Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521391/33/Sch/Th

Linz, 03.02.2010

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. X, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 04.08.2006, F 06/177556, wegen Befristung der Lenkberechtigung und Vorschreibung von Auflagen, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlungen am 17. Oktober 2006 und am 29. Jänner 2010 zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem oa Bescheid wurde Herrn X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. X, gemäß § 3 Abs.1 iVm § 5 Abs.5 und § 24 Abs.1 Führerscheingesetz (FSG) die mit Führerschein der BPD Linz, Zl. F 06/177556 und F 06/056771, für die Klassen A, B + E erteilte Lenkberechtigung insofern eingeschränkt, als sie bis 19.6.2011 befristet erteilt und angeordnet wurde, dass er sich bis zum 19.6.2011 einer amtsärztlichen Nachuntersuchung, unter Vorlage eines Befundes eines Facharztes für Innere Medizin wegen Diabetes Mellitus, Fettstoffwechselstörung und Bluthochdruck, zu unterziehen habe.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 7. Februar 2007, VwSen-521391/12/Sch/Hu, wurde – nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung – die Berufung abgewiesen.

 

Diese Entscheidung wurde auf zwei amtsärztliche Gutachten gestützt.

 

Dagegen hat der Berufungswerber Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, der mit Erkenntnis vom 15. September 2009, 2007/11/0043-5, den in Beschwerde gezogenen Bescheid in folge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben hat. Begründend führt der Gerichtshof im wesentlichen folgendes aus:

 

"Aus den Ausführungen der von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen und damit aus dem angefochtenen Bescheid, in welchem ihr Gutachten als Grundlage herangezogen wird, wird zwar das Zustandsbild des Beschwerdeführer ausführlich dargestellt, es ergibt sich jedoch keine hinreichende Begründung, warum nach Ablauf der von der belangten Behörde festgesetzten Zeit mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers, die ihn am Lenken von Kraftfahrzeugen hindert, gerechnet werden muss.

 

Die Sachverständige folgte den Ausführungen in dem in erster Instanz eingeholten amtsärztlichen Gutachten, dass innerhalb der letzten sieben Jahre eine 'deutliche' Besserung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers eingetreten ist. Aus den ärztlichen Ausführungen ist daher zu erschließen, dass der Zustand des Beschwerdeführers nicht nur stabil ist, sondern sich über einen langen Beobachtungszeitraum vom sieben Jahren – sogar 'deutlich' – gebessert hat. Im Zusammenhalt mit der von der Sachverständigen beschriebenen guten Compliance des Beschwerdeführers hätte es daher einer schlüssigen Begründung bedurft, warum dennoch eine Verschlechterung des Zustandes des Beschwerdeführers für wahrscheinlich gehalten wird. Wenn die Amtssachverständige aus der Zusammenschau der Leiden des Beschwerdeführers bzw. aus Wechselwirkungen dieser Leiden zu dem Ergebnis gelangt sein sollte, dass mit einem weiteren Fortschreiten der Erkrankungen des Beschwerdeführers zu rechnen ist und ein Lenken von Kraftfahrzeugen der in Rede stehenden Klassen auch den Beschwerdeführer aus derzeitiger Sicht nur bis 19. Juni 2011 befürwortet werden kann, hätte sie durch konkrete Ausführungen darlegen müssen, mit welchen Krankheitsbildern nach Ablauf der Frist zu rechnen ist. Weder im Sachverständigengutachten vom 29. November 2006 noch in dem von der erstinstanzlichen Behörde eingeholten amtsärztlichen Gutachten vom 19. Juni 2006 wird Diesbezügliches ausgeführt. Der bloße Hinweis auf einen 'grundsätzlich progredienten Verlauf' der Grunderkrankung reicht nicht aus, um die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu beurteilen.

 

Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne des § 8 Abs.3 Z2 FSG ist dann gegeben, wenn eine 'Krankheit' festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2001, 2000/11/0337, mwN). Auch diesbezüglich wäre es also erforderlich gewesen, zu begründen, warum – ungeachtet der über lange Zeit beobachtbaren Verbesserung des Zustandes des Beschwerdeführers und seiner unbestrittenen Compliance – eine konkrete Verschlechterung – die für die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen relevant ist – zu erwarten ist.

