Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222351/2/Kl/Pe

Linz, 12.01.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 17.11.2009, Ge96-2483-2009, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 17.11.2009, Ge96-2483-2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 350 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 84 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs.1 Z3 2. Fall iVm § 81 Abs.1 und § 74 Abs.2 Z2 GewO 1994 verhängt, weil er als Inhaber einer Gewerbeberechtigung für „Gastgewerbe in der Betriebsart Gasthaus (§ 142 Abs.1 Z2-4 GewO 1994)“ am Standort x, Gemeinde x, nicht dafür Sorge getragen hat, dass die Vorschriften der GewO 1994 eingehalten wurden. Durch Beamte der Polizeiinspektion x wurde festgestellt, dass am 23.5.2009 bis zumindest 22.55 Uhr in der Tenne des Objektes x Musik von einer Lifeband gespielt wurde, obwohl für die gegenständliche Betriebsanlage nur eine Genehmigung für Hintergrundmusik besteht. Damit wurde die genehmigte Gastgewerbebetriebsanlage nach einer Änderung, die geeignet ist, die Nachbarn durch Lärm zu belästigen, betrieben, ohne die für diese Änderung erforderliche Genehmigung erlangt zu haben.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach angefochten. Begründend wurde ausgeführt, dass am 23.5.2009 nachmittags und abends im Betrieb des Bw in x, ein Brautpaar aus der Umgebung von x mit ca. 90 Gästen seine Hochzeit gefeiert habe. Es handelte sich um eine geschlossene Veranstaltung, wobei bei dieser Feierlichkeit von 15.00 Uhr bis ca. 23.30 Uhr eine Musikgruppe bestehend aus zwei Personen, einer Sängerin und einem Pianisten, Live-Musik als Untermalung der Hochzeitsfeier dargeboten wurde. Getanzt sei bei dieser Hochzeit nicht worden. Der Bw betreibe den Betrieb zumindest aufgrund des Konzessionsdekretes der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 26.2.1976, wobei auf der Liegenschaft des Einschreiters bereits Jahrzehnte davor ein Gasthaus betrieben worden sei und die „X“ des Gebäudes des Einschreiters einen Teil des Hofes darstelle, und bei Hochzeiten fallweise – im Hinblick auf die unsichere Witterungslage – wie im gegenständlichen Fall als überdachter Gastgarten genutzt werde. Die Liegenschaft des Anzeigers x befinde sich ca. 100 m von der östlich an den Hof des Betriebes des Bw angrenzenden Teil entfernt. Die belangte Behörde habe kein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt, insbesondere, ob die Gesangdarbietung der Sängerin elektronisch verstärkt worden sei oder nicht, oder ob die Musikdarbietung tatsächlich im Sinne der Bestimmung des § 74 Abs.2 Z2 GewO 1994 geeignet gewesen sei, Nachbarn durch Lärm zu belästigen. Es sei nicht erhoben worden, ob die Musikdarbietung außerhalb der Liegenschaft des Bw zu hören gewesen sei, besonders ob die Musikdarbietung auf der Liegenschaft des Anzeigers X zu hören gewesen sei. Auch seien Erhebungen zum Umfang des bestehenden gewerberechtlichen Konsenses und der unzulässigen Erweiterung unterlassen worden. Auch wurde eine Verletzung des § 44a Z1 VStG geltend gemacht, da der Schuldspruch auch jene Tatumstände zu enthalten habe, die eine – nachvollziehbare – Beurteilung zulassen, ob die vorgenommene Änderung der Betriebsanlage geeignet ist, die in § 74 Abs.2 GewO 1994 genannten Interessen zu beeinträchtigen. Diesem Erfordernis genüge das angefochtene Straferkenntnis nicht. Allein die Hinzunahme einer Räumlichkeit zur bestehenden Betriebsanlage löse nicht zwingend die Genehmigungspflicht nach der GewO 1994 aus. Die Behörde habe weder zur Änderung noch zur Erweiterung der Betriebsanlage noch zur Umgebung der Anlage noch zu einer möglichen Eignung der Beeinträchtigung geschützter Interessen der Nachbarn irgendwelche Feststellungen getroffen. Es wurde daher um Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens, in eventu um Absenkung der Strafe ersucht.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z3 Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 idF BGBl. I Nr. 68/2008, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§§ 81f).

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

Diesen Anforderungen entspricht der Tatvorwurf nicht.

 

Unter dem Begriff „Änderung“ im Sinn des § 81 GewO 1994 ist jede durch die bereits erteilte Genehmigung nicht gedeckte Maßnahme des Inhabers einer Betriebsanlage zu verstehen, durch die einer der in dieser Bestimmung angeführten Umstände eintritt. Um dem Sprucherfordernis des § 44a Z1 VStG zu entsprechen, ist es daher erforderlich, dass im Spruch des Straferkenntnisses zur Konkretisierung der genehmigten Betriebsanlage der (die) Genehmigungsbescheid(e) angeführt wird (werden) (z.B. VwGH vom 28.1.1993, Zl. 91/04/0246; 25.2.1993, Zl. 91/04/0248, und 25.4.1995, Zl. 94/04/0026).

Die bloß örtliche Beschreibung der Betriebsanlage bzw. jenes Teiles, der genehmigungslos geändert worden war, reicht im Sinn der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht hin.

Weiters stellte die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses darauf ab, dass die verfahrensgegenständliche Betriebsanlage nach Änderung „betrieben“ wurde, verabsäumte es jedoch, darzulegen, worin das Betreiben nach der Änderung gelegen sein sollte. Es wurde daher verabsäumt, das Tatverhalten hinlänglich – im Sinn des § 44a Z1 VStG – darzulegen (vgl. VwGH vom 26.4.1994, Zl. 93/04/0243). Dies ist aber insbesondere deshalb erforderlich, um aus dem näher umschriebenen Betrieb nach der vorgenommenen Änderung der Betriebsanlage die Eignung der Beeinträchtigung der nach § 74 Abs.2 GewO 1994 genannten Interessen in eindeutiger Weise ableiten zu können, und dies zwar immer im Hinblick auf die jeweils vorgenommene Änderung.

 

Weder die innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist ergangene Strafverfügung vom 10.8.2009 als erste und einzige Verfolgungshandlung noch der angefochtene Bescheid entsprechen dem angeführten Konkretisierungsgebot. Es war daher – ohne dass auf die Sache selbst näher einzugehen war – das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, waren gemäß § 66 Abs.1 VStG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

Beschlagwortung: Änderung der Betriebsanlage, Zitierung des Genehmigungsbescheides, Tatkonkretisierung

 

 

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