Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300864/2/WEI/La

Linz, 07.01.2010

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der X, X, X, vertreten durch Anwaltspartnerschaft X, X, Rechtsanwälte in X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Eferding vom 11. Dezember 2008, Zl. Pol 96-50-2008-Ha, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 1 Oö. Polizeistrafgesetz – Oö. PolStG (LGBl.Nr. 36/1979 zuletzt geändert mit LGBl.Nr. 77/2007) zu Recht erkannt:

 

 

I.             Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II.         Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 –VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie hatten am 20.04.2008, um 03.45 Uhr, in X, X. im Lokal X, eine vorerst verbale Auseinandersetzung mit X, in deren Verlauf Sie Ihrem ebenfalls anwesenden Lebensgefährten X ein halb volles Glas Wein in das Gesicht schütteten.

Das Schütten des Weines gegen Herrn X stellt einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte dar und Sie haben dadurch den öffentlichen Anstand verletzt."

 

Durch diesen Tatvorwurf erachtete die belangte Behörde den § 1 Oö. PolStG als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung nach dem Strafrahmen des § 10 Abs 1 lit a) Oö. PolStG eine Geldstrafe von 36 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 3,60 Euro (10 % der Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin zu Händen ihrer Rechtsvertreter am 12. Dezember 2008 zugestellt wurde, wendet sich die vorliegende Berufung vom 22. Dezember 2008, welche rechtzeitig am 23. Dezember 2008 bei der belangten Behörde einlangte und mit der in der Hauptsache die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich folgender Gang des Verfahrens und wesentliche S a c h v e r h a l t  :

 

2.1. Aus dem "Abschluss-Bericht" (gemäß § 100 Abs 2 Z 4 StPO) der Polizeiinspektion Eferding vom 8. Mai 2008, Zl. B6/1702/2008-Amt, an die Staatsanwaltschaft Wels wegen des Verdachts auf Körperverletzung geht für die angegebene Tatzeit am 20. April 2008 um 04.00 Uhr hervor, dass die Bwin angeblich Frau X und deren Lebensgefährten X im Pub "X" anstänkerte, wodurch es zunächst zu noch folgenlosen Tätlichkeiten im Lokal gekommen wäre.

 

Als die Bwin das Lokal verließ, hätte sie X beim Ausgang getroffen und wäre es zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen, in deren Zuge Frau X wegen der Beleidigungen auf die Bwin losging und ihren rechten Oberarm erfasste, wodurch sie Kratzer erlitten hätte. Beide Frauen hätten sich gegenseitig beschuldigt, größere Mengen Haare ausgerissen zu haben. Herr X wäre seiner Lebensgefährtin X zu Hilfe gekommen und hätte die Bwin am Hals erfasst und zurückgedrängt, wodurch Würgemale entstanden wären. Weiters hätte er der Bwin mindestens einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, wodurch sie einen Nasenbeinbruch und eine Rissquetschwunde an der Oberlippe erlitten hätte  Der Verletzungsgrad wurde vom Arzt X als schwer eingestuft.

 

2.2. Nach Aussage des X vom 23. April 2008 vor der PI Eferding habe die Bwin im Lokal, als noch zwei Gäste anwesend waren, die vor 04.00 Uhr früh das Lokal verließen, seine Lebensgefährtin dauernd angestänkert und beschimpft, als er sie aufforderte, ihr Verhalten endlich einzustellen. Daraufhin hätte sie ihm Wein ins Gesicht geschüttet. Seine Lebensgefährtin X hätte ihr dann ebenfalls ein Glas Wein ins Gesicht geschüttet. Danach gegen 04:00 Uhr wäre es beim Verlassen des Lokals im Hof zu einem Streit und einer Rangelei zwischen den Frauen gekommen, wobei er seiner Lebensgefährtin zu Hilfe kam und letztlich auf die Bwin einschlug, die danach im Gesicht blutete.

