Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420621/4/Gf/Mu VwSen-440121/4/Gf/Mu

Linz, 18.02.2010

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des x, vertreten durch die Rechtsanwälte GmbH x, wegen Nichtausfolgung seines Reisepasses bis zum 25. Jänner 2010 durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirks­haupt­mann von Vöcklabruck) Kosten in Höhe von 426,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG; § 1 UVS-AufwandsersatzVO.

Entscheidungsgründe:

1.1. In seiner am 25. Jänner 2010 zur Post gegebenen, auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Z. 2 AVG, in eventu auf § 88 Abs. 2 SPG gestützten Beschwerde bringt der Rechtsmittelwerber, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, vor, dass er aus Tschetschenien geflohen sei und am 5. März 2009 in Österreich einen Asylantrag gestellt habe. Im Zuge dieses Asylverfahrens sei ihm u.a. auch sein Reisepass abgenommen worden. Mit einem am 28. Oktober 2009 zur Post gegebenen Schreiben habe er durch seine Rechtsvertreter die Ausfolgung seines Reisepasses beantragt, da er zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen habe. Die belangte Behörde habe jedoch den Reisepass im Wege des Bundesministeriums für Europäische und Internationale Angelegenheiten an die österreichische Botschaft in Moskau weitergeleitet und diese ersucht, den Reisepass dort dem Rechtsmittelwerber nachweislich auszufolgen.

Da nach dem Verlassen des Bundesgebietes keine Rechtsgrundlage mehr für eine weitere Einbehaltung des Reisepasses bzw. für dessen Übermittlung an die österreichische Botschaft in Moskau bestanden habe, wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme beantragt.

1.2. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Akt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt wird.

Begründend wird dazu insbesondere ausgeführt, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 5. März 2009 rechtskräftig abgewiesen und daher dessen Abschiebung nach Polen für den 1. Juli 2009 organisiert worden sei; dieser fremdenpolizeilichen Maßnahme habe er sich jedoch durch Untertauchen in die Anonymität entzogen, weshalb am 28. Juli 2009 seitens der belangten Behörde ein Festnahmeauftrag erlassen worden sei. Dem Antrag auf Ausfolgung des Reisepasses sei sodann ohnehin dadurch zu entsprechen versucht worden, dass die belangte Behörde die österreichische Botschaft in Russland darum ersucht habe, dem Beschwerdeführer dieses Dokument persönlich auszuhändigen. Im Übrigen sei zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Ausfolgung weder eine Meldeadresse des Rechtsmittelwerbers noch bekannt gewesen, ob sich dieser tatsächlich noch bzw. nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu GZ Sich40-1576-2009. Da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Parteienvorbringen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, mit der gegenständlichen Beschwerde lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wird und auch Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Gemäß § 67a Z. 2 AVG hat der Unabhängige Verwaltungssenat in Verfahren über Maßnahmenbeschwerden durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Z. 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbe­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein.

Nach § 38 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 29/2009 (im Folgenden: FPG), sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes u.a. dazu ermächtigt, Dokumente, die für eine Abschiebung als Beweismittel benötigt werden, also z.B. auch einen Reisepass, vorläufig sicherzustellen. Hierüber hat das Sicherheitsorgan dem Betroffenen eine schriftliche Bestätigung auszufolgen und den Reisepass der Fremdenpolizeibehörde zu übergeben. Die Behörde hat das Dokument dem Betroffenen zurückzustellen, sobald es nicht mehr für die Abschiebung benötigt wird.

3.2. Dass eine nach der letztzitierten Gesetzesstelle erfolgte Abnahme und anschließende Einbehaltung des Reisepasses eine Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Z. 2 AVG darstellt, kann nicht zweifelhaft sein; weil auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweist sich die gegenständliche Beschwerde daher als zulässig.

3.3. Sie ist jedoch nicht begründet:

3.3.1. Im gegenständlichen Fall ist allseits unbestritten, dass der Asylantrag des Rechtsmittelwerbers vom 5. März 2009 mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Mai 2009 abgewiesen und gleichzeitig mit einer Ausweisung verbunden wurde. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Urteil des Asylgerichtshofes vom 18. Juni 2009 keine Folge gegeben, sodass die Ausweisung jedenfalls seit diesem Zeitpunkt durchsetzbar war. Der Folgeantrag vom 22. Juni 2009 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. Juli 2009 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen; gleichzeitig wurde die Ausweisung nach Polen bestätigt, wobei dieser Bescheid unbekämpft blieb und am 28. Juli 2009 in Rechtskraft erwuchs.

Da der Rechtsmittelwerber der mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 17. Juli 2009, Zl. Sich40-1567-2009, verfügten Anordnung, an einem näher genannten Ort Unterkunft zu nehmen und sich täglich bei einer näher bezeichneten Polizeidienststelle zu melden, nicht entsprach, wurde gegen ihn gemäß § 74 Abs. 2 Z. 2 FPG ein Festnahmeauftrag erlassen, um die Durchführung der Abschiebung zu sichern. In der Folge konnte dieser Festnahmeauftrag jedoch nicht vollzogen werden, weil der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nicht angetroffen werden konnte.

