Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400940/20/WEI/Ba

Linz, 10.03.2010

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des x (alias x), geb. x (alias x alias x), Staatsangehöriger von Somalia, vormals Wagner–Jauregg Nervenklinik, vertreten durch x, p.A. x, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids und der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Schärding nach Aufhebung der h. Entscheidung vom 4. Juni 2008 durch den Verwaltungsgerichtshof zu Recht erkannt:

 

 

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Schubhaftbescheid vom 10. September 2007 sowie die Anhaltung in Schubhaft vom 10. September 2007 bis 29. Februar 2008 werden für rechtswidrig erklärt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 135/2009) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden S a c h v e r­ ­h a l t aus:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (Bf), dessen Identität nicht durch Dokumente nachgewiesen war, hat während seiner Anhaltung in Schubhaft am 11. September 2007 anlässlich seiner über Rechtshilfeersuchen erfolgten fremdenpolizeilichen Einvernahme vor der Bundespolizeidirektion (BPD) Linz einen Asylantrag gestellt. Zuvor hatte die belangte Behörde mit Mandatsbescheid vom 10. September 2007, Zl. Sich 41-97-2007, gegen den Bf auf der Rechtsgrundlage des § 76 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm § 57 Abs 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung oder Zurückschiebung angeordnet. Diesen Schubhaftbescheid übernahm der Bf am 10. September 2007 um 15:21 Uhr persönlich. Er wurde daraufhin zum Vollzug der Schubhaft in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) der Bundespolizeidirektion Linz überstellt.

 

In der Begründung des Schubhaftbescheids hat die belangte Behörde im Wesentlichen folgenden Sachverhalt geschildert:

 

Der Bf reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt illegal ins Gebiet der Republik Österreich ein. Am 8. September 2007 bestieg er mit zwei Landsleuten in Wien Westbahnhof den Schnellzug ICE 28 und reiste gegen 11:30 Uhr über Passau nach Deutschland ein. Anlässlich einer Kontrolle der deutschen Polizei im Zug sei festgestellt worden, dass er sich als mitreisender Angehöriger in einem verfälschten spanischen Reisedokument ausgegeben habe, worauf er von deutschen Polizeibeamten festgenommen und entsprechend dem österreichisch/deutschen Rücknahmeübereinkommen nach Österreich zurückgestellt und der Bezirkshauptmannschaft Schärding vorgeführt wurde. Die Überprüfung des Sachverhalts durch Beamte der Polizeiinspektion (PI) Schärding habe ergeben, dass der Bf bereits am 20. Februar 2007 in Griechenland einen Asylantrag gestellt hatte.

 

Die Fremdenpolizeibehörde verhänge auf der Grundlage des § 76 Abs 1 FPG die Schubhaft, da im weiteren Verfahren noch die Identität genau zu prüfen sei und der Bf nach Erlassung von den Aufenthalt beendenden Maßnahmen unter Anwendung des Dubliner Übereinkommens nach Griechenland zurückzustellen sein werde. Da er kein gültiges Reisedokument besitze und keine aufenthaltsrechtliche Bewilligung habe, halte er sich illegal im Bundesgebiet auf. Es bestünde die Gefahr, dass sich der Bf dem Zugriff entziehen und fremdenpolizeiliche Maßnahmen verhindern könnte. Durch die Anwendung gelinderer Mittel könnte das fremdenpolizeiliche Ziel nicht erreicht werden, da die Identität des Bf nicht feststeht und erst durch Einvernahme unter Beiziehung eines Dolmetschers geklärt werden müsse. Weiters sei anzuführen, dass der Bf weder beruflich, noch sonst in irgendeiner Weise sozial verankert ist.

 

1.2. Bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme am 11. September 2007 (vgl Niederschrift der BPD Linz zu x) unter Beiziehung eines Dolmetschers gab der Bf seine Identität mit x, geb. am x in Mogadischu, Staatsangehöriger von Somalia, und den Beruf Kellner an. Zu seiner Reiseroute bis nach Österreich erzählte der Bf folgende Geschichte:

 

Im Juni 2007 habe er Somalia per Bus verlassen und sei nach Kenia gefahren. Nach etwa zwei Monaten Aufenthalt in Kenia sei der Bf mit dem Bus in ein ihm unbekanntes Land gefahren, wo er ein Schiff bestieg und man ihm nach zwei Tagen gesagt hätte, dass er in Griechenland angekommen sei. Dort hätte man von ihm Fingerabdrücke genommen und ihn aufgefordert, das Land zu verlassen. Von Griechenland sei er auf einem LKW versteckt zwei Tage in eine unbekannte Stadt gefahren. Der Fahrer hätte nichts davon gemerkt. In welchem Land er jetzt wäre wüsste er auch nicht. Den Namen Österreich hätte er noch nie gehört.

 

In der unbekannten Stadt hätte er einen Araber oder auch Palästinenser getroffen, der ihm sagte, dass er einen Pass benötige, wenn er mit dem Zug weiterfahren möchte. Für 200 Euro hätte er dann den Pass mit Foto bekommen. Angeblich hätte er sich 300 Euro von einem Freund an die Adresse des Arabers schicken lassen. In der unbekannten Stadt wären sie drei somalische Staatsbürger gewesen und man hätte ihm gesagt, dass sie in Europa wären. Mit seinen Landsleuten wollte der Bf nach Holland fahren und der Araber hätte die Zugtickets gekauft. Während der Zugfahrt wären sie kontrolliert und festgenommen worden.

 

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der Bf an, dass er verheiratet wäre und eine vierjährige Tochter hätte. Seine Frau wohne mit dem Kind bei seiner Mutter in Mogadischu. Er hätte sieben Geschwister und sein Vater wäre vor zwei Jahren erschossen worden. Er hätte in ein anderes Land wollen, um dort zu arbeiten und Geld nach Hause zu schicken.

 

Nachdem ihm die Absicht der belangten Behörde, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen und ihn nach Somalia abzuschieben, mitgeteilt worden war, stellte er einen Asylantrag.

 

1.3. Mit Aktenvermerk vom 13. September 2007 hielt die belangte Behörde die vom Bf angegebene Identität und den Umstand fest, dass im Hinblick auf den nunmehr gestellten Asylantrag die weitere Schubhaft des Bf als nach § 76 Abs 2 FPG verhängt gelte.

 

Im Aktenvermerk vom 30. Oktober 2007 stellte die belangte Behörde zum Sachstand fest, dass x, geb. x, nach der EURODAC-Anfrage der PI Schärding bereits am 20. Februar 2007 einen Asylantrag in Griechenland gestellt hatte. Auf Grund des in Österreich gestellten Asylantrags sei das Dublin-Verfahren mit Griechenland durch die EASt-West eingeleitet worden.