 

Die ebenfalls am 23. April 2008 polizeilich einvernommene X bestätigte im Wesentlichen diese Angaben. Sie wäre bei der Musikanlage von der Bwin ständig beschimpft worden, weil die Musik angeblich nicht nach ihrem Wunsch gewesen wäre. Der Lebengefährte hätte die Bwin aufgefordert, die Beschimpfungen zu unterlassen und das Lokal zu verlassen. Daraufhin hätte sie ihm Wein ins Gesicht geschüttet. Auch X hätte der Bwin daraufhin Wein ins Gesicht geschüttet. Auf Grund der Alkoholisierung wäre diese dann noch vom Barhocker gefallen. Die Kellnerin und X hätten sie dann aus dem Lokal in den Hof gedrängt. Dort wäre es dann noch zwischen ihr und der Bwin zu einer tätlichen Auseinandersetzung im Hof gekommen, bei der sie von der Bwin beschimpft und an den Haaren zu Boden gezerrt worden wäre. X wäre ihr zu Hilfe gekommen und hätte der Bwin einen Faustschlag versetzt.

 

Die als Zeugin von der PI Eferding einvernommene Bwin schilderte am 21. April 2008 die Sache deutlich abweichend. Sie hätte am 20. April 2008 gegen 03:45 Uhr im Lokal "X" einen gespritzten Weißwein bestellt und ein namentlich unbekannter Gast hätte ihr, als sie nur leicht alkoholisiert gewesen wäre, auch ein Achtel Weißwein bezahlt. Aus ihr unerklärlichen Gründen hätte die Schwägerin der Kellnerin (gemeint X) sie an den Haaren erfasst und vom Barhocker gerissen, wobei sie am Rücken zu liegen kam, sich dabei aber nicht verletzte. Sie hätte sich wieder an die Bar gesetzt und X forderte sie auf, das Lokal zu verlassen, da sie angeblich seine Freundin beleidigt habe. Gleichzeitig hätte er das Achtel Wein genommen und das Glas samt Inhalt in die Ecke geworfen. Daraufhin hätte sie ihm den Rest ihres Gespritzten ins Gesicht geschüttet. Danach hätte ihr X einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, wodurch sie gleich stark von der Nase und an der Oberlippe blutete. Weiters hätte er sie am Hals erfasst und gewürgt. X und seine Freundin hätten sie dann in den Hof des Lokales gezerrt, wo X noch mehrmals auf sie eingeschlagen hätte.

 

Bei diesen Tätlichkeiten hätte die Bwin einen Bruch des Nasenbeines, eine Rissquetschwunde an der Oberlippe, Abschürfungen an beiden Knien, Würgemale am Hals und einen Kratzer am Oberarm von der Freundin des X erlitten, die ihr auch einige Büschel Haare ausgerissen hätte.

 

2.3. Auf Grund des Berichts der PI Eferding samt beigelegten Vernehmungsprotokollen hat die belangte Behörde gegen die Bwin mit Strafverfügung vom 28. Mai 2008 folgenden Tatvorwurf erhoben:

 

"Sie hatten am 20.04.2008, um 03:45 Uhr, in X, X, im Lokal X, eine verbale Auseinandersetzung mit X, in die sich der Lebensgefährte X einmischte, und in deren Verlauf diese Auseinandersetzung in Tätlichkeiten ausartete.

Ihr Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten dar und Sie haben dadurch den öffentlichen Anstand verletzt."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde den § 1 Oö. PolStG als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte deswegen 36 Euro Geldstrafe (33 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe). Die Bwin erhob durch ihre Rechtsvertreter den am 5. Juni 2008 rechtzeitig eingebrachten Einspruch vom 3. Juni 2008, in dem der Vorwurf allgemein bestritten und darauf hingewiesen wurde, dass die Bwin von Herrn X ohne begreiflichen Anlass niedergeschlagen worden wäre.

