Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281149/30/Py/Rd/Hu

Linz, 02.02.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13. Februar 2009, Ge96-168-2008/HW/DJ, wegen Verwaltungsüber­tretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 3. Dezember 2009 zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.  

 

II.     Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2  und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13. Februar 2008, Ge96-168-2008/HW/DJ, wurden über den Berufungswerber (in der Folge : Bw) zwei Geldstrafen von jeweils 300 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 24 Stunden (Fakten 1 und 2), wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 130 Abs.1 Z15 iVm § 28 Abs.2 ASchG (Faktum 1) und § 130 Abs.1 Z15 iVm § 21 Abs.4 ASchG (Faktum 2) verhängt, weil er als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher gemäß § 9 Abs.1 VStG der Arbeitgeberin x, Geschäftsanschrift in x, folgende Verwaltungsübertretungen zu verantworten hat:

 

Anlässlich einer am 29.4.2008 durchgeführten Besichtigung der nachstehend angeführten Arbeitsstätte/Filiale durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Leoben wurde festgestellt, dass folgende Vorschriften zum Schutz der ArbeitnehmerInnen in der Filiale in x, nicht eingehalten wurden:

1.      Den ArbeitnehmerInnen der Filiale der x in x, standen am 29.4.2008 an       einem geeigneten          Platz keine Einrichtung zur Verfügung, mitgebrachte        Speisen zu erwärmen.

 

2.      Die Fluchttüre aus dem Lagerraum der oa Filiale war am 29.4.2008 um ca. 10.00 Uhr durch eine zweimalige Verriegelung versperrt, sodass diese im Gefahrenfall nicht leicht geöffnet werden konnte.  

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und nach Durchführung einer Berufungsverhandlung die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu gemäß § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abzusehen, in eventu die Herabsetzung der verhängten Geldstrafen auf ein schuld- und tatangemessenes Ausmaß, beantragt.

 

Begründend wurde zu Faktum 2 vorgebracht, dass gemäß § 21 Abs.4 ASchG dafür vorgesorgt werden muss, dass alle Arbeitsplätze bei Gefahr von den Arbeitnehmern schnell und sicher verlassen werden können. Anzahl, Anordnung, Abmessung, Beschaffenheit der Fluchtwege und der Notausgänge müssen der höchstmöglichen Anzahl der darauf angewiesenen Personen sowie der Nutzung der Einrichtung und dem Abmessungen der Arbeitsstätte angemessen sein. Die Verkehrswege zu Fluchtwegen und Notausgängen sowie die Fluchtwege und Notausgänge selbst müssen frei gehalten werden, damit sie jederzeit benützt werden können. Fluchtwege und Notausgänge müssen gut sichtbar und dauerhaft gekennzeichnet sein. Dem Berufungswerber sei vorgehalten worden, "Die Fluchttüre aus dem Lagerraum ... nicht geöffnet werden konnte." Der Vorwurf, eine "Fluchttüre" sei versperrt gewesen, erfülle nicht den angezogenen Tatbestand ("Notausgang"?), sodass die Verletzung des § 44a VStG evident sei. Darüber hinaus sei der Vorwurf "nicht leicht geöffnet werden konnte" nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 21 Abs.4 ASchG ("freigehalten"), weswegen der relevierte Verstoß gleichfalls verwirklicht sei.

 

Zu Faktum 1 wurde nach Zitierung des § 28 Abs.2 ASchG vorgebracht, dass, auch wenn sich aufgrund der unterschiedlichen Funktionsweise Einrichtungen zum Wärmen von solchen zum Kühlen unterscheiden lassen, sei nach dem klaren Wortlaut und Wortsinn eine weitere Unterscheidung betreffend Speisen und Getränke in zwei weiter "Einzeltatbestände" unzulässig, die hiezu vorgeschriebene Einrichtung hat dem Erwärmen beider "Nahrungsmittelgattungen" zu dienen. Da sich der von der Behörde verfolgte Vorwurf nur auf "Speisen" beziehe, sei gleichfalls ein Verstoß gegen § 44a VStG verwirklicht.

 

Im Übrigen sanktioniere die angezogene Strafbestimmung des § 130 Abs.1 Z15 ASchG nicht die behaupteten Verletzungen der §§ 21 Abs.4 und 28 Abs.2 leg.cit.

Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen, es sei keine Einrichtung zur Verfügung gestanden, mitgebrachte Speisen zu wärmen, und die Fluchttüre sei versperrt gewesen evident unrichtig seien, die Erstbehörde habe diesbezüglich jedes Ermittlungsverfahren unterlassen. Einerseits befinde sich in der Filiale der x in x seit dem 2.1.2001 ein Mikrowellenherd, welcher dem Erwärmen mitgebrachter Speisen und Getränke dient. Andererseits sei die als Fluchttüre bezeichnete Tür aus dem Lagerraum keine Fluchttüre (und auch kein Notausgang iSd Gesetzes), sondern ein Lieferanteneingang. Diese Filiale verfüge – mit Ausnahme des Haupteinganges, welcher (auch) am 29.4.2008 nicht versperrt war – weder über eine (weitere) Fluchttüre noch über einen (weiteren) Notausgang.

