Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720246/6/WEI/Eg/Ba

Linz, 25.02.2010

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des x, geb. x, polnischer Staatsangehöriger, wh. in x, x, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 21. Jänner 2009, Zl. 1-1026770/FP/09, betreffend die Erlassung eines auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbotes zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als das Aufenthaltsverbot auf die Gültigkeitsdauer von sechs Jahren befristet wird. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs 1 Z 1, 60 ff und 86 Abs 1 Fremden­polizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit Art 2 des BGBl I Nr. 135/2009)

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 21. Jänner 2009, Zl. 1-1026770/FP/09, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden Bw) auf der Grundlage der §§ 60 ff und des § 86 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen. Gleichzeitig wurde auf der Grundlage des § 64 FPG die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen und gemäß § 86 Abs 3 FPG von Amts wegen kein Durchsetzungsaufschub erteilt.

 

1.2. Gegen den Bescheid der belangten Behörde, der dem Bw am 21. Jänner 2009 in der Justizanstalt Wels eigenhändig zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 28. Jänner 2009, bei der belangten Behörde eingelangt am 4. Februar 2009, mit der erschließbar die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes angestrebt wird.

 

Die Berufung lautet wie folgt:

 

"Betr. Berufung

           Az: 1-1026770/FP/09

 

Gegen den Bescheid vom 21.1.2009 in dem gegen mich ein befristetes Aufenthaltsverbot für die Dauer von 10 Jahren erlassen wurde, möchte ich in offener Frist Berufung einbringen

 

wegen: Da ich Kraftfahrer bin würde ich meine Arbeit verlieren, weil ich oft durch Österreich durchreisen muss. Diese Maßnahme würde meine berufliche Existenz gefährden.

......

Da ich derzeit in Haft und ohne Einkommen bin, ersuche ich um Zahlungsaufschub für die Eingabegebühr.

 

Adresse in Polen:                                                                               Unterschrift: x

x

x

x

x "

 

2. Zur Begründung des Aufenthaltsverbots führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, dass der Bw laut Aktenplan am 1. November 2008 von Beamten des LPK Oberösterreich wegen des Verbrechens/Vergehens nach §§ 127 ff StGB festgenommen und am 2. November 2008 in die Justizanstalt Wels eingeliefert worden sei. Mit Urteil des Landesgerichtes Wels, Zl. 13 HV 197/2008M vom 15. Dezember 2008 sei der Bw wegen §§ 127 (Diebstahl), 128 Abs 1/4 (schwerer Diebstahl einer Sache, deren Wert 3.000 Euro übersteigt), 129 Abs 1 (Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen in ein Gebäude, in ein Transportmittel, in eine Wohnstätte oder sonst abgeschlossenen Raum, der sich in einem Gebäude oder Transportmittel befindet, oder in einen Lagerplatz) und 130 (2. Fall) (gewerbsmäßiger Diebstahl) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 6 Monate bedingt auf 3 Jahre rechtskräftig verurteilt worden.

 

Der festgestellte Sachverhalt rechtfertige die Annahme, dass sein weiteres Verhalten im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden könnte. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei zum Schutze des wirtschaftlichen Wohles der Republik Österreich und zur Verhinderung strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung von in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten, insbesondere im Hinblick auf § 60 Abs 1 FPG durch die genannte gerichtliche Verurteilung und der daraus erschließbaren Prognose hinsichtlich der vom Fremden ausgehenden Gefahr. Die Beurteilung der Behörde sei eigenständig und unabhängig von den Erwägungen des Strafgerichts zur bedingten Strafnachsicht aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts vorzunehmen.

 

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes würden unverhältnismäßig schwerer wiegen als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Bw, zumal sich dieser erst seit kurzer Zeit im Bundesgebiet aufhalte, keiner legalen Beschäftigung nachgehe, weder kranken- noch sozial versichert sei und auch in Österreich über keine familiären Bindungen verfüge.

 

Auch liege keine Aufenthaltsverfestigung im Sinne der §§ 55 oder 56 FPG vor, weshalb eine Ausweisung nach § 54 FPG zulässig sei. Der Bw sei nicht von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen. Auch liege kein Aufenthaltsverbotsausschlussgrund des § 61 Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG vor.