 

Ausführungen im dargelegten Sinn fehlen im Sachverständigengutachten, auf das sich der angefochtene Bescheid stützt, und ebenso von der erstinstanzlichen Behörde eingeholten Gutachten. Es besteht auch keine allgemeine Erfahrung dahingehend, dass bei jeder Art der Zuckerkrankheit bzw. eines Herzinfarkts mit einer solchen Verschlechterung gerechnet werden muss. Davon geht auch § 11 FSG-GV nicht aus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. September 2008, Zl. 2008/11/0091). Die belangte Behörde hätte daher, ehe sie das Sachverständigengutachten ihrer Entscheidung zugrundelegt, die Sachverständige zur Ergänzung im beschriebenen Sinn auffordern müssen. Der angefochtene Bescheid leidet demnach an einem Feststellungs- und Begründungsmangel."

 

3. Aufgrund dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes hatte der Oö. Verwaltungssenat einen zweiten Rechtsgang durchzuführen. Im Zuge dessen wurde am 29. Jänner 2010 neuerlich eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung abgeführt, zu der neben dem Berufungswerber dessen Rechtsvertreter und auch ein Vertreter der Erstbehörde erschienen sind. Dort wurde der entscheidungsrelevante Sachverhalt erörtert. Der Berufungswerber hat hiebei darauf verwiesen, dass das Krankheitsbild aus seiner Sicht stabil sei, dies gelte sowohl im Hinblick auf die Zuckerkrankheit, als auch der Herztätigkeit und der Blutdrucksituation. Er sei in diesem Zusammenhang bei einem Facharzt für Innere Medizin in Behandlung, den er halbjährlich zur Durchführung entsprechender Untersuchungen aufsuche.

 

In rechtlicher Hinsicht ist diesbezüglich zu bemerken, dass die Führerschein-Gesundheitsverordnung weder für Personen, die einen Herzinfarkt erlitten hatten, noch für solche mit Zuckerkrankheit und Bluthochdruck zwingend Befristungen der Lenkberechtigung bzw. amtsärztliche Nachuntersuchungen vorsieht (vgl. diesbezüglich die §§ 10 Abs.3 und 4 und 11 Abs.1 FSG-GV). Wenn jemand das geforderte Facharztgutachten beibringt, dies hat der Berufungswerber schon im Rahmen des erstbehördlichen Verfahrens getan, dann steht einer unbefristeten Lenkberechtigung ohne Auflagen nur dann etwas entgegen, wenn amtsärztlicherseits dies gefordert wird. Allerdings, und hier wird auf das obige Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, muss hiebei ein offenkundig sehr strenger Maßstab gelten, insbesondere müssen die eignungsrelevanten Zukunftsprognosen so konkret auf den Einzelfall eingehen, dass die fachliche Aussage auf die bestimmte betroffene Person detailliert abzielt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat ist sohin unter Hinweis auf die Ausführungen im erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes neuerlich an die Amtsärztin der Abteilung Gesundheit des Amtes der Oö. Landesregierung herangetreten. Diese hat hierauf ihr Gutachten ergänzt und eine mit 16. November 2009 datierte Stellungnahme abgegeben. Dort heißt es:

 

"Ergänzend zum Aktengutachten vom 29.11.2006, in welchem angeführt wurde, dass Herr X an einer langjährigen Zuckerkrankheit leide und bereits 1995 einen Herzinfarkt erlitten hätte, eine koronare Bypass-Operation durchgeführt wurde, eine kombinierte Fettstoffwechselstörung sowie eine Bluthochdruckerkrankung und die Symptomatik eines metabolischen Syndroms bestehe, sodass zu rechnen sei, dass durch zunehmende Verkalkungen das Gefäßsystem angegriffen werde, es zu Durchblutungsstörungen mit Organschäden käme, wird nunmehr im Detail angeführt, wo insbesondere aufgrund dieser beschriebenen Durchblutungsstörungen mit Organschäden zu rechnen wäre:

Einerseits in Form einer Makroangiopathie (= Arteriosklerose aufgrund der gestörten Glukosetoleranz) mit folgenden Prädilektionsstellen: Koronargefäße (= Herzkranzgefäße), weiche als Folge eine koronare Herzkrankheit und einen Herzinfarkt nach sich ziehen können, die großen Arterien der Beine mit der Folge einer Claudicatio intermittens (= Gangstörung), der hirnversorgenden Arterien mit der möglichen Folge eines cerebralen ischämischen Insults (Schlaganfall, Minderdurchblutung des Gehirns und der damit verbundenen Einschränkungen der Konzentration und Leistungsfähigkeit) sowie der Aorta und der großen Gefäßabgänge, insbesondere der Nierenarterien mit der Folge einer Hypertonie (= Bluthochdruck).