 

2.4. Im ordentlichen Ermittlungsverfahren hat die belangte Behörde Frau X und X als Zeugen einvernommen und dabei folgendes Beweisthema angegeben:

 

"Verdacht einer Übertretung nach § 1 Oö. PolStG am 20.04.2008 um 3:45 Uhr, in X, X, im Lokal X, dadurch, eine verbale Auseinandersetzung mit X und X, die in Tätlichkeiten ausartete, gehabt zu haben"

 

Frau X wurde am 24. Juli 2007 und X am 5. September einvernommen. Beide blieben im Wesentlichen bei ihrer Darstellung vor der PI Eferding. Die stärker alkoholisierte Bwin habe eine gemütliche Geburtstagsrunde (Geburtstag der Kellnerin X) gestört und Frau X angestänkert und beschimpft, weil sie nicht die richtige Musik auswählte. Sie hätte dann nach wiederholter Aufforderung Ruhe zu geben und die Geburtstagsrunde zu verlassen, dem X ein Glas Wein ins Gesicht geschüttet. Frau X hätte die Bwin weder beschimpft, noch tätlich angegriffen, noch an den Haaren gerissen. Die Behauptung, er hätte das Weinglas der Bwin zu Boden geworfen, bezeichnete X als falsch.

 

Die am 10. September 2008 vernommene Kellnerin X berichtete, dass die bereits stärker alkoholisierte  Bwin um ca 03:00 Uhr als Gast ins Lokal kam. Sie war nicht zur Geburtstagsfeier von Frau X geladen worden, stellte sich aber zu deren Gästen und machte über einen längeren Zeitraum immer wieder abfällige Bemerkungen über die Musik und über X, die Schwägerin der Frau X. Diese hätte sie auch mehrmals aufgefordert, Ruhe zu geben und die Feier nicht zustören. Gegen Sperrstunde um 04:00 Uhr hätte Frau X begonnen, Leergebinde weg- und das Lokal aufzuräumen. Sie hätte sich deswegen mehrmals entfernt und vom Verschütten des Weines nichts wahrgenommen. X hätte sie nur einmal um eine Geschirrtuch ersucht. Den Grund wüsste sie aber nicht. Sie hätte nicht bemerkt, dass die Bwin beschimpft oder an der Haaren gerissen worden wäre. Auch ein Weinglas oder Scherben am Boden hätte sie weder gesehen noch entsorgt.

 

Die Zeugenaussagen wurden jeweils dem Parteiengehör unterzogen und dazu Stellungnahmen der Bwin erstattet, in denen jeweils die Einstellung beantragt wurde.

 

2.5. Im angefochtenen Straferkenntnis vom 11. Dezember 2008 formulierte die belangte Behörde den Tatvorwurf abweichend und warf der Bwin nunmehr konkret vor, dass sie im Verlauf der verbalen Auseinandersetzung mit Frau X "ihrem ebenfalls anwesenden Lebensgefährten X ein halb volles Glas Wien das Gesicht" schüttete.

 

Begründend wurde auf die niederschriftliche Angabe vom 21. April 2008 vor der PI Eferding und auf die rechtsfreundliche Stellungnahme vom 4. August 2008 hingewiesen, wo das ins Gesicht Schütten eines gespritzten Weines zugestanden wurde. Die Darstellung der Bwin hätte sich im Verfahren nicht bestätigt. Frau X hätte kein Weinglas am Boden gesehen oder Scherben entsorgen müssen.

 

2.6. Die Berufung wendet ein, dass der im Straferkenntnis erhobene Vorwurf, dem Herrn X ein halb volles Glas Wein ins Gesicht geschüttet zu haben, jedenfalls verjährt sei. Eine Verfolgungshandlung müsse sich auf einen bestimmten Sachverhalt und auf alle relevanten Sachverhaltselemente beziehen.

Außerdem würden die nunmehr erstmals vorgeworfenen Sachverhaltselemente nicht den Tatbestand des § 1 Oö. PolStG erfüllen, weil kein grober Verstoß gegen die anerkannten Grundsätze der guten Sitte vorläge. Die belangte Behörde stütze sich auf die eigenen Angaben der Bwin zum Schütten des Weines, berücksichtige aber in keiner Weise deren Ausführungen zum Zustandekommen des vorgeworfenen Sachverhalts, wobei sie sich allein auf die Aussage der Zeugin X stütze, die jedoch zum Geschehensablauf keine Angaben machten konnte, weil sie mit anderen Arbeiten beschäftigt war und mehrmals das Lokal verlassen hatte. Bei richtiger Würdigung hätte die belangte Behörde berücksichtigen müssen, dass die Bwin nur reflexartig aus Entrüstung über das aggressive Verhalten des Herrn X diesem eine kleine Menge gespritzten Weines ins Gesicht schüttete.

