Linz, 11.01.2010
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Herrn X, vertreten durch Herrn Dr. X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 9.11.2009, Zl. VerkR21-277-2009/BR, nach der am 30.12.2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Berufung mit der Maßgabe abgeändert, dass dem Berufungswerber die Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen wird.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 AVG iVm § 67a Abs.1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009 und §§ 8 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2009 § 17 Abs.1 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung – FSG-GV, BGBl. II. Nr. BGBl. II Nr. 322/1997, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 64/2006.
Entscheidungsgründe:
1. Die Behörde erster Instanz hat mit dem o.a. Bescheid dem Berufungswerber die ihm von der BH Braunau am Inn am 04.04.2008, GZ: X erteilte Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Dauer von 3 Monaten – gerechnet ab 11.02.2010, demnach bis einschließlich 11.05.2010 – entzogen.
2. Für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung wurde ihm das Recht, von einem ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt.
3. Gleichzeitig wurde ihm das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenfahrzeugen für denselben Zeitraum verboten (§§ 3 Abs. 1 Ziffer 2, 7 Abs.1 Ziffer 1 und Abs. 3 Ziffer 6 lit. a, 24 Abs. 1 Ziffer 1, 25 Abs. 1 und Abs. 3, 32 Abs. 1 Ziffer 1 Führerscheingesetz 1997 - FSG)
4. Die aufschiebende Wirkung einer allenfalls gegen diesen Bescheid einzubringenden Berufung wurde im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug ausgeschlossen (§ 64 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG).
5. wurde der Berufungswerber aufgefordert, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen innerhalb offener Verbotsdauer beizubringen.
Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens wurde ihm die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme, die über eine eventuell vorliegende mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung Aufschluss gibt, vorgeschrieben. Dieser verkehrspsychologischen Untersuchung habe er sich bei einer hiezu vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie ermächtigten Stelle zu unterziehen (§17 Abs. 1 FSG-GV).
Abschließend wurde festgestellt, dass die Dauer der Entziehung Ihrer Lenkberechtigung endet nicht vor Befolgung dieser Anordnung ende.
2. Begründend führte die Behörde erster Instanz folgendes aus:
3. Der Berufungsakt wurde von der Behörde erster Instanz dem Oö. Verwaltungssenat vorgelegt. Demnach ist dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG).
Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien zur Erörterung des Berufungsvorbringens mit Blick auf § 67d Abs.1 AVG zweckmäßig.
3.1. Da der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. hat Beweis erhoben durch in den vorgelegten Verfahrensakt und dessen Erörterung im Rahmen der Berufungsverhandlung. Ein Auszug aus dem Führerschein- u. Verwaltungsvormerkregister wurde im Vorfeld der Berufungsverhandlung eingeholt.
3.2. Vorgeschichte lt. Vormerkregister.
Erstmals kam es beim Berufungswerber im Jahr 2005 wegen eines Verfahren bei der Bundespolizeidirektion Salzburg (00787/VA/FE/2005 zu einer Überprüfung der Verkehrszuverlässigkeit.
Die Lenkberechtigung wurde ihm schließlich erstmals wegen einer Alkofahrt von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, GZ: VerkR21/759-2007/Br vom 3.12.2007 bis 3.4.2008 entzogen. Am 18.2.2008 absolvierte der Berufungswerber diesbezüglich eine Nachschulung.
Am 4.4.2008 wurde ihm ein Duplikatsführerschein „aus sonstigen Gründen“ ausgestellt. Dies offenbar im Zusammenhang mit der Nacherfassung einer zwischenzeitig vom Berufungswerber erworbenen tschechischen Lenkberechtigung.
Vom 10.5.2009 bis zum 10.2.2010 wurde dem Berufungswerber wegen einer Alkofahrt nach § 99 Abs.1 lit.a StVO (1,2 bis 1,6 Promille) unter der GZ: VerkR21-277-2009 abermals entzogen. Dieser Entzug verlängert sich nach dem mit diesem Verfahren ausgesprochenen Entzug um weitere drei Monate, nämlich bis zum Ablauf des 10.5.2010.
Es wurde eine Nachschulung angeordnet. Deren Absolvierung steht derzeit noch aus und ist für die Wiedererlangung der Lenkberechtigung bis zum 10.5.2010 beizubringen.
Sachverhalt:
Trotz des zuletzt ausgesprochenen und noch während dieses Entzuges lenkte der Berufungswerber am 6.10.2009 gegen 16:30 Uhr ein Motorrad, wobei er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 26 km/h überschritt. Dadurch wurde die Schwarzfahrt evident. Er begründete dies mit der Absicht, er hätte das Motorrad für die Einwinterung nur noch auftanken wollen und Führerschein u. Zulassungsschein zu Hause vergessen gehabt zu haben. Damit setzte der Berufungswerber jedoch ein Verhalten, welches für sich iSd § 7 Abs.3 Z6a FSG als eine, einen neuen Entzugstatbestand begründende Tatsache zu werten ist, und einen weiterer Entzug der Lenkberechtigung zur Folge hat. Damit stellt dies den dritten Entzug binnen fünf Jahren dar.
