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des Landes Oberösterreich
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VwSen-100428/24/Weg/Ri

Linz, 16.11.1992

VwSen - 100428/24/Weg/Ri Linz, am 16. November 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch die Kammer unter dem Vorsitzenden des Dr. Alfred Grof, den Berichter Dr. Kurt Wegschaider sowie den Beisitzer Dr. Gustav Schön über die Berufung des S M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. E M, vom 4. Februar 1992 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 24. Jänner 1992, St 3917/91, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, i.V.m. § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z.1, § 51 Abs.1, § 51i und § 51e Abs.3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 lit.b i.V.m. § 5 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe von 20.000 S (im NEF 3 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, weil sich dieser am 31. August 1991 um 3.45 Uhr in Steyr, Kreuzung E - O, gegenüber einem zur Vornahme des Alkotestes besonders geschulten und ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert hätte, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl vermutet werden konnte, daß er zuvor um 3.24 Uhr in S, Stadtplatz, das Motorrad mit dem Kennzeichen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat. Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 2.000 S zur Vorschreibung gebracht.

2. Dagegen wendet der Berufungswerber sinngemäß ein, er habe zur vorgeworfenen Zeit sein Motorrad nicht gelenkt. Die von der Bundespolizeidirektion S getroffene Annahme, daß er auf Grund seiner Kleidung, der Farbe des Sturzhelmes und des Motorrades mit dem von den Meldungslegern um 3.24 Uhr ansichtig gewordenen Motorradlenker ident sei, sei unrichtig, weil er einen derart beschriebenen Sturzhelm und ein derart beschriebenes Motorrad nicht besitze. Der Verdacht der Sicherheitswacheorgane, er habe um 3.24 Uhr in alkoholisiertem Zustand ein Motorrad gelenkt, sei nicht stichhältig, weshalb die anschließende Verweigerung des Alkotestes auch keine Verwaltungsübertretung darstelle.

3. Die Berufung ist rechtzeitig. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht, sodaß zur Sachentscheidung die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben ist, der - weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe ausgesprochen wurde - durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer zu erkennen hat. Da von den Parteien des Verfahrens vorerst kein Verzicht auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgegeben wurde, war eine solche anzuberaumen.

Zu dieser erschienen der Beschuldigte, dessen Rechtsfreund, der Vertreter der belangten Behörde und als Zeugen Rev.Insp. H W, Insp. E S, M T und M B. Da das Beweisverfahren in dieser am 26. Mai 1992 stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht abgeschlossen werden konnte, wäre die Anberaumung einer neuerlichen Verhandlung in Befolgung des § 51e Abs.1 VStG notwendig gewesen. Die Parteien verzichteten jedoch auf die Durchführung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung, weshalb von einer solchen abzusehen war und das Verfahren durch die Befragung des Zeugen G R außerhalb einer mündlichen Verhandlung fortgesetzt wurde.

4. Auf Grund des Ergebnisses der am 26. Mai 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und der am 21. Oktober 1992 erfolgten Vernehmung des Zeugen G R ergibt sich nachstehender entscheidungsrelevante Sachverhalt:

Es ist unstrittig, daß der Beschuldigte der um 3.45 Uhr geleisteten Aufforderung, die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, keine Folge leistete.

Strittig ist jedoch, ob der Beschuldigte der Lenker des um 3.24 Uhr ansichtig gewordenen Motorrades war oder eine andere Person.