 

Überdies hätte die belangte Behörde einen Ortsaugenschein zur Rekonstruktion des Sachverhalts unterlassen, was einen Verfahrensmangel bewirkt hätte. Auch die Geldstrafe von 36 Euro wäre angesichts der monatlichen Einkünfte von 340,45 Euro und der Sorgepflicht für zwei mj. Töchter im Alter von 15 und 17 Jahren zu als bedeutend hoch bemessen.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Eferding und festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 1 Oö. PolStG begeht – außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung - eine Verwaltungsübertretung,
 
wer den öffentlichen Anstand verletzt.

 

Nach § 1 Abs 2 Oö. PolStG ist als Anstandsverletzung im Sinne des Absatz 1 jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

4.2. Die belangte Behörde hat zwar mit Strafverfügung vom 28. Mai 2008 ein Strafverfahren wegen Übertretung des § 1 Oö. PolStG gegen die Bwin eingeleitet, dabei aber keinen durch konkrete Sachverhaltselemente bestimmten Tatvorwurf erhoben. Der erhobene Vorwurf,

 

"Sie hatten am 20.04.2008, um 03:45 Uhr, in X, X, im Lokal X eine verbale Auseinandersetzung mit X, in die sich der Lebensgefährte X einmischte, und in deren Verlauf diese Auseinandersetzung in Tätlichkeiten ausartete.",

 

ist nicht aussagekräftig, weil er noch kein bestimmtes Verhalten der Bwin umschreibt, das den öffentlichen Anstand verletzt haben könnte, sondern nur allgemein referiert, dass eine verbale Auseinandersetzung in Tätlichkeiten ausartete. Dabei bleibt inhaltlich vieles offen.

 

Als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte gelten Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht zu prüfen. Dabei muss sich die Verfolgungshandlung auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente beziehen. Diese ist schon im Ladungsbescheid oder in der Aufforderung zur Rechtfertigung ausreichend zu konkretisieren ( Unterlaufen dabei Fehler kann eine Sanierung nur dadurch erfolgen, dass dem Beschuldigten noch innerhalb der Verjährungsfrist der Sachverhalt konkret vorgehalten wird.

 

Eine verjährungsunterbrechende Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG kann auch durch das Zur-Kenntnis-Bringen einer Anzeige, in der alle relevanten Sachverhaltselemente eindeutig umschrieben sind, verbunden mit der Aufforderung zur Rechtfertigung oder durch Vorhalt eines bestimmten Ermittlungsergebnisses erfolgen (vgl zum Ganzen mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 1459 ff, Anm 1 zu § 32 VStG).

 

Nach Ausweis der Aktenlage erfolgte mit Schreiben der belangten Behörde vom 24. Juli 2008, zugestellt am 28. Juli 2008, eine "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme". Dabei wurde die Zeugeneinvernahme der X übermittelt und ausdrücklich auf die von der Zeugin bestätigte Tätlichkeit der Bwin hingewiesen, "nämlich dass Frau X dem Herrn X Wein in das Gesicht geschüttet hat". Diese Handlung habe die Bwin bei der Einvernahme am 21. April 2008 vor der PI Eferding auch selbst eingestanden.

 

Mit diesem ausdrücklichen Vorhalt in der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 24. Juli 2008 hat die belangte Behörde noch innerhalb der gemäß § 31 Abs 2 VStG maßgeblichen Sechsmonatefrist für die Verfolgungsverjährung die angelastete Tätlichkeit durch einen Sachverhalt konkretisiert. Der Berufungseinwand der Verfolgungsverjährung ist daher unbegründet.