Im Rahmen der Berufungsverhandlung legte der Berufungswerber wohl die besonderen und in der Schuldfrage wohl weniger schwerwiegenden Umstände dieser Schwarzfahrt dar, wobei das Fahrmotiv offenbar tatsächlich nur im Zusammenhang mit der Einwinterung des Motorrades stand. Er bedauerte sein Fehlverhalten und zeigte sich im Rahmen der Berufungsverhandlung unrechtseinsichtig.
Das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren ist bereits rechtskräftig erledigt. Er wurde wider ihn nach § 37 Abs.4 Z1 eine Geldstrafe in Höhe von 726 Euro ausgesprochen. Ferner erklärte der Berufungswerber auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit als Kranführer grundsätzlich keinen Alkohol zu trinken. Ein Konsum beschränke sich auf die Freizeit. Abschließend wurde auf die noch ausstehende Nachschulung im Zusammenhang mit der letzten Alkofahrt, wobei im Ergebnis auf das Berufungsvorbringen verwiesen und letztlich die Auffassung vertreten wurde, dass ob dieser Schwarzfahrt noch nicht von einer mangelnden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung die Rede sein könne.
Diese an sich glaubwürdig vorgetragene Rechtfertigung kommt aber nur insofern Relevanz zu, als er damit im Ergebnis darlegen will, dass keine sachliche Grundlage für die Beibringung auch eines von einem Amtsarzt zu erstellenden Gutachten bildet. Dem Gesetzeswortlaut nach ist jedoch die Beinbringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme zwingend.
4. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Nach § 17 Abs.1 FSG-GV ist eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 8 Abs.2 FSG im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht
1. auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder
2. auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erwecken.
Mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn einem Lenker innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren die Lenkberechtigung dreimal entzogen wurde, oder wenn ein Lenker wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b oder c StVO 1960 bestraft wurde.
Da es sich beim gegenständlichen Entzug um den Dritten innerhalb von fünf Jahren handelt, ist – entgegen der im Rahmen der Berufungsverhandlung angestellten rechtlichen Erörterungen – zwingend mit der Anordnung einer sogenannten VPU vorzugehen.
4.1. Nach § 2 Abs.2 FSG-GV hat die verkehrspsychologische Untersuchung, je nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit, den Gesichtspunkt der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit oder der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung besonders zu berücksichtigen. Sie kann in den Fällen des § 17 Abs.3 Z1 und 2 auf Grund einer positiven Kurzuntersuchung (Screening) abgekürzt werden.
Im Sinne des § 18 Abs.3 FSG-GV ist für die Erfassung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung insbesondere das soziale Verantwortungsbewusstsein, die Selbstkontrolle, die psychische Stabilität und die Risikobereitschaft des zu Untersuchenden zu untersuchen sowie zu prüfen, ob eine Tendenz zu aggressiver Interaktion im Straßenverkehr besteht und ob sein Bezug zum Autofahren kritisch von der Norm abweicht. Zur Überprüfung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist neben einem verkehrsbezogenen Persönlichkeitstest auch ein ausführliches Explorationsgespräch durchzuführen.
Eine fehlende Bereitschaft ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn einem Lenker innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren die Lenkberechtigung dreimal entzogen wurde.
Das im Rahmen der Berufungsverhandlung zur Erörterung gelangende „Verkehrscoaching“ iSd § 24 Abs.3 Z3 FSG stellt ausschließlich auf Alkofahrten ab. Dies geht auch aus Materialien zur 12. FSG-Novelle hervor (221 der Beilagen).
Die - als Teil der gesundheitlichen Eignung eines Inhabers einer Lenkberechtigung zu verstehende - Bereitschaft zur Verkehrsanpassung wird in der FSG-GV 1997 nicht definiert. Aus § 17 Abs.1 zweiter Satz FSG-GV 1997 ergibt sich aber hinlänglich, dass von einer mangelnden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nur bei einem Verhalten gesprochen werden kann, bei denen es zu relativ schwerwiegenden Verstößen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften gekommen ist oder das bereits innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu mehreren Vorentziehungen geführt hat (VwGH 24.11.2005, 2005/11/0148).
So hat der Verwaltungsgerichtshof aber selbst "achtzehn und binnen 3 ½ Jahren angesammelte rechtskräftige Vorstrafen" gegen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 für sich alleine offenbar auch noch als nicht ausreichend für die Vorgehensweise nach § 17 Abs.1 FSG-GV erachtet (VwGH 24.4.2001, 2000/11/0231) .
Hier zwingt aber der Wortlaut des § 17 Abs.1 FSG-GV Z2 letzter Satz der auf einen dreimaligen Entzug binnen fünf Jahren abstellt, zu der Annahme der fehlenden Verkehrsanpassungsbereitschaft und die darauf gestützte Rechtsfolge. Die Beibringung auch eines amtsärztlichen Gutachtens kann jedoch auf diese Rechtsvorschrift nicht gestützt werden.
Auf die zu entrichtenden Gebühren in der Höhe von 13,20 Euro wird an dieser Stelle noch hingewiesen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r