Die Meldungsleger jedenfalls sahen exakt zu diesem Zeitpunkt den Lenker eines rotweißen Motorrades der Marke Yamaha an ihrem Standort, S, in S vorbeifahren. Dieser Lenker trug einen weißen Sturzhelm und war mit einer Jeansjacke, einer Jeanshose sowie mit schwarzen bis zu den Waden reichenden Lederstiefeln bekleidet. Die Meldungsleger konnten dabei das Kennzeichen ablesen. Sie haben sich das Kennzeichen deshalb gemerkt, weil dieser Motorradlenker eine auffällige Fahrweise (Zwischengas beim Schalten) an den Tag legte. Eine Anhaltung erfolgte nicht, ebensowenig erkannten die Meldungsleger (offenbar aufgrund des Sturzhelmes) das Konterfei des Motorradlenkers. Dieser Motorradlenker fuhr in Richtung O und hat - wie sich später herausstellte - das Motorrad dort abgestellt. Die Sicherheitswacheorgane setzten ihren Patrouillengang fort und stellten um 3.40 Uhr fest, daß der nunmehrige Rechtsmittelwerber dort des Lokales "M", das sich ungefähr 150 m bis 200 m vom Parkplatz des abgestellten Motorrades befindet, verwiesen wurde. Zu diesem Zeitpunkt stellten die Sicherheitswacheorgane noch keine Verbindung mit dem 16 Minuten vorher ansichtig gewordenen Motorradlenker her. Es wurden lediglich die Personalien des Rechtsmittelwerbers aufgenommen. Der Beschuldigte begab sich in der Folge zu Fuß in Richtung Parkplatz. Die Meldungsleger setzten ihren Patrouillendienst - ohne den Beschuldigten verfolgen zu wollen - ebenfalls in diese Richtung fort. Dabei konnten sie schließlich erkennen, daß der Beschuldigte auf dem vorher an ihnen vorbeigefahrenen Motorrad saß und mit den Schlüsseln manipulierte (er zog sie aus dem Zündschloß), wobei die Begleiterin des Beschuldigten nach einem Handgemenge die Fahrzeugschlüssel zu sich nahm. Für die Meldungsleger schien es klar, daß die auf dem Motorrad sitzende Person identisch war mit jener, die um 3.24 Uhr ein Motorrad lenkte. Nachdem Alkoholisierungssymptome feststellbar waren, forderten sie den Beschuldigten zu einem Alkotest auf, den dieser jedoch mit dem Hinweis verweigerte, er habe das Motorrad nicht gelenkt, es sei dies vielmehr sein Freund A S gewesen. In der erfolgten Anzeige beschrieben die Meldungsleger das Motorrad wieder als rotweiß lackiert und orteten es der Type Yamaha 350 RD zu. Daraufhin begaben sich die Meldungsleger in das Lokal "M", um dort den Türsteher, durch den der Hinauswurf aus dem Lokal erfolgte, darüber zu befragen, ob der Beschuldigte in der Zeit zwischen 3.00 Uhr und 4.00 Uhr im Lokal war. Das habe - so die Meldungsleger - dieser Türsteher verneint. Dieser habe ausgeführt, daß dem Beschuldigten vielmehr der Zutritt zum Lokal verwehrt worden sei.

Im Verfahren stellte sich heraus, daß das Motorrad des Beschuldigten eine Yamaha FZR1000 war, welches die Grundfarben weiß-blau-gelb aufwies. Auch rote Längsstreifen waren angebracht. Der Sturzhelm des Beschuldigten war - so die Aussage des Beschuldigten und die des Zeugen T - im Grundton, nämlich von der Seitenansicht, rot und oben silberfarbig.

Der vom Beschuldigten im erstinstanzlichen Verfahren als Lenker angegebene Zeuge T scheidet für die Tatzeit (3.24 Uhr) als Lenker aus. Nach dessen Aussage hat er das Motorrad ca. um 2.00 Uhr gelenkt. Nach dieser mit dem Motorrad des Beschuldigten durchgeführten ca. 10- bis 15-minütigen Spritztour hat T die Fahrzeugschlüssel dem Beschuldigten in das Lokal "M" zurückgebracht. Das Fahrzeug hat er nicht abgesperrt. Um ca. 3.00 Uhr oder 3.30 Uhr ist er dann letztlich schon zu Hause gewesen, wobei er für die Nachhausefahrt maximal 10 Minuten benötigt hat.