 

4.3. Die in der Berufung unter Hinweis auf mangelhafte Beweiswürdigung vermisste Feststellung, wonach die Bwin dem X nur aus verständlicher Entrüstung reflexartig Wein ins Gesicht schüttete, kann auf sich beruhen, weil das angefochtene Straferkenntnis aus einem anderen Grund zu Unrecht ergangen ist. Die belangte Strafbehörde hatte nämlich in rechtlicher Hinsicht auch auf die Subsidiaritätsklausel im § 1 Abs 1 Oö. PolStG Bedacht zu nehmen, wonach eine Anstandsverletzung nur vorliegt, wenn die Tathandlung nicht sonst mit Verwaltungsstrafe oder gerichtlicher Strafe bedroht ist.

 

§ 1 Oö. PolStG ist demnach subsidiär im Verhältnis zu anderen Verwaltungsübertretungen und zu gerichtlich strafbaren Handlungen, worunter auch Privatanklagedelikte wie Beleidigungen nach dem § 115 StGB zählen.

 

Gemäß § 115 Abs 1 iVm § 117 StGB begeht das Privatanklagedelikt der Beleidigung und ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen, wer öffentlich oder vor mehreren Leuten einen anderen beschimpft, verspottet, am Körper mißhandelt oder mit einer körperlichen Mißhandlung bedroht, wenn er deswegen nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengeren Strafe bedroht ist.

 

Grundsätzlich hält auch der erkennende Verwaltungssenat das vorsätzliche Schütten von Wein ins Gesicht eines anderen Lokalbesuchers für ein die öffentliche Ordnung störendes rücksichtslosen Verhalten, das nicht nur körperliches Unbehagen, sondern auch eine Verschmutzung des Gewandes des Betroffenen hervorruft. Dabei ist es durchaus naheliegend, dass damit der Tatbestand des § 115 Abs 1 StGB in der Variante der Misshandlung und darüber hinaus auch der Tatbestand der vorsätzlichen Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB verwirklicht worden sein könnte.

 

Die öffentliche Begehungsweise des angelasteten Verhaltens im öffentlich zugänglichen Lokal "X" steht vorliegend außer Frage, waren doch neben den am Streit beteiligten Personen noch weitere zwei Gäste und die Kellnerin anwesend.

 

Der Begriff des Misshandelns erfasst objektiv unangenehme Einwirkungen auf den Körper eines anderen, die dessen Wohlbefinden beeinträchtigen, ohne zu einer Verletzung zu führen (vgl mwN Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB3 § 115 Rz 5). Unter den in der Literatur genannten zahlreichen Beispielen findet man neben dem Bespucken, Bewerfen mit Gegenständen auch das Begießen mit Flüssigkeiten (vgl Leukauf/Steininger, aaO, § 115 Rz 5; Foregger in Wiener Kommentar2 § 115 Rz 13 f). Außerdem werden auch derbe Annäherungen wie Anfassen oder Schütteln am Körper oder an den Haaren als tatbildlich erwähnt (vgl neben den bisherigen Zitaten Kienapfel, BT I3 § 115 Rz 12).

 

Somit ist davon auszugehen, das das der Bwin von der belangten Behörde angelastete Verhalten das gerichtlich strafbare Delikt der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB und möglicherweise auch der Sachbeschädigung nach § 125 StGB in der Variante des Verunstaltens oder zumindest vorübergehenden Unbrauchbarmachens von Kleidungsstücken (vgl dazu näher Leukauf/Steininger, aaO, § 125 Rz 7 u 9) erfüllen würde.

 

Im Hinblick auf die Subsidiarität des § 1 Abs 1 Oö. PolStG gegenüber gerichtlich strafbaren Handlungen liegt schon dann keine Verwaltungsübertretung vor, wenn die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Die Subsidiaritätsklausel fordert nicht, dass es tatsächlich zu einer strafgerichtlichen Verurteilung gekommen sein muss. Aus diesem Grund brauchte der Oö. Verwaltungssenat schon aus rechtlichen Gründen keine weiteren Ermittlungen vorzunehmen.

 

5. Im Ergebnis war daher aus Anlass der Berufung das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt auch gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

 

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