Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222356/2/Kl/Pe

Linz, 19.01.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 3.12.2009, BZ-Pol-10181-2009, wegen Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 3.12.2009, BZ-Pol-10181-2009, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) in sechs Fällen Geldstrafen in Höhe von insgesamt 1.000 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von insgesamt 91 Stunden wegen einer Verwaltungsübertretung von jeweils § 366 Abs.1 Z3 und § 81 GewO 1994 verhängt. Es wurde ihm folgende Tat vorgeworfen:

„Die Betriebsanlage der x, ist am Standort x, mit folgenden gewerberechtlichen Bescheiden bewilligt worden:

·               Bescheid vom 07.09.1956, GE-3007-1956,

·               Bescheid vom 17.03.1961, GE-3025-1961,

·               Bescheid vom 25.02.1980, MA 2-GE-3050-1978,

·               Bescheid vom 02.12.1981, MA 2-GE-3043-1981,

·               Bescheid vom 15.06.1984, MA 2-Ge-3044-1984,

·               Bescheid vom 13.04.1990, MA 2-GE-3188-1988 und GE-3149-1989,

·               Bescheid vom 19.01.1993, MA 2-GeBA-16-1992,

·               Bescheid vom 19.09.1994, MA 2-GeBA-57-1992 und MA 2-GeBA-77-1993,

·               Bescheid vom 23.03.1998, MA 2-GeBA-26-1997,

·               Bescheid vom 05.11.2003, BG-BA-82-2003 und

·               Bescheid vom 29.11.2007, BZ-BA-0064-2007

Einen wesentlichen Bestandteil des oa. Bescheides vom 19.09.1994, MA 2-GeBA-57-1992 und MA 2-GeBA-77-1993, bildet die Verhandlungsschrift vom 05.04.1994 samt Einreichunterlage ‚Schalltechnisches Projekt LKW-Abstellplatz vom 18.10.93 (x)’, in dem unter dem Punkt ‚Beschreibung’ (Seiten 5 und 6) Folgendes ausgeführt ist:

Hinsichtlich der Kühlaggregate ist anzumerken, dass diese laut Angaben der x am Parkplatz – 10 LkW-Abstellplätze östlich der an der B 1 befindlichen Tankstelle und 10 LkW-Abstellplätze nördlich der Gaswerkstraße – sowohl tags als auch nachts nicht betrieben werden dürfen.

Sie habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer und somit als iSd § 370 Abs.1 GewO 1994 verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der x, zu vertreten, dass auf dem Freigelände der Betriebsanlage dieser Firma an der oa. Adresse Kühlaggregate wie folgt betrieben worden sind:

a)  am 24.05.2009 zumindest von 11:25 Uhr bis 12:08 Uhr durch das Laufenlassen der Kühlaggregate beim LKW-Zug der Firma x am Lkw-Abstellplatz östlich der an der B 1 befindlichen Tankstelle,

b)  am 26.05.2009 zumindest von 12:20 Uhr bis 14:10 Uhr durch das Laufenlassen der Kühlaggregate bei den Lastkraftwägen der Firma x, pol. Kennzeichen: x, und der Firma x pol. Kennzeichen: x) am Lkw-Abstellplatz östlich der an der B 1 befindlichen Tankstelle,

c)  am 04.06.2009 zumindest von 13:35 Uhr bis 20:00 Uhr durch das Laufenlassen der Kühlaggregate beim Lastkraftwagen der Firma x, polizeiliches Kennzeichen der Zugmaschine x, am Lkw-Abstellplatz östlich der an der B 1 befindlichen Tankstelle,

d)  am 04.06.2009 zumindest von 10:30 Uhr bis 18:10 Uhr durch das Laufenlassen von Kühlaggregaten bei mehreren Lastkraftwägen am Lkw-Abstellplatz östlich der an der B 1 befindlichen Tankstelle, ua. um 18:10 Uhr bei den Lastkraftwägen x, ‚x’, ‚x’ und ‚x’,

e)  am 07.06.2009 zumindest um 13:30 Uhr durch das Laufenlassen von Kühlaggregaten bei mehreren Lastkraftwägen am Lkw-Abstellplatz östlich der an der B 1 befindlichen Tankstelle sowie

f)  am 07.06.2009 zumindest um 21:20 Uhr durch das Laufenlassen der Kühlaggregate bei zehn bis 14 Lastkraftwägen am Lkw-Abstellplatz nördlich der Gaswerkstraße, z.B. ‚x’, polizeiliches Kennzeichen: x und x, ‚x’, polizeiliches Kennzeichen: (H) x, ‚x’, polizeiliches Kennzeichen: (SL) x, ‚x’, polizeiliches Kennzeichen: x.

