Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522348/3/Br/RSt

Linz, 19.08.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, geb.  X, X, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. S, Mag. X u. X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 13. Juli 2009, Zl. VerkR21-504-2009/LL, zu Recht:

 

 

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 § 68 Abs.1 u. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009 – AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Behörde erster Instanz hat nachfolgenden – hier angefochtenen – Bescheid erlassen und damit ihren Mandatsbescheid vom 26.6.2009, zugestellt am 30.6.2009, mit nachfolgendem Ausspruch abgeändert:

"Abänderung des Bescheides vom 26.06.2009

Bescheid

Von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung erster Instanz ergeht von Amts wegen nachstehender

Spruch

Die im ha. Bescheid vom 26.06.2009, obige Zahl, unter Spruchteil 2. festgelegte Entzugsdauer der Lenkberechtigung wird von einem Monat auf 9 Monate (beginnend ab 15.06.2009) abgeändert. Die übrigen Spruchabschnitte bleiben weiterhin gültig.

Rechtsgrundlage:

§ 68 Abs. 1 iVm § 68 Abs. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, idgF."

 

1.1. Der mit 13.7.2009 datierte Abänderungsbescheid wurde dem Berufungs­werber am 16.7.2009 ebenfalls eigenhändig zugestellt.

 

 

2. Die Behörde erster Instanz führte begründend folgendes aus:

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1991 sind Anbringen von Beteiligten, die außer in den Fällen der §§ 69 - 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Gemäß § 68 Abs.2 AVG 1991 können von Amts wegen Bescheide, aus denen niemanden ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

 

Mit Bescheid der ha. Behörde vom 26.06.2009, zugestellt am 30.06.2009, obige Zahl, wurde Ihnen die von der BH Linz-Land am 27.12.1995 unter Zahl VerkR20-4329-1995 für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung für die Dauer von 1 Monat, gerechnet ab 15.06.2009, (Führerscheinabnahme) entzogen. Anlass dafür war eine Anzeige der PI. Enns vom 15.06.2009, wonach Sie am 15.06.2009 im Gemeindegebiet von X das KFZ, pol.KZ. X , in alkoholisiertem Zustand gelenkt haben.

Bei der Bemessung der Entzugsdauer wurde durch eine fehlerhafte Eintragung im Führerscheinregister der Vorentzug vom 09.12.2008, ZI. VerkR21-908-2008/LL, übersehen und von einer erstmaligen Begehung eines Alkoholdeliktes innerhalb der letzten fünf Jahre ausgegangen.

 

Gemäß § 7 Abs. 4 Führerscheingesetz 1997 - FSG, BGBl. Nr. 120/1997, idgF. sind für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise .angeführten .Tatsachen deren Verwerflichkeit; die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Entsprechend dieser seitens der Behörde vorzunehmenden Wertung fällt die Wiederholung derartiger Delikte besonders negativ ins Gewicht. Dazu ist anzuführen, dass Ihnen erst am 10.03.2009 die Lenkberechtigung wieder erteilt wurde und Sie nur gut drei Monate später wieder alkoholisiert ein Kraftfahrzeug gelenkt haben.

 

Die genannten Umstände wiegen in ihrer Gesamtheit so schwer, dass es der festgesetzten Lenkverbotsdauer und Entziehungszeit bedarf, bis Sie die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangen.

 

Es war spruchgemäß zu entscheiden."

 

 

2.  Dem tritt der Berufungswerber mit der fristgerecht bei der Behörde erster Instanz eingereichten und nachfolgend zitierten Berufung entgegen.

"In umseits bezeichneter Verwaltungssache VerkR21-504-2009/LL erhebt der Berufungswerber durch seine umseits ausgewiesenen Vertreter gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13.07.2009, zugestellt am 16.07.2009 durch Hinterlegung, binnen offener Frist nachstehende

 

BERUFUNG

 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Der Bescheid wird in seinem gesamten Umfang angefochten und hiezu ausgeführt wie folgt:

 

1.   Mit dem angefochtenen Bescheid wird der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 26.06.2009, VerkR21-504-2009/LL, mit dem dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für den Zeitraum von einem Monat, beginnend ab 15.06.2009, entzogen wird, abgeändert und die festge­legte Entzugsdauer auf neun Monate abgeändert. Die übrigen Spruchabschnitte sollen weiterhin gültig bleiben.

In der Begründung stützt sich die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 68 Abs 2 AVG, wonach von Amts wegen Bescheide, aus denen niemanden ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben und abgeändert werden können. Der von der Behörde erlassene Bescheid stützt sich willkürlich auf diese angezogene Bestim­mung, weshalb der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet und somit aufzuheben ist.