Am 30. Oktober 2007 sei telefonisch nachgefragt und von der EASt-West mitgeteilt worden, dass auf Grund des Zeitablaufs die Zustimmung zur Rückübernahme durch Griechenland vorliege. Das asylrechtliche Ausweisungsverfahren sei eingeleitet worden. Der Rechtsberater des Bf habe im Asylverfahren einen Antrag auf Altersfeststellung eingebracht. Das Ergebnis bleibe abzuwarten.

 

1.4. Bei der asylbehördlichen Einvernahme des Bf am 29. Oktober 2007 durch das Bundesasylamt Erstaufnahmestelle West (BAA EASt West) erzählte der Bf eine andere Geschichte über seinen Fluchtweg. Danach hätte er Somalia bereits vor 3 Jahren verlassen und wäre nach Libyen gereist, wo er ca. 8 Monate verweilte und als Reinigungskraft arbeitetet. Anschließend wäre er mit dem Boot nach Griechenland auf eine ihm unbekannte Insel gekommen. Dort wäre er von der Polizei festgenommen, fotografiert und seine Fingerabdrücke genommen worden. Am nächsten Tag wäre er in ein Flüchtlingslager gekommen, wo er 10 Tage verbracht hätte. Anschließend hätte er einen Bescheid bekommen und wäre aufgefordert worden, innerhalb eines Monats Griechenland zu verlassen. Die Behörde hätte ihn nach Athen gebracht.

 

Der Bf behauptete, in Griechenland nicht um Asyl angesucht zu haben. Er hätte nur einen "Zettel mit der Ausweisung" von der Polizei bekommen, die ihn nach Athen brachte. Dort hätte er keine Unterkunft von der Behörde erhalten, sondern hätte sich an unterschiedlichen Orten bzw in leer stehenden Wohnungen aufgehalten. Essen hätte er mittags auf einem Platz bekommen. In Athen hätte er sich glaublich ein Jahr und ein paar Monate aufgehalten und unregelmäßig Arbeit gehabt.

 

Für die Schleppung nach Österreich hätte er 750 Euro bezahlt. Seit ca. 2 Monaten wäre er in Österreich. Er hätte Griechenland auf der Ladefläche eines Lkws versteckt verlassen und wäre auf unbekanntem Weg nach Österreich gelangt.

 

Zu seinem Kontakt mit griechischen Behörden befragt, erklärte der Bf in sich widersprüchlich, dass er keinen Kontakt gehabt hätte, aber immer wieder kontrolliert worden wäre. Nach Ablauf eines Monats hätte er jeweils für einen weiteren Monat eine Bestätigung für seinen Aufenthalt bekommen, nachdem er jedes Mal 15 Tage im Gefängnis verbracht hätte. Er wäre mehr als zehnmal von der griechischen Polizei inhaftiert worden.

 

Zu seinen Personaldaten berichtigte der Bf (nunmehr laut AIS mit dem Namen: x alias x und dem Vornamen: x alias x) erstmals sein Geburtsdatum von x auf den x und erklärte damit minderjährig zu sein. Die Asylbehörde hielt ihm vor, dass er dann nach seinen weiteren Angaben im Alter von 10 Jahren Somalia verlassen hätte und in Libyen im Alter von 11 Jahren einer Beschäftigung als Reinigungskraft nachgegangen wäre. Zu diesem Vorhalt meinte der Bf nur, dass sein jetzt angegebenes Lebensalter zuträfe.

 

Die Asylbehörde hielt dem Bf weiters vor, dass auf Grund seines bisherigen Verhaltens und äußeren Erscheinungsbildes davon auszugehen wäre, dass er zumindest das 18 Lebensjahr vollendet habe. Der Bf blieb dabei, im Jahr 1994 geboren worden zu sein. Nunmehr gab er auch an, ledig zu sein, während er am 11. September 2007 noch vor der Fremdenpolizei erklärte, verheiratet zu sein und eine vierjährige Tochter zu haben. Diese Angaben widerrief er und erklärte dazu, dass ihm ein Freund geraten hätte, diese Angaben zu machen.

 

Über Vorhalt seiner Angabe bei der Erstbefragung vor der Polizei Schärding, in Griechenland einen Asylantrag gestellt zu haben und was gegen eine Weiterführung des Asylverfahrens dort spräche, meinte der Bf, er könnte das nicht sagen. Er wüsste nicht, woher der Dolmetscher diese Angaben hatte. Er hätte nur gesagt, dass er in Griechenland keinen Asylantrag stellte. Verwandte im EU-Raum Norwegen oder Island habe er nicht.

 

Die Asylbehörde kündigte dem Bf eine fachärztliche Untersuchung zur Feststellung seines Lebensalters an, womit er sich einverstanden erklärte.

 

Die Mitteilung der Asylbehörde gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 über die beabsichtigte Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz und über Dublin Konsultationen mit Griechenland seit 11. September 2007 wurde dem Bf im Wege des PAZ Linz am 1. Oktober 2007 zugestellt. Darauf Bezug nehmend fragte die Asylbehörde den Bf, ob er konkrete Gründe angeben könnte, die dem entgegenstehen. Der Bf antwortete, dass er nicht nach Griechenland wollte. Er wäre dort wiederholt eingesperrt worden und hätte keine Zukunft gehabt.

 

Die Asylbehörde traf daraufhin im Einzelnen Feststellungen zum griechischen Asylverfahren, für welches die Vorschriften des gemeinschaftlichen Besitzstandes voll verbindlich seien. Der Bf erklärte dazu nur, dass er nicht nach Griechenland wollte.

 

1.5. Der Termin zur Altersfeststellung durch den Psychiater Dr. x fand am 26. November 2007 im PAZ Linz statt. Nach dessen Gutachten ist im Ergebnis das Überschreiten des 18. Lebensjahres beim Bf als sehr wahrscheinlich anzusehen. Weitere Einvernahmen führte die Asylbehörde dann am 17. Dezember 2007 und am 13. Februar 2008 durch.

 

Beim Parteiengehör vom 17. Dezember 2007 wurde der Bf mit dem psychiatrischen Gutachten des Dr. x konfrontiert. Er fragte, wie der Arzt wissen könnte, wann er geboren wurde. Man müsste glauben, was ihm seine Eltern gesagt haben. Das Geburtsdatum x hätte er auf Anraten seiner somalischen Landsleute, mit denen er von der deutschen Polizei aufgegriffen wurde, angegeben.

