Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240700/2/Sr/MZ

Linz, 29.01.2010

 

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Urfahr-Umgebung vom
4. August 2009, GZ SanRB96-113-2008, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz zu Recht erkannt:

 

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24, 45 Abs. 1 Z 2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs. 1 VStG.


Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Urfahr-Umgebung vom
4. August 2009, GZ SanRB96-113-2008, wurde über den Berufungswerber (in der Folge kurz: Bw) eine Geldstrafe in der Höhe von 700 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt, weil er es als nach außen Vertretungsbefugter und strafrechtlich verantwortliches Organ der X, X, X, zu vertreten habe,

`dass in der KW 19 bis 22/2008 (Zeitraum 5.5.2008 bis 30.5.2008) ca 700 kg "Gek. Formfleisch-Vorderschinken, geschnitten" (Packungen zu je 1 kg, Mindesthaltbarkeitsdatum 20.6.2008), die von der X hergestellt und verpackt wurden, an die Fa. X, X, X, Teile in weiterer Folge an die Fa. X, X, und an das Kebab Haus X, X, X, für Verkaufszwecke geliefert und somit in Verkehr gesetzt wurden, obwohl zumindest von der beprobten Packung Teile der Kennzeichnung (Etikettierung wurde von der Fa. X durchgeführt) zur Täuschung geeignet waren:

 

Die Irreführung wurde durch die Deklaration "Formfleisch Vorderschinken" sowie "Vorderschinken nach ital. Art" herbeigeführt:

 

- Die Information zu "Formfleisch Vorderschinken" wie "Zusammensetzung aus kleinen Fleischstücken" (lt. ÖLMB IV. Auflage Kap. B 14 "Fleisch und Fleischerzeugnisse, Abs. 5.3) fehlte.

 

- Durch die Angabe "Vorderschinken nach italienischer Art" wurden dem Lebensmittel Eigenschaften zugesprochen, die es nicht besitzt, da Formfleisch kein Vorderschinken nach italienischer Art ist."

 

Die Kennzeichnung der Probe weise damit zur Täuschung geeignete Angaben auf und der Schinken unterliege daher dem Verbot des Inverkehrbringens.´

Der Bw habe dadurch § 5 Abs 2 Z 1 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes – LMSVG, BGBl. Nr. 13/2006 idgF verletzt und sei deshalb gemäß § 90 Abs 1 Z 1 LMSVG bestraft worden.

Begründend führt die Behörde I. Instanz im Wesentlichen an, dass das Kebab-Haus X in X, an das letztendlich das Produkt zur Weiterverarbeitung geliefert wurde, als Einrichtung der Gemeinschaftsversorgung anzusehen sei, weshalb die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (in Folge kurz: LMKV) zur Anwendung gelange. Damit einher gehe die Kennzeichnungspflicht nach dem Codex bzw dem Österreichischen Lebensmittelbuch (in Folge kurz: ÖLMB). Der "IV. Auflage" des ÖLMB, Kap. B 14 "Fleisch und Fleischerzeugnisse" Abs 5.3 zufolge müssten Formfleischprodukte in der Zutatenliste (zumindest sinngemäß) den Zusatz "aus kleinen Fleischstücken zusammengesetzt" beinhalten. § 5 Abs 2 Z 1 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (in Folge kurz: LMSVG) verbiete, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen. Durch die Angabe "Vorderschinken nach ital. Art" würden dem Schinken Eigenschaften zugesprochen, die er nicht besitze, da Formfleisch kein Vorderschinken nach italienischer Art sei. Dies sei durch das Gutachten des Instituts für Umwelt und Lebensmittelsicherheit des Landes Vorarlberg bestätigt.

Die Begründung schließt mit Ausführungen zur Schuld und zur Strafbemessung. Als straferschwerend wurden (nicht näher genannte) einschlägige Verwaltungsvormerkungen nach lebensmittelrechtlichen Vorschriften gewertet.

