Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-700028/3/BP

Linz, 03.02.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine X. Kammer (Vorsitzender: Mag. Stierschneider, Berichter: Mag. Dr. Pree, Beisitzer: Mag. Dr. Fischer) über die Berufung der minderjährigen X, vertreten durch deren Mutter X, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. November 2009, GZ.: SO-93.1166,  zu Recht erkannt:

 

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. November 2009, GZ.: SO-93.1166/15-2009/No, wurde von Amts wegen das im Rahmen der Grundversorgung für X zur Verfügung gestellte Verpflegungsgeld von monatlich 110 Euro mit Ablauf des Tages der Zustellung dieses Bescheides (30. Dezember 2009) gemäß § 3 Abs. 2 Z. 11 Oö. Grundversorgungsgesetz 2006, LGBl. Nr. 12/2007, eingestellt. Weiters wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG einer allfällig eingebrachten Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass für die am 6. November 2008 geborene X ein Asylantrag eingebracht worden sei. In der Folge sei Grundversorgung in Form einer Krankenversicherung und Verpflegungsgeld von monatlich 80 Euro gewährt worden. Mit 1. August 2009 sei die Familie X in ein Wohnprojekt der Volkshilfe aufgenommen worden. Die Grundversorgungsleistung für ein Kind bestehe hier aus der Krankenversicherung, den Unterbringungskosten und einem Verpflegungsgeld von monatlich 110 Euro. Im Zuge dieser Unterbringung sei die Hilfsbedürftigkeit neu geprüft worden.

 

Die Mutter des Kindes habe dazu am 31. August 2009 beim Amt der Oö. Landesregierung, Abteilung Soziales, im Rahmen des Parteiengehörs vorgesprochen. Sie habe angegeben, keine Auskünfte über den Vater ihres jüngsten Kindes erteilen zu wollen. Dies habe sie damit begründet, dass sie sich, entgegen dem Wunsch des Vaters, für diese Schwangerschaft entschieden habe. Im zweiten Schwangerschaftsmonat habe ihr der Kindesvater 400 Euro für eine Abtreibung gegeben. Den Namen des Vaters habe sie allerdings im Asylverfahren angegeben, damit er, falls ihr etwas zustoße, im Notfall verständigt werde und gegebenenfalls seinen Rechten und Pflichten nachkommen könne. Zur Zeit habe sie keinen Kontakt zu dem Kindesvater.

 

Sie habe bewusst auf die finanzielle Unterhaltsleistung des Kindesvaters verzichtet, da sie damit rechne, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen und in weiterer Folge arbeiten gehen wolle. Ihre Kinder wolle sie in dieser Zeit in einem Kindergarten bzw. in einer Kinderkrippe unterbringen. Auch nach Ankündigung der beabsichtigten Einstellung der Grundversorgungsleistung habe sie keine Veranlassung gesehen, eine finanzielle Unterstützung des Kindesvaters für eine ausreichende Versorgung ihrer Kinder einzufordern, zumal sie eine solche ihren Kindern selbst bieten könne.

 

In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde weiter aus, dass für X eine gesetzliche Verpflichtung des Kindesvaters bestehe, Unterhalt zu leisten. Diese Leistung müsste zum Wohle des Kindes von der Mutter als Erziehungsberechtigte gegen den Vater geltend gemacht werden. Frau X sei mehrfach, sowohl von der Jugendwohlfahrt X, als auch von einer Pflegschaftsrichterin des X darauf aufmerksam gemacht worden, dass es in ihrem Fall zu Kürzungen oder Streichungen von staatlichen Hilfen kommen könne, da sie den Leistungsanspruch an Dritte (Unterhalt durch den Kindesvater) bewusst und aus freien Stücken nicht wahrnehme.

 

Gemäß § 163a Abs. 1 ABGB habe der gesetzliche Vertreter dafür zu sorgen, dass die Vaterschaft festgestellt werde, es sei denn, dass die Feststellung der Vaterschaft für das Wohl des Kindes nachteilig sei oder die Mutter von ihrem Recht, den Namen des Vaters nicht bekannt zu geben, Gebrauch mache.

 

Gemäß Abs. 2 leg. cit. habe der Jugendwohlfahrtsträger die Mutter darauf aufmerksam zu machen, welche Folgen es habe, wenn die Vaterschaft nicht festgestellt werde.