 

Dem Bf wurde am 13. Februar 2008 vom BAA EASt West vorgehalten, dass er nach Mitteilung der griechischen Behörden unter dem Namen x, geboren am x, einen Asylantrag stellte. Das Asylverfahren hätte nicht weitergeführt werden können, weil der Bf willkürlich den ihm zugewiesenen Wohnsitz verlassen habe. Die griechischen Behörden erklärten sich auch für die Weiterführung des Asylverfahrens zuständig.

 

Der Bf meinte dazu, dass er genug von Griechenland hatte, da er keine Unterstützung erfahren hätte, obwohl er Kriegsflüchtling wäre und auch seine Familie verloren hätte. Wegen der langen Zeit in Griechenland ohne Ergebnis hätte er versucht, woanders einen Asylantrag zu stellen.

 

Über Vorhalt der gutachtlichen Stellungnahme des Dr. x, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 5. Februar 2008, wonach die Überstellung des Bf nach Griechenland möglich sei, erklärte der Bf, dass er nicht dorthin zurück wollte, lieber bliebe er im Gefängnis.

 

1.6. Den fremdenpolizeilichen Akten sind verschiedenen Vorfällen mit dem Bf während seiner Anhaltung im PAZ Linz zu entnehmen.

 

Nach der Meldung des PAZ Linz vom 9. November 2007, Zl. E1/55366/2007, konnte an diesem Tag in der Zeit von 14:30 bis 14:40 Uhr Rauchentwicklung aus der Zelle Nr. 8 wahrgenommen werden. Bei einer Nachschau fanden zwei Polizeibeamte den Bf am Boden liegend und neben ihm eine entleerte 1,5 l Wasserflasche vor. Die Beamten verbrachten den sich aggressiv verhaltenden Bf aus der verrauchten Zelle. Bei einer genauen Inspektion stellte man fest, dass der Abfallkübel zur Hälfte mit zusammengeknülltem Zeitungspapier gefüllt war, welches durchnässt und angebrannt war. Der allein in der Zelle gewesene Bf hatte vermutlich eine Trotzhandlung gesetzt.

 

Nach der Meldung vom 9. Jänner 2008, Zl. E1/1485/2008, wurde ein Polizeibeamter während der Essensabgabe um ca. 11.45 Uhr in der offenen A-Station des PAZ Linz durch das aufgeregtes Verhalten von Schubhäftlingen vor der Dusche aufmerksam. Er begab sich zur Dusche und sah dort den Bf, wie er Anstalten machte, sich mit einem Teil des Toilettenvorhanges zu strangulieren. Er hatte einen Knoten im gekippten Duschraumfenster eingeklemmt und sich eine Schlinge um den Hals gelegt, aus der er dann befreit werden konnte. Der Bf wurde in der Folge dem Amtsarzt und dem Psychiater Dr. x vorgeführt. Dieser gab an, dass sich der Bf mit dem Selbstmordversuch nur freipressen wollte und riet eine Verwahrung in der Sicherungszelle an.

 

Im angeschlossenen "Kurz-Arztbericht" des Psychiaters Dr. x ist vom appellativen Selbstmordversuch durch demonstratives "Erhängen" mittels abgerissenem Vorhangstück die Rede. Zur Vorgeschichte des Bf als "Problemhäftling" wird festgehalten, dass dieser die schon seinerzeit am 13. September 2007 begonnene Medikation bereist seit 20. September 2007 verweigere. Nach dem Anzünden des Inhalts eines Abfalleimers am 9. November 2007 habe die ambulante Vorstellung im Wagner Jauregg Krankenhaus keine feststellbare Psychose ergeben. In der gutachtlichen Stellungnahme des Psychiaters Dr. x an den Amtsarzt der BPD Linz vom 9. Jänner 2008 wird für den Bf die Diagnose mitgeteilt, dass keine posttraumatische Belastungsstörung, Affektlabilität und ein appellativer Selbstmordversuch vorliege. Die Haftfähigkeit wird bejaht und eine Sicherungszelle für erforderlich erachtet. Der Bf blieb weiterhin in Schubhaft.

 

Mit der Meldung des PAZ Linz vom 29. Februar 2008, Zl. E1/10948/2008, wurde schließlich über einen versuchten Ausbruch aus dem PAZ Linz und eine versuchte Selbstbeschädigung durch Anzünden der Kleidung berichtet.

 

Nachdem aus Zelle 22 ein Sägegeräusch wahrgenommen wurde, hat ein Polizeibeamter den Bf bei der Nachschau am 29. Februar 2008 um ca. 12:20 Uhr am Fenstergitter hantieren gesehen. Am mittleren Fenster war der äußerst rechte Gitterstab ca. 1 mm frisch angesägt. Bei der anschließenden Durchsuchung wurden einige Rasierklingen, eine Gürtelschnalle, mit der vermutlich gesägt wurde, und eine 10 m lange Schnur aus Leintüchern zum "Herauffischen" von Gegenständen gefunden. Die drei Schubhäftlinge wurde in einen andere Zelle verlegt.

Nach der Verlegung begann der Bf um 14:10 Uhr in der Zelle zu toben und versuchte mittels Streichhölzer und eines Deosprays seine Kleidung in Brand zu setzen, was vom einschreitenden Polizeibeamten verhindert wurde. Über Weisung des Polizeiarztes wurde der Bf daraufhin ins Wagner Jauregg Krankenhaus gebracht. Die vom PAZ Linz verständigte belangte Behörde verfügte dann die Entlassung des Bf aus der Schubhaft (vgl E-Mail vom 29.02.2008).

 

1.7. Mit Bescheid des BAA vom 28. Februar 2008, Zl. 07 08.290-EAST-WEST, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und der Bf gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in diesen Staat gemäß § 10 Abs 4 AsylG 2005 für zulässig erklärt. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig berufen.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats (UBAS) vom 1. April 2008, Zl. x (Zustellung am 1.04.2008 per Telefax an EASt West), wurde die Berufung gegen den Erstbescheid abgewiesen.

 

Nach Wiedergabe des wesentlichen Verfahrensganges stellte der UBAS fest, dass die Identität des Bf mangels Vorlage von Personaldokumenten nicht festgestellt werden konnte. Weiters wird festgestellt, dass Österreich am 11. September 2007 gemäß Art 10 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ein Wiederaufnahmegesuch an Griechenland gestellt habe. Mit E-Mail vom 9. Februar 2008 stimmte Griechenland diesem Wiederaufnahmeansuchen gemäß Art 20 Abs 1 lit c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zu und erklärte sich zur Rückübernahme bereit. Ein Familienleben iSd Art 8 EMRK zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich besteht nicht.