2. Das Straferkenntnis wurde dem Bw am 6. August 2009 nachweislich zugestellt. Daraufhin erhob der Bw mit Schreiben vom 11. August 2009, eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung am 18. August 2009, rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

Darin wird im Wesentlichen geltend gemacht, dass die von der Fa. X an die Fa. X gelieferten Waren nicht dazu bestimmt seien, an einen Endverbraucher weiterverkauft zu werden. Die Fa. X beliefere andere Großhändler und Weiterverarbeiter. Die Endabnehmer würden idR einen Gastronomiebetrieb führen und die Waren zu fertigen Gerichten verarbeiten. Gastronomiebetriebe seien aber keine Letztverbraucher. Die LMKV sei daher – wie sich aus deren § 1 ergebe – nicht anzuwenden. Zudem sei das Produkt zur Weiterverarbeitung bestimmt und falle auch daher aus dem Anwendungsbereich der LMKV heraus.

Die Erzeugung erfolge weiters nicht nach den Regeln des österreichischen Codex, weshalb die Information "Zusammensetzung aus kleinen Fleischstücken" nicht notwendig sei. Eine Täuschung durch die Kennzeichnung sei auszuschließen, da durch den Hinweis "NICHT NACH DEM CODEX HERGESTELLT" jeder wissen müsse, dass das Produkt andere Eigenschaften habe als ein nach dem Codex erzeugtes Produkt. Darüber hinaus kenne der österreichische Codex keinen Vorder- und Hinterschinken, wie sich auch aus der Stellungnahme von Dr. Rieger ergebe. Im Übrigen komme der Stellungnahme keine Relevanz zu, da auf das ggst Etikett keinerlei Bezug genommen würde.

Die Bezeichnung "Vorderschinken nach italienischer Art" bringe zum Ausdruck, dass das Produkt hinsichtlich Geschmack und Optik eine italienische "Note" habe. Da die Sachbezeichnung in wesentlich größeren Buchstaben erfolgte, könne bei einem durchschnittlichen Weiterverarbeiter auch keine Täuschung hervorgerufen werden. Dass durch die Bezeichnung dem Produkt nicht vorhandene Eigenschaften zugesprochen würden, stimme nicht, da jeder Weiterverarbeiter erkennen könne, dass es sich nicht um zwei verschiedene Produkte in der Packung (Formfleischvorderschinken und Vorderschinken) sondern um ein Formfleischprodukt handle. Es fehle daher die objektive Eignung zur Täuschung.

Es wird daher beantragt, den Bescheid der belangten Behörde aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen. In eventu werde aufgrund der jedenfalls gegebenen Voraussetzungen eine Ermahnung nach § 21 VStG beantragt.

3. Der Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung hat den Bezug habenden Verwaltungsakt samt der Berufung vorgelegt.

3.1. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt und in die Berufung. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG unterbleiben, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid zu beheben ist.

Aus der Aktenlage ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

3.2.1. Die Fa. X, X, X, lieferte im Zeitraum vom 5. bis 30. Mai 2008 1 Packung Fleisch mit einem Gewicht von 1,026 kg an die Fa. X, X, X, welche in Folge an die Fa. X, X, und dann an das Kebab Haus X, X, X, weiterverkauft wurde.

Die (untersuchte) Fleischpackung trug das Etikett mit folgender Aufschrift:

 

"GEK. FORMFLEISCH-VORDERSCHINKEN; GESCHNITTEN"

"ZUTATEN: SCHWEINEFLEISCH 75%, TRINKWASSER; NITRITPÖLELSALZ (KOCHSALZ; KONSERVIERUNGSSTOFF: E250), KARTOFFELSTÄRKE; MALTODEXTRIN; GESCHMACKSVERSTÄRKER: E621; STABILISATOR: E451; E450; E452; ANTIOXIDATIONSMITTEL: E301; DEXTROSE; GEWÜRZEXTRAKTE. NICHT NACH KODEX HERGESTELLT – FÜR DIE WEITERVERARBEITUNG BESTIMMT VORDERSCHINKEN NACH ITALIENISCHER ART".

