Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590238/3/Gf/Mu

Linz, 04.02.2008

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Berufung des x, vertreten durch RA x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 17. April 2008, GZ Pol10-3-2008, wegen der Schließung des Clublokales des "Vereins x" in X nach dem Glückspielgesetz zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Bezirkshauptmann von Gmunden zurückverwiesen wird.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 2 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 17. April 2008, GZ Pol10-3-2008, wurde die Schließung des Clublokales des "Vereines x" in x, x, mit Wirkung ab 16. April 2008, 21.00 Uhr, gemäß § 56a des Glückspielgesetzes, BGBl.Nr. 620/1989, in der (durch die nachfolgenden Novellen BGBl.Nr. I 126/2008 und  BGBl.Nr. I 141/2008 insoweit nicht geänderten) Fassung BGBl.Nr. I 145/2006 (im Folgenden: GSpG), verfügt.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass anlässlich der auf der Homepage des Vereines beworbenen Pokerturniere ("Texas hold 'em"-Turnier am 2. April 2008 sowie am 9. April 2008) sowie des gleichzeitigen Eintrages "Alle jagen die 'Ass' lautet ab nun das Motto im Poker Club X ! Sollte jemand an einem Abend von 20:00 – 06.00 Uhr 3x ein Assenpaar auf der Hand haben und dieses 3x verlieren, so erhält derjenige den Bonus von 4.000 Euro. Wir wünschen allen Spielern viel Glück." am 3. April 2008 von 13.15 Uhr bis 14.10 Uhr im Vereinslokal in Gegenwart von Polizeiorganen eine Kontrolle durchgeführt und dabei festgestellt worden sei, dass im Lokal tatsächlich eine Tafel aufgestellt gewesen sei, auf welcher ebenfalls der zuvor auf der Homepage zugesagte Bonus in Aussicht gestellt worden sei. Am 16. April 2008 sei das Clublokal abermals kontrolliert worden, wobei wahrgenommen worden sei, dass das über Internet angekündigte Pokerturnier bereits an zwei Tischen mit ca. 10 Spielteilnehmern pro Tisch begonnen habe. Nachdem der Vereinsobmann während der Einvernahme des Spielleiters bekannt gegeben habe, dass das Turnier weitergehen werde und bei beiden vorangegangenen Kontrollen dies bereits angedroht worden sei, habe die Behörde in der Folge tatsächlich die Schließung des Lokales verfügt. Dabei sei es als zweckmäßig erschienen, den im Lokal befindlichen Lichtschalter für das Clublokal auf "Aus" zu stellen und diesen mit einem mit dem Amtssiegel der Bezirkshauptmannschaft versehenen Streifen zu überkleben. Um diese Maßnahme nicht im Wege anderer technischer Möglichkeiten umgehen zu können, sei zudem auch die Schließung des Clublokales zu verfügen gewesen.

1.2. Gegen diesen ihm am 17. April 2008 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 28. April 2008 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

Darin bringt der Beschwerdeführer vor, dass die Erstbehörde ohne nähere Begründung davon ausgegangen sei, dass die Pokervariante "Texas hold 'em" als ein Glückspiel zu qualifizieren sei. Sie habe sich nämlich weder mit den Spielregeln noch mit dem Spiel selbst auseinandergesetzt. Tatsächlich hänge aber bei diesem Spiel Gewinn und Verlust nicht vorwiegend vom Zufall ab. Darüber hinaus gäbe es hinsichtlich dieses Pokerspieles keine entsprechende Feststellungsverordnung des BMF. Zudem wird bemängelt, dass die Aufforderung zur Schliessung sowie der gegenständliche Bescheid an den Beschwerdeführer ad personam und nicht an den Verein gerichtet worden sei, weshalb dieser als unrichtig erlassen angesehen werden müsse. Außerdem handle es sich hier nur um einen ideellen Verein und nicht um ein Unternehmen, weil dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn ausgerichtet sei. Ferner wird ausgeführt, dass bereits aus mehreren höchstgerichtlichen Entscheidungen hervorgehe, dass die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen des Glückspielgesetzes nur subsidiär zur Strafbestimmung des § 168 StGB zur Anwendung kämen, weshalb im gegenständlichen Fall das Glückspielgesetz gar nicht hätte herangezogen werden dürfen.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