 

Nach Darstellung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen pflichtete der UBAS der erstbehördlichen Zurückweisung gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005 bei und hielt Österreich auch mit näherer Begründung nicht für verpflichtet, vom Selbsteintrittsrecht nach Art 3 Abs 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Gebrauch zu machen. Denn der UBAS kommt zum Ergebnis, dass keine reale Gefahr einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung des Bf in Griechenland besteht, bei welchem Mitgliedsstaat der EU es sich um einen Rechtsstaat mit funktionierender Staatsgewalt handle. In Griechenland sei sowohl asylrechtlicher Schutz als auch Refoulement-Schutz gewährleistet.

 

Die wiederholt ins Treffen geführten psychischen und physischen Probleme des Asylwerbers machten eine Antragszurückweisung keineswegs unzulässig. Die Untersuchung vom 5. Februar 2008 durch einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie brachte keine schwere psychische Störung hervor, welche einer Überstellung nach Griechenland entgegenstünde. Auch aus der Vorlage weiterer ärztlicher Stellungnahmen vom 13. und 16. März 2008, denen das Vorliegen einer "depressiven Episode" mit der Empfehlung einer Psychotherapie zu entnehmen war, konnte der UBAS keine nachvollziehbaren Gründe ableiten, die einer Rückführung entgegenstünden oder die eine medizinische Betreuung in Griechenland als nicht hinreichend gesichert erscheinen ließen.

 

Zur behaupteten Minderjährigkeit verwies der UBAS auf das fachärztliche Gutachten zur Volljährigkeit des Bf, in dem anhand nachvollziehbarer Kriterien das Überschreiten des 18. Lebensjahres als sehr wahrscheinlich eingestuft wurde. Außerdem habe der Bf seine Personaldaten bisher frei nach Belieben geändert, weshalb seinen Angaben objektiv keinerlei Glaubwürdigkeit beizumessen sei. Auch die Vertreterin des Asylwerbers, eine Repräsentantin der Caritas, scheine von dessen Volljährigkeit auszugehen, da ansonsten eine rechtskonforme Bevollmächtigung ihrer Person nicht in Betracht zu ziehen wäre. Dafür spräche auch, dass am Deckblatt des Berufungsschriftsatzes als Geburtsdatum der 12. September 1979 vermerkt wurde.

 

Der Behauptung im Rechtsmittelschriftsatz, der Bf wäre in Griechenland niemals in einem Haus mit anderen Asylwerbern untergebracht worden, hielt der UBAS die Anfragebeantwortung der griechischen Behörden vom 9. Februar 2008 entgegen, wonach das Asylverfahren nur deshalb zwischenzeitlich eingestellt wurde, weil sich der Bf ohne Angabe einer neuen Wohnadresse unentschuldigt entfernt hatte. Vor dem Hintergrund der inhaltlich massiv divergierenden Aussagen des Asylwerbers zu seinem Aufenthalt in Griechenland könne die These der Berufung, dass es sich bei der Stellungnahme der griechischen Behörden nur um eine "Schutzbehauptung" handelte, nicht einmal in Ansätzen nachvollzogen werden.

 

1.8. Den vorgelegten fremdenpolizeilichen Akten ist weiter zu entnehmen, dass die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck in Kenntnis der Berufungsentscheidung des UBAS mit Schreiben vom 2. April 2008, Sich40-1563-2008, der PI St. Georgen i.A. einen Festnahmeauftrag im Hinblick auf eine für den 3. April 2008 geplante Abschiebung des Bf auf dem Luftweg nach Griechenland erteilte. Nach dem Bericht der PI St. Georgen i.A. vom 3. April 2008, Zl. x, wurde der Bf um 04:20 Uhr in seinem Zimmer in der EASt West festgenommen, um ihn noch am selben Tag über x nach Griechenland abzuschieben. Nach der angeschlossenen Vorfallsmeldung leistete der Bf zunächst den Aufforderungen der Beamten ohne Widerstand Folge. Um 04:30 Uhr sprang er plötzlich aus dem geöffneten Fenster seines im ersten Stock gelegenen Zimmers aus ca. 5 m Höhe hinunter und verletzte sich dabei. Er wurde mit dem Notarztwagen ins LKH x eingeliefert. Er erlitt nach Auskunft der Unfallambulanz eine kleine knöcherne Absplitterung im Sprunggelenk und erhielt einen Spaltgips, der in zwei Tagen durch einen Gehgips ersetzt werden könne. Durch die Verletzung sei keine Fluguntauglichkeit gegeben (Aktenvermerk der BH Vöcklabruck vom 3.04.2008). Wegen Bewusstseinstrübungen wurde der Bf nach der ärztlichen Unfallversorgung ins Wagner Jauregg Krankenhaus eingeliefert.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck organisierte daraufhin eine Überstellung des Bf gemäß dem Dublin Abkommen nach Griechenland für den 10. April 2008 und erteilte dem PAZ Linz einen Abschiebeauftrag für den Abflug in Wien-Schwechat um 12:05 Uhr (Schreiben vom 8.04.2008). Dieser Auftrag wurde allerdings am nächsten Tag storniert, weil der Bf aus Sicht des behandelnden Arztes selbstmordgefährdet und daher nicht entlassungsfähig wäre (E-Mail der BH Vöcklabruck, Fremdenpolizei vom 9.04.2008)

 

Nach der zuletzt aktenkundigen mit 9. April 2008 datierten fachärztlichen Stellungnahme des Oberarztes Dr. x von der Psychiatrie 1 der Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg ist der Bf vom 29. Februar bis 19. März 2008 und danach seit 3. April 2008 laufend auf der Abteilung G 201 stationär in Behandlung. Es bestünde eine schwere depressive Episode mit rezenter Selbstmordgefahr. Der Patient sei bis auf weiteres nicht entlassungsfähig.

 

1.9. Mit der am 14. April 2008 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangten Eingabe vom 10. April 2008 (Postaufgabe) erhob der Bf (angegebene Personaldaten: x, geb. x, StA Somalia, dzt. Wagner-Jauregg Nervenklinik) durch seine mit angeschlossener Vollmacht vom 11. Februar 2008 ausgewiesene Rechtsvertreterin x von der x "Beschwerde gem. §§ 82f FPG 2005" und stellte die Anträge, die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids der belangten Behörde vom 10. September 2007 und der Anhaltung in Schubhaft auf Grund dieses Schubhaftbescheides festzustellen.

