Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401042/2/BP/Wb/Ga

Linz, 01.02.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree aus Anlass der Beschwerde des X, StA der Russischen Föderation, derzeit angehalten im PAZ Wels, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 18. Jänner 2010 durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin bestehen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 29/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 18. Jänner 2010, GZ.: Sich40-3953-2009, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs. 2a Z. 1 iVm. § 80 Abs. 5 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgFiVm. § 57 AVG zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

 

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass der Bf, ein Staatsbürger der Russischen Föderation, am 14. Dezember 2009 als Insasse eines internationalen Reisebusses – von Österreich kommend – illegal in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Unmittelbar nach der Einreise nach Deutschland sei der Bf von Beamten der deutschen Polizei einer Personenkontrolle unterzogen worden. Nachdem er anlässlich dieser Kontrolle nicht im Stande gewesen sei, den Besitz eines Nationalreisedokuments und/oder den Besitz eines im Schengenraum gültigen Einreise- bzw. Aufenthaltstitels nachzuweisen, sei der Bf infolge seiner illegalen Einreise und seines unrechtmäßigen Aufenthaltes festgenommen und noch am gleichen Tag nach dem österreichisch-deutschen Schubabkommens am Landweg nach Österreich zurückgeschoben worden.

 

Unmittelbar nach der Rückübernahme habe der Bf am 14. Dezember 2009 unter den von ihm genannten Personalia "X, geb. X in X, StA der Russischen Föderation" gegenüber Beamten der PI Schärding einen Asylantrag gestellt. Weder zum Zeitpunkt der Einbringung dieses Antrages noch im Rahmen des weiteren Verfahrensverlaufes habe der Bf ein Reisedokument oder ein anderweitiges Dokument, welches einen Rückschluss auf seine Identität zulassen würde, in Vorlage gebracht. Er habe anlässlich seines Aufgriffes in Deutschland lediglich im Besitz eines gültigen Bustickets für die Firma X, ausgestellt in Budapest, mit einer Gültigkeit von Budapest bis Brüssel gestanden.

 

Im Zuge der niederschriftlichen Erstbefragung zu seinem Asylantrag habe der Bf – unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die russische Sprache – angeführt, dass er am 3. oder 4 Dezember 2009 seine Herkunftsregion um X verlassen habe und via Moskau zunächst illegal in die Ukraine eingereist sei. Von der Ukraine kommend sei der Bf mit einem Kleinbus illegal nach Ungarn eingereist. Nach einer Aufenthaltsdauer von 1 bis 2 Tagen in Budapest habe der Bf Ungarn per Bus mit dem Reiseziel Belgien verlassen. Nachdem er illegal von Ungarn kommend nach Österreich eingereist sei, habe er weite Teile des Bundesgebietes durchquert, ehe er unrechtmäßig in die Bundesrepublik Deutschland ausgereist sei. Für seine Schleusung von Russland bis in die Europäische Union habe er einen Betrag von 3.000 Euro an Schlepper bezahlt. Dieses Geld sei von seinen Verwandten gesammelt worden. Befragt nach dem Verbleib seines Reisepasses, habe der Bf angeführt, dass er beim Verlassen seines Herkunftsstaates diesen zwar mitgeführt habe, jetzt aber nicht mehr wisse, wo sich der Pass befinde. Auf die Frage zu Angaben über Familienangehörige in Österreich oder in einem anderen EU-Staat, habe der Bf angegeben, dass eine Schwester und ein Schwager in Frankreich wohnen würden. Zu Österreich habe der Bf keinen familiären Bezug ins Treffen geführt. Befragt, ob er über Barmittel oder sonstige Unterstützung verfüge, habe der Bf angeführt, dass er – abgesehen von einem Bargeldbetrag von 100 $ - mittellos sei und von niemandem unterstützt werde.

 

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme im Asylverfahren am
16. Dezember 2009 vor dem BAA, EAST-West, habe der Bf angegeben, dass er gesund sei, jedoch seine Wirbelsäule untersuchen lassen wolle, da er dort Schmerzen habe. Befragt zu seinem Reiseweg, habe er im Wesentlichen die Angaben aus der Erstbefragung bestätigt.

 

Im Zuge dieser Amtshandlung sei dem Bf von Seiten des BAA mitgeteilt worden, dass Ungarn für seinen – in Österreich gestellten – Asylantrag zuständig sei, weshalb beabsichtigt sei, diesen Antrag als unzulässig zurückzuweisen und die Ausweisung nach Ungarn zu veranlassen. Die an den Bf daraufhin gerichtete Frage, ob er konkrete Gründe nennen wolle, die dem entgegenstünden, habe der Bf mit dem wörtlichen Zitat beantwortet: "Ich will nicht nach Ungarn. Ich wollte so weit wie möglich von Russland wegkommen und wollte eigentlich nach Brüssel reisen. Ich kenne jemanden, der von Ungarn an die Russen übergeben wurde. Deshalb habe ich Angst."