 

Davon ausgehend, dass die Fotobeilage im Akt die Originalgröße des Etikettes widerspiegelt, weist die Produktbezeichnung eine Schriftgröße von 6 mm und die Zutatenliste samt ergänzender Angaben eine Schriftgröße von 3 mm auf.

 

3.2.2. Mit Schreiben vom 8. Juli 2008, Zl. UI-7.04.03.03, übermittelte das Umweltinstitut Vorarlberg die dem Akt zugrundeliegende Anzeige mit dem Hinweis, dass die Ware bei der Probenentnahme durch die von außen ersichtliche, abnorme Sachbezeichnung aufgefallen sei. Im angeschlossenen Gutachten wurde ausgeführt, dass die Angaben auf der Etikette zur Täuschung über die Eigenschaften des Lebensmittels geeignet seien, da einerseits Informationen fehlen würden (Zusammensetzung aus kleinen Fleischstücken) und andererseits die Produktqualität hervorhebend beworben werde. Durch die Angabe "Vorderschinken nach italienischer Art" würden dem Lebensmittel zudem Eigenschaften zugesprochen, die es nicht besitze, da Formfleisch kein Vorderschinken nach italienischer Art sei.

 

3.2.3. Aufgrund der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. März 2009 führte der Bw in der Rechtfertigung vom 9. April 2009 aus, dass die Kennzeichnung nicht zur Täuschung des Verbrauchers geeignet sei. Der Zusatz "Formfleisch" stelle lediglich die Sachbezeichnung des Produktes dar und weise darüber hinaus auf die Verwendung von Kleinteilen hin. Damit könne der Weiterverarbeiter die Qualitätsstufe zuordnen.

 

3.2.4. Über Ersuchen der belangten Behörde vom 28. April 2009 erläuterte  das Umweltinstitut Vorarlberg im Schreiben vom 7. Mai 2009, UI-8.02.01.01, u.a. die Unterschiede zwischen Vorderschinken und Formfleisch-Schinken bzw. Formfleisch-Vorderschinken. Abschließend wurde festgehalten, dass ein "Vorderschinken" ein qualitativ höherwertiges Erzeugnis als "Formfleisch" sei, auch wenn letzteres auch aus Teilen des Vorderschinkens hergestellt werde. Durch die Bezeichnung "Vorderschinken nach italienischer Art" werde eine Qualität hervorgehoben, die einem Formfleischerzeugnis nicht zukomme.

 

3.2.5. Aufgrund der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme führte der Bw aus, dass sich die Aussage "Vorderschinken nach itali. Art" lediglich im Zutatentext befunden habe und dem Weiterverarbeiter/Verbraucher die Qualitätsstufe des Produktes verdeutlichen solle. Die zugewiesenen Eigenschaften sollten eine Hilfestellung für die italienische Gastronomie darstellen und in keiner Weise eine Täuschung über das Produkt bewirken. Aus der Sachbezeichnung – Gek. Formfleischvorderschinken geschnitten – sei nicht unbedingt eine höhere Qualitätsstufe ableitbar, da keine hervorhebende Qualitätsstufenbezeichnung mit der Sachbezeichnung in Verbindung gebracht werden könne. Die im Etikettentext zusätzlich angeführte Information sollte lediglich auf die Herstellungsart/Produktionsmethode bzw. auf die Geschmacksrichtung eines europäischen Landes verweisen. Der Sachbezeichnung "Gek. Formfleischvorderschinken geschnitten" sei schon aufgrund der Bezeichnung – Formfleisch –einer niedrigeren Qualitätsstufe der Kochpökelwaren zuzuordnen.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Die zur Beurteilung des vorliegenden Falles maßgeblichen Rechtsvorschriften  des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes – LMSVG, BGBl I 2006/13, in der zum (vorgeworfenen) Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl I 2007/112, lauten:

§ 5

§ 5. (1) Es ist verboten, Lebensmittel, die

1. nicht sicher gemäß Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sind, d.h. gesundheitsschädlich oder für den menschlichen Verzehr ungeeignet sind, oder

2. verfälscht oder wertgemindert sind, ohne dass dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist, oder

3. den nach den § 4 Abs. 3, §§ 6 oder 57 Abs. 1 erlassenen Verordnungen nicht entsprechen,

in Verkehr zu bringen.