 

Mit Schreiben des Amtes für Soziales, Jugend und Familie (ASJF) vom 8. Mai 2008, Zl. 0016813/2008, wurde "der Schubhaftbeschwerde der Caritas Linz, eingebracht durch Frau x" zugestimmt und der Beschluss des Verwaltungsgerichthofs vom 7. Mai 2008, Zl. AW 2008/01/0300-2, vorgelegt, mit dem der Beschwerde gegen den Bescheid des UBAS vom 1. April 2008, Zl. 318.275-1/5E-V/13/08, die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

 

Weiters wird eine Ablichtung des am 29. April 2008 beim Bezirksgericht Linz zu Zl. x aufgenommenes Protokoll in der Pflegschaftssache des "mj. x, geb. x wegen Obsorge" vorgelegt. Aus diesem Protokoll geht folgender Beschluss des Bezirksrichters hervor:

 

"Mit der Obsorge für den mj. x, geb. x, wird das Land Oberösterreich, vertreten durch das ASJF Linz, betraut."

 

Bei der Parteienvernehmung durch den Bezirksrichter gab der Bf an, dass er nicht genau wisse, wie das Datum x im Akt auftauchte, er hätte immer 1993 als sein Geburtsjahr angegeben. Das hänge offenbar mit der Übersetzung zusammen. Er sei in Somalia in Afgoje aufgewachsen und bis zu seiner Ausreise dort gewesen. Wie viele Jahre das waren, wüsste er nicht.

 

2.1. Die Beschwerde bringt begründend vor, dass sich der Schubhaftbescheid vom 10. September 2007 auf eine falsche Rechtsgrundlage stützte. Die belangte Behörde hätte § 76 Abs 2 FPG (Sonderbestimmung bei Antrag auf internationalem Schutz) und nicht § 76 Abs 1 FPG anwenden müssen. Die Inschubhaftnahme zur Prüfung der Identität des Bf wäre rechtswidrig gewesen, weil weder notwendig noch gesetzlich vorgesehen. Der Bf habe den richtigen Namen angegeben, mit dem er auch in Griechenland registriert worden wäre. Zudem hätte die Behörde gemäß § 77 FPG von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen müssen. Nach dem § 2 Abs 1 Grundversorgungsgesetz-Bund gewähre der Bund Asylwerbern im Zulassungsverfahren Grundversorgung in einer Betreuungseinrichtung. Auch wenn der Bf zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft den Asylantrag noch nicht eingebracht hatte, so müsste der Behörde mit der Einbringung am 29. Oktober 2007 offensichtlich gewesen sein, das der Bf als Asylwerber gelte und die Versorgung in der Bundesbetreuung gewährt werden würde. Dadurch hätte die belangte Behörde das gelindere Mittel zu gewähren gehabt, da dem Bf nicht von vorneherein unterstellt werden hätte können, dass er sich dem Verfahren entziehen werde. Die Anhaltung wäre zumindest ab 29. Oktober 2007, dem Zeitpunkt der Einbringung des Asylantrags, als rechtswidrig zu betrachten.

 

Am 29. Oktober 20007 habe der Bf auch sein Geburtsdatum richtig gestellt und den x angegeben. In seinem Gutachten zur Überschreitung des 18. Lebensjahres halte Dr. Lindenbauer eine neuerlichen Begutachtung nach zumindest 6 Monaten für nötig, was darauf hindeute, dass der Gutachter sein Gutachten noch nicht als abgeschlossen betrachte und von seinem Ergebnis nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgehe. Die weiteren Ausführungen bezweifeln die tatsächlichen Annahmen des Gutachters. Es könne nicht von Bartwuchs oder reifen Gesichtszügen beim Bf ausgegangen werden. Auch in psychosozialer Hinsicht erfülle das Gutachten nicht die Anforderungen von anerkannten Psychiatern. Auch eine nach international Standard vorhandene Schätzdiskrepanz von 24 Monaten hätte berücksichtigt werden müssen. Das Gutachten Dris. x sei daher nicht geeignet, die Minderjährigkeit des Bf zu widerlegen, weshalb gelindere Mittel anzuwenden gewesen wären. Zum Beweis wird auf nicht angeschlossene Literatur hingewiesen.

 

Nach seinem Selbstmordversuch im Jänner 2008 wäre der Bf in Linz vom Amtsarzt Dr. x untersucht worden. Warum dieser Arzt zum Ergebnis kam, dass der Selbstmordversuch nur vorgetäuscht war, sei keineswegs nachvollziehbar. Auch das BAA hätte nicht näher erklären können, welche Anhaltspunkte für eine Scheinstrangulation sprachen. Der Antrag des Bf an das BAA vom 13. Februar 2008 ein neuerliches Gutachten über seine schlechte psychische Verfassung erstellen zu lassen, wäre mit der Begründung abgelehnt worden, der Amtsarzt hätte den Bf seit September 2007 betreut und müsse nicht an der Richtigkeit seiner Diagnose gezweifelt werden.

 

Diese Argumentation ginge allerdings ins Leere. Der Bf wäre am 29. Februar 2008 mit einer sog. mutistischen Störung, einer gravierenden psychischen Erkrankung, in die Nervenklinik Wagner Jauregg eingeliefert worden. Diese zeichne sich durch einen vollkommenen Rückzug aus und sei durch Schmerzunempfindlichkeit gekennzeichnet. Eine Vortäuschung dieser Krankheit sei nicht möglich. Das amtsärztliche Begutachtungsverfahren hätte daher auf eine Fehleinschätzung beruht und wäre der Bf zumindest seit dem ersten Selbstmordversuch als haftunfähig zu betrachten gewesen.

 

Im gerichtlichen Unterbringungsverfahren sei schließlich en Gutachten erstellt worden, aus dem hervorgehe, dass der Bf an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Dadurch werde belegt, dass die Inschubhaftnahme, zumindest aber die weitere Anhaltung ab dem Zeitpunkt des ersten Selbstmordversuches rechtswidrig gewesen wäre. Derzeit befände sich der Bf auf Grund eines erneuten Selbstmordversuches am 2. April 2008 in der Wagner Jauregg Nervenklinik.

 

Insgesamt wäre die Anhaltung des Bf in Schubhaft nicht notwendig und unverhältnismäßig gewesen, weil zur Sicherung des Verfahrens auch ein Verbleib in der Bundesbetreuung ausgereicht hätte.