 

2.   Der ursprüngliche (Mandats-)Bescheid vom 26.06.2009 wurde dem Berufungswerber mit 30.06.2009 zugestellt. Mit dessen Zustellung begann die 14-tägige Vorstellungsfrist zu laufen und wäre der Bescheid dann mit 15.07.2009 rechtskräftig geworden.

Bereits mit 13.07.2009 erging nunmehr der angefochtene Bescheid, mit dem der noch nicht for­mell rechtskräftige Bescheid vom 26.06.2009 von der belangten Behörde abgeändert wird. Ausgehend von der Lehre und der ständigen Judikatur kommt die Abänderung und die Aufhe­bung von Bescheiden gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG nur nach Eintritt der formellen Rechtskraft in Frage. In der Zeit zwischen Erlass und dem Eintritt der formellen Rechtskraft sind Beschei­de, auch wenn sie an einem der im § 68 Abs 2 bis 4 AVG angesprochenen Fehler" leiden, abso­lut immun (vgl. dazu u. a. VwSlg 16.606 A/1929, 2321 A/1951, 10.452 A/1981; VfSIg 5224/1966 u.v.m.).

Ein Bescheid ist erst mit ungenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist formell rechtskräftig. Unter formeller Rechtskraft wird die Unanfechtbarkeit eines Bescheides im ordentlichen Rechtsmittel verstanden, wobei die Vorstellung das ordentliche Rechtsmittel im Mandatsverfahren ist. Der (Mandats-)Bescheid vom 26.06.2009 war somit zum Zeitpunkt der neuerlichen Entscheidung der belangten Behörde noch nicht formell rechtskräftig!!!

Der angefochtene Bescheid vom 13.07.2009 ist somit ohne Rechtsgrundlage ergangen und be­reits aus diesem Grunde aufzuheben.

 

3.   Dessen ungeachtet ist die belangte Behörde zur Abänderung des angefochtenen Bescheides vom 13.07.2009 nicht berechtigt gewesen.

So vertritt der VwGH in ständiger Rechtssprechung die Auffassung, dass es bei der Abände­rungsbefugnis nicht auf die Art des Bescheides, ob er begünstigend oder belastend ist, ankom­me, sondern ausschließlich auf die Art, auf die Richtung der Abänderung. Eine belastende Abän­derung von Amts wegen, durch welche die Rechtslage für die Partei ungünstiger gestaltet werde, ist nach § 68 Abs 2 AVG sowohl bei belastenden Bescheiden als auch bei begünstigenden Be­scheiden unzulässig (VwSlg 4187 A/1956, 9707 A/1978).

Nur in zwei Fällen ermächtigt § 68 Abs 3 AVG auch zur belastenden Abänderung von Beschei­den und zwar in Wahrung des öffentlichen Wohles". Im angefochtenen Bescheid wird eine derartige Notwendigkeit der belastenden Abänderung von Bescheiden und zwar "in Wahrung des öffentlichen Wohles" weder begründet noch behauptet!!

Der angefochtene Bescheid ist auch aus diesem Grund aufzuheben.

 

4. Auch wenn die belangte Behörde ins Treffen führt, dass bei der Bemessung der Entzugsdauer im Bescheid vom 26.06.2009 aufgrund einer fehlerhaften Eintragung im Führerscheinregister der Vorentzug vom 09.12.2008 übersehen und von einer erstmaligen Begehung eines Alkoholdelik­tes innerhalb der letzten fünf Jahre ausgegangen worden sei, begründet dies keinen wie auch immer gearteten Abänderungsgrund im Sinne des § 68 AVG. Der angefochtene Bescheid ent­behrt jeglicher rechtlicher Grundlage und ist somit aufzuheben.       

 

Vielmehr handelt es sich hier um neu hervorgekommene Tatsachen, die bereits bei Abschluss des Verfahrens vorhanden waren (sogenannte nova reperta). Diese allein begründen lediglich ei­nen relativen Wiederaufnahmegrund, welcher nach § 69 Abs 3 AVG von Amts wegen wahrge­nommen werden hätte müssen. Eine Wiederaufnahme eines Verfahrens wäre auch bei Mandats­bescheiden von Amts wegen gemäß § 69 Abs 1 Zif 2 AVG möglich gewesen. Vorausgesetzt wird auch hier, dass das Verfahren vor Wiederaufnahme rechtskräftig abgeschlossen worden ist!!!

 

Davon abgesehen kommt eine amtswegige Wiederaufnahme gegenständlich nicht in Betracht, da die Behörde ein Verschulden daran trifft, dass die neu hervorgekommenen Tatsachen und Be­weismittel nicht schon in vorangegangenen Verfahren Berücksichtigung gefunden haben. Der Behörde ist eine fehlerhafte Sachverhaltsermittlung zur Last zu legen (VwSlg 5008 A/1959). Eine fehlerhafte Eintragung im Führerscheinregister hinsichtlich des Vorentzugs vom 09.12.2008, ZI VerkR21-908-2008/LL, ist auf ein Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen, welche es offensichtlich aus ordnungswidrigen Gründen unterlassen hat, eine derartige Eintragung vorzu­nehmen.