 

Dem seitens der österreichischen Asylbehörde zu seinem Asylantrag eingeleiteten Aufnahmeersuchen an Ungarn sei mit Schreiben der ungarischen Behörde für Migration vom 4. Jänner 2010 zugestimmt worden. Ungarn habe sich gemäß den Bestimmungen des Dubliner Abkommens für die Übernahme des Bf sowie die Durchführung des Asylbegehrens für zuständig erklärt.

 

Im Rahmen einer ergänzenden niederschriftlichen Einvernahme im Asylverfahren am 12. Jänner 2010 vor dem BAA, EAST-West, habe der Bf angeführt, dass er an keinen Krankheiten leide und keine Medikamente nehme. Er sei lediglich ein bisschen verkühlt. Im Zuge dieser ergänzenden Anhörung habe der Bf weiters angegeben, zuvor nur gedacht zu haben, vor seiner Einreise nach Österreich in Ungarn gewesen zu sein. Tatsächlich sei er – so seine Angaben – in Wien gewesen und sei mit dem Bus von Wien in Richtung Zielland Belgien gefahren.

 

Der Asylantrag vom 14. Dezember 2009 sei mit Bescheid des BAA, EAST-West, vom 18. Jänner 2010, AZ: 09 15.407, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005, als unzulässig zurückgewiesen worden. Gleichzeitig sei festgestellt worden, dass für die Prüfung des Asylantrages Ungarn zuständig sei.

 

Ferner sei der Bf mit gleichem Bescheid gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ausgewiesen worden und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ungarn zulässig sei.

 

Dieser Bescheid sei dem Bf am 18. Jänner 2010 in der EASt West persönlich ausgefolgt worden. Am 18. Jänner 2010 um 15.00 Uhr – und demzufolge im unmittelbaren Anschluss an die Bescheidzustellung – sei der Bf von Beamten der PI St. Georgen in der EASt West im Auftrag der belangten Behörde zur Erlassung der Schubhaft nach den Bestimmungen des FPG 2005 festgenommen worden.

 

Weiters führt die belangte Behörde aus, dass der Bf illegal in Österreich aufhältig sei und zudem im Asylverfahren durchsetzbar aus dem Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen worden sei. Die Identität sei nicht gesichert. Der Bf sei relativ mittellos. Hinsichtlich der Notwendigkeit der Schubhaftverhängung werde festgehalten, dass in Fällen, in denen der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen worden sei und gleichgehend eine durchsetzbare Ausweisung in den gemäß Dublinabkommen zuständigen Staat verfügt worden sei, durch die im Fremdenrechtsänderungesetz 2009 geänderten Rechtsbestimmungen ein Sicherungsbedarf bereits indiziert sei. Mit einer zeitnahen Abschiebung nach Ungarn sei im Fall des Bf jedenfalls zu rechnen, zumal sich das Asylverfahren im finalen Stadium befinde und selbst im Falle des Einbringens einer Beschwerde im Asyl- und Ausweisungsverfahren von einer zeitlich sehr kurzen Anhaltung in Schubhaft auszugehen sei. Es sei klargestellt, dass der Bf unter keinen Umständen in Ungarn bleiben oder dort hin zurückkehren wolle. Er habe dort trotz zweitägigem Aufenthalt kein Asylbegehren gestellt, weshalb er sich auch dort nicht bis zum Abschluss des Asylverfahrens den Behörden zur Verfügung halten werde.

 

Im Falle des Bf lägen weder gesundheitliche noch familiäre oder sonstige persönliche Gründe vor, die der Schubhaftverhängung entgegen stünden.

 

Nach einer Einzelfallprüfung stellt die belangte Behörde auch die Verhältnismäßigkeit der gesetzten Maßnahme fest.

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf mit Schreiben vom
25. Jänner 2010 sinngemäß Schubhaftbeschwerde an die belangte Behörde in russischer Sprache, welches dort am 27. Jänner 2010 einlangte. Daraufhin wurde seitens der belangten Behörde umgehend eine Übersetzung dieser Eingabe in die deutsche Sprache durch den Dolmetscher für die russische Sprache, Herrn X, in die Wege geleitet. Die schriftliche Übersetzung dieser Eingabe langte bei der belangten Behörde am 28. Jänner 2010 ein.