 

2.2. Dem der Beschwerde in Kopie beiliegenden, im Unterbringungsverfahren des Bezirksgerichts Linz zu x eingeholten Gutachten vom 16. März 2008 der Dr. x, gerichtlich beeidete Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, ist zu entnehmen, dass x geb. x, mit der Diagnose "schwere depressive Episode, st. p. SMV DD Akute Belastungsreaktion infolge erheblicher Selbstgefährdung" ohne Verlangen untergebracht worden war.

 

Nach der Exploration am 13. März 2008 kam die Gutachterin zu folgenden Ergebnissen:

 

"Psychischer Status:

 

 

Herr x ist wach, orientiert, der Ductus formal geordnet und auch inhaltlich unauffällig. Auffassung und Konzentration sind im Normbereich, die Mnestik intakt. Die Stimmungslage ist depressiv, er verzweifelt, von SMG nicht distanziert. Affektiv ist er fast nur im negativen Skalenbereich affizierbar, lediglich, wenn Hilfe von der Caritas in Aussicht gestellt wird, ist er auch im positiven Skalenbereich affizierbar. Im Verhalten ist er situativ angepasst, es ist keine produktive Symptomatik vorhanden.

 

 

ZUSAMMENFASSUNG

 

 

Dg.: Posttraumatische Belastungsstörung, schwere depressive Episode mit St.p. SMV.

 

Herr x gibt an, dass er sich unter der Behandlung ho. etwas besser fühlt, die Angstzustände, der Grübelzwang sind weniger geworden, aber noch vorhanden. Die anfängliche Inappetenz ist gebessert. Er nimmt jede Hilfe, die ihm angeboten wird dankbar an, er würde aber, sollte ihm die Abschiebung drohen, oder, sollte er neuerlich in Schubhaft genommen werden, sich sicherlich das Leben nehmen. Sein Leben hätte keinen Sinn mehr für ihn.

 

So gehe ich heute noch von ernster, erheblicher und unmittelbarer Selbstgefährdung bei einer Erkrankung im Sinne des UbG aus und sehe keine Behandlungsalternative."

 

2.3. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 29. April 2008 die den Bf betreffenden fremdenpolizeilichen Akten vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

 

3.1. Mit Erkenntnis vom 8. September 2009, Zl. 2008/21/0566-5, ho. eingelangt am 22. Oktober 2009, hat der Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtsgang die teils zurück und teils abweisende Entscheidung des Oö. Verwaltungssenats vom 4. Juni 2008 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben. Auf Grund der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichthofs waren ergänzende Erhebungen zum genauen Zeitpunkt der Stellung des (ersten) Asylantrags und der Erstbefragung des Bf nach dem AsylG 2005 durchzuführen.

 

Die belangte Behörde hat auf Ersuchen des Oö. Verwaltungssenats mit Schreiben vom 10. Februar 2010 ergänzend berichtet. Danach hatte der Bf bereits am 10. September 2007 um 09:00 Uhr einen Asylantrag bei der PI Schärding gestellt. Die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgte dann ab 14:56 Uhr. Aus der von der belangten Behörde vorgelegten Niederschrift über die Erstbefragung geht dies auch eindeutig hervor.

 

In dem offenbar nach der Schubhaftverhängung angefertigten Aktenvermerk vom 10. Jänner 2007 wird vom Asylantrag des Bf bei der PI Schärding und einem EURODAC-Treffer betreffend einen früheren Asylantrag in Griechenland berichtet und dann im Widerspruch zum Schubhaftbescheid behauptet, dass der Bf zur Einleitung des Dublinverfahrens mit Griechenland (das wäre im Grunde des § 76 Abs 2 Z 4 FPG) in Schubhaft genommen worden wäre. Dies entspricht aber nicht der tatsächlichen Begründung und auch nicht dem Sinn des nachfolgenden Aktenvermerks vom 13. September 2007.

 

Bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme am 11. Jänner 2007 im PAZ Linz stellte der Bf neuerlich einen Asylantrag. Die belangte Behörde hat dann im Aktenvermerk vom 13. September 2007 zum Betreff "Weitere Anhaltung in Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Fremdengesetz 2005" (gemeint wohl Fremdenpolizeigesetz 2005) auf beide Asylanträge des Bf vom 10. (Zl. 07.08.290) und vom 11. September 2007 (Zl. 07.08.339) Bezug genommen und dann angeführt, dass die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens aufrecht bleibe und als nach § 76 Abs 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 verhängt gelte.

 

3.2. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erscheint nach der Aktenlage und durch die ergänzende Erhebung im Hinblick auf das ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs hinreichend geklärt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Mit Art 2 des großteils am 1. Jänner 2010 in Kraft getretenen Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 (BGBl Nr. 122/2009) wurden zahlreiche Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 geändert. Da keine Übergangsvorschriften anzuwenden sind, können sich Änderungen auch im gegenständlichen Verfahren auswirken.

 

Gemäß § 9 Abs 2 Satz 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft nach wie vor weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

 

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG idF BGBl I. Nr. 122/2009 ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs 1 Z 2 oder 3 leg.cit. der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs 1 Z 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Nach § 83 Abs 2 FPG gelten die §§ 67c bis 67g sowie § 79 AVG mit der Maßgabe, dass

  1. eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint; und
  2. die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet.

 

Nach dem unverändert geltenden § 83 Abs 4 FPG, hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

4.2. In der aufgehobenen Schubhaftentscheidung hatte der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die Ansicht vertreten, dass die für Maßnahmenbeschwerden vorgesehene Sechswochenfrist des § 67c Abs 1 AVG in gleicher Weise auch für Schubhaftbeschwerden gilt. Danach begänne die Frist ab Kenntnis von der Anhaltung in Schubhaft zu laufen, da der Beschwerdeführer im Regelfall durch die Anhaltung in Schubhaft nicht gehindert ist, eine Beschwerde dagegen zu erheben. Da die gegenständliche Schubhaftbeschwerde erst am 10. April 2008 zur Post gegeben wurde und die Tage des Postlaufs gemäß § 33 Abs 3 AVG in die Frist nicht eingerechnet werden, nahm der Oö. Verwaltungssenat an, dass die Beschwerde mit der Postaufgabe am 10. April 2008 als eingebracht gilt und dieses Datum für die Fristrückberechnung maßgeblich ist. Die Beschwerde wurde demnach nur für die Anhaltung des Bf in Schubhaft am 28. und 29. Februar 2008 als rechtzeitig angesehen. Für den davor liegenden Zeitraum vom 10. September 2007 bis 27. Februar 2008 wurde sie als verspätet zurückgewiesen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Hinweis auf die Entscheidungsgründe in seinem vorangegangenen Erkenntnis vom 30. April 2009, Zl. 2008/21/0565, die zurückweisende Entscheidung des Oö. Verwaltungssenats als verfehlt angesehen und eine meritorische Erledigung für den gesamten Zeitraum der Anhaltung gefordert. In dieser früheren Entscheidung wurde näher begründet, dass die Beschwerdefrist des § 67c Abs 1 AVG erst mit dem Wegfall der als einheitliche Maßnahme zu betrachtenden Schubhaft zu laufen beginne, wobei auch der Schubhaftbescheid einzubeziehen sei. Daher könne die Beschwerde noch innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Beendigung der Schubhaft uneingeschränkt erhoben werden.