(2) Es ist verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben sind insbesondere

1. zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart;

2. Angaben von Wirkungen oder Eigenschaften, die das Lebensmittel nicht besitzt;

3. Angaben, durch die zu verstehen gegeben wird, dass das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften besitzen.

(3) […]

 

§ 90

§ 90. (1) Wer

1. Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder mit irreführenden oder krankheitsbezogenen Angaben versehen sind, oder in irreführender oder krankheitsbezogener Aufmachung,

2. […]

in Verkehr bringt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

(2) […]

(3) Wer

1. […]

2. den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 6, 7 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 7 oder 8, 11, 12, 13, 14, 19, 20, 34, 47 Abs. 2 oder 57 Abs. 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt,

3. […]

begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

[…]

(7) Die Verfolgung einer Person wegen einer der in den Abs. 1, 2, 3 oder 4 angeführten Verwaltungsübertretungen ist unzulässig, wenn gegen sie binnen Jahresfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen wurde.

4.2. Vorweg ist festzustellen, dass § 90 Abs 7 LMSVG – in Abkehr von § 31 Abs 2 VStG – die Verfolgungsverjährungsfrist von sechs Monaten auf ein Jahr ausdehnt. Die Verfolgung einer Person ist daher nur dann unzulässig, wenn gegen sie binnen eines Jahres von der Behörde keine Verfolgungshandlung unternommen wurde.

Wie auch der Berufung des Bw zu entnehmen ist, beginnt die Verfolgungsverjährungsfrist im ggst Fall am 30. Mai 2008 zu laufen. Mit Schreiben vom 19. März 2009, zugestellt am 20. März 2009, wurde der Bw von der zuständigen Behörde aufgefordert, sich zum Tatvorwurf zu rechtfertigen. Spätestens damit wurde – binnen offener Frist – eine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt. Verfolgungsverjährung ist daher nicht eingetreten. Ebenso ist nicht hervorgekommen, dass die dem Bw angelastete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

4.3.1. In materieller Hinsicht legt die belangte Behörde dem Bw zur Last, die ggst Packung Fleisch "für Verkaufszwecke geliefert und somit in Verkehr gesetzt" zu haben. Der Hinweis "Zusammensetzung aus kleinen Fleischstücken" fehle, und durch die Angabe "Vorderschinken nach italienischer Art" würden dem Lebensmittel Eigenschaften zugesprochen, die es nicht besitze, "da Formfleisch kein Vorderschinken nach italienischer Art" sei.

4.3.1.1. Die belangte Behörde befasst sich im bekämpften Straferkenntnis eingangs damit, die Anwendbarkeit der LMKV zu begründen. In weiterer Folge wird dem Bw allerdings nicht die Übertretung derselben angelastet, sondern er wird belangt, weil er Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr gebracht habe. Da eine – allfällige – Übertretung der LMKV die Strafbarkeit nach §§ 5 Abs 1 Z 3 iVm 90 Abs 2 Z 3 LMSVG nach sich zieht, der Bw aber wegen des Inverkehrbringens eines Lebensmittels mit zur Täuschung geeigneten Angaben nach §§ 5 Abs 2 Z 1 iVm 90 Abs 1 Z 1 LMSVG bestraft wurde, braucht darauf, ob die LMKV in casu einschlägig ist, nicht weiter eingegangen werden. Es ist dem Unabhängigen Verwaltungssenat nämlich im Hinblick auf § 44a VStG zwar gestattet, einen allenfalls fehlerhaften Abspruch der ersten Instanz richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies allerdings nur dann, wenn dadurch die Identität der Straftat nicht verändert wird. Da der Tatvorwurf sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. März 2009 als auch im angefochtenen Straferkenntnis nicht auf eine Übertretung der LMKV abzielt, ist das Auswechseln der dem bisherigen Verfahren zugrundeliegenden Normen und damit des Tatvorwurfs dem Unabhängigen Verwaltungssenat nicht gestattet.