 

5.   Im Übrigen ist die von der Behörde festgesetzte Entziehungsdauer bei Weitem überhöht. Selbst wenn man den von der Behörde offensichtlich zugrunde gelegten Sachverhalt, nämlich den Vor­entzug vom 09.12.2008 berücksichtigt, wäre die Entziehungsdauer geringer auszumitteln gewesen. Weder aus general- noch aus spezialpräventiven Gründen war eine derartige Entziehungs­dauer erforderlich und hätte die Behörde daher mit dem Ausspruch der Mindestentziehungsdauer von drei Monaten jedenfalls das Auslangen gefunden.

 

6.   Der Berufungswerber stellt daher abschließend den

 

ANTRAG:

 

Der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13.07.2009, VerkR21-504-2009/LL, möge wegen Rechts Widrigkeit seines Inhalts ersatzlos aufgehoben und insbeson­dere ausgesprochen werden, dass dem Berufungswerber die entzogenen Lenkberechtigung un­verzüglich auszuhändigen ist.

 

X, am 27.07.2009 Fe/br / 5.DOC                                               J K"

 

Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu!

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung konnte angesichts der unstrittigen Faktenlage unterbleiben (§ 67d Abs.2 Z1 AVG).

 

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und zusätzlich durch Beischaffung  eines Auszuges aus dem Führerscheinregister. Darin wird der Entzugsbescheid mit 19.6.2009 als in Rechtskraft erwachsen dargestellt. Die Entzugsdauer findet sich jedoch im Sinne des hier angefochtenen Bescheides vermerkt.

 

 

4. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 68 Abs.1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Nach § 68 Abs.2 AVG können von Amts wegen Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

 

Abs.3 leg.cit: Andere Bescheide kann in Wahrung des öffentlichen Wohles die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, dieser, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Missständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.

 

 

4.1. Im Einparteienverfahren verbietet § 68 Abs.2 AVG die gänzliche Aufhebung oder auch Abänderung eines begünstigenden Verwaltungsaktes zum Nachteil der Partei (VwGH 1.7.98, 98/12/0128 mwN).

So wie die Rechtskraft für die Partei, bewirkt auch der Bescheid an sich bei unveränderter Rechtslage das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache bzw. steht auch vor eingetretener Rechtskraft die Erlassung eines neuen Bescheides entgegen. Ist der Bescheid unanfechtbar und unwiderrufbar geworden, so entfaltet er die Wirkung, dass die mit ihm erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann; diese Rechtswirkung wird Unwiederholbarkeit genannt (VwGH 30.5.2006, 2006/12/0066 mit Hinweis auf VwGH 12.12. 2002, Zl. 2002/07/0016, oder VwGH 30.5.1995, Zl. 93/08/0207).

 

Da der Inhalt und die Erlassung des Mandatsbescheides vom 26.6.2009 ordnungsgemäß dem § 62 Abs. 2 AVG entsprechend beurkundet wurde, ist dieser Bescheid mit seiner Erlassung in Rechtswirksamkeit getreten. An diesen Bescheid knüpfen sich somit die Rechtswirkungen eines Bescheides, insbesondere auch dessen Unwiderrufbarkeit (vgl. (VwGH 21.2.2002, 2001/07/0124 mit Hinweis auf VwGH vom 18.11.1998, 98/03/0207). Die Behörde erster Instanz hatte daher keine Grundlage diesen Bescheid – selbst wenn er irrtümlich auf unrichtigen Sachverhaltsannahmen gestützt war -  abzuändern.

 

Aus dem Zusammenhalt von § 68 Abs 1 mit den Abs 2-4 AVG ergibt  sich daher, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit ("formelle Rechts­kraft") auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes aus­drücklich normiert ist. Aber bereits zwischen der Erlassung des Bescheids und dem Eintritt der Unanfechtbarkeit ist die erlassende Behörde an den Be­scheid gebunden, dh nicht zum Widerruf berechtigt. In diesem Zeitraum ist die Widerrufbarkeit sogar noch stärker beschränkt, weil § 68 Abs 2-4 AVG nach herrschender Auffassung noch nicht anwendbar ist.

Ein Ende der (prinzipiellen) Unwiderrufbarkeit ist nicht festgelegt.

1. Das damit bezeichnete Phänomen wird vielfach mit der Aussage beschrieben, dass mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft auch die materielle Rechtskraft gege­ben sei.