 

Im vorliegenden Fall wurde der Bf wurde von der deutschen Polizei nach dem österreichisch-deutschen Rückübernahmeabkommen am 10. September 2007 nach Oberösterreich zurückgestellt und von Beamten der PI Schärding im Auftrag der belangten Behörde übernommen und fremdenpolizeilich festgenommen. Den gemäß § 57 AVG erlassenen Schubhaftbescheid der belangten Behörde übernahm er am 10. September 2007 um 15:21 Uhr. In weiterer Folge wurde er noch am gleichen Tag zum Vollzug der Schubhaft ins PAZ Linz überstellt. Am 29. Februar 2008 wurde er über Anordnung der belangten Behörde aus der Schubhaft entlassen, weil er über Weisung des Polizeiarztes nach versuchter Selbstbeschädigung um 14:10 Uhr ins Wagner Jauregg Krankenhaus eingeliefert wurde (vgl Bericht des PAZ Linz vom 29.02.2008).

 

Der Oö. Verwaltungssenat ist zuständig, weil die Schubhaft von einer Behörde angeordnet wurde, die ihren Sitz in Oberösterreich hat. Im Grunde der Ansicht des Verwaltungsgerichthofs ist die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft für den gesamten Zeitraum zulässig, weil die Beschwerde innerhalb von sechs Wochen ab Beendigung der Schubhaft einlangte.

 

4.3. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

1.     gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.     gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.     gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4.     auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Gemäß § 76 Abs 3 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Nach § 76 Abs 6 FPG kann die Schubhaft aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Liegen die Voraussetzungen des § 76 Abs 2 FPG vor, gilt die Schubhaft als nach dieser Gesetzesstelle verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft nach Abs 2 ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

4.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nunmehr die Rechtmäßigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung des Bf in Schubhaft für den gesamten Zeitraum vom 10. September 2007 bis 29. Februar 2008 zu überprüfen. Zur erforderlichen meritorische Prüfung des gesamten Zeitraums hat der Verwaltungsgerichthof in seinem aufhebenden Erkenntnis vom 8. September 2009, Zl. 2008/21/0566, unter Hinweis auf das Vorbringen der Schubhaftbeschwerde vom 10. April 2008 auf Seite 4 wörtlich ausgeführt:

 

          "Dabei wäre zunächst die Prüfung des Vorbringens geboten gewesen, die Schubhaft sei erst nach (erstmaliger) Stellung des Antrages auf internationalen Schutz angeordnet worden (in der Verwaltungsbeschwerde wird ausgeführt, selbst die Erstbefragung habe noch am 10. September 2009 um 09.00 Uhr 'stattgefunden', während die Bezirkshauptmannschaft Schärding die Übernahme des die Schubhaft aussprechenden Bescheides vom 10. September 2007 mit 15.21 Uhr protokolliert).

Die erkennbar auf § 76 Abs. 1 FPG gestützte Anordnung der Schubhaft (vgl. dazu neben dem Inhalt des genannten Bescheides auch den § 76 Abs. 6 FPG entsprechenden Aktenvermerk vom 13. September 2007) erwiese sich, sollte der Antrag auf internationalen Schutz damals bereits gestellt worden sein, als verfehlt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2008, Zl. 2008/21/0582, man)."

 

4.5. Der Schubhaftbescheid wurde vom Bf am 10. September 2007 um 15:21 Uhr persönlich übernommen. Wie der Bescheidbegründung ausdrücklich zu entnehmen ist, hat die belangte Behörde die Schubhaft auf § 76 Abs 1 FPG gestützt. Als Schubhaftzwecke werden die fremdendpolizeilichen Ziele der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung jeweils bis zur Durchsetzbarkeit, der Sicherung der Abschiebung und der Zurückschiebung angeführt. Diese Zwecke können sinnvoll nur alternativ verstanden werden. In der Begründung des Bescheides ist einerseits von der Anwendung des Dubliner Abkommens und einer Zurückstellung nach Griechenland, andererseits aber ganz allgemein von der Anordnung geeigneter fremdenpolizeilicher Maßnahmen die Rede, die nach Feststellung der Identität und Einvernahme des Bf geplant seien.

 

Im nachträglich erstellten Aktenvermerk der belangten Behörde vom 10. September 2007 wurde aktenwidrig behauptet, dass der Bf "zur Einleitung des Dublinverfahren mit Griechenland" in Schubhaft genommen worden wäre. Tatsächlich ist der Schubhaftzweck des § 76 Abs 2 Z 4 FPG im Schubhaftbescheid nicht erwähnt worden. Wenn der nachfolgende Aktenvermerk vom 13. September 2007 aus Anlass der Asylanträge des Bf davon spricht, dass die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens aufrecht bleibe und als nach § 76 Abs 2 FPG verhängt gelte, ist daraus abzuleiten, dass auch nach Meinung der belangten Behörde die Schubhaft bisher auf den § 76 Abs 1 FPG gestützt worden war.

 

Die Erstbefragung des Bf am 10. September 2007 erfolgte ab 14:56 Uhr und damit jedenfalls noch vor der Erlassung des Schubhaftbescheides. Den Asylantrag vom 10. September 2007 hatte der Bf demnach nicht während der Anhaltung in Schubhaft gestellt, weil der Schubhaftbescheid noch nicht erlassen war. Daraus folgt weiter, dass § 76 Abs 6 FPG schon deshalb nicht anwendbar war, weil der Bf nicht während der Anhaltung in Schubhaft, sondern schon davor einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

Nach § 2 Abs 1 Z 14 AsylG 2005 ist Asylwerber ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz ist nach § 17 Abs 2 und 3 AsylG 2005 eingebracht, wenn er persönlich bei der Erstaufnahmestelle oder einer Außenstelle des Bundesasylamts gestellt wird. Unterbleibt - wie im gegenständlichen Fall nach § 45 Abs 2 AsylG 2005 - eine Vorführung vor die Asylbehörde, weil der Antrag voraussichtlich wegen Unzuständigkeit Österreichs zurückzuweisen sein wird und der Fremde der Fremdenpolizeibehörde vorgeführt wurde, so gilt der Antrag gemäß § 17 Abs 6 AsylG 2005 nach Durchführung der Befragung und erkennungsdienstlichen Behandlung als eingebracht. Daher hätte die belangte Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung ihrer Entscheidung über die Schubhaft des Bf bereits davon ausgehen müssen, dass der Bf als Asylwerber anzusehen ist, weil die Erstbefragung im Asylverfahren durch Beamte der PI Schärding bereits erfolgt war und keine Vorführung mehr in Betracht kam.