Durch dieses oa. Laufenlassen von Lastkraftwagen-Kühlaggregaten ist eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung abgeändert worden. Diese Abänderung hätte zur Wahrung der im § 74 Abs.2 Z2 GewO 1994 umschriebenen Interessen – im gegenständlichen Falle wegen Belästigung der Nachbarn durch Lärm – jedenfalls einer Genehmigung bedurft.“

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass insbesondere der Genehmigungsbescheid aus dem Jahr 1994 nicht das Laufenlassen von Lastkraftwagen-Kühlaggregaten durch Auflagen beschränkt. Eine Unterbrechung der Kühlkette sei nach lebensmittelrechtlichen Vorschriften gesetzlich untersagt. Unterlagen, wie das angeführte schalltechnische Projekt, können nur dann rechtsverbindlich sein, wenn im Bescheidspruch darauf verwiesen ist, die Unterlage dem Bescheid angeschlossen ist und die Unterlage konkrete Ge- und Verbote enthält. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Auch sei durch Vorverfahren beim Unabhängigen Verwaltungssenat bereits festgestellt, dass das Laufenlassen von Lastkraftwagen-Kühlaggregaten zur Tagzeit vom Genehmigungskonsens erfasst sei. Weiters würden sich hinsichtlich der Beschreibung der unterschiedlichen Bereiche der Betriebsanlage in den Genehmigungsbescheiden unterschiedlichste und teilweise irreführende Bezeichnungen finden. In dem schalltechnischen Projekt fehle jedenfalls jedwede Angabe, inwiefern Beschränkungen des Betriebs von Lastkraftwagen-Kühlaggregaten in welchen Bereichen der Betriebsanlage und auch zu welchen Zeiten vorzunehmen seien. Schließlich wurde Verfolgungsverjährung eingewendet. Dies beziehe sich auf die Tatzeitpunkte 24.5.2009 und 26.5.2009. Schließlich wurden auch Mängel gemäß § 44a VStG geltend gemacht. Darüber hinaus bringt der Beschuldigte Doppelbestrafung vor, da es sich um ein fortgesetztes Delikt handle und die im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen bereits mit Straferkenntnissen vom 9.7.2009, 15.7.2009 und 16.7.2009 der für das angefochtene Straferkenntnis maßgebliche Tatzeitraum miterfasst ist. Die bereits in den genannten Straferkenntnissen vom 9.7.2009, 15.7.2009 und 16.7.2009 angeführten Tathandlungen stehen mit dem im angefochtenen Straferkenntnis angeführten Tathandlungen in einem engen zeitlichen Zusammenhang und sind von einem einheitlichen Willensentschluss umfasst.

 

3. Der Magistrat der Stadt Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 366 Abs.1 Z3 Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 idF BGBl. I Nr. 68/2008, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§§ 81f).

 

Gemäß § 22 Abs.1 VStG sind Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt.

 

Eine Ausnahme von diesem Prinzip besteht bei einem fortgesetzten Delikt. Darunter ist eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen zu verstehen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines (noch erkennbaren) zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzept des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Der Zusammenhang muss sich äußerlich durch zeitliche Verbundenheit objektivieren lassen (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1376 und 1383 mit Judikaturnachweisen). Auch nach dem im angefochtenen Straferkenntnis vorliegenden Tatvorwurf ist ein zeitlicher Zusammenhang zu erkennen, da die Tatzeitpunkte 24.5., 26.5., 4.6. und 7.6.2009 eng zusammen liegen. Auch ist die gleichartige Begehungsform und die Gleichartigkeit der äußeren Begleitumstände gegeben. Zu sämtlichen Punkten wurde das Laufenlassen eines Kühlaggregates oder mehrerer Kühlaggregate bei Lastkraftwagen vorgeworfen. Es ist daher von einem fortgesetzten Delikt auszugehen und daher nur die Verhängung einer einheitlichen Gesamtstrafe und Gesamtfreiheitsstrafe zulässig. Da nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Übertretung nach § 366 Abs.1 Z3 GewO 1994 von einem fortgesetzten Delikt auszugehen ist, war die Anwendung des in § 22 VStG normierten Kumulationsprinzips ausgeschlossen. Aus dem Wesen dieser Straftat als fortgesetztes Delikt folgt aber, dass die Bestrafung für einen bestimmten Tatzeitraum auch die in diesem gelegenen, wenn auch ebenfalls erst später bekannt gewordenen Einzeltathandlungen erfasst. Dies bedeutet, dass ungeachtet einer im Spruch des Strafbescheides der Behörde erster Instanz angeführten Tatzeit, alle Einzeltathandlungen bis zu der mit seiner Zustellung erfolgten Fällung des Strafbescheides erster Instanz erfasst sind und daher wegen solcher Einzeltathandlungen nicht neuerlich gegen den selben Täter eine Strafe verhängt werden darf (Hauer/Leukauf, Seite 1383, Anmerkung 6 mit Judikaturnachweisen).

 

Wie die Berufung daher zu Recht ausführt, ist bereits mit den von der belangten Behörde erlassenen Straferkenntnissen vom 9.7. bzw. 15.7.2009 der Tatzeitraum bis Erlassung dieser Straferkenntnisse abgegolten, wobei die nunmehr im angefochtenen Straferkenntnis angeführten Tatzeitpunkte innerhalb dieses Abgeltungszeitraumes liegen. Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Setzt der Täter nach dem Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses durch die Behörde erster Instanz die verpönte Tätigkeit fort, so darf die neuerliche Bestrafung nur die nach der letzten Bestrafung gesetzten Tathandlungen umfassen. Eine neuerliche Bestrafung wegen Tathandlungen, die in den von der ersten Bestrafung umfassten Tatzeitraum fallen, verstößt gegen das Verbot der Doppelbestrafung (Hauer/Leukauf, Seite 1384, Anmerkung 10 mit Judikaturnachweisen).

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, waren gemäß § 66 Abs.1 VStG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

Beschlagwortung: fortgesetztes Delikt, keine Kumulation, Verbot der Doppelbestrafung, Erfassungswirkung

 

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