 

Weiters kommt es auch zu Veränderungen an den kleinen Blutgefäßen (Arteriolen, Kapillaren, Venolen) mit der Folge einer Verschlechterung der Durchblutung, wobei insbesondere mit folgeträchtigen Veränderungen des Augenhintergrundes (diabetischen Retinopathie = Netzhautveränderung mit möglicher Erblindung)zu rechnen ist und eine sehr häufige Komplikation darstellt

Da bei Herrn X bereits schwere Sekundärschäden vorliegen ist trotz stabiler Stoffwechsellage (d.h. keine akuten Hyperglykämien oder schwere Hypoglykämien) trotz guter Compliance (Nachweis der Selbstkontrolle, Therapie, etc.) eine Verschlechterung wahrscheinlich, da bereits ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis (Herzinfarkt, koronare Bypass-Operation mit kombinierter Fettstoffwechselstörung) als Sekundärkomplikation vorliegt, sodass im konkreten Fall eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes, weiche die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen beeinträchtigt oder ausschließt, auch weiterhin zu erwarten ist. Auch eine intermittierend festgestellte Stabilisierung des Krankheitsbildes lässt nicht den Schluss zu, dass diese auch weiterhin zu erwarten ist, insbesondere bei bereits bekannten schwerwiegenden festgestellten Sekundärkomplikationen. Bei Diabetes Mellitus handelt es sich grundsätzlich um eine fortschreitende Erkrankung.

 

Es wurde deshalb in den Leitlinien für die gesundheitliche Einung im Detail, herausgegeben durch das BMVIT, erarbeitet von einem Gremium von Fachärzten vorgeschlagen, bei Vorliegen signifikanter Sekundärkomplikationen (koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Schlaganfall, arterielle Verschlusskrankheit, etc.) als Auflage regelmäßige fachärztliche Kontrolluntersuchungen wie auch amtsärztliche Nachuntersuchungen aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit der Verschlechterung des Gesundheitszustandes durchzuführen."

 

5. Es stellt sich nunmehr die Frage, ob diese Ausführungen im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend sind, um im konkreten Fall eine Befristung der Lenkberechtigung und eine amtsärztliche Nachuntersuchung begründen zu können. Dabei darf auch nicht außer Betracht bleiben, wie sich die Situation zum Zeitpunkt der nunmehrigen Entscheidung darstellt. Nach den Ausführungen des Berufungswerbers wird sein Gesundheitszustand offenkundig fachärztlicherseits wesentlich öfter beurteilt, als bei Führerscheinbesitzern ansonsten üblich, die in großer Zahl wohl kaum jemals solche Untersuchungen durchführen lassen. Auch kann die Aussage des Berufungswerbers nicht widerlegt werden, dass sein Gesundheitszustand unter Hinweis auf diese Untersuchungen als stabil angesehen werden kann. Die Verschlechterung des Gesundheitszustandes in Form einer Möglichkeit reicht bekanntlich nicht aus, um eine Befristung oder Auflagen auszusprechen, hier muss schon eine sehr konkrete Aussage getätigt werden. Nach der hier gegebenen Sachlage, insbesondere unter Hinweis auf das nun schon fast 4 Jahre dauernde Führerscheinverfahren, wo über eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nichts bekannt geworden ist, kann eine solche Aussage nicht getroffen werden.

 

Deshalb war von der Berufungsbehörde nunmehr die Behebung der Befristung der Lenkberechtigung des Berufungswerbers als auch der angeordneten Auflage einer amtsärztlichen Nachuntersuchung unter Vorlage von Befunden eines Facharztes für Innere Medizin zu beheben. Damit ist der Berufungswerber im Besitze einer unbefristeten und nicht mit Auflagen versehenen Lenkberechtigung für die Klassen A, B und E zu B, allenfalls notwendige Änderungen im Zusammenhang mit dem Dokument Führerschein sind von der Erstbehörde zu veranlassen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

S c h ö n

 

 

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