 

Aus den genannten Gründen sowie der Gefahr der Vereitelung der weiteren fremdenpolizeilichen Maßnahmen sei die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und des wirtschaftlichen Wohles der Republik Österreich dringend erforderlich. Gemäß § 87 iVm § 86 Abs 1 FPG sei EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung und nationalen Sicherheit erforderlich, was nach Ansicht der belangten Behörde aufgrund des vom Bw angeführten Verhaltenes der gezeigten negativen Einstellung in hohem Maße eine Störung der öffentlichen Ordnung hervorrufe. Aus diesem Grund sei kein Durchsetzungsaufschub zu erteilen gewesen. Die Dauer des erlassenen Aufenthaltsverbotes entspreche jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger positiver Gesinnungswandel seiner Einstellung zu den österreichischen Rechtsvorschriften erwartet werden könne.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat zur besseren Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes ergänzend den Strafverfahrensakt des Landesgerichtes Wels zu Zl. 13 Hv 197/2008m beigeschafft und Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstbehördlich vorgelegten Verwaltungsakt und in den Gerichtsakt des gegen den Bw und seine Mittäter geführten Strafverfahrens.

 

Auf Grund der Aktenlage geht das erkennende Mitglied des unabhängigen Verwaltungssenats von dem folgenden wesentlichen  S a c h v e r h a l t  aus:

 

3.1. Der am x geborene Bw, ein polnischer Staatsangehöriger, reiste gemeinsam mit zwei weiteren polnischen Staatsangehörigen am 31. Oktober 2009, dem Vortag seiner Verhaftung, in das Bundesgebiet der Republik Österreich mit dem Vorsatz ein, Autoteile zu besorgen. Diese Teile wollten die drei Komplizen in der Folge nach x bringen, um sie dort zu verkaufen. Der Bw ließ sich von einem Komplizen anheuern und fungierte als Fahrer einer Bande, welche bereits vor Fahrtantritt den Vorsatz hatte, Autoteile zu stehlen und in Polen zu verkaufen. Von anderen Polen wussten sie, dass dies ein gutes Geschäft sei. Die drei Polen sind dann mit einem Mietwagen, welchen sein Komplize x am 30. Oktober 2008 bei einer Autoverleihfirma in Polen in der Nähe von x, ausgeliehen hatte, nach Österreich gefahren und haben mehrmals angehalten, um Firmen auszukundschaften. Als es schon dunkel war, haben sie dann eine Firma gesehen, die für den geplanten Einbruch geeignet schien. Es handelte sich um die Firma x in x. Nachdem die geeignete Firma gefunden worden war, versuchten sie das Schloss des Zufahrtsschrankens abzuzwicken, was nicht funktionierte. Deshalb drückten sie den Schranken mit Körperkraft seitlich weg. Der Bw, welcher der Fahrer war, ist dann mit dem Bus ins Firmengelände gefahren. Die beiden anderen haben das Rolltor aufgezwängt und brachen eine Tür neben dem Rolltor mit einem Sperrhaken auf. Später konnten sie auch das zweite Rolltor öffnen und der Bw fuhr mit dem Bus vor. Dann haben die Drei den Bus mit neuwertigen Autoreifen verschiedenster Marken und Dimensionen sowie 7 Stück Autobatterien im Gesamtwert von € 18.421,24 aus der Firma beladen. Weiters haben sie 5 Lackierpistolen im Wert von € 1.412,-- von der Firma x und x, welche im Gebäude der Fa. x eingemietet ist, mitgenommen. Der beim Einbruch verursachte Sachschaden betrug € 1.372,--.

 

Danach sind die Drei ohne anzuhalten Richtung Grenze gefahren, wurden dann aber um 04.20 Uhr des 1.11.2008 in Fahrrichtung Wullowitz in 4212 Neumarkt im Mühlkreis, Mühlviertler Bundesstraße B 310, bei einer Bushaltestelle von der Polizei angehalten und durch Beamte des Landespolizeikommandos , Kriminalpolizei, in Neumarkt im Mühlkreis, festgenommen.

 

3.2. Bei seiner zweiten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 1. November 2008 war der Bw, der zuerst keine Angaben machen wollte, zu einem Geständnis bereit. Er gab an, der Lebensgefährte der Schwester seines guten Bekannten und Komplizen x zu sein, der in Polen schon jahrelang im Gefängnis gewesen sei. Er selbst sei noch in keinem Land vorbestraft. Auch x kenne er schon sechs bis sieben Jahre. Diesem sei ein Chauffeur ausgefallen, weshalb er den Bw, der dringend Geld – angeblich für eine Operation seiner Lebensgefährtin - benötigte, für eine Diebestour nach Österreich als Chauffeur anheuerte. Seit einem Einbruch in Deutschland, bei dem x und sein Bruder vor der Polizei in Lübeck fliehen konnten, fahre x nur mehr nach Österreich. Sie seien mit einem Transporter der Marke Ford über Tschechien und den Grenzübergang Kleinhaugsdorf nach Österreich gekommen. x habe sich auf der Fahrtstrecke gut ausgekannt und den Bw dirigiert, wo er stehen bleiben sollte. Als sie schließlich nach x kamen, haben x und x ein Firmengelände ausgekundschaftet und der Bw wartete bis er von x zum offenen Tor des Firmengeländes gelotst worden sei, wo er rückwärts einparkte. In der Folge haben sie gemeinsam Reifen, Batterien und  Lackierpistolen eingeladen und seien dann auf direktem Weg Richtung Grenze gefahren.

