Verkehrszuverlässigkeit erst drei Monate nach Rechtskraft, dh Zustellung dieses Erkenntnisses, wiedererlangen, dh ausgehend vom Verhalten des Bw am 5. Mai 2009, bei einer Zustellung im Jänner 2010 bis März 2010 nach über 10 Monaten. Die Wertung der als erwiesen angenommenen Tatsache ließe daher die Annahme der Verkehrunzuverlässigkeit für die Dauer von insgesamt über 10 Monaten als rechtswidrig erkennen.

 

Gemäß § 7 Abs.5 FSG sind für die Wertung der Tatsachen im Sinne des Abs.3 deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Die Verwerflichkeit und die Gefährlichkeit der Verhältnisse bei einer derartig massiven Unterschreitung des Sekundenabstandes ist zweifellos als eklatant zu beurteilen. Zur seither verstrichenen Zeit ist zu bemerken, dass der Bw, der aus den Jahren 2005 und 2007 zwei im Ergebnis als geringfügig anzusehende Vormerkungen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen aufweist, sich insbe­son­dere auch seit der gegenständlichen Übertretung wohlverhalten hat.

Angesichts dessen gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, dass die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Prognose, der Bw werde seine Verkehrszuverlässigkeit erst mit März 2010 wiedererlangen, sachlich nicht begründbar ist. Von einer ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses von  noch wenigstens drei Monate andauernden Verkehrunzuverlässigkeit kann daher nach sachlichen Überlegungen nicht mehr ausgegangen werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Abstand 0,17 Sekunden, 05.05.2009 3 Monate Entziehung ab Rechtskraft würde über 10 Monaten entsprechen -> Aufhebung

 

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