1.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat diese Berufung mit Beschluss vom 9. Juni 2008, GZ VwSen-590190/5/Gf/Mu/Se, zuständigkeitshalber gemäß § 6 Abs. 1 AVG an den Bundesminister für Finanzen weitergeleitet.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass aus der in § 50 GSpG enthaltenen Einschränkung dahin, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate – nur – "gemäß § 51 Abs. 1 VStG zuständig" sind, folge, dass diesen die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Betriebsschließung nur dann und insoweit zukomme, als diese einen untrennbaren Konnex zu einem gegen den Inhaber geführten Verwaltungsstrafverfahren aufweist, nicht jedoch auch dann, wenn diesem eine gerichtlich strafbare Handlung angelastet wird (bzw. eine solche Verfügung nicht als Teil eines [behördlichen oder gerichtlichen] Strafverfahrens, sondern als eine parallel zu bzw. unabhängig von diesem laufende rein administrative Maßnahme der Gefahrenvorbeugung anzusehen wäre).

Da hinsichtlich der Abgrenzung zwischen § 168 StGB einerseits und § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG andererseits zwischen den Höchstgerichten Übereinstimmung dahin bestehe, dass unter dem Blickpunkt des Doppelbestrafungsverbotes des Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPMRK der Verwaltungsstraftatbestand (§ 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG) grundsätzlich bloß als subsidiär anzusehen ist (vgl. dazu schon ausführlich VwSen-300727 u.a. v. 28. Dezember 2006 mit zahlreichen weiteren Nachweisen) und im Hinblick auf das dem Beschwerdeführer angelastete Verhalten kaum bezweifelt werden könne, dass dieses unter § 168 StGB subsumierbar ist, stelle sich sohin der gegenständliche Anlassfall nicht als ein solcher dar, in dessen Zuge der Oö. Verwaltungssenat i.S.d. § 50 GSpG "gemäß § 51 Abs. 1 VStG zuständig" wäre.

1.4. Der Bundesminister für Finanzen leitete darauf hin die Berufung zuständigkeitshalber an den Landeshauptmann für Oberösterreich weiter, der diese schließlich mit Bescheid vom 20. November 2008, GZ IKD(Pol)-070002/12-2008-Stö/Me, als unbegründet abwies.

1.5. Der Verwaltungsgerichtshof hat der dagegen erhobenen Beschwerde des Rechtsmittelwerbers mit Erkenntnis vom 4. November 2009, Zl. 2008/17/0240, insoweit stattgegeben, als er diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben hat.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die Ergänzung des § 50 GSpG um die Wortfolge "und für Betriebsschließungen" mit der Novelle BGBl.Nr. I 125/2003 erfolgt sei und es bezüglich der Neufassung dieser Bestimmung im Bericht des Finanzausschusses (297 BlgNR 22. GP, 1) heiße: "Die ausdrückliche Erwähnung der Betriebsschließungen in der Zuständigkeitsbestimmung des § 50 entspricht der bestehenden Rechtslage und der bisher geübten Verwaltungspraxis. Sie dient lediglich der Klarstellung und sohin der Verbesserung der Rechtssicherheit". Daher sei zur Entscheidung über Betriebsschließungen nach dem GSpG der Unabhängige Verwaltungssenat jenes Landes, in dem die Behörde ihren Sitz hat, zuständig.