4.3.1.2. Der belangten Behörde zufolge sei weiters dem ÖLMB nach bei Formfleischprodukten der og Zusatz "Zusammensetzung aus kleinen Fleischstücken" oder ein ähnlich lautender Text anzubringen.

Das ÖLMB dient § 76 LMSVG nach der Verlautbarung von Sachbezeichnungen, Begriffsbestimmungen, Untersuchungsmethoden und Beurteilungsgrundsätzen sowie von Richtlinien für das Herstellen und Inverkehrbringen von Waren. Sofern also das ÖLMB oder Teile davon nicht (etwa durch Verordnung) ausdrücklich als verbindlich erklärt werden, entfaltet es keine normative Wirkung. Anders gewendet: Da dem ÖLMB keine normative Kraft zukommt, können "Übertretungen" desselben keine Strafbarkeit begründen.

Freilich vermag in weiterer Folge aber die Nichteinhaltung der in der LMKV bzw im ÖLMB enthaltenen Vorschriften und Handlungsanleitungen als Indiz dafür herangezogen werden, ob Angaben am Etikett eines Lebensmittels zur Irreführung nach § 5 Abs 2 LMSVG geeignet sind.

4.3.2. Die Übertretung des §§ 5 Abs 2 Z 1 iVm 90 Abs 1 Z 1 LMSVG setzt voraus, dass eine Ware "in Verkehr gebracht" wurde. Die Bedeutung des Begriffs "Inverkehrbringen" wird in § 3 Z 8 LMSVG – unter Verweisung auf Art 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr 178/2002 – legal definiert. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet danach "Inverkehrbringen" den Verkauf oder andere Formen der Weitergabe und das Bereithalten zum Verkauf (vgl Blass et al, Kommentar Lebensmittelrecht3 [2009] LMSVG § 3 Rz 34). Dass die ggst Packung Fleisch von der Fa. X GmbH im Sinne des LMSVG in Verkehr gebracht wurde, steht durch den Verkauf an die Fa. X Handels GmbH unzweifelhaft fest, und wird vom Bw auch nicht bestritten.

4.3.3. Es gilt daher zur Erfüllung des objektiven Tatbestands in weiterer Folge festzustellen, ob die Fleischpackung mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr gebracht wurde. § 5 Abs 2 LMSVG zählt demonstrativ, also nicht abschließend (argumentum: "insbesondere"), in den Ziffern 1 – 3 verschiedene Punkte auf, die in diesem Zusammenhang besonders zu beachten sind. Im vorliegenden Fall einschlägig vermag – wie auch die Beurteilung der belangten Behörde ergeben hat – allenfalls § 5 Abs 2 Z 1 leg cit zu sein. Zur Irreführung geeignete Angaben sind danach zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart.

4.3.3.1. Betrachtet man das Etikett der ggst Fleischpackung, fällt zunächst der Aufdruck "GEK. FORMFLEISCH-VORDERSCHINKEN, GESCHNITTEN" ins Auge. Die Buchstaben dieses Aufdrucks sind doppelt so groß als die der darunter befindlichen Zutatenliste.

(Allein) Dieser Aufdruck vermag, der Auffassung des erkennenden Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenats zufolge, jedenfalls keinen Irrtum herbeizuführen. Es wird dadurch klar ausgedrückt, dass es sich bei der verpackten Ware um ein Formfleischprodukt handelt. Sozusagen als "Rohstoff" für das Formfleischprodukt wurde – es könnten ja auch andere Schinkenarten zum Einsatz kommen – Vorderschinken verwendet. Dass – wie man (teilweise) beim Aktenstudium den Eindruck gewinnen könnte – die Kombination der Begriffe "Formfleisch" und "Vorderschinken" schon an sich unzulässig sei, wird zudem durch die diesbezüglich eindeutige Aussage des Umweltinstituts Vorarlberg im Schreiben vom 7. Mai 2009 an die BH Urfahr-Umgebung widerlegt. Der Sachverständige X führt darin völlig eindeutig aus: "Neben Hinter- und Vorderschinken gibt es auch Formfleisch-Schinken oder Formfleisch-Vorderschinken." Der Aufdruck "GEK. FORMFLEISCH-VORDERSCHINKEN, GESCHNITTEN" bringt somit – rechtlich völlig unproblematisch – lediglich zum Ausdruck, dass zur Formfleischerzeugung Vorderschinkenstücke eingesetzt wurden.