 

Im Sinne des § 3 Abs. 2 Z. 11 Oö. Grundversorgungsgesetz 2006 könnten Grundversorgungsleistungen nach Maßgabe des Abs. 6 verweigert, eingeschränkt oder entzogen werden, wenn ein Dritter gesetzlich oder vertraglich zur Erfüllung gleichartiger Leistungen verpflichtet sei.

 

Gemäß Abs. 6 leg. cit. seien Entscheidungen nach Abs. 2 im Einzelfall unter Bedachtnahme auf die besondere Situation oder eine allfällige besondere Schutzbedürftigkeit (wie z. B. unbegleitete Minderjährige) unter Berücksichtigung der Verhältnismäßikgeit zu treffen. Der Entscheidung habe eine Anhörung des Betroffenen, soweit dies ohne Aufschub möglich sei, voranzugehen.

 

Der Kindesvater sei gesetzlich zur Zahlung von Unterhaltsleistungen für seine Tochter verpflichtet. Es seien keine Gründe ersichtlich, die, bei einer Bekanntgabe der Vaterschaft, dem Wohl des Kindes nachteilig sein könnten. Dafür spreche auch der Umstand, dass seine Personendaten im Asylverfahren bereits angegeben worden seien. Der Kindesvater sei EU-Bürger und in Österreich gemeldet. Eine Geltendmachung der gesetzlich verpflichtenden Alimentationszahlungen zum Wohle des Kindes wäre daher der Mutter zumutbar. Die Weigerung der Inanspruchnahme der Unterhaltsleistung begründe die Kindesmutter u.a. damit, selbst für die Versorgung ihrer Tochter aufkommen zu können.

 

Die Entscheidung sei unter Berücksichtigung der besonderen Situation und der Verhältnismäßigkeit gemäß § 3 Abs. 6 Oö. Grundversorgungsgesetz 2006 getroffen worden. Eine Anhörung sei der Entscheidung vorangegangen.

 

Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung sei abzuerkennen gewesen, da die Mittel des Lebensbedarfes offensichtlich vorhanden seien und bei einer allfälligen Auszahlung die Rückerstattung nicht gesichert wäre.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid (Einstellung des Verpflegungsgeldes) erhob die Mutter von X als deren gesetzliche Vertreterin  rechtzeitig Berufung mit Schreiben vom 5. Jänner 2010.

 

Darin führt sie aus, dass sie den Kindesvater bezüglich Unterhaltsleistungen für ihre Tochter X nicht belangen könne, weil er römisch katholisch, sie aber Muslimin sei. Sollte ihr Asylantrag abgewiesen werden und sie in ihre Heimat zurückkehren müssen, habe sie Angst, dass sie ihr Bruder deshalb ermorden werde.

 

Sie beantrage daher den angefochtenen Bescheid aufzuheben und ihr das Verpflegungsgeld für die Vertretene in der Höhe von 110 Euro zuzuerkennen.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 18. Jänner 2010 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine Klärung der Sache nicht erwarten lässt. Im Übrigen liegt kein darauf gerichteter Parteienantrag vor (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

2.4. Da im vorliegenden Fall der Oö. Verwaltungssenat über die Berufung gegen einen Bescheid der Oö. Landesregierung (belangte Behörde) zu entscheiden hat, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer berufen (§ 67a Abs. 1 AVG).

  

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 3 Abs. 2 Z. 11 Oö. Grundversorgungsgesetz 2006, LGBl Nr. 12/2007, können Grundversorgungsleistungen nach Maßgabe des Abs. 6 verweigert, eingeschränkt oder entzogen werden, wenn ein Dritter gesetzlich oder vertraglich zur Erbringung gleichartiger Leistungen verpflichtet ist.

 

Gemäß § 3 Abs. 6 Oö. Grundversorgungsgesetz 2006 sind die Entscheidungen gemäß Abs. 2 im Einzelfall unter Bedachtnahme auf die besondere Situation oder eine allfällige besondere Schutzbedürftigkeit (wie z.B. unbegleitete Minderjährige) unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zu treffen. Der Entscheidung hat eine Anhörung des Betroffenen, soweit dies ohne Aufschub möglich ist, voranzugehen.

 

3.2. Gemäß § 140 Abs. 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen.

 

Gemäß § 163a Abs. 1 ABGB hat der gesetzliche Vertreter dafür zu sorgen, dass die Vaterschaft festgestellt wird, es sei denn, dass die Feststellung der Vaterschaft für das Wohl des Kindes nachteilig ist oder die Mutter von ihrem Recht, den Namen des Vaters nicht bekannt zu geben, Gebrauch macht.

