Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164699/5/Br/Th

Linz, 21.01.2010

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems, vom 21.12.2009, Zl. VerkR96-15157-2009-Wf, wegen Übertretungen der StVO 1960, zu Recht:

 

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

II.              Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1 und 51e Abs.3 Z4 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in Höhe von 80 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 36 Stunden verhängt, weil er am 20.10.2009 um ca. 14:03 Uhr als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen X auf der B 120 bei Strkm 32,960 im Ortsgebiet von Inzersdorf, ohne die für ein sicheres Überholen erforderlichen Geschwindigkeitsunterschied einen Pkw überholt habe.

 

1.1. Der Schuldspruch wurde im Ergebnis auf die am 20.10.2009 erstattete Anzeige des überholten Pkw-Lenkers gestützt. Dies nachdem der Berufungswerber im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, nämlich auf den Ladungsbescheid der Behörde erster Instanz vom 6.11.2009, wo er eingeladen wurde am 23.11.2009 um 10:30 Uhr bei der Behörde zur Rechtfertigung zu erscheinen, nicht reagiert habe.

Dieses Schriftstück wurde jedoch vom Berufungswerber nicht behoben. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieses ihm überhaupt zustellt wurde.

 

2. In der vom Berufungswerber unter Vorlage des Schaublattes und eines Fahrtenberichtes fristgerecht erhobenen Berufung erklärt dieser im Ergebnis zur fraglichen Zeit nicht am Vorfallsort gewesen zu sein. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich auf einer Baustelle in Regau befunden.

 

3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte mit Blick auf das im Vorfeld durchgeführten Ermittlungsverfahrens unter Wahrung des Parteiengehörs unterbleiben (§ 51e Abs.3 Z2 VStG).

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Beischaffung von Übersichtsaufnahmen vom fraglichen Straßenbereich aus dem System Doris; Plausibilitätsberechnungen zum Weg-Zeit-Diagramm wurde mittels Analyzer Pro 32 durchgeführt. Darüber wurde der Behörde erster Instanz Parteiengehör gewährt. Beigeschafft wurde auch ein Foto vom Angezeigtenfahrzeug.

 

4. Beweislage:

Laut dem im Akt erliegenden Schaublatt in Verbindung mit den Aufzeichnungen aus dem Fahrtenbericht ist das Fahrzeug am 20.10.2009 kurz nach 14:00 Uhr für etwa eine dreiviertel Stunde gestanden. Laut dem chronologisch geführten Fahrtenbericht ist dieser Stillstand von 14:15 Uhr bis 14:40 Uhr im etwa 50 km entfernt gelegenen Regau eingetragen. Für diese Strecke beträgt die Fahrtzeit laut Routenplaner 31 Minuten. Sohin lässt sich die Tatzeit 14:03 Uhr in Inzersdorf nicht gesichert nachvollziehen.

Aber auch der Tatvorwurf selbst erweist sich als nicht plausibel. Wie aus dem beigehängten Luftbild hervorgeht ist der Anzeiger etwa 50 m vor dem Kurveneingang (Gemeindeamt ONr. 116) in die B120 nach rechts eingebogen. Dabei habe sich laut Anzeiger der Lkw mit großem Geschwindigkeitsunterschied seinem Fahrzeug angenähert. Ein Auflaufen ist in dieser Situation wohl zwingend, weil doch der Pkw des Anzeigers mehr oder weniger aus dem Stand heraus erst beschleunigen musste. Bei zügiger Beschleunigung (2 m/sek2 – Berechnung mit Analyzer Pro 32) erreichte demnach der Anzeiger nach knapp 50 m und sechs Sekunden die Höhe des Gemeindeamtes. Nach weiteren 40 m am Ende des Kurvenscheitels liegt der Strkm 32,980.

Wenn sich der Lkw mit „großer Geschwindigkeitsdifferenz“ dem Berufungswerber näherte und der Lkw nach etwa 80 m (also am Ende des Kurvenscheitels) das offenbar bis kurz vorher noch in Beschleunigung befindliche überholte, kann daraus jedenfalls nicht der Schluss gezogen werden, dass mit nicht ausreichender Geschwindigkeitsdifferenz überholt worden wäre. Nicht auszuschließen ist, dass im Einbiegen des Anzeigers sogar eine Konflikt mit dem Vorrang des Lkw´s entstanden sein könnte und dies den Überholentschluss des Lkw´s (um eine Bremsung zu vermeiden) begünstigt haben mag. Hat der Lkw tatsächlich die B 120 mit 70 km/h durchfahren, müsste der Pkw etwa 50 bis 60 m und weniger als drei Sekunden vor dem Lkw in die B120 eingefahren sein, was den Überholvorgang auf Höhe Strkm 32,960 im Weg-Zeit-Ablauf logisch erklären würde.

 

Abgesehen davon, dass der Berufungswerber bestreitet zum fraglichen Zeitpunkt vor Ort gewesen zu sein, ist auch kaum nachvollziehbar, dass bei 70 km/h iSd § 16 Abs.1 lit.b StVO der Geschwindigkeitsunterschied des überholenden und des eingeholten Fahrzeuges für einen kurzen Überholvorgang zu gering gewesen wäre (20 km/h [!]).

Wie aus der Anzeige hervorgeht, entstand keine Gefährdung. Die B120 verläuft ab oder schon vor dem Strkm 33,0 übersichtlich und auf über 200 m völlig gerade. Bei dieser Geschwindigkeitsdifferenz erstreckt sich der Überholvorgang im übrigen nur auf eine Wegstrecke von 147 m.

Beim Anzeiger scheint insbesondere die Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit – der sich strikt an das im Ortsgebiet erlaubte Geschwindigkeitslimit gehalten haben will und auf 51 km/h beschleunigte – das Anzeigemotiv gebiltet zu haben. Eine nicht ausreichende Geschwindigkeitsdifferenz ist aus h. Überzeugung weder beweis- und noch weniger subsumierbar.

 

Die Behörde erster Instanz teilt über das ihr am heutigen Tag gewährte Parteiengehör durch den Sachbarbeiter mit, dass man der von der Berufungsbehörde vorläufig bewerteten Beweisannahme nicht eingegen treten wolle und an einer Verfahrenseinstellung keine Bedenken bestünden.

 

5. Da hier die Tat offenkundig nicht begangen wurde, insbesondere schon bei bloßen Zweifel ein Beweis nicht erbracht gilt, war hier der Bescheid zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 einzustellen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

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