 

Der Bf führt im Wesentlichen lediglich aus, dass er seine Freilassung fordere um im Flüchtlingslager das Verfahren abzuwarten und nicht in einem Gefängnis sein zu müssen. Hier könne er seine Probleme nicht beweisen oder keinen Anwalt beauftragen. Dort im Lager könne er diese zwei Wochen nutzen und seine Probleme beweisen.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 29. Jänner 2010 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt an den Oö. Verwaltungssenat. In einer Gegenschrift führt die belangte Behörde ua. aus, dass bezeichnet sei, dass der Bf in Österreich eine behördliche Entscheidung im Asyl- und Ausweisungsverfahren  nicht akzeptiere, da er die Unterschrift bezüglich der erfolgten Ausfolgung der Information nach § 67 FPG 2005 über die Verpflichtung zur Ausreise, welche dem Bf am 18. Jänner 2010 in seiner Muttersprache Russisch übergeben worden sei, ohne Angabe von Gründen verweigert habe

 

Abschließend wird die kostenpflichtige Abweisung der in Rede stehenden Beschwerde beantragt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 18. Jänner 2010, GZ.: Sich40-3953-2009, seit 18. Jänner 2010 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 2a FPG hat die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß
§ 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht          zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z. 4 vorletzter Satz AsylG nicht nachgekommen ist, oder

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde,  

und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegen stehen.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

3.4. Im Gegensatz zu den Schubhafttatbeständen des § 76 Abs. 1 und 2, die ihrer Formulierung nach eine Ermessensentscheidung bedingen, legt Abs. 2a leg. cit., der mit der Novelle BGBl. I Nr. 122/2009 introduziert wurde, grundsätzlich eine obligatorische Verhängung der Schubhaft bei Vorliegen der hier normierten Tatbestandselemente fest. Den Materialien zu § 76 Abs. 2a FPG ist zu entnehmen, dass in den hier normierten 5 Fällen "grundsätzlich von einem Sicherungsbedürfnis auszugehen sein wird".

 

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Gesetzesbestimmung schon nach dem Wortlaut kumulativ zusätzlich zum Vorliegen der Z. 1 bis 5 jedenfalls auch die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig sein muss. Dies kann aber nichts anderes bedeuten, als dass der Sicherungsbedarf zusätzlich zum Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit der Z. 1 bis 5 geprüft werden muss. Fraglos sind die genannten Fallkonstellationen ihrer Natur nach dazu geeignet aufgrund ihres Vorliegens Indizien auch für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs darzustellen.

 

Weiters geben die Materialien an, dass der von den Höchstgerichten geforderten Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den letzten Satz Rechnung getragen wird und gehen diesbezüglich von einem Anwendungsbereich der besonderen in der Person des Asylwerbers gelegenen Umstände "insbesondere" von "Alter" und "Gesundheitszustand" aus. Eine Beschränkung allein auf derartige Umstände wird wohl unzureichend sein, da nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 17.891/2006 und 18.196/2007) schon bei den Absätzen 1 und 2 des § 76 FPG eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist. Eine nunmehrige Einschränkung auf lediglich rein in der Person gelegene Umstände wäre somit verfassungsrechtlich bedenklich und ist über verfassungskonforme Interpretation aufzulösen.

 

Es folgt also daraus, dass das Vorliegen einer oder mehrerer  Alternativen des § 76 Abs. 2a FPG als Indiz für das Vorliegen des Sicherungsbedarfs gewertet werden muss, eine derartige Prüfung aber nicht ersetzt. Weiters muss auch bei dieser Bestimmung die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft – mit besonderer aber nicht ausschließlicher Blickrichtung auf persönliche Verhältnisse des Schubhäftlings – vorliegen. Ein Vergleich mit den Materialien zeigt zudem, dass durch diese Norm die Gesetzesbestimmung schon nach dem Wortlaut kumulativ zusätzlich zum Vorliegen der Z. 1 bis 5 jedenfalls auch die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig sein muss. Dies kann aber nichts anderes bedeuten, als dass der Sicherungsbedarf zusätzlich zum Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit der Z. 1 bis 5 geprüft werden muss. Fraglos sind die genannten Fallkonstellationen ihrer Natur nach dazu geeignet aufgrund ihres Vorliegens Indizien auch für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs darzustellen, das Institut des gelinderen Mittels nach § 77 FPG unberührt bleibt und somit in die Erörterung miteinzubeziehen ist.