 

Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat der Jugendwohlfahrtsträger die Mutter darauf aufmerksam zu machen, welche Folgen es hat, wenn die Vaterschaft nicht festgestellt wird.

 

3.3. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass den Vater von X die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung trifft (vgl. § 140 ABGB). Er ist somit auch Dritter im Sinn des § 3 Abs. 2 Z. 11 Oö. Grundversorgungsgesetz 2006. Dass eine Unterhaltszahlung und somit ein Beitrag zur finanziellen Absicherung zum Wohl des Kindes ist, bedarf keiner näheren Erörterung. Weiters ist festzustellen, dass die Mutter im Interesse ihres Kindes grundsätzlich die Verpflichtung trifft, den Vater bekannt zu geben. Weiters geht aus dem Akt hervor, dass sowohl das Pflegschaftsgericht, als auch die belangte Behörde ihren Verpflichtungen gemäß § 163a Abs. 2 ABGB bzw. § 3 Abs. 6 Oö. Grundversorgungsgesetz nachgekommen sind. Bislang hatte die Kindesmutter jedoch ihre Weigerung der Bekanntgabe nicht auf den nun relevierten Grund gestützt, sondern die allfälligen Leistungen des Kindesvaters als entbehrlich angesehen.

Das Vorbringen – die Kindesmutter sei wegen der Religionszugehörigkeit des Kindesvaters durch ihren Bruder an Leib und Leben bedroht – kann nicht von vorne herein als im in Rede stehenden Fall nicht relevant abgetan werden, wenn auch § 163a Abs. 1 ABGB und § 3 Abs. 6 Oö. Grundversorgungsgesetz 2006 primär auf die Interessen des Kindes und nicht so sehr auf die der Kindesmutter abstellen. Doch bedarf es hier einer Abwägung.

 

3.4. Aus der Berufung ist klar ersichtlich, dass die Kindesmutter von keinerlei Bedrohungsszenario in Österreich ausgeht, sondern dieses erst bei einer allfälligen Rückkehr in ihre Heimat erwartet. Auch ihr Bruder, den sie als Urheber der Bedrohung ansieht, befindet sich nicht im Bundesgebiet. Weiters ist anzumerken, dass die österreichischen Behörden und Gerichte im Sinne der Amtsverschwiegenheit dem Bruder der Kindesmutter, dem grundsätzlich  keinerlei Parteistellung in einem allfälligen - wie auch immergearteten - Verfahren vor den österreichischen Institutionen zukommt, nicht Auskunft über die Vaterschaft erteilen werden. Bei einer allfälligen Rückkehr in ihr Heimatland besteht - aus Sicht der erkennenden Kammer des Oö. Verwaltungssenates - die nicht zu unterschätzende, potentielle Gefährdung der Kindesmutter aber nicht so sehr aufgrund von vor österreichischen Behörden gemachten Angaben über die Vaterschaft oder Alimentationszahlungen, die im Heimatland nicht zugänglich sind, sondern wohl eher aufgrund des dort herrschenden soziokulturellen Umfelds, das - außerhalb behördlicher Feststellungen in einem weit entfernten Staat - allfällig ein Bedrohungsszenario mit sich bringen kann, wobei die Frage nach dem Kindesvater – sofern sie unbeantwortet bleibt – nicht zur Beruhigung der Situation beitragen wird können.

 

Da sich auch die Kindesmutter über diese Umstände bewusst sein dürfte, hat sie auch entsprechende Angaben über die Vaterschaft im – ebenfalls ihrem Bruder nicht zugänglichen – Asylverfahren gemacht. Gerade die Situation, in der sich die Tochter X nun in Österreich befindet, legt nahe, dass die Kindesmutter nichts unversucht lassen sollte, nicht nur die finanzielle Absicherung der Tochter zu erreichen, sondern auch die Interessen einer – nach der Aktenlage – ableitbaren begünstigten Drittstaatsangehörigkeit wahrzunehmen.

 

3.5. Es kann also zusammenfassend festgestellt werden, dass dem von der Kindesmutter vorgebrachten Berufungsgrund, den sie im Übrigen erst zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens vorbringt und im erstinstanzlichen Verfahren nicht relevierte, keine rechtliche Relevanz beigemessen werden kann; dies auch nicht, wenn man dem neu relevierten Argument die von Frau X intendierte Glaubwürdigkeit in vollem Umfang zumäße.

 

3.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, die Berufung als unbegründet abzuweisen und den erstinstanzlichen Bescheid zu bestätigen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Mag. Stierschneider

 

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