Linz, 14.12.2009
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch RA Dr. X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, vom 25.09.2009, Zl. VerkR96-5345-2009, am 14.12.2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung und Einschränkung auf den Strafausspruch, zu Recht:
I. Die Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 250 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 100 Stunden ermäßig wird.
II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 25 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt der Verfahrenskostenbeitrag.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – VStG.
Zu II.: § 65 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber, wegen einer Übertretung nach § 46 Abs.4 lit.a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 365 Euro und im Nichteinbringungsfall 144 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
Es wurde ihm zur Last gelegt, er habe die Richtungsfahrbahn entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung befahren, obwohl sich dies aus Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen nicht ergeben habe.
Tatort: Gemeinde Pichl bei Wels, Autobahn Freiland, Nr. 8 bei km 19.500, Abfahrt Pichl bei Wels in Fahrtrichtung Graz.
Tatzeit: 12.05.2009, 11:00 Uhr.
Fahrzeug: Kehnzeichen X, PKW, Mercedes Benz S 600, schwarz.
1.1. Die Behörde erster Instanz traf nachfolgende Erwägungen:
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht per Fax übermittelten Berufung folgenden Inhaltes:
3. Die Behörde erster Instanz hat die Akte zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war ob des gesonderten Antrages zwingend durchzuführen (§ 51e Abs.1 VStG).
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der Behörde erster Instanz vorgelegten Verfahrensakt. Anlässlich der Berufungsverhandlung wurde die Berufung auf das Strafausmaß eingeschränkt. Der Berufungswerber wurde zum Vorfallsablauf befragt. Die Behörde erster Instanz nahm an der Verhandlung nicht teil.
Ergänzend wurde Luftbildmaterial aus dem System DORIS zum Akt genommen.
5. Zur Strafzumessung hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:
Das Ergebnis des Beweisverfahrens lässt sich dahin zusammefassen, dass der Berufungswerber laut eigenen Angaben wegen Telefonieres - wenn auch legal mit Freisprecheinrichtung - im Bereich des Knotens Wels eine Ausfahrt in Richtung Marchtrenk verpasste. Bei der nächst sich bietenden Auffahrt (Pichl) erwischte er dann beim Umkehren offenbar die für den Verkehr aus Richtung Suben komende Abfahrt. Jedoch noch vor Erreichen der eigentlichen Autobahn erkannte er seinen Fehler, wollte umdrehen und blieb dort wegen des aufgeweichten Erdreiches und dem Hinterradantrieb des KFZ an der Böschung hängen.
Durch ein zufällig vorbeifahrendes Polizeifahrzeug gelangte diese sogenannte Falschfahrt auf einer Autobahnabfahrt - durch Befahren in Gegenrichtung auf eine Distanz von über 400 m - zur Anzeige (siehe Polizeiskizze oben). Beim
12. Mai 2009 handelt es sich um einen Dienstag. Um 11:00 Uhr kann auf dem Zubringer in Richtung Schallerbach von einem durchschnittlichen Verkehrsaufkommen ausgegangen werden. Geht man vom Befahren dieser Strecke in Gegenrichtung mit einer Fahrgeschwindigkeit von nur 50 km/h aus, befand sich der Berufungswerber etwa 30 Sekunden als Falschfahrer auf den Gegenverkehrsbereich der Autobahnabfahrt. Durch die Straßenbreite von knappen fünf Metern[1] in dem unübersichtlichen Kurvenbereich des Ausfahrtbogens kann, neben den an sich schwerwiegenden Regelverstoß, konkret aber kein unmittelbares Gefährdungspotenzial anderer Verkehrsteilnehmer festgestellt werden.
Dem bislang völlig unbescholtenen und bisher offenbar unauffällig im Straßenverkehr teilnehmenden Berufungswerber kann durchaus in seiner recht lebensnah und glaubwürdig vorgetragenen Verantwortung dahingehend gefolgt werden, dass er keinesfalls grob fahrlässig oder gar vorsätzlich diese Falschfahrt gesetzt hätte. Er legte überzeugend seine in einem wichtigen Telefonat gründenden Ablenkung und den dadurch unterlaufenen Abbiegefehler dar. Dies vermag weder sein Verhalten zu rechtfertigen noch zu entschuldigen. Sehr wohl könnte durch widrige Umstände ein derartiges Fehlverhalten aber durchaus einmal jedem wertverbundenen Autofahrer passieren. Immerhin ist hier zu bemerken, dass der Berufungswerber die gefährlichen Folgen der Falschfahrt noch rechtzeitig erkannte und sofort – noch ehe er dann faktisch auf die Autobahn gelangte – durch den Versuch auf der Ausfahrt umzukehren, abwandte. Daher liegt hier ein doch graviered anders zu beurteilender Sachverhalt vor als er mit einer klassischen „Geister- oder Falschfahrt“ in typischer Weise verbunden ist.
5.1. Zweifelsfrei hat hier der Berufungswerber diese Übertretung, selbst wenn sie noch vor der Autobahn im engeren Sinne abgewendet wurde, in einer auf zumindest leichter Fahrlässigkeit beruhenden Weise verschuldet.
Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten (§ 5 VStG). Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs‑ und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140 mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25.3.1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).
Das der Berufungswerber verwaltungsstrafrechtlich nicht vorgemerkt ist, lässt den Schluss auf sein bislang tadelloses Verkehrsverhalten zu. Zu Recht hat dies daher die Behörde erster Instanz bei der Strafzumessung als mildernd gewertet. Unter Bedachtnahme auf den bis zu 726 Euro reichenden Strafrahmen erscheint daher die trotzdem von der Behörde erster Instanz verhängte Geldstrafe als überzogen und offenbar den spezifischen Fall, die in der Geisterfahrt gründende Gefährlichkeit durch Umkehren vor der Auffahrt doch selbst verhindert zu haben, nicht hinreichend berücksichtigend.
Die Berufungsbehörde sieht sich hier abschließend zur Feststellung veranlasst, dass vor dem Hintergrund des Sachlichkeitsgebotes nicht jeder Verstoß an dessen Auswirkungen des Regelfalles, sondern an den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist.
Vor diesem Hintergrund war daher das zuletzt nur mehr berufungsgegenständliche Strafausmaß schuld- und tatfolgenspezifisch angemessen zu reduzieren. Wie der Berufungswerber durch das Bedauern seines Fehlers bekannte, wird auch diese Strafe der Gerneralprävention gerecht.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r
[1] lt. Luftbildauswertung