2. Die Auffassung, dass die „materielle Rechtskraft" (Unwiderrufbarkeit) aus der formellen folge, ist nicht allgemein zutreffend; der Beginn richtet sich vielmehr nach den Bestimmungen des positiven Rechts und kann früher oder später als die formelle Rechtskraft eintreten; auch kann die Unwiderrufbarkeit - wie die Unanfechtbarkeit – subjektiv different gestaltet sein (zit. aus Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 (2003) [461] mwH).

Ein Verschlechterungsverbot durch Abänderung eines Bescheides – nicht jedoch die Aufhebung -  aus diesen keine Rechte, sondern nur Pflichten erwachsen sind, gilt als ausgeschlossen erachtet, wenn dadurch die Rechtstellung einer Partei verschlechtert wird. Die Abänderung wird selbst dann nicht zulässig wenn die Partei mit der Verschlechterung ihrer Rechtsstellung einverstanden ist (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) S1397).

Auch rechtswidrige Bescheide  erwachsen in materielle Rechtskraft (VwGH 18.1.1971, 1311/70; 15. 9. 1978, 2300/77; 8. 2. 1994, 93/08/0166), oder anders ausgedrückt, die Gesetzwidrigkeit eines formell rechtskräftigen Bescheides der Verwaltungsbehörde keine Handhabe bietet, ihn aufzuheben oder abzuändern (VwSlg 956 A/1949). Es gehört zum Wesen der aus der formellen Rechtskraft folgenden materiellen Rechtskraft von Bescheiden, dass ein rechtskräftiger Bescheid selbst dann seine volle Rechtswirksamkeit entfaltet, wenn er mit der objektiven Rechtslage in Widerspruch steht (VwGH 18.3.1994, 94/12/0034; 25. 3. 1997, 96/05/0262; 24. 2. 2006, 2005/12/0227). Dies gilt grundsätzlich (vgl § 38 Rz 25) ebenso für Bescheide unzuständiger Behörden (VwGH 9. 4. 1976, 570/76). Wenn auch die Rechtskraftwirkung eines Bescheides die Unzuständigkeit der Behörde zu seiner Erlassung „heilt“ (so VwGH 15. 10. 1980, 2709/79), begründet sie keine Kompetenz zur Erlassung nachfolgender Bescheide in derselben Sache, auch nicht zur Zurückweisung späterer Ansuchen wegen entschiedener Sache. Fehlt eine gesetzliche Anordnung, für die Durchbrechung der Rechtskraft, so im letztzitierten Kommentar, ist mit dem VwGH davon auszugehen, dass die Rechtssicherheit und der Schutz des Vertrauens der Partei auf den Bestand des Verwaltungsaktes vor der Rechtsrichtigkeit rangieren und nicht umgekehrt, was zur Folge hat, dass in solchen Fällen das die österreichische Rechtsordnung beherrschende Prinzip der Rechtskraft behördlicher Entscheidungen (Hinweis auf Rz 4) als Grundsatz eines rechtsstaatlichen Verfahrens zu beachten ist (Hinweis auf Bachmann, AnwBl 1996, 733).

 

Die Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 AVG ist nach der stRsp des VwGH dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, welcher dem formell rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat (VwGH 26. 2. 2004, 2004/07/0014; 27.6.2006, 2005/06/0358; 21.2.2007, 2006/06/0085). Bei der Beurteilung der „Identität der Sache“ ist in primär rechtlicher (und nicht etwa in rein technischer oder mathematischer [VwGH 26. 2. 1974, 500/72; 9. 7. 1992, 92/06/0062; 27. 6. 2006, 2005/06/0358]) Betrachtungsweise festzustellen, ob in den entscheidungsrelevanten Fakten eine wesentliche Änderung eingetreten ist (VwGH 22. 11. 2004; 2001/10/0035; 21. 6. 2007, 2006/10/0093  (die letzten drei Absätze wurden auszugsweise aus Hengstschläger/Leeb, MANZ´sche AVG-Onlineausgabe zitiert).

Daher liegt Identität der Sache iSd § 68 Abs 1 AVG auch dann vor, wenn die Behörde die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens (oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung) entschieden hat (VwGH 8. 4. 1992, 88/12/0169; 25.4. 2003, 2000/12/0055; 31. 7. 2006, 2006/05/0158);

 

 

5. Die Abänderung des Mandatsbescheides war hier daher rechtlich unzulässig; der  angefochtene Bescheid war demnach ersatzlos zu beheben. Ein Abspruch über die ebenfalls beantragte Ausfolgung des  Führerscheins kann mit Blick auf die Rechtswirkung der Berufungsentscheidung unterbleiben.

Allenfalls zwischenzeitig neu eingetretene  Entzugsgründe dürfen durch einen derartigen Ausspruch von der Berufungsbehörde nicht präjudiziert werden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof  erhoben werden; diese  muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

 

Beschlagwortung:

Identität der Sache; Prozesshindernis mangelhaftes Ermittlungsverfahren

 

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