Da – wie oben ausgeführt – das ÖLMB keine verbindliche Wirkung zeitigt, vermag darüber hinaus aber auch das Fehlen einer Erklärung, worum es sich bei einem Formfleischprodukt handelt (etwa durch den Zusatz "Zusammensetzung aus kleinen Fleischstücken"), eine Strafbarkeit nicht zu begründen. Der Gesetzgeber scheint vielmehr – ansonsten hätte er wohl eine verbindliche Anordnung getroffen – davon auszugehen, dass dem Kunden diese Kenntnis zuzumuten ist.

4.3.3.2. Bei der Beurteilung der Eignung zur Irreführung durch eine Angabe sind aber nicht (wie bisher) bloß einzelne Teile derselben zugrunde zu legen, sondern es ist der gesamte am Lebensmittel befindliche Text zu begutachten. Zu klären ist daher in Folge, ob der, sich weiter unten am Etikett befindliche, klein gedruckte Zusatz "VORDERSCHINKEN NACH ITALIENISCHER ART" bei einer Zusammenschau mit dem Großdruck "GEK. FORMFLEISCH-VORDERSCHINKEN, GESCHNITTEN" einen Irrtum herbeizuführen vermag.

Gegen ein derartiges Ergebnis sprechen mehrere Argumente:

4.3.3.2.1. Irreführend ist eine Angabe im Sinne des § 5 Abs 2 LMSVG, wenn die Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise über ihre Bedeutung mit den wahren Verhältnissen nicht im Einklang stehen (Blass et al, LMSVG § 5 Rz 10). Zur Irreführung geeignet ist eine Angabe jedenfalls schon dann, wenn sie nach ihrem Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung durch einen Kunden mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit einen irrigen Eindruck erwecken kann. Die Angabe ist somit nach dem Eindruck zu beurteilen, den sie bei flüchtiger Wahrnehmung auf den Durchschnittsinteressenten macht (OGH 20.9.1983, 4 Ob 384/83). Nicht erheblich ist, ob im Einzelfall tatsächlich eine Irreführung bewirkt wurde. Anders gewendet: Abzustellen ist auf den Grad der Aufmerksamkeit eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers. Die Irreführungseignung ist zu bejahen, wenn die Angabe von einem nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Kreise falsch verstanden wird. Nicht maßgeblich ist hingegen, wie der Ankündigende seine Angabe gemeint hat.

4.3.3.2.2. Diesen Vorgaben entsprechend ist die Gesamtaussage der ggst Etikette zu beurteilen:

Vorweg sei festgestellt, dass dem letzten Satz obiger Ausführungen entsprechend außer Betracht bleiben kann, welche – in den Eingaben des Bw genannten – Beweggründe die Fa. X dazu veranlasst haben, den Aufdruck "Vorderschinken nach italienischer Art" anzubringen.

Der durch die ggst Fleischpackung angesprochene Verkehrskreis ist aufgrund der Verkaufsmenge von 1,026 kg zweifellos der Gastronom bzw Großverbraucher, nicht hingegen der Kunde bzw die Kundin eines Lebensmittelgeschäftes. Diese Ansicht stützt auch, dass der Vertrieb des Produktes über die Fa. X erfolgte, und schließlich im Gastronomiebetrieb Kebab Haus X landete. In concreto ist daher die Frage zu beantworten, ob die ggst Etikette (bei einer Zusammenschau des gesamten Textes) bei einem durchschnittlich informierten und verständigen Gastronom bei flüchtiger Betrachtung mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit eine Irreführung bewirkt.