 

3.5. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass gegen den Bf mit Bescheid vom 18. Jänner 2010 gemäß § 10 AsylG 2005 eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 leg. cit. verbundene Ausweisung erlassen wurde. Fraglich ist nun, ob diese Entscheidung durchsetzbar ist.

 

Gemäß § 36 Abs. 1 AsylG 2005 kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag zurückgewiesen wird, eine aufschiebende Wirkung nicht zu. Einer Beschwerde gegen eine mit einer solchen Entscheidung verbundenen Ausweisung kommt die aufschiebende Wirkung nur zu, wenn sie vom Asylgerichtshof zuerkannt wird.

 

Kommt einer Beschwerde gegen eine Ausweisung die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist gemäß § 36 Abs. 4 AsylG 2005 die Ausweisung durchsetzbar.

 

Daraus ist ersichtlich, dass eine der Alternativen des § 76 Abs. 2a Z 1 FPG 2005 vorliegt.

 

3.6. Aus den unter 3.4. dieses Erkenntnisses dargestellten Überlegungen wird deutlich, dass auch im Falle des § 76 Abs. 2a FPG 2005 das Vorliegen eines Sicherungsbedarfs zu prüfen ist.

 

Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem Verfahren gemäß § 76 Abs. 2a FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände wohl auch hier nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

Im vorliegenden Fall muss zunächst festgestellt werden, dass die Identität des Bf bis dato ungeklärt ist. Er gibt an, sein Reisedokument, dass er zunächst mit sich geführt haben will, nicht mehr vorzufinden. Er ist mittellos, in Österreich nicht sozial oder sonstig integriert und legte mehrere illegale Grenzübertritte an den Tag. Besonders aber ist zu würdigen, dass er offensichtlich keinesfalls dazu bereit ist, nach Ungarn auszureisen und dort das Ergebnis eines Asylverfahrens abzuwarten, was er schon in seiner Erstbefragung am 14. Dezember 2009 explizit dokumentierte. Ein tatsächlich schlagender Hinweis darauf, dass der Bf jeglichen Versuch unternehmen würde, sich dem österreichischen fremdenpolizeilichen Verfahren zu entziehen, besteht darin, dass er – völlig unglaubwürdig – nunmehr behauptet, nie in Ungarn gewesen zu sein, obwohl sein Busticket in Budapest gelöst wurde, wie er auch zunächst angab. Das Motiv für die Lüge ist klar: Er will auf diese Weise einer Abschiebung nach Ungarn entgehen. Dadurch allein schon gibt er ein Beispiel dafür, dass er in der Wahl der Mittel zur Erreichung seiner Ziele nicht von allzu großen Skrupeln geplagt ist. Der belangten Behörde folgend ist im vorliegenden Fall von einem besonders hohen Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen – fraglos dem Zugriff der Behörde entziehen würde.

 

Damit scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus.

 

3.7. Im Verfahren machte der Bf keinerlei Umstände geltend, die auf die besonders in § 76 Abs. 2a FPG 2005 genannten Gründe abzielen könnten. Er ist weder aufgrund seines Alters noch aufgrund seiner Gesundheit hinsichtlich der Schubhaftverhängung besonders schutzwürdig und hat dies auch nicht vorgebracht. Allerdings ist – wie oben beschrieben – auch eine allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen.

 

Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden.

 

3.8. § 80 Abs. 2 FPG normiert, dass die Schubhaft so lange aufrechterhalten werden kann, bis der Grund für ihre Anhaltung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Grundsätzlich wird hier eine zweimonatige Höchstgrenze festgelegt. Der Bf wird gegenwärtig erst seit rund zwei Wochen in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte zweimonatige Frist noch nicht ausgeschöpft ist.

 

Das Ziel der Schubhaft, die Ausweisung und Abschiebung nach Ungarn, ist zum Entscheidungszeitpunkt durchaus zeitnah erreichbar, da keine Umstände bekannt sind, die gegen die Durchführbarkeit der Rückführung des Bf sprechen.

 

3.9. Es sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde vom 25. bzw. 29. Jänner 2010 als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen ist, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Bernhard Pree

 


Rechtssatz

VwSen-401042//BP/ vom 31. Jänner 2010

Zu § 76 Abs. 2a FPG

 

Es folgt also daraus, dass das Vorliegen einer oder mehrerer  Alternativen des § 76 Abs. 2a FPG als Indiz für das Vorliegen des Sicherungsbedarfs gewertet werden muss, eine derartige Prüfung aber nicht ersetzt. Weiters muss auch bei dieser Bestimmung die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft – mit besonderer aber nicht ausschließlicher Blickrichtung auf persönliche Verhältnisse des Schubhäftlings – vorliegen.

 

 

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