Der schon im erstinstanzlichen Verfahren befragte Zeuge R (Türsteher und Hinauswerfer) sagte bei seiner am 21. Oktober 1992 durchgeführten zeugenschaftlichen Vernehmung - im übrigen übereinstimmend mit den Aussagen vor der Erstbehörde - aus, daß er den ihm bis dahin nicht bekannten Beschuldigten deshalb des Lokales verwiesen hat, weil dieser beim Zahlen seiner Zeche Schwierigkeiten machte und andere Personen belästigte. Gemeinsam mit einer anderen Person wurde dann der Beschuldigte unter leichter Gewaltanwendung des Lokales verwiesen. Vor dem Gastlokal gingen gerade zwei Polizeibeamte vorbei, welchen der Berufungswerber übergeben wurde.

Im übrigen können die vom Zeugen R angeführten Zeiten allerdings nicht den tatsächlichen Zeiten entsprechen. Nach seinen Aussagen hätte nämlich der Verweis aus dem Gastlokal und die Übergabe an die zwei Sicherheitswachebeamten zwischen 3.00 Uhr und 3.15 Uhr stattgefunden. In Wirklichkeit muß es aber bereits 3.40 Uhr gewesen sein, weil - so die Zeugenaussagen der Meldungsleger - der Hinauswurf exakt um 3.40 Uhr erfolgt sei. Da die vom Zeugen Reischl zu Protokoll gegebenen Zeitangaben nicht mit den Zeitangaben der Meldungsleger übereinstimmten, wurde er bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf diesen Umstand hingewiesen, worauf er ausführte, daß diese Zeitangaben nicht wörtlich zu nehmen sind, es seien bloß Zirkawerte.

Wenn aber - so die Meldungsleger - der Zeuge um 3.40 Uhr des Lokals verwiesen worden ist, so scheidet er mit einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad als Lenker des Motorrades um 3.24 Uhr deshalb aus, weil für folgende Handlungen nur 16 Minuten (zwischen 3.24 Uhr und 3.40 Uhr) zur Verfügung standen:

Vorbeifahrt an den Meldungslegern; Abstellen des Motorrades auf einem ca. 150 m bis 200 m entfernten Parkplatz; Rückkehr in das Lokal "M" zu Fuß; Belästigung mehrerer Personen im Lokal "M" und Weigerung, die Zeche zu bezahlen (das Zechebezahlen setzt voraus, daß eine Konsumation stattgefunden hat); Verständigung des Türstehers durch den Kellner; Zahlen der Zeche; Hinauswurf aus dem Lokal.

Es ist schwer vorstellbar, daß sich diese Handlungen in 16 Minuten zugetragen haben.

Es ist also durchaus möglich, daß entweder eine andere Person um 3.24 Uhr das besagte Motorrad gelenkt hat, was dem Beschuldigten infolge seines alkoholisierten Zustandes (6 Halbe Bier) nicht mehr erinnerlich gewesen ist, oder auch dafür sprechen Indizien - daß das um 3.24 Uhr ansichtig gewordene Motorrad nicht identisch ist mit dem Motorrad des Beschuldigten: Die Meldungsleger haben das Motorrad hinsichtlich der Farbe nicht richtig beschrieben, haben die Type des Motorrades falsch angeführt und haben die Farbe des Helmes als weiß angegeben, während dieser so auch der Zeuge T - von der Seitenansicht rot war und oben silber. Möglicherweise ist also wegen der nächtlichen Stunde beim Ablesen des Kennzeichens ein Irrtum unterlaufen.

Es kann aufgrund obiger Ausführungen somit nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit als erwiesen angesehen werden, daß der Beschuldigte um 3.24 Uhr der Lenker eines Motorrades war.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs.2 i.V.m. § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 trifft die Verpflichtung, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, nur Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen.

Nachdem die Lenkereigenschaft nicht als erwiesen anzusehen ist und auch die Manipulation mit den Fahrzeugschlüsseln nicht als versuchte Inbetriebnahme (der Beschuldigte hat das Fahrzeug lediglich versperrt) zu werten ist, ist das objektive Tatbild nicht als verwirklicht anzusehen.

Es war daher der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis zu beheben und gemäß § 45 Abs.1 Z.1 VStG die Einstellung zu verfügen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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