 

Am 2. November 2008 wurde der Bw in die Justizanstalt Wels eingeliefert und die Untersuchungshaft verhängt. Nach den Ermittlungen des Landeskriminalamts Oberösterreich lagen über den Bw in Polen keine kriminalpolizeilichen Erkenntnisse vor (Auskunft der Polizeihauptkommandantur Warschau vom 5.11.2008)

 

3.3. Dem beigeschafften Strafakt des Landesgerichts Wels ist eine "Gekürzte Urteilsausfertigung" gemäß § 488 Z 7 (458 Abs 3) StPO mit der folgenden Verurteilung zu entnehmen:

 

Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Wels vom 15. Dezember 2008, Zl. 13 Hv 197/08m-33, wurden der Bw sowie seine beiden Komplizen wie folgt schuldig gesprochen:

 

        "x, x und x sind schuldig;

        sie haben

        A) am 01.11.2008 in Wels im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter sowie als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung der anderen Mitglieder dieser Vereinigung Verfügungsberechtigten nachstehender Firmen fremde bewegliche Sachen in einem Euro 3.000,-- übersteigenden Wert durch Einbruch in ein Gebäude oder einen sonstigen Lagerplatz, und zwar indem sie den Schranken zum Firmengelände der Firma x mit Körperkraft seitlich weggedrückt, an der Rückseite des Firmengebäudes ein Rolltor aufgezwängt sowie eine Brandschutztüre durch Abdrehen eines Schließzylinders mit einem Rollgabelschlüssel aufgebrochen haben, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1.)       Verfügungsberechtigten der Firma x 120 Stück Autoreifen verschiedener Marken und Dimensionen sowie sieben Stück Autobatterien im Gesamtwert von Euro 18.421,24;

2.)       Verfügungsberechtigten der Firma x & x fünf Lackierpistolen im Gesamtwert von Euro 1.412,--;"

        B) x alleine am 30.07.2008 in Bad Großpertholz einen amtlichen Ausweis, der für einen anderen ausgestellt ist, im Rechtsverkehr gebraucht, als wäre er für ihn ausgestellt, und zwar einen polnischen Personalausweis lautend auf x anlässlich seiner Festnahme wegen Treibstoffdiebstahls durch Beamte der PI Bad Großpertholz.

 

        Sie haben hiedurch begangen

        x, x und x

        zu A) das Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, 130, 2. fall StGB,

        x darüber hinaus das Vergehen des Gebrauches fremder Ausweise nach § 231 Abs. 1 StGB

        und es werden hiefür x, x und x jeweils unter Bedachtnahme auf § 29 StGB, x darüber hinaus unter Anwendung des § 28 StGB jeweils nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB zu

 

        x zu einer

                               Freiheitsstrafe von neun Monaten

        x und x je zur

                              Freiheitsstrafe von 12 Monaten

        sowie sämtliche Angeklagte gemäß § 289 Abs. 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens

v e r u r t e i l t .

 

        Gemäß § 43 a Abs. 3 StGB wird hinsichtlich x ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten und hinsichtlich x und x jeweils ein Teil von je acht Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

        Der nicht bedingt verhängte Teil der Freiheitsstrafe beträgt hinsichtlich x drei Monate, bei x und x jeweils vier Monate.

        Gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wird die jeweilige Vorhaft in der Dauer vom 01.11.2008, 04.20 Uhr bis 15.12.2008, 11.55 Uhr auf die jeweils verhängte Freiheitsstrafe angerechnet."

 

Nach dem aktenkundigen Strafvollzugsbericht der Justizanstalt Wels hat der Bw den unbedingten Teil von drei Monaten der verhängten Freiheitsstrafe am 15. Dezember 2008 um 11:55 Uhr angetreten. Er wurde nach Anrechnung der Vorhaft am 30. Jänner 2009 um 08:00 Uhr entlassen. Unmittelbar danach wurde er in Schubhaft genommen und abgeschoben.

