Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222288/2/Kl/Pe

Linz, 07.01.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 8.7.2009, BZ-Pol-10144-2009, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 8.7.2009, BZ-Pol-10144-2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 350 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 54 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 367 Z25 GewO 1994 iVm Vorschreibungspunkt 38 der betriebsanlagenrechtlichen Genehmigung vom 10.3.1987, MA 2-Ge-3010-1987, verhängt, weil er als Gewerbeinhaber hinsichtlich des Gastgewerbebetriebes x, zu verantworten hat, dass aus diesem Gastgewerbebetrieb am 25.4.2009, in der Zeit von 03.24 Uhr bis 03.35 Uhr, Musik laut und störend (bei geschlossener Eingangstüre deutlich bis zum östlichen Ende des „x“ hörbar) wahrnehmbar war, obwohl beim Betrieb des o.a. Gastgewerbebetriebes (zum Schutz der Anrainer) besonders auf einen lärmarmen Betrieb Bedacht zu nehmen ist und insbesondere eine Übertragung von Musik ins Freie nicht zulässig ist.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Einspruch (gemeint wohl: Berufung) eingebracht und die Aufhebung der Strafe beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Aufforderung der Polizei, die Musik leiser zu drehen, unverzüglich nachgekommen worden sei und daher nicht akzeptiert werden könne, dass eine Verwaltungsstrafe auferlegt werde, obwohl den Anweisungen der Exekutive Folge geleistet worden sei.

 

3. Der Magistrat der Stadt Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und in einer Stellungnahme die Bestätigung des Straferkenntnisses beantragt.

 

Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 367 Z25 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu betrafen ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs.1 oder § 84d Abs.7 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur dargelegt, dass das Wesen von Auflagen im Sinn des Straftatbestandes des § 367 Z25 GewO 1994 darin besteht, dass die Verwaltungsbehörde in einem dem Hauptinhalt nach begünstigenden Bescheid belastende Gebote oder Verbote als Nebenbestimmungen aufnimmt, mit denen der Inhaber des Rechtes für den Fall der Gebrauchnahme zu einem bestimmten, im Wege der Vollstreckung erzwingbaren Tun oder Unterlassen verpflichtet wird. Das durch den Hauptinhalt des Spruches gestaltete Rechtsverhältnis bleibt auch bei Nichtbeachtung der Auflage bestehen. Nur für den Fall der Gebrauchnahme vom erteilten Recht wird ein bestimmtes Verhalten (Tun, Unterlassen, Dulden) vorgeschrieben. Auflagen in diesem Sinne sind somit „bedingte Polizeibefehle“, die erst dann wirksam werden, wenn der Bewilligungswerber von der ihm erteilten Bewilligung Gebrauch macht. Im Fall der Gebrauchnahme werden die Auflagen zu unbedingten Aufträgen (VwGH 5.9.2001, 99/04/0123, 21.2.2002, 2001/07/0106). Es trifft daher zu, dass die nach § 44a Z1 VStG gebotene Umschreibung der Tat bei der Verwaltungsübertretung nach § 367 Z25 GewO 1994 die wörtliche Wiedergabe der als verletzt erachteten Auflage des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides erfordert (VwGH 19.6.1990, 89/04/0249). Weiters weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass dadurch, dass § 367 Z25 auf die in den Betriebsanlagengenehmigungs-bescheiden vorgeschriebenen Auflagen und Aufträge verweist, das jeweilige, in einem solchen Bescheid enthaltene Gebot oder Verbot Teil des Straftatbestandes wird, was voraussetzt, dass derartige Auflagen so klar gefasst sein müssen, dass sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen (vgl. Grabler, Stolzlechler, Wendl, Gewerbeordnung, Kommentar, 2. Auflage, Springer Verlag, Anmerkung 41 zu § 367 mit Judikaturnachweisen).

 

4.2. Der im angefochtenen Straferkenntnis angelastete Tatvorwurf entspricht den in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dargelegten Anforderungen nicht. Einerseits geht dem Tatvorwurf eine wörtliche Wiedergabe der als verletzt erachteten Auflage unter Zitierung des Auflagenpunktes des Betriebsanlagen­genehmigungsbescheides nicht hervor. Dem Tatvorwurf ist nicht einmal eine Tatanlastung im Sinn des § 367 Z25 GewO 1994, nämlich dass vorgeschriebene Auflagen nicht eingehalten werden, zu entnehmen. Auch die wörtliche Anführung der konkreten Auflage sowie auch die ziffernmäßige Anführung des Genehmigungsbescheides und des Auflagenpunktes gehen aus der Tatanlastung nicht hervor. Eine entsprechende Verfolgungshandlung im Sinn des § 32 Abs.2 VStG innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs.2 VStG ist nicht ergangen, sodass das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen war.

 

4.3. Darüber hinaus ist aber auch darauf hinzuweisen, dass die bescheidmäßig festgesetzte Auflage dem Bestimmtheitsgebot nach der o.a. Judikatur entsprechen muss und dem Verpflichteten klar erkennbar sein muss, wo die Grenze seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei gegeben ist. Es muss eine Gebots- oder Verbotsnorm in einem Bescheid mit genügender Klarheit gefasst sein, sodass der Unrechtsgehalt eines Zuwiderhandelns eindeutig erkennbar ist. Ab welcher Größe das Erfordernis, dass der Grundgeräuschpegel durch den Beurteilungspegel um mehr als 10 dB (A) überschritten wird, erreicht ist, ist aus dem Bescheid nicht zu ersehen. Auch ist nicht klar, was ein lärmarmer Betrieb ist bzw. durch welche Maßnahmen solch ein Betrieb erreicht wird. Es kann aus dem Auflagenpunkt 38 des Betriebsan­lagengenehmigungsbescheides eine konkrete Maßnahme bzw. ein konkretes Verhalten nicht abgeleitet werden (z.B. Verplombung der Musikanlage, Einbau eines Lärmbegrenzers usw.).

 

5. Weil die Berufung Erfolg hatte, waren gemäß § 66 Abs.1 VStG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: wörtliche Anführung von Bescheidauflagen; Bestimmtheit einer Bescheidauflage

 

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