Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222336/2/Kl/Pe

Linz, 05.01.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 22.9.2009, BZ-Pol-10086-2009, wegen Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 22.9.2009, BZ-Pol-10086-2009, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) in zwei Fällen Geldstrafen zu a) von 200 Euro (2 x 100 Euro), zu b) von 300 Euro (2 x 150 Euro) und zu c) von 100 Euro (2 x 50 Euro), für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen zu a) von 18 Stunden (2 x neun Stunden), zu b) von 28 Stunden (2 x 14 Stunden) und zu c) von 10 Stunden (2 x fünf Stunden), wegen einer Verwaltungsübertretung nach 1. § 366 Abs.1 Z3 erste Alternative und § 81 GewO 1994 und 2. § 366 Abs.1 Z3 zweite Alternative und § 81 GewO 1994 verhängt, weil er es als gewerberechtlicher Geschäftsführer und somit als im Sinne des § 370 Abs.1 GewO 1994 verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma x, zu vertreten hat, dass am Freigelände der Betriebsanlage dieser Firma am 18.1.2009

a)  um 1.10 Uhr durch das Laufenlassen eines Lastkraftwagen-Kühlaggregates am „Umkehrplatz-Nord“,

b)  von 8.15 bis ca. 11.00 Uhr durch das Laufenlassen von Lastkraftwagen-Kühlaggregaten, sowie

c) um 15.00 Uhr durch das Laufenlassen eines Lastkraftwagen-Kühlaggregates am „Umkehrplatz-Nord“ (Lastkraftwagen „x“),

gegen das bescheidmäßige Verbot des Betriebes von Kühlaggregaten sowohl tags als auch nachts verstoßen worden ist.

Es ist durch dieses Laufenlassen von Lastkraftwagen-Kühlaggregaten

1.     eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung abgeändert und

2.     nach der Abänderung – zumindest zu den angeführten Tatzeitpunkten – betrieben worden.

Die o.a. Abänderung hätte daher zur Wahrung der im § 74 Abs.2 Z2 GewO 1994 umschriebenen Interessen – im gegenständlichen Falle wegen Belästigung der Nachbarn durch Lärm – jedenfalls einer Genehmigung bedurft.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bekämpft. Begründend wurde ausgeführt, dass unterschiedliche Auffassungen über den Konsensumfang der bestehenden Betriebsanlagengenehmigungen bestehen, insbesondere ob das schalltechnische Projekt „LKW-Abstellplatz“ der x vom 18.10.1993, welches sich bei den Einreichunterlagen des mit Bescheid vom 19.9.1994, MA2-GEBA-57-1992 und MA-GEBA-77-1993, beendeten Betriebsanlagenänderungsgenehmigungsverfahrens befunden hat, den Genehmigungskonsens einzuschränken vermag. Es sei die Auffassung der belangten Behörde rechtsirrig, dass der Betrieb von LKW-Kühlaggregaten auf dem Freigelände der x sowohl tags als auch nachts nicht vom Genehmigungsumfang abgedeckt sei, weil der zitierte Bescheid aus 1994 im Spruch keine Beschränkung des Betriebs von LKW-Kühlaggregaten vorsieht. Insbesondere wurde das Laufenlassen von LKW-Kühlaggregaten nicht durch Auflagen beschränkt. Auch sei weder dem Bescheid aus 1994 noch jenem aus 2007 ein ausdrücklicher Verweis auf das schalltechnische Projekt zu entnehmen, sei keinem Bescheid das schalltechnische Projekt tatsächlich angeschlossen gewesen und enthalte das schalltechnische Projekt nur deskriptive Beschreibungen, aber keine normativen Ge- oder Verbote. Auch hätte bereits der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seinem Erkenntnis vom 30.10.2008, VwSen-530793/2/Bm/Sta, festgestellt, dass das Laufenlassen von LKW-Kühlaggregaten zur Tagzeit durch die Anführung im schalltechnischen Bericht im Genehmigungskonsens erfasst sei. Auch sei gegen das Verbot der Doppelbestrafung wegen Vorliegens eines fortgesetzten Deliktes verstoßen worden. Bei nur leichter Fahrlässigkeit und nur geringfügigen Folgen wäre im Übrigen auch vom Absehen von der Strafe Gebrauch zu machen gewesen. Es wurde daher beantragt, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu von der Verhängung einer Strafe abzusehen.

 

3. Der Magistrat der Stadt Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 366 Abs.1 Z3 Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 idF BGBl. I Nr. 68/2008, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§§ 81f).

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

Diesen Anforderungen entspricht der Tatvorwurf nicht.

 

Unter dem Begriff „Änderung“ im Sinn des § 81 GewO 1994 ist jede durch die bereits erteilte Genehmigung nicht gedeckte Maßnahme des Inhabers einer Betriebsanlage zu verstehen, durch die einer der in dieser Bestimmung angeführten Umstände eintritt. Um dem Sprucherfordernis des § 44a Z1 VStG zu entsprechen, ist es daher erforderlich, dass im Spruch des Straferkenntnisses zur Konkretisierung der genehmigten Betriebsanlage der (die) Genehmigungsbescheid(e) angeführt wird (werden) (z.B. VwGH vom 28.1.1993, Zl. 91/04/0246; 25.2.1993, Zl. 91/04/0248, und 25.4.1995, Zl. 94/04/0026).

Die bloß örtliche Beschreibung der Betriebsanlage bzw. jenes Teiles, der genehmigungslos geändert worden war, reicht im Sinn der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht hin.

Weiters stellte die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses darauf ab, dass die verfahrensgegenständliche Betriebsanlage nach Änderung „betrieben“ wurde, verabsäumte es jedoch, darzulegen, worin das Betreiben nach der Änderung gelegen sein sollte. Es wurde daher verabsäumt, das Tatverhalten hinlänglich – im Sinn des § 44a Z1 VStG – darzulegen (vgl. VwGH vom 26.4.1994, Zl. 93/04/0243). Dies ist aber insbesondere deshalb erforderlich, um aus dem näher umschriebenen Betrieb nach der vorgenommenen Änderung der Betriebsanlage die Eignung der Beeinträchtigung der nach § 74 Abs.2 GewO 1994 genannten Interessen in eindeutiger Weise ableiten zu können, und dies zwar immer im Hinblick auf die jeweils vorgenommene Änderung.

 

Darüber hinaus fehlt überhaupt eine Umschreibung der – mit Bescheid genehmigten und nunmehr geänderten – Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs.1 GewO 1994 als örtlich gebundene Einrichtung, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist. Die Umschreibung „Freigelände der Betriebsanlage dieser Firma“ lässt nicht auf eine Betriebsanlage schließen. Im Übrigen bestimmt sich danach auch der Tatort und die Zuständigkeit der Behörde (§ 27 VStG).

 

Da innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist ein dem angeführten Konkretisierungsgebot entsprechender Tatvorwurf nicht erfolgt ist, war daher – ohne dass auf die Sache selbst näher einzugehen war – das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

Abschließend ist auch anzumerken, dass nach der nunmehr ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in allen Fällen des § 366 Abs.1 GewO 1994 die für die verhängte Strafe angewendete Gesetzesbestimmung im Sinn des § 44a Z3 VStG „§ 366 Abs.1 Einleitung GewO“ zu lauten hat.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, waren gemäß § 66 Abs.1 VStG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

Beschlagwortung: Tatumschreibung

 

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