 

Der im Akt aufliegenden Strafanzeige des Arbeitsinspektorates Leoben vom 8.7.2008 sei eine Bestellungsurkunde samt Nachweis des Einlangens beim Arbeitsinspektorat beigeschlossen, nach deren Inhalt der Berufungswerber x, Verkaufsleiterin der x, am 9.5.2005 zur Verantwortlichen Beauftragten bestellt habe. Dies für den räumlich abgegrenzten Bereich der Bundesländer Burgenland, Steiermark und Kärnten, der sachlich abgegrenzte Bereich umfasse insbesondere (auch) die Einhaltung sämtlicher die Arbeitnehmer der x und deren Schutz betreffender Vorschriften. Der Vorwurf der belangten Behörde, wonach die Bestellungs­urkunde unwirksam sei, zumal diese von einer Prokuristin der x unterfertigt worden sei, sei unrichtig. Richtig sei, dass die gegenständliche Bestellungsurkunde im Auftrag des Berufungswerbers von der mit einer hiezu ermächtigten Spezialvollmacht versehenen Prokuristin Frau x unterfertigt worden sei. Der belangten Behörde sei dieser Umstand auch aus anderen Verfahren bekannt, die Wirksamkeit der Bestellung wurde bislang weder durch eine Erst- noch durch eine Berufungsbehörde in Zweifel gezogen. Da der Berufungswerber rechtswirksam die Verantwortlichkeit auf einen verantwortlichen Beauftragten übertragen habe, sei er für die ihm vorgeworfenen Taten verwaltungsstrafrechtlich nicht verantwortlich.               

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am       3. Dezember 2009, die aufgrund des dem Verfahren zugrunde liegenden sachlichen Zusammenhanges gemäß § 51e Abs.7 VStG gemeinsam mit der im Berufungsverfahren zu VwSen-281152 anberaumten mündlichen Verhandlung durchgeführt wurde. An dieser Verhandlung haben der Rechtsvertreter des Bw sowie ein Vertreter des anzeigenden Arbeitsinspektorates als Parteien teilgenommen. Als Zeugen wurden Herr x und Frau x, beide vom Arbeitsinspektorat Leoben, sowie die Leiterin der gegenständlichen Filiale x, des vom Bw vertretenen Unternehmens, Frau x, einvernommen. Die Einvernahme der vom Bw in der Berufung beantragten übrigen Zeugen konnte unterbleiben, da das diesbezügliche Berufungsvorbringen nicht in Zweifel gezogen wurde.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x.

 

In der Filiale x der x waren am 29. April 2008 drei ArbeitnehmerInnen beschäftigt. Ihnen stand zu diesem Zeitpunkt eine funktionsfähige Mikrowelle zum Erwärmen von mitgebrachten Speisen zur Verfügung. Als Fluchtwege waren in der ca. 220m² großen Geschäftsfläche ausschließlich die zur Eingangstür führenden Wege gekennzeichnet. Aus dem Lagerraum der Filiale führte eine der Anlieferung dienende, nicht als Fluchtweg gekennzeichnete, Tür zu einer angrenzenden Geschäftsfläche.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und der glaubwürdigen und schlüssigen Aussage der Zeugin x in der mündlichen Berufungsverhandlung. Sie konnte – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die nach wie vor im vom Bw vertretenen Unternehmen tätig ist – nachvollziehbar darlegen, dass am 29. April 2008 in der Filiale x eine funktionstüchtige Mirkowelle vorhanden war und die tatsächlichen Räumlichkeiten und Fluchtwege zudem nicht mit den vom als Zeuge einvernommene Arbeitsinspektor geschilderten Erinnerungen in Einklang zu bringen sind. Auch wenn dem Arbeitsinspektor ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit zuzubilligen ist, so ist aufgrund seines breiten Aufgabenbereiches nicht gänzlich auszuschließen, dass sich seine Wahrnehmungen tatsächlich – wie vom Rechtsvertreter des Bw vermutet - auf eine andere Filiale des vom Bw vertretenen Unternehmens bezogen haben, da die Ausführungen der Zeugin x zum Vorhandensein der Mikrowelle und zu den Fluchtwegen sehr überzeugend vorgebracht wurden und aus der Anzeige keine weiteren Unterlagen wie etwa Aussagen der bei der Kontrolle angetroffenen ArbeitnehmerInnen ersichtlich sind, die gegen ihre glaubwürdige Darstellung sprechen. Aufgrund dieser schlüssigen und auch vom Vertreter der Organpartei nicht in Zweifel gezogenen Beweislage konnte daher von der Befragung des vom Rechtsvertreter des Bw zur Verhandlung namhaft gemachten Zeugen x über die gewerberechtlichen und baulichen Gegebenheiten der gegenständlichen Filiale Abstand genommen werden.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.1 Z15 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber die Verpflichtungen betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Arbeitsstätten oder Baustellen einschließlich der Sozial- und Sanitäreinrichtungen verletzt.

 

Gemäß § 28 Abs.2 leg.cit. sind den Arbeitnehmern in den Aufenthaltsräumen, wenn solche nicht bestehen, an sonstigen geeigneten Plätzen, Sitzgelegenheiten mit Rückenlehne und Tische in ausreichender Anzahl zur Einnahme der Mahlzeiten sowie Einrichtungen zum Wärmen und zum Kühlen von mitgebrachten Speisen und Getränken zur Verfügung zu stellen.

 

Gemäß § 21 Abs.4 leg.cit. muss dafür gesorgt werden, dass alle Arbeitsplätze bei Gefahr von den Arbeitnehmern schnell und sicher verlassen werden können. Anzahl, Anordnung, Abmessung und Beschaffenheit der Fluchtwege und der Notausgänge müssen der höchstmöglichen Anzahl der darauf angewiesenen Personen sowie der Nutzung der Einrichtung und den Abmessungen der Arbeitsstätte angemessen sein. Die Verkehrswege zu Fluchtwege und Notausgängen sowie die Fluchtwege und Notausgänge selbst müssen freigehalten werden, damit sie jederzeit  benutzt werden können. Fluchtwege und Notausgänge müssen gut sichtbar und dauerhaft gekennzeichnet sein.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens konnte zweifelsfrei festgestellt werden, dass der Bw die ihm im gegenständlichen Straferkenntnis zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

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