Der Unabhängigen Verwaltungssenat ist der Auffassung, das dies nicht der Fall ist:

Zum einen sticht bei einer flüchtigen Betrachtung mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit lediglich der Großdruck "GEK. FORMFLEISCH-VORDERSCHINKEN, GESCHNITTEN" ins Auge. Erst eine eingehendere, nicht bloß flüchtige Prüfung der Etikette – und damit auch die Anwendung eines erhöhten Maßes an Aufmerksamkeit – lässt einen allfälligen (hier nicht weiter zu verfolgenden) Widerspruch mit dem Zusatz "VORDERSCHINKEN NACH ITALIENISCHER ART" erkennen.

Zum anderen kann, sollten aufgrund der allfälligen Widersprüchlichkeiten der beiden genannten Aufdrucke Zweifel bezüglich der Beschaffenheit des Produkts entstehen, selbst der Laie anhand eines kurzen Blickes auf das Produkt selbst – der, wie dem Foto im Akt zu entnehmen ist, unproblematisch möglich ist – erkennen, dass dieses aus Muskelfleischstücken zusammengefügt sein muss, da die natürliche Wuchsrichtung der Muskulatur bzw der natürliche Muskelzusammenhang nicht vorhanden ist. Das diesbezügliche Kenntnisniveau des durchschnittlich informierten und verständigen Gastronomen, der sich von Berufs wegen mit dem Einkauf und der Verarbeitung von Lebensmitteln zu beschäftigen hat, ist aber als bei weitem höher anzusehen. Der durchschnittliche, mündige Gastronom wird daher unzweifelhaft sofort erkennen, dass es sich nicht um einen Vorderschinken in dem Sinn, dass das Schulterstück des Schweins wie gewachsen in Form geschnitten wurde, sondern um ein Formfleischprodukt handelt, welches aus bei der Herstellung von Vorderschinken abgefallenen kleineren Muskelfleischstücken zusammengefügt wurde. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass aufgrund der ggst Etikettierung ein nicht unerheblicher Teil des Verkehrskreises "Gastronom" einer Täuschung bzw Irreführung unterliegt.

Zur Untermauerung dieser Auffassung ist schließlich ins Treffen zu führen, dass der Gastronom bzw Zwischenabnehmer der Fa. X das Produkt selbst bzw die darauf befindliche Etikette erst nach von ihm selbst durchgeführter Bestellung zu Gesicht bekommt. Der jeweilige Abnehmer beauftragt also vorab seinen Ansprechpartner in der Handelskette damit, eine gewisse Menge Formfleisch-Schinken zu liefern. Er weiß daher, welches Produkt er zu welchem Preis – Formfleischprodukte sind deutlich billiger als andere – bestellt hat, und ist nicht – wie etwa der Kunde bzw die Kundin im Supermarkt – mehr oder weniger auf die Etikette angewiesen, um ein Produkt beurteilen zu können. Ebenfalls unter diesem Gesichtspunkt ist eine Irreführung durch die Angaben auf der ggst Etikette nicht anzunehmen.

4.4. Auch nicht der demonstrativen Aufzählung des § 5 Abs 2 LMSVG unterfallende irreführende Angaben sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Inwiefern – wie vom Umweltinstitut Vorarlberg ohne weitere Begründung behauptet und von der belangten Behörde im Straferkenntnis übernommen – durch die Angabe "VORDERSCHINKEN NACH ITALIENISCHER ART" dem Lebensmittel Eigenschaften zugesprochen werden, die es nicht besitzt, "da Formfleisch kein Vorderschinken nach italienischer Art ist" kann der Unabhängige Verwaltungssenat nicht nachvollziehen.

4.5. Der objektive Tatbestand des § 5 Abs 2 LMSVG ist daher nicht als erfüllt anzusehen. Demgemäß war das bekämpfte Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen.

5. Bei diesem Ergebnis waren dem Bw gemäß § 65 VStG keine Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Die Kosten des Verfahrens vor der Behörde erster Instanz haben gemäß § 66 VStG zu entfallen (Spruchpunkt II).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag Stierschneider

 

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