1.6. Der Landeshauptmann von Oberösterreich hat daher die Berufung an die Erstbehörde zurückgestellt und diese hat sie in der Folge mit Schreiben vom 29. Jänner 2010, GZ Pol10-3-2008, dem Oö. Verwaltungssenat zur neuerlichen Entscheidung vorgelegt, zumal der Verwaltungsgerichtshof im zuvor erwähnten Erkenntnis auch explizit ausgesprochen hat, dass eine Weiterleitung gemäß § 6 Abs. 1 AVG keine bindende Wirkung habe: Jene Behörde, an die eine Berufung weitergeleitet wurde, hat diese wiederum gemäß § 6 Abs. 1 AVG an die ihres Erachtens zuständige Behörde weiter-, gegebenenfalls auch an die übertragende Behörde zurück zu leiten.    

2. Ungeachtet des Umstandes, dass die Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung über Betriebsschließungen nach § 56a GSpG zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle BGBl.Nr. I 125/2003 keineswegs "der bis dahin geübten Verwaltungspraxis entsprach", sodass diese Kompetenz der UVS somit im Gegenteil überhaupt erst – und, weil die Darstellung in den Gesetzesmaterialien unzutreffend ist, daneben aber (soweit ersichtlich) Sachargumente überhaupt fehlen, ausschließlich – durch die nachmalige Lesart dieser Bestimmung seitens des VwGH begründet wurde, womit dieser Novelle gleichsam ex post ein nicht bloß deklarativer, sondern vielmehr konstitutiver Charakter zukommt (wobei auch die Frage offen bleiben muss, ob die im Lichte dieser vom VwGH vorgenommenen Auslegung nach Art. 129a Abs. 2 letzter Satz B-VG erforderliche Zustimmung der Länder überhaupt vorliegt), ist der Oö. Verwaltungssenat jedenfalls im gegenständlichen Fall gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an die im Erkenntnis vom 4. November 2009, Zl. 2008/17/0240, geäußerte Rechtsansicht gebunden.

 

3. Davon ausgehend hat der Oö. Verwaltungssenat in der Sache selbst erwogen:

 

3.1. Nach § 56a Abs. 1 GSpG kann die Behörde die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften des GSpG veranstaltet oder durchgeführt werden und mit Grund anzunehmen ist, dass eine Gefahr von deren Fortsetzung besteht. Vor einer Betriebsschließung muss zur Einstellung der gesetzwidrig veranstalteten oder durchgeführten Spiele aufgefordert worden sein; von einer Betriebsschließung ist andererseits abzusehen, wenn eine weitere Gefährdung des Glücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

Mit (weiterem) Erkenntnis vom 4. November 2009, Zl. 2009/17/0002, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausgesprochen, dass für eine Betriebsschließung gemäß § 56a Abs. 1 GSpG der begründete Verdacht der Veranstaltung oder Durchführung gesetzwidriger Glücksspiele und die Gefahr für deren Fortsetzung hinreicht und diese somit als eine reine Administrativmaßnahme, d.h. unabhängig von der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, zulässig ist.

3.2. Im gegenständlichen Fall wurde dem beschwerdeführenden Verein die Betriebsschließung bereits zuvor, nämlich im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme am 11. April 2008 sowie im Zuge einer Lokalkontrolle am 16. April 2008 (vgl. die Niederschrift der BH Gmunden 11. April 2008, GZ Pol96-33-2008, und den Aktenvermerk der BH Gmunden vom 17. April 2008), angedroht.

Insoweit wird die bekämpfte Maßnahme vom Rechtsmittelwerber auch gar nicht beanstandet; er wendet sich der Sache nach vielmehr ausschließlich dagegen, dass die belangte Behörde ohne nähere Begründung davon ausgegangen ist, dass das Spiel "Texas Hold 'em" als ein Glücksspiel zu qualifizieren ist. 