Über entsprechende Aufforderung der belangten Behörde haben die Vertreter des Rechtsmittelwerbers mit Schreiben vom 13. August 2009 u.a. mitgeteilt, dass ihnen der momentane Aufenthaltsort ihres Mandanten nicht bekannt sei. In der Folge wurde mit Schreiben vom 27. Oktober 2009 ein Antrag auf Ausfolgung des Reisepasses des Beschwerdeführers gestellt und in diesem Zusammenhang ohne nähere Begründung – geschweige den unter Hinweis auf dementsprechende Belege – vorgebracht, dass dieser "mittlerweile aus dem Bundesgebiet ausgereist" sei.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009, Zl. Sich40-1567-2009, ersuchte die belangte Behörde die Österreichische Botschaft in Russland darum, den Reisepass dem Beschwerdeführer nachweislich in seinem Heimatstaat auszuhändigen, weil sich nunmehr herausgestellt habe, dass dieser "vermutlich am 17.07.2009 aus dem Bundesgebiet von Österreich" ausgereist ist und sich "vermutlich wieder in Russland im Kreis seiner Familie aufhalte" (vgl. die e-mails der BH Vöcklabruck an das Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten vom 17. und 28. Dezember 2009).

3.3.2. Aus all dem geht insgesamt hervor, dass der Beschwerdeführer – was auch von ihm selbst bzw. von seinen Vertretern gar nicht bestritten wird – vom Zeitpunkt der Antragstellung auf Ausfolgung seines Reisepasses (27. Oktober 2009) bis zur Erhebung der vorliegenden Maßnahmenbeschwerde am 26. Jänner 2010 (und darüber hinaus bis dato) unbekannten Aufenthalts war (und ist).

Davon ausgehend kann einerseits weder ausgeschlossen werden, dass er sich in dieser Zeit im Bundesgebiet aufgehalten hat (bzw. derzeit noch aufhält). In diesem Fall wäre die seit dem 28. Juli 2009 vollstreckbare Ausweisung im Wege der Abschiebung zu vollziehen. Zu diesem Zweck wäre jedoch der Reisepass erforderlich, sodass eine Zurückstellung gemäß § 38 Abs. 3 FPG von vornherein ausscheiden würde.

Andererseits kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass er sich während des zuvor angeführten Zeitraumes nicht mehr im Bundesgebiet, sondern sich tatsächlich wieder in seinem Heimatstaat aufgehalten hat (bzw. derzeit noch dort aufhält). In diesem Fall hätte der Beschwerdeführer zwar gemäß § 38 Abs. 3 FPG einen Rechtsanspruch auf Rückgabe seines Reisepasses. Diese Bestimmung enthält jedoch keine näheren Anordnungen darüber, wo, in welcher Form, durch bzw. an wen etc. diese Zurückstellung zu erfolgen hat. Davon ausgehend kann darin kein Verstoß gegen zwingende Rechtsvorschriften festgestellt werden, wenn die belangte Behörde das ihr insoweit offenbar eingeräumte Ermessen in der Weise ausgeübt hat, dass sie – ausgehend von der begründeten Vermutung, der Beschwerdeführer habe sich zum damaligen Zeitpunkt bei seiner Familie in Russland aufgehalten – die unter diesen Umständen jedenfalls naheliegende nachweisliche Ausfolgung bei der österreichischen Botschaft in Russland angeordnet hat. Dazu kommt, dass dem Antrag des Beschwerdeführers vom 27. Oktober 2009 (und auch sämtlichen Folgeschreiben an die belangte Behörde) nicht zu entnehmen war, dass die seinen Vertretern erteilte Vollmacht auch eine solche für die Zustellung von höchstpersönlichen Dokumenten umfasst hätte; zudem hat der Rechtsmittelwerber auch der ihn zur effektiven Erledigung seines Antrages jedenfalls treffenden Mitwirkungspflicht zur Bekanntgabe seines Aufenthaltsortes (bis dato) nicht entsprochen.   

3.3.3. Da der Beschwerdeführer sohin durch die Vorgangsweise der belangten Behörde nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt wurde, war die gegenständliche Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) und obsiegender Partei nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 der UVS-Aufwandsersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Kosten in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1.      Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.      Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 20,40 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-420621/4/Gf/Mu vom 18. Februar 2010

 

Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG; § 67a Z. 2 B-VG; § 38 FPG

 

– Die behördliche Abnahme eines Reisepasses gem. § 38 FPG und dessen anschließende Einbehaltung stellt einen mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbaren Zwangsakt dar;

 

– Keine Rechtswidrigkeit, wenn die Behörde deshalb, weil der Beschwerdeführer seinen Aufenthaltsort nicht bekannt gegeben hat und sie begründeterweise vermuten kann, dass er sich im Kreis seiner Familie in seinem Heimatstaat befindet, anstelle einer Übermittlung an seine Rechtsvertreter die persönliche Ausfolgung durch die österreichische Botschaft in Russland angeordnet hat, zumal die Vertretungsvollmacht offenbar keine Zustellvollmacht umfasste.

 

Beachte:


Beschwerde gegen vorstehende Entscheidugn wurde abgelehnt;

VwGH vom 29.09.2011, Zl. 2010/21/0111-6

 

 

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