 

Gemäß § 1 Abs 2 Satz 1 FPG ist auf Asylwerber u.a. der § 76 Abs 1 FPG nicht anzuwenden. Die belangte Behörde war daher nicht berechtigt, die Schubhaft auf der Grundlage des § 76 Abs 1 FPG zu verhängen. Wie der Verwaltungsgerichthof in seiner aufhebenden Erkenntnis vom 8. September 2009 schon klargestellt hat, erweist sich die erkennbar auf § 76 Abs 1 FPG gestützte Anordnung der Schubhaft im Hinblick auf den bereits zuvor gestellten Asylantrag als verfehlt.

 

Nur eine rechtmäßig auf § 76 Abs 1 FPG gestützte Schubhaft kann gemäß § 76 Abs 6 Satz 1 aufrechterhalten werden, ohne dass die Voraussetzungen des § 76 Abs 2 vorliegen müssen, weil der Fremde erst während der Schubhaft die Stellung eines Asylwerbers erlangt hat. Das von der belangten Behörde ohnehin unterlassene Festhalten der Voraussetzungen des § 76 Abs 2 FPG hätte nur im Zusammenhang mit der dann möglichen längeren Schubhaftdauer nach § 80 Abs 5 FPG Bedeutung (vgl zum Ganzen VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582 mit Hinweis auf E zur RV, 952 BlgNR 22. GP, 104).

 

Wie schon dargelegt, konnte im gegenständlichen Fall die nach § 76 Abs 1 FPG unrechtmäßig verhängte Schubhaft nicht im Grunde des § 76 Abs 6 FPG aufrechterhalten werden. Schon aus diesem Grund war die Schubhaft in ihrer Gesamtheit rechtswidrig.

 

4.6. Im Zeitpunkt des Schubhaftbescheides wäre als Grundlage für die Schubhaft grundsätzlich an § 76 Abs 2 Z 4 FPG zu denken gewesen, zumal im Hinblick auf den EURODAC-Treffer bezüglich Griechenland mit einem zurückweisendem Bescheid des Asylbehörde und der Einleitung eines Ausweisungsverfahrens (vgl die am 12.09.2007 übersendete Mitteilung des BAA EASt West nach dem § 29 Abs 3 AsylG 2005) gerechnet werden konnte. Dabei wäre aber zu beachten gewesen, dass nach der herrschenden höchstgerichtlichen Judikatur das Vorliegen des Schubhaftgrundes nach § 76 Abs 2 Z 4 FPG allein die Schubhaft noch nicht rechtfertigen kann.

 

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist bei Eingriffen in das Recht auf persönliche Freiheit stets das unmittelbar anwendbare Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl Erk. des VfGH vom 24.6.2006, B 362/06). Die zuständige Fremdenpolizeibehörde ist stets dazu verpflichtet, die einzelnen Schubhafttatbestände verfassungskonform auszulegen und eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen (vgl Erk. des VfGH vom 15.6.2007, B 1330 und 1331/06).

 

Dementsprechend judiziert der Verwaltungsgerichtshof mittlerweile in ständiger Judikatur, dass auch die Gründe, aus denen über einen Asylwerber gemäß § 76 Abs 2 FPG Schubhaft angeordnet werden kann, im Lichte des Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen sind, wobei eine verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen ist. Hieraus folge die Verpflichtung der die Schubhaft anordnenden Behörde nachvollziehbar darzulegen, inwiefern die Anordnung der Schubhaft erforderlich ist, um den Sicherungszweck zu erreichen. In diesem Sinn seien auch Überlegungen anzustellen, ob dem Sicherungszweck bereits durch die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG entsprochen werden kann (vgl je mwN VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051 unter Hinweis auf Erk. des VfGH 24.6.2006, Zl. B 362/06; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0027). Im Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, hat der Verwaltungsgerichtshof zudem ausgeführt, dass dies im Ergebnis bedeute, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs 2 FPG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein darf.

 

Im vorliegenden Fall wäre zu bedenken gewesen, dass der Bf im asylrechtlichen Zulassungsverfahren gemäß § 2 iVm § 9 Grundversorgungsgesetz-Bund 2005 einen Rechtsanspruch auf Grundversorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes (EASt West) gehabt hätte. Solange er aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden kann, besteht danach auch ein Grundversorgungsanspruch durch das Land Oberösterreich (vgl Oö. Grundversorgungsgesetz 2006, LGBl Nr. 12/2007). Somit wäre zumindest vorerst nicht von einer Unterkunfts- und Mittellosigkeit auszugehen gewesen. In solchen Fällen der möglichen Unterbringung von Asylwerbern in einer Betreuungseinrichtung ist im Zweifel die Anwendung gelinderer Mittel im Sinne des § 77 Abs 3 FPG angebracht. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies tendenziell erst jüngst wieder zum Ausdruck gebracht (vgl VwGH 22.12.2009, Zl. 2007/21/0316). Die gegebenen Umstände im Zeitpunkt des Schubhaftbescheides rechtfertigten daher auch keine Ermessensübung, die Schubhaft anstelle gelinderer Mittel anzuordnen.

 

5. Im Ergebnis war der Schubhaftbeschwerde aus den angeführten Gründen Folge zu geben und der Schubhaftbescheid vom 10. September 2007 sowie die darauf beruhende Anhaltung in Schubhaft bis 29. Februar 2008 für rechtswidrig zu erklären. Auf das weitere Vorbringen der Beschwerde brauchte nicht mehr eingegangen zu werden.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bf gemäß § 79a Abs 2 AVG als obsiegende Partei und die belangte Behörde als unterlegene Partei anzusehen. Da Aufwandersatz aber gemäß § 79a Abs 6 AVG nur auf Antrag der obsiegenden Partei zu leisten ist und kein entsprechender Antrag gestellt wurde, war keine Kostenentscheidung zu Gunsten des Bf zu treffen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind die angefallenen Stempelgebühren von insgesamt 33,60 Euro laut Gebührenkontrollliste bereits am 15.10.2008 entrichtet worden.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

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