In diesem Zusammenhang hat der VwGH in seinem vorzitierten Erkenntnis vom 4. November 2009, Zl. 2009/17/0002, darauf hingewiesen, dass für eine Betriebsschließung gemäß § 56a Abs. 1 GSpG bereits der begründete Verdacht hinreicht, dass ein gesetzwidriges Glücksspiel veranstaltet wird. Dass insbesondere das Spiel "Poker" jedenfalls auch in Form eines Glücksspiels durchgeführt werden kann, ergibt sich bereits aus dem Erkenntnis des VwGH vom 8. September 2005, Zl. 2000/17/0201 (sowie aus den weiteren, im Erkenntnis vom 4. November 2009, Zl. 2009/17/0002, angeführten Vorentscheidungen). Deshalb, weil der Beschwerdeführer nicht vorgebracht – und dies somit auch nicht mit entsprechenden Beweismitteln belegt – hat, dass das Pokerspiel im gegenständlichen Fall nach solchen Regeln durchgeführt wurde, die es hätten erwarten lassen, dass ein Verstoß gegen das GSpG mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, kann somit der belangten Behörde zwar grundsätzlich nicht entgegengetreten werden, wenn sie vom Vorliegen eines begründeten Verdachtes i.S.d. § 56a GSpG ausging.

Im Erkenntnis vom 26. Jänner 2009, Zl. 2005/17/0223, hat der VwGH jedoch zusätzlich – zu der insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 53 Abs. 1 GSpG – festgehalten, dass der für eine Beschlagnahme bzw. hier für eine Betriebsschließung erforderliche Verdacht im Falle der Erhebung einer Berufung auch im Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde noch vorliegen muss. Ob jener für die Schließung des verfahrensgegenständlichen Betriebes damals, nämlich am 17. April 2008 konkret maßgebliche Verdacht (Durchführung bzw. Fortsetzung der Durchführung von Glücksspielen, nämlich physisches "Poker" in der Spielvariante "Texas Hold 'em") auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch gegeben ist, lässt sich, nachdem nunmehr zwischenzeitlich nahezu zwei Jahre vergangen sind, aber nicht mit der für ein rechtsstaatliches Verfahren erforderlichen Sicherheit klären, ohne dass vor Ort eine dementsprechende Verhandlung zur Ermittlung des insoweit entscheidungsrelevanten Sachverhalts durchgeführt wird, wobei nach der vorerwähnten Judikatur des VwGH insbesondere auch die Frage nach den konkret maßgeblichen Spielregeln für die praktizierte Poker-Variante zu klären ist.

3.3. Unter diesen Umständen war daher der vorliegenden Berufung gemäß § 66 Abs. 2 AVG insoweit stattzugeben, als der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch die belangte Behörde zurückzuverweisen war.

Auf § 56a Abs. 5 GSpG wird in diesem Zusammenhang hingewiesen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. G r o f

 

Rechtssatz:

 

VwSen-590238/3/Gf/Mu vom 4. Februar 2010

 

§ 56a GSpG; § 63 Abs. 1 VwGG; Art. 129a Abs. 1 letzter Satz B-VG

 

Zuständigkeit der UVS zur Entscheidung über administrativrechtlich verfügte Betriebsschließungen auch dann, wenn diese ohne Konnex zu einem gerichtlichen oder behördlichen Strafverfahren verfügt werden, gemäß den Entscheidungen des VwGH vom 4.11.2009, Zl. 2009/17/0147, und vom 4.11.2009, Zl. 2009/17/0002;

 

Bindung des UVS an diese Entscheidungen im konkreten Fall gemäß § 63 Abs. 1 VwGG, obwohl der für die Begründung der zitierten VwGH-Erkenntnisse maßgebliche Hinweis in den Gesetzesmaterialien offenkundig unzutreffend und zudem unklar ist, ob die bei der vom VwGH vertretenen Sichtweise erforderliche Zustimmung der Länder gemäß Art. 129a Abs. 2 letzter Satz B-VG überhaupt vorliegt;

 

Bloßer Verdacht der Fortsetzung eines verbotenen Glücksspiels rechtfertigt zwar an sich eine Betriebsschließung; ob dieser nach nunmehr nahezu 2 Jahren tatsächlich immer noch vorliegt, hat die belangte Behörde im Wege einer entsprechenden Verhandlung vor Ort zu klären Aufhebung und Zurückverweisung (wobei der Berufung a priori gemäß § 56a Abs. 5 GSpG keine aufschiebende Wirkung zukam).  

 

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