 

3.4. Der dargestellte und im Wesentlichen unbestrittene Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Aktenteilen der belangten Behörde und aus dem Strafakt des Landesgerichts Wels in Verbindung mit den dort aktenkundigen Polizeiberichten und Beschuldigtenvernehmungen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 60 Abs 1 Z 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsver­bot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Nach § 60 Abs 2 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs 1 zu gelten, wenn ein Fremder

 

1.     von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Mona­ten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

2.     ....

 

Gemäß § 63 Abs 1 FPG kann ein Aufenthaltsverbot unter Anderem im Fall des § 60 Abs 2 Z 1 FPG unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jah­ren erlassen werden. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer ist auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen (§ 63 Abs 2 FPG).

 

4.2. Gemäß § 86 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Dritt­staatsangehörige nur zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffent­liche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dabei können strafrechtliche Ver­urteilungen allein nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzel­fall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

Bei einem EWR-Bürger sind auch die Anforderungen des § 86 Abs 1 FPG zu be­achten. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/18/0162, zur vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 48 Abs 2 FrG 1997 ausgesprochen, dass zu prüfen sei, ob sich aus dem Ge­samtverhalten des Fremden ableiten lässt, dass ein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Dabei sei anders als beim Tatbestand des § 36 Abs 2 Z 1 FrG 1997 (entspricht nunmehr § 60 Abs 2 Z 1 FPG) nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Fremden abzustellen. Bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, kommt dem Katalog des § 36 Abs 2 FrG 1997 (nunmehr § 60 Abs 2 FPG) dabei die Bedeutung eines Orientierungsmaßstabs zu (vgl VwGH 20.2.2001, Zl. 2000/18/0162; VwGH 4.10.2006, Zl. 2006/18/0306).

 

4.3. Im gegenständlichen Fall liegt durch das Urteil des Landesgerichts Wels vom 1. Dezember 2008, Zl. 13 Hv 197/08m, mit teilbedingter Freiheitsstrafe in der Dauer von 9 Monaten (davon sechs Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren) eine bestimmte Tatsache iSd § 60 Abs 2 Z 1 2. Fall FPG vor, die gemäß dem § 63 Abs 1 FPG grundsätzlich auch zur Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes ermächtigt.

 

Die Verurteilung des Bw erfolgte wegen Begehung des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gemäß den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130, 2. Fall StGB. Der Wert der gestohlenen Sachen betrug insgesamt rund 20.000 Euro. Außerdem wurde ein Sachschaden von 1.372 Euro verursacht.

 

Im vorliegenden Fall durfte die belangte Behörde auf der Grundlage der strafgerichtlichen Verurteilung vom 15. Dezember 2008 auf das vom Bw ausgehende Gefahrenpotential für die öffentlichen Interessen schließen. Die belangte Behörde hat in ihrer Argumentation eher nur oberflächlich auf den für EWR-Bürger geltenden Maßstab nach § 86 Abs 1 FPG Bezug genommen. Im Ergebnis ist aber bei der gegebenen Sachlage davon auszugehen, dass das der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegende persönliche Verhalten des Bw eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, die das Grundinteresse der Gesellschaft berührt, die im Rahmen krimineller Vereinigungen organisierte Eigentumskriminalität und den damit verbundenen mobilen "Einbruchstourismus" hintanzuhalten. Es besteht ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Eigentumskriminalität (vgl VwGH 03.07.2007, Zl. 2007/18/0324) und die Tendenz der gewerbsmäßigen Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung stellt einen ganz erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (vgl VwGH 27.09.2005, Zl. 2003/18/0245).

 

Der begangene Einbruchdiebstahl wurde nicht spontan und unüberlegt ausgeführt. Der Bw und seine Mittäter sind vielmehr mit einem Transporter in der Absicht nach Österreich gekommen, geeignete Einbruchsobjekte auszukundschaften und Autoteile zu stehlen, die sie in Polen gewinnbringend verkaufen und sich dadurch unrechtmäßig bereichern wollten. Dies lässt eine persönliche Haltung erkennen, die den Grundregeln des Zusammenlebens in einer Gesellschaft fundamental zuwiderläuft. Das Gesamtverhalten des Bw lässt demnach eine deutliche Missachtung der Rechtsordnung und eine mangelnde Verbundenheit mit rechtlich geschützten Werten erkennen.

 

Der erkennende Verwaltungssenat ist daher mit der belangten Behörde der Auffassung, dass der weitere Aufenthalt des Bw in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit maßgeblich gefährden würde. Zur Verhinderung allfälliger weiterer strafbarer Handlungen in Form von Eigentumsdelikten durch den Bw ist es erforderlich, ihm den Aufenthalt im Bundesgebiet zu verwehren.

 

4.4. Gemäß § 60 Abs 6 iVm § 66 FPG ist zum Schutz des Privat- und Familienlebens des Fremden eine Interessenabwägung vorzunehmen und von der fremdenpolizeilichen Maßnahme abzusehen, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der fremdenpolizeilichen Maßnahme.

 

Da der Bw in das Bundesgebiet nur aus Gründen des "Kriminaltourismus" einreiste und sich in Österreich nur kurze Zeit aufhalten wollte, um Autoteile zu stehlen und über die Grenze zu transportieren, hat er in Österreich naturgemäß keinerlei soziale Bindungen. Durch das gegenständliche Aufenthaltsverbot wird daher weder in sein familiäres, noch sein soziales Umfeld eingegriffen. Wenn er in der Berufung Nachteile am Arbeitsmarkt als Kraftfahrer geltend macht, weil er durch Österreich nicht mehr durchreisen könne, so handelt es sich dabei um einen notwendige Folge des Aufenthaltsverbotes, das wegen der von ihm ausgehenden Gefahren gerade bezweckt, ihn von Österreich fernzuhalten. Auch wenn er dadurch seine Beschäftigungsmöglichkeiten in Polen gefährdet sieht, hat er sich dies durch sein kriminelles Verhalten selbst zuzuschreiben. Die Benutzung einer nicht durch Österreich führenden Reiseroute stellt keine Beeinträchtigung des Privat- und Familienlebens dar (VwGH 08.09.2005, Zl. 2003/18/0221).

 

Im Ergebnis ist jedenfalls auch festzuhalten, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer als die allfälligen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Bw in Polen.

 

4.5. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist nach dem § 63 Abs 2 FPG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit dem Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

 

Es bedarf eines geraumen Zeitraumes der Beobachtung das Wohlverhalten des Bw, um sicherzustellen, dass er nicht neuerlich das von ihm gezeigte Verhalten im Bundesgebiet setzen wird und um zu gewährleisten, dass er keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich mehr sein wird. Grundsätzlich sind Zeiten einer Haft bei der Beurteilung des Wohlverhaltens nicht zu berücksichtigen (vgl mwN VwGH 16.10.2007, Zl. 2006/18/0081).

 

Die belangte Behörde hat ohne nähere Begründung einen Zeitraum von 10 Jahren angenommen, innerhalb dessen mit einem allfälligen positiven Gesinnungswandel des Bw gerechnet werden könne. Diese Gültigkeitsdauer legte die belangte Behörde auch bei dem gegen den Mittäter x verhängten Aufenthaltsverbot zugrunde, das mit h. Erkenntnis vom 19. Mai 2009, Zl. VwSen-720247/5/Fi/FS, bestätigt worden ist. Wie aus dieser Berufungsentscheidung hervorgeht, waren x neben der gegenständlichen Verurteilung aber noch weitere Diebstähle in der Bundesrepublik Deutschland und in Bad Großpertholz in Österreich anzulasten, wo er gegenüber der Polizeiinspektion einen fremden Ausweis gebrauchte. Außerdem hatte dieser Mittäter nach eigenen Angaben schon wegen einschlägiger Delikte wie Diebstahl und Einbruchsdiebstahl in Polen insgesamt 10 Jahre im Gefängnis verbracht und war er auch der Organisator des gegenständlichen Einbruchs (vgl polizeiliche Beschuldigtenvernehmung vom 10.11.2008, Beilage 7 zu ON 26 des Gerichtsakts). Dem gegenüber war der Bw noch nicht vorbestraft und hat auch eher nur in untergeordneter Weise an der Tatausführung mitgewirkt, indem er in der Hauptsache den Transporter lenkte, die Anweisungen des x befolgte und schließlich noch beim Einladen der Reifen mithalf.

 

Unter Berücksichtigung dieser zugunsten es Bw sprechenden Umstände hält es das erkennende Mitglied des unabhängigen Verwaltungssenats nach Lage des Falles für angemessen, die Gültigkeitsdauer des verhängten Aufenthaltsverbotes auf sechs Jahre herabzusetzen. Diese Frist müsste aller Voraussicht nach ausreichen, um den Bw, dessen kriminelle Energie deutlich unterhalb der des x einzuordnen ist, zu läutern und die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentlichen Interessen zu beseitigen, falls er sich in dieser Zeit auch wohl verhält.

 

5. Im Ergebnis war daher der Berufung teilweise Folge zu geben, der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes abzuändern und diese mit sechs Jahren festzusetzen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwal­tungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.   Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabengebühren in Höhe von 13,20 Euro für